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Sunday Listen: Les Jupes – „Some Kind Of Family“


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Bereits mit den ersten Tönen von „Some Kind Of Family“ wird klar: Diese Band ist verdammt cool. Oder, genauer: war – leider. Galten Les Jupes anno 2015, zu Zeiten der Veröffentlichung ihres zweiten Albums, noch als „Canada’s next great band“, war das Quartett auch schon wieder Geschichte. Das mag ihrem Schwanengesang freilich auch fünf Jahre danach noch einen etwas bittersüßen Beigeschmack verleihen, dennoch hat die Band aus dem kanadischen Winnipeg, Manitoba (woher freilich auch eine andere große kanadische Band stammt) mit „Some Kind Of Family“ ein kleines, wenig beachtetes atmosphärisches Indierock-Meisterwerk geschaffen, das die Qualität besitzt, einen zu packen und auf längere Zeit nicht wieder loszulassen…

skof_cover_high_res_printUnd tatsächlich blitzt im ein oder anderen Moment des Nachfolgers zum 2011 erschienenen „Modern Myths„, das eine ebenso breit aufgebaute Genre-Spannweite zwischen Wave und Pop, Indie Rock, Folk sowie Americana aufwies, etwas Magisches hervor. Außerdem: viel Grüblerisches, Dunkles und dennoch irgendwie Optimistisches. Trotzdem kann man sich, sobald Frontmann Michael Petkau Falk seine tieffrequente Stimme erhebt, kaum dagegen wehren, Vergleiche anzustrengen. An Nick Cave etwa. An Tom Waits vielleicht. An Madrugada-Tieftöner Sivert Høyem sicherlich. Und natürlich, unweigerlich an Matt Berninger. Da ist’s auch kaum verwunderlich, dass Marcus Paquin, der wenig zuvor „Trouble Will Find Me“, das sechste Studiowerk von The National, produziert hat (zu einer Zeit also, in der die Dessner-Zwillinge noch nicht alles selbst übernahmen), hinter den Reglern saß. Daher kann man schon mal behaupten: Wer die indierockige, dezent schwelgerische Seite von The National liebt (man denke etwa an frühere Großtaten von „Alligator“ über „Boxer“ bis hin zu „High Violet“), der wird auch an den Songs von Les Jupes Gefallen finden. Versprochen.

Und die vierköpfige Band um Michael Petkau Falk legt schon zu Beginn von „Some Kind Of Family“ die Messlatte recht hoch: „When They Dig Us Up“ überzeugt mit satten Gitarren-Licks, während Schlagzeuger Jordon Ottenson schon zur Eröffnung daran zu arbeiten scheint, sein Instrumentarium während des flotten Refrains des Songs, der dem Ganzen etwas Punkrock-Feeling verleiht, zu erlegen. Runter schalten? Fehlanzeige. „Everything Will Change“ legt ein ebenso zügiges Tempo vor, wobei sich Ottenson diesmal für schlurfende Beats entscheidet und Falk einen klagenden Refrain abliefert, der verletzlich und roh genug erscheint, um seinen Stimmbänder ordentlich zuzusetzen. In „The Brothers“ lässt Falk seinen Gesang in weitaus melodiösere Gefilde wandern und fügt sich so organisch in die minimalistische Instrumentierung ein, die langsam und bis zum letzten Moment Spannung aufbaut, während Adam Fuhrs Keyboard stromlinienförmig den Takt vorgibt. Selbiges – das Keyboard – ist auch der heimliche Star von „Bro.Sis“, das mit umwerfend poppigen, geradezu Killers’esken Synthie-Lines beginnt, die perfekt zu Falks hallendem Gesang und den undurchsichtigen, verträumten Texten über das Halten „der Zügel von 100 Pferden“ passt. Natürlich mögen Les Jupes in diesen Songs weder außerordentlich originell noch originär tönen, dennoch hält die Band zu jeder Minute den Spannungsbogen aufrecht – und zollt ein klein wenig ihren Einflüssen Tribut. So wäre „On Miracles“ mit seinen melancholischen Klavierpassagen auch auf The National-Alben wie „Boxer“ oder „High Violet“ nicht fehl am Platz gewesen, und das zitternde Synthesizer-Riff in der Songmitte hätte wohl einer B-Seite der Antlers ebenso gut zu Gesicht gestanden, während Michael Petkau Falk einmal mehr gesanglich brillieren darf. Noch theatralischer gerät da eigentlich nur „One Is Enough“, wo er mit seiner dröhnenden Stimme gar ganz nah an den großen Nick Cave heran reicht.

Wer also zwischen die Zeilen von „Some Kind Of Family“ lauscht, der wird die herzzerreißenden Zwischentöne hören, wird hören, dass dieses Album das schweißnasse Ergebnis vieler Meinungsverschiedenheiten sowie Aufs und Abs ist. Und irgendwie verleiht dem Werk die Tatsache, dass Les Jupes es aufgenommen haben und dann aufgehört haben, als Band zu existieren, ein wenig mehr Legendenstatus. So ist es ein kleines, gut 45-minütiges Artefakt aus der Vergangenheit. Diese Platte war bereits in der Sekunde, in der sie fertiggestellt wurde, ein Stück Indierock-Geschichte, und sie wird für immer ein Versprechen von vier durchaus talentierten Musikern sein, die einmal als „Canada’s next great band“ angepriesen wurden, nur um dann ohne viel Getöse zu implodieren.

Und uns? Uns bleiben die Songs von „Some Kind Of Family“ (welches es übrigens hier als Free Download gibt). Und das Kopfkino unter den Kopfhörern, welches wie gemacht scheint für Spaziergänge durch das wuselige Großstadttreiben. Für Roadtrips. Fürs Sinnieren und alles und nichts und jeden. Fürs Innehalten auf Parkbänken, während man dem Leben um einen herum zusieht. Mit diesem Album auf Repeat. Einem mal zupackenden, mal melancholischen Indierock-Kleinod, einem wenig beachteten Versprechen aus dem kanadischen Winnipeg.

 

 

„Hey friends

I’m very sad to announce that Les Jupes are done.   

We’ve been a pretty dysfunctional band.  We’ve been 3 completely different lineups in 4 years. We’ve battled entitlement, laziness, egos, self-righteousness and willful ignorance. There are some stories that would make you just shake your head, others that would break your heart. We would get 4 people onto the same page for a couple of months before someone else would leave and the whole thing would have to be re-jigged again. It became exhausting. Even ridiculous. A parody of what this was supposed to become. And definitely a pretty impossible way to build momentum or capitalize on what few opportunities we did have come our way.

Many friends and industry people have told me I should just hire a backing band and tour the songs. But it just doesn’t feel right. That’s not what this was ever supposed to be about, and I’m not interested in touring a show that doesn’t feel interesting. This was supposed to be four people on a mission, doing something special together. And after too many failed attempts at that, perhaps its just time to lay it to bed.  

A whole lot of care and thought and passion and time and money went into this record. It was supposed to be the album that got us through the glass ceiling we kept hitting. But it unfortunately turned out to be the record that sadly fulfilled its own name.  

Not sure we were ever a great band, but I think we had gotten pretty good – to a place where I felt confident we finally had the balance of skills and tools to make a go of it and maybe even become great. I think the best compliment we ever got was: „Wow, you guys are like a real band.“ I never wanted to be the coolest band. Never wanted to be a part of a fad. I just want to make art that connects with something inside those making it and anyone who might listen to it. To write songs that might have an outside shot at still meaning something to someone a few years down the line.

I’m not sure what I’m going to do next. I’ve been mulling on all kinds of things – some of which are radical life changes, some of which are gentle left turns. Some days I want nothing to do with music, others I can’t imagine myself without it. It’s hard not to be terribly angry at a couple people. My increasing self-isolation and introversion combined with exhaustion from the past few years makes this a difficult process.  I’ve never grieved a dream before. So I’m gonna just take the time I need to figure it out.  In the meantime, I’ve got my studio and will continue writing songs and working with other artists.  

I’d like to thank three people who have gone above and beyond to support this band.  Frank Ehrmann has championed us in Germany and deserves so much more from this record that he was so excited about. Darcy Penner came in swinging as the most trustworthy, hard-working bandmate I ever had. And my wife, Robin. Even though I often put the band before her, she has been so unbelievably supportive. She put up with a lot of late night fretting sessions, even incurred debt on behalf the band, and is a treasure of a human being.

I really hope you enjoy this album. I was so hopeful for these songs.

Much love,

Michael Petkau Falk“

 

Mittlerweile hat Ex-Les Jupes-Frontmann Michael Petkau Falk, der in diesem „Vice“-Artikel und -Interview den Bandsplit noch einmal erläutert, mit Touching übrigens ein neues Studio-Projekt am Start, dessen Debütalbum „Isolation Blues“ (gibt’s hier wahlweise als Free Download) unlängst das Licht der Musikwelt erblicken durfte, jedoch wesentlich synthie-lastiger und introspektiver klingt als die Songs seiner ehemaligen Band.

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: John K. Samson – „Fantasy Baseball At The End Of The World“


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Mit Baseball kehrte am 24. Juli mit der Eröffnung der Major League Baseball Saison eine der US-amerikanischen Lieblingssportarten mit klaren Abstandsregeln in leere Stadien zurück – schließlich leben wir noch immer in einer von einer Pandemie dominierten Zeit. Und wie es anders kaum passender sein könnte, reihten sich damit beginnend so einige seltsame Ereignisse aneinander: So warf Immunologe Anthony Fauci den ersten Ball in Washington, DC (bei dem er nur knapp das Schlagmal verfehlte), bevor die Nationals gegen die Yankees antraten und verloren. Und Donald Trump? Der passionierte Golfer, welcher sich zufälligerweise ab und an auch im Weißen Haus aufhalten soll, kündigte an, dass er am 15. August den ersten Wurf beim Spiel der Yankees machen würde (und sagte gestern Abend zu Fox News-Fernsehmoderator Sean Hannity in bekannter Tölpel-Manier, dass er hoffe, dass die Spieler beim Hissen der Fahne nicht knien würden, da der Präsident das nicht gern sähe)…

a1289543500_16All diese Absonderlichkeiten sind – auf die ein oder andere Weise – tief in „Fantasy Baseball At The End Of The World“, einem recht neuen Song aus der Feder von Ex-Propagandhi-Bassist und Ex-The Weakerthans-Frontmann John K. Samson, verwurzelt, der das Stück zwar schon das ein ums andere Mal live spielte, doch erst jetzt offiziell veröffentlichte. Und obwohl der lediglich knapp zwei Minuten kurze Song, der nur einen Tag vor dem 20. Geburtstag des Weakerthans-Platten-Meilensteins „Left And Leaving“ erschien, vordergründig von Fantasy Baseball handeln mag, so denkt der kanadische Musiker auch hier wieder feinsinnig ums Eck, wenn er auch vom Trost, dass der gegenwärtige US-Präsident Donald Trump irgendwann sterben wird und wir bis dahin die Zeit nutzen können, um uns zu organisieren und um „something better, something beautiful“ zu erschaffen, singt.

„I manage my fantasy baseball team better than I manage my anger these days / And I’d trade my best pitcher for a draft-pick and picture of the president writhing in pain…“

Verpackt sind Samsons wie üblich zart intonierte, trotzdem teils sardonische Zeilen in minimalistisch gepickte Akustikgitarrentöne. Dazu noch ein schönes Stop-Motion/Cut-&-Paste-Video, und fertig ist ein weiterer Beweis dafür, dass man John K. Samson einfach lieben muss

 

 

Rock and Roll.

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„One Great Tribute!“ – Der Weakerthans-Tribute-Sampler im Stream


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Die Weakerthans mögen zwar seit etwa vier Jahren auf Eis liegen, nichtsdestotrotz erfreuen sich John K. Samson und seine Band-Buddies immer noch großer Beliebtheit – kaum verwunderlich für mich, verfalle ich Alben wie „Left and Leaving“ oder „Reconstruction Site“ doch bei jedem Mal, wenn sich diese von Zeit zu Zeit (und vor allem bei heimeliger Herbst-Atmosphäre) in meine Playlist schleichen, aufs Neue. Und auch Thees Uhlmann verewigte die Band aus dem kanadischen Winnipeg nicht ohne Grund zu Tomte-Zeiten in einem seiner schönsten Songs (für alle, die zu faul zur Google-Recherche sind: „Walter & Gail“ war’s)…

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Daher war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der beliebten Indie-Rock-Band aus dem Ahorn-Staat ein ganzer Tribute-Sampler gewidmet wird. Spoiler: Dies ist nun mit „One Great Tribute! – a love letter to The Weakerthans“ passiert. Die Macher dahinter schrieben während der Entstehung Folgendes:

„Our Mandate is simple: We’re putting together a Tribute Album, have gotten the OK from the band […]. We aim to present proceeds both to CAMH (Centre for Addiction and Mental Health) & CMHA (Canadian Mental Health Association) and will be crowdfunding for the eventual production of the album.“

Das fertige Endergebnis, welches ganze 23 Cover-Beiträge von teils (noch) recht unbekannten Bands und Künstlern, aber auch namenhafteren Weakerthans-Fans wie etwa Frank Turner enthält (dieser nimmt sich den Song „Bigfoot“, im Original auf dem letzten, 2007 erschienenen Weakerthans-Studiowerk „Reunion Tour“ zu finden, vor), lässt sich nun in Gänze via Bandcamp streamen. Feine, kurzweilige Sache mit so einigen Neuinterpretation von Klassikern wie „One Great City!“, „Night Windows“ oder „Left & Leaving“, die dem ein oder anderen Song von John K. Samson und Co. sogar noch manch‘ neue Nuance entlocken.

 

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Mobina Galore – „Escape Plan“


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Wer für gewöhnlich seine musikalischen Pinkelpausen hinter dem Mond verbringt und daher auch 2019 noch immer glaubt, dass zwei Frauen nicht genügend Energie hätten, um es musikalisch ordentlich krachen zu lassen (in dem Fall lassen toughe Damen wie Courtney Love, Beth Ditto oder Kathleen Hanna lieb grüßen), kennt Jenna Priestner (Gesang & Gitarre) und Marcia Hanson (Schlagzeug & Gesang) nicht. Die beiden Ladies aus dem kanadischen Winnipeg haben sich als Mobina Galore (das Duo hatte ANEWFRIEND bereits vor zwei Jahren „auf dem Radar„) seit 2010 krachenden Punkrock auf die Fahnen geschrieben und winken dieser Tage mit ihrem dritten Album „Don’t Worry“…

mobina-galore-dont-worry-music-review-punk-rock-theoryWar beim 2017er Vorgänger „Feeling Disconnected“ das Motto „Trennung“ die großlettrige Überschrift, bewegen sich Priestner und Hanson bei ihrem dritten Langspielstreich auf ganz ähnlichem Terrain, denn diesmal lautet das (recht logische) Thema „Herzschmerz“. Diesem Gedanken nähert sich das Duo, welches unlängst im Vorprogramm von Laura Jane Grace & The Devouring Mothers (deren Hauptband Against Me! sind denn auch gleich eine gute Referenz) deutsche Bühnen gerockt hat, allerdings keineswegs mit süßlich-melancholischen Balladen. Im Gros des runden Dutzends neuer Drei-Minuten-Songs gibt es amtlich auf die Zwölf, und wenn es zu Beginn hochenergetisch „I Want It All“ heißt, glaubt man den beiden sofort. „Back To The Beginning“ ist insofern auch kein echter Schritt zurück, sondern nur eine sehr überzeugend und druckvoll vorgetragene Entscheidung zum Selbstzweck. Einen blitzschnellen „Escape Plan“ haben die Kanadierinnen eh in petto und im Zweifel geht es einfach mal zum Sonne tanken nach „California“. „Completely Disconnected“? Macht doch nichts! Zumindest nicht, wenn der gleichnamige musikalische Vortrag so abwechslungsreich und punkrockig mitreißend ausfällt. Knackig schließt sich „Dig Myself Out“ an, und wenn Priestner und Hanson wie bei „Sorry, I’m A Mess“ härtere Töne im Highspeed-Modus anschlagen, zweifelt man doch sehr daran, dass Mobina Galore sich tatsächlich irgendwann bei irgendwem für irgendwas entschuldigen… Weiter geht es mit dem ruppigen „Denim On Denim“, bevor „I Need To Go Home“ dann doch einmal die zarte(re) Seite des Duos präsentiert. Die ist zwar – klar – noch immer ziemlich kratzbürstig, zeigt aber auch die Variabilität von Jenna Priestners wunderbar rauem Gesang. Überhaupt scheinen die beiden auf der Zielgeraden doch ein wenig versöhnlicher zu werden: „Just Went Away“  und „Oh, Irene“ klingen ein Mü eingängiger – wobei auch diese beiden Nummern mit eruptiven Ausbrüchen glänzen, die es in sich haben. Bleiben noch „Four Hours Of Sleep“ und siehe da: Miss Priestner hat ihren Sechssaiter ausgestöpselt und es wird zum Albumabschluss unbestromt gejammt.

Ganz egal, ob mit Punk-Rock-Powerchords oder mit reduzierten Mitteln – Mobina Galore strahlen auch auf „Don’t Worry“ eine unbändige Kraft aus, die insbesondere durch Jenna Priestners Gesang stets präsent ist, während die Instrumente des Zweiergespanns einmal mehr keine Gefangenen machen. So sind auch die neuen Songs der beiden Kanadierinnen ein Musik gewordenes, dem Herzschmerz den Mittelfinger zeigendes Stehaufmännchen mit unbändiger Entschlossenheit und enormer Spielfreude. Rockt durch, macht Bock.

 

Zur ersten Single „Escape Plan“ meint Sängerin und Gitarristin Jenna Priestner:

„Der Song war ursprünglich nie dafür bestimmt, ein Full-Band-Song zu werden, noch dachten wir, dass es die erste Single werden könnte. An einem heißen Sommertag vergangenes Jahr verbrachte ich mehr Zeit damit, Akustiksongs zu schreiben – Material, von dem ich nicht dachte, dass es den typischen Mobina-Vibe bekommen würde. Als ich dann im Winter ein Akustikvideo auf YouTube veröffentlichte, bekam ich ziemlich viel positives Feedback und Leute wollten den Song bei Konzerten hören – deshalb machten wir einen kleinen Pop-Punk-Banger daraus.“

Und das dazugehörige Musikvideo?

„Für das Video wollten wir die warme, entspannte Sommerstimmung in Winnipeg mit dem schönen Up-Beat des Songs miteinander verbinden. Marcia und ich verbrachten schon viel Zeit zusammen, doch meistens in Vans und irgendwelchen muffigen Kellerläden (meistens in Europa) – aber diesmal fuhren wir den ganzen Tag gemeinsam auf unseren Rädern am Fluss entlang, tranken Bier an einem schwülen Sommertag und 38°C in unserer Heimatstadt.“

 

 

Dass der Song auch 2019 in der reduzierten (Ur-)Variante funktioniert, beweisen Mobina Galore hier:

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Mobina Galore


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Fotos: Sven Hoppmann / Promo

Normalerweise erwartet man bei musikalischen Duos einen Sound, der im weitesten Sinne als bluesbasierter Rock durchgeht – The White Stripes, The Black Keys, Two Gallants oder Royal Blood mach(t)en es vor, und auch andere Zweiergespanne wie The Dresden Dolls, Japandroids, The Kills oder Blood Red Shoes haben bereits unter Beweis gestellt, dass man auch ohne die „klassische“ Kombo aus GitarreSchlagzeugBass ordentlich für (Bühnen)Radau sorgen kann. Dass mit zwei Instrumenten aber aber auch kratzig-druckvoller Punkrock a la The Distillers, L7 oder auch Against Me! und Propagandhi möglich ist, beweisen Mobina Galore aus dem kanadischen Winnipeg.

Winnipeg… Winnipeg… War da nicht mal was? Genau. Zumindest auf lyrischer Ebene ist die 660.000-Einwohner-Stadt unweit der US-Grenze seit dem Weakerthans-Song „One Great City!“ längst unsterblich. Dass der Verfasser dieser wenig schmeichelhaften Zeilen, John K. Samson, seines Zeichens bis 1996 Teil von Winnipegs Vorzeige-Punkern Propagandhi (nicht, dass es da allzu viele gäbe) und später Frontmann der Weakerthans, seine Heimatstadt für einen recht deprimierenden Ort halten dürfte, bleibt kein Geheimnis:

„Late afternoon, another day is nearly done
A darker grey is breaking through a lighter one
A thousand sharpened elbows in the underground
That hollow hurried sound of feet on polished floor
And in the dollar store the clerk is closing up
And counting loonies trying not to say
I hate Winnipeg“

Ganz ähnlich dürfte es auch Gitarristin/Sängerin Jenna Priestner und Schlagzeugerin Marcia Hanson gegangen sein, als sie sich vor sieben Jahren dazu entschlossen, fortan möglich lautstark gegen die kanadische Eintönigkeit anzuspielen. Mobina Galore waren geboren, die bald schon eine erste, mit massig Garagen-Spirit zusammengeschusterte EP (die „Skeletons EP„) sowie 2014 den Debüt-Langspieler „Cities Away“ aufs kopfschüttelhungrige Punkrock-Publikum losließen. Die Musik? Melodisch, wütend, meist schnell, kraftvoll, tritt ordentlich Ärsche. Die Texte? Erzählen vom Älterwerden („You’re Not 23 Anymore“, „2002“) und der tollen, blöden Liebe („Restless Nights“). Typische, mit Spuren von Emo durchzogene Adoleszenz-Lyrik eben, die zwar keine Preis für allzu hoch angesetzte Kreativität erhalten will, dafür aber ihre Topoi aus dem Leben greift. (Und mal ehrlich: besonders schlaue Texte hatten Größen wie die Rolling Stones oder Led Zeppelin ja auch nie.)

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„I didn’t think that it would cut so deep…“ (aus „Ready To Let Go“)

Genau diesen Weg greift das im Februar erschiene zweite Album „Feeling Disconnected“ nun auf – und denkt den Erstling musikalisch weiter. Entstanden sind dabei zehn Stücke, die, jedes für sich, eine in schwarzen Lack getauchte Kerze für die Schutzheilige Brody Dalle anzünden und sich erneut allesamt dem schnellen Punkrock zuschreiben lassen, jedoch auch klare Hardcore-Einflüsse offenlegen. Trotz einiger Rhythmuswechsel klingen hierbei alle Songs nach einer Menge Moshpit-Potential. Klar, einige Grundelemente wiederholen sich in nahezu jedem Lied auf „Feeling Disconnected“ – insbesondere die rotzige „Fuck off!“-Aggressivität in der Stimme von Sängerin Jenna Priestner und auch der Doppelgesang mit Marcia Hanson fallen hier auf. Durch diese Homogenität im Songwriting bleibt das Album – bis auf wenige Ausnahmen – wenig abwechslungsreich, geht aber auf Grund der sehr eingängigen Hooks und simplen Melodien schnell ins Ohr. Gefällt einem dieser Musikstil, der durchaus auch Parallelen zu Against Me! (mit denen Mobina Galore auch bereits auf Tournee waren), No Use For A Name, Lagwagon, Bad Religion oder den Petrol Girls aufweist, kann man an den neuen, trotzig in die Saiten geschreddert und mit mental geballter Faust ins Mikrofon gebrüllten Coming-of-Age-Hardcorepunkrüplern aus dem Hause Mobina Galore schnell Gefallen finden. Feine kurzweilige Punkrock-Songs, die für sich selbst sprechen.

 

Hörproben gefällig? Hier gibt’s die Musikvideos zu „Skeletons“ und „Bad Love Song“ (vom Erstling „Cities Away“)…

 

…sowie zu „Spend My Day“ und „Suffer“ (vom aktuellen Album „Feeling Disconnected“):

 

Via Bandcamp kann man sich alle bisherigen EPs und Alben von Mobina Galore zu Gemüte führen:

 

Rock and Roll.

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Vom Verlassen und Zurückgelassen werden: die Weakerthans machen Schluss – ein beiläufiger Nachruf


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„Beiläufig“ ist wohl das Wort, das die Weakerthans beinahe zwanzig Jahre lang am besten beschrieb – und das im schönsten aller Sinne.

Beiläufig waren viele der famosen Texte von Frontmann John K. Samson, der die Band nach seinem Ausstieg als Bassist der Politpunks von Propagandhi gemeinsam mit Schlagzeuger Jason Tait und Saitenzupfer John P. Sutton gründete. Sie erzählten mal von – nunja – beiläufigen Situationen, kleinen Gesten, die von 99,9 Prozent der Weltbevölkerung wohl einfach achtlos übersehen worden wären. Von der gefühlten Enttäuschung vernachlässigter Haustiere, vom Reisen, vom Verlassen und Zurückgelassen werden, vom Leben im vergleichsweise beschaulichen Winnipeg, irgendwo im Nirgendwo von Kanada. Und – zwischendrin und immer rund immer wieder – vom Eishockey – ein Sport, der hier in Europa definitiv unter „beiläufig“ einzuordnen ist, während er in Nordamerika höchste Popularitätsnoten einheimst (und wohl nicht ohne Grund gefühlte drei Viertel der bekannten Persönlichkeiten aus Winnipeg mit Eishockey im Bunde stehen). Ja, den Texten, die Samson für seine Weakerthans schrieb, wohnte stets eine Herzlichkeit inne, die die kleinen Leute für Momente zu Giganten erhob, Vergessenes zeitlos werden ließ und scheinbar Nichtiges ewig. Freilich, man musste auf den vier zwischen 1997 und 2007 erschienen Weakerthans-Alben schon genau hinhören, um die Liebe zwischen den Zeilen zu entdecken (oder sich eben alle Texte von Samson in Buchform zulegen). Wer dies jedoch je einmal getan hat, den werden Meisterwerke wie „Left And Leaving“ oder „Reconstruction Site“ nie, nie wieder loslassen.

512X8K10BZLBeiläufig – nein, vielmehr: selbstverständlich – fiel meine Entscheidung, als ich mich für einen Moment fragte, welches Album ich einer guten Freundin, die sich für einige Zeit ins Nirgendwo der frankokanadischen Einöde aufmachte, mit an die Hand geben wollte, auf „Reconstruction Site“. Klar, schöner als auf dem 2003 beim Indienpunk-Label Epitaph dritten Weakerthans-Werk wurde das stete Pendeln zwischen dem Hier und dem da, zwischen Heim- und Fernweh, zwischen Tagtraum und voll da selten von einer kanadischen Band betont (und Wintersleep waren damals noch nicht in Sichtweite). Das wusste auch Deutschlands Indie-Chefpathetiker Nummer eins Thees Uhlmann, der den Weakerthans 2006 mit einer Zeile im Song „Walter & Gail“ (vom Tonte-Album „Buchstaben über der Stadt“) ein kleines Denkmal setzte.

Beiläufig habe ich die Weakerthans während ihrer nicht eben allzu zahlreichen Tourneen ein, zwei Mal live auf der Bühne erleben dürfen. In Erinnerung bleiben wird mir ihr Konzert im Dresdner Beatpol, der damals noch „Starclub“ hieß, als sie Olli Schulz als Ein-Mann-Vorband und Busfahrer in Personalunion begleitete und sich dermaßen mit dem anwesenden Publikum in die Haare bekam – es kam zum Wort- und glücklicherweise nicht zum Handgemenge -, dass dieser auf Jahre einen großen Bogen um die sächsische Landeshauptstadt machte. Freilich waren die Weakerthans, als Hauptband des Abends, erwartetermaßen grandios, aber es liegt hier wohl in der Natur der Sache, dass selbst ein toller Auftritt beiläufig hinter andere Dinge der Erinnerung zurück tritt.

The+Weakerthans

Beinahe beiläufig war am vergangenen Dienstag demnach auch die Nachricht des kanadischen Digital-Musikservice CBC Music, welcher, nach acht Jahren ohne neues Weakerthans-Studioalbum und Bezug nehmend auf ein Statement von Gitarrist Stephen Carroll, die Tatsachen sachlich, aber auch ein wenig melancholisch auf den Tisch legte: „Angeführt von den verletzlichen Vocals und poetischen Texten von John K. Samson hat die Band zwischen 1997 und 2007 vier brillante Alben veröffentlicht“, hieß es in einem Instagram-Post des Dienstes. „Das heißt, es sind acht Jahre seit dem letzten vergangen (‚Reunion Tour‘). Hofft nicht mehr auf eine fünfte Studioplatte. Gitarrist und Manager Stephen Carroll hat mitgeteilt, dass sich die Band getrennt hat.“ Auch ein Tweet von Weakerthans-Schlagzeuger Jason Tait ließ nur wenig Raum zur Interpretation: „Es verbreitet sich ja gerade, dass es mit den Weakerthans vorbei ist. Hier ist der Song, zu dem wir all die Jahre auf die Bühne gegangen sind. Bye Bye.“, twitterte Tait kurz und schmerzlos und postete ein Audio-Video zum Song „Abide With Me“ von John Coltrane & Thelonius Monk Septet.

Beiläufig hatte sich die Band in den Jahren nach dem letzten Studiowerk immer rarer gemacht, hatte 2010 noch das Livealbum „Live at the Burton Cummings Theatre“ veröffentlicht, für das sie alle vier Studioalben an einem Abend gespielt hatten. Im gleichen Jahr nahm die Band außerdem Material für das Album „The Falcon Lake Incident“ des kanadischen Singer/Songwriters Jim Bryson auf. Beiläufig hatte sich Frontmann John K. Samson ab 2009 immer mehr auf seine zwei Solo-Beine gestellt, auf mehrere EPs folgte 2012 der Solo-Erstling „Provincial„. Selbstredend handelnde auch dieser vom Reisen, vom Verlassen und Zurückgelassen werden, von Winnipeg, der großen, weiten Welt und den kleinen, scheinbar unbedeutenden Dingen. Und vom Eishockey.

Kein großes Drama, keine großen Pamphlete oder Reden – die Band zieht beinahe schon klammheimlich, in jedem Fall jedoch zutiefst bodenständig und – ja! – beiläufig einen Schlussstrich. So beiläufig, wie sie angefangen hat, endet nun der gemeinsame Weg der Weakerthans. Niemand ist gestorben, niemand krank oder am Boden zerstört – alles ist in Ordnung. Die Welt, sie wird keine schlechtere werden ohne die vier Herren irgendwo aus dem Nirgendwo von Kanada. Aber ohne ihre Songs wäre sie ein klein wenig trister, grauer. Sicherlich? Definitiv. Wer weiß, vielleicht nehmen sich John K. Samson & Co. den Titel ihres letzten Albums irgendwann zu Herzen und spielen noch einmal eine „Reunion Tour„? Schön wäre es. Und nicht nur Thees Uhlmann und ich werden die „kanadische Band“ und ihre „traurigen Lieder“ (beides Zitate aus oben erwähntem Tomte-Stück) vermissen…

 

 

„My city’s still breathing, but barely, it’s true
Through buildings gone missing like teeth
The sidewalks are watching me think about you
Sparkled with broken glass

I’m back with scars to show
Back with the streets I know
Will never take me anywhere but here

The stain in the carpet, this drink in my hand
The strangers whose faces I know
We meet here for our dress rehearsal to say
‚I wanted it this way‘

Wait for the year to drown
Spring forward, fall back down
I’m trying not to wonder where you are

All this time
Lingers, undefined
Someone choose
Who’s left and who’s leaving

Memory will rust and erode into lists
Of all that you gave me
A blanket, some matches, this pain in my chest
The best parts of lonely

Duct-tape and soldered wires
New words for old desires
And every birthday card I threw away

I wait in 4/4 time
Count yellow highway lines
That you’re relying on to lead you home…“

 

Hier (via Bandcamp) kann man sich alle vier Studiowerke der Weakerthans – allen voran die unkaputtbaren Meisterwerke „Left And Leaving“ und „Reconstruction Site“ – in Gänze zu Gemüte führen:

 

 

Rock and Roll.

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