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Auf die Plätze, fertig, Kuss! – Ein zweiter Blick auf den „10 first kisses“-YouTube-Hit


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Im Grunde dürften das alles alte Hüte des vitalen Marketings sein: Eine Marke tarnt sich besonders subtil hinter schönen Bildern, die mal besonders witzig, mal besonders ausgefallen, mal besonders anstößig, mal besonders herzzerreißend oder eben aufs Schönste stilisiert und besonders trivial daherkommen. In jedem Sinne: besonders muss es sein, ansonsten geht ein so kleines Datenpaket – sei es nun in Schrift-, Bild- oder Videoform – schnell in schnelllebigen digitalen Zeiten wie diesen, wo eine vermeintliche heiße Neuigkeit längst die nächste jagt, schnell verloren und unter. Und wer sich einmal zwei, drei Minuten Zeit nimmt und überlegt, welche Beispiele es da in letzter Zeit gegeben haben könnte, der wird sicherlich schnell im Hinterstübchen der Erinnerung fündig: etwa der sehr sehr geile Greis Friedrich Liechtenstein, der mit seinem „supergeilen“ Flaniertanz durch die Regalreihen von Edeka zur „deutschen Antwort auf den Gangnam-Style“ avancierte, oder das dezent skandalöse Oben-ohne-Werbeplakat einer Muslima der US-aerikanischen Bekleidungskette American Apparel. Ganz klar: Fünf Minuten Web-Fame sind mit etwas Kreativität und Glück für Jedermann drin, und bei guten Bildern nimmt das Gros der Klickenden gern die unterschwelligen Reklamebotschaften in Kauf.

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Das beweist auch das neuste Beispiel in der Reihe der „gut getarnten Kommerzpropaganda“, welchem etwa die Online-Ausgabe des Spiegel den so treffend nichtssagenden Titel „Zehn erste Küsse“ gab. Und wirklich: Würde man das etwa dreiminütige Video der (käuflichen) Visual-Künstlerin Tatia Pilieva nicht weiter hinterfragen, so wäre es vor allem eines: eine besonders schöne Idee. Klappe Spiegel: „Was passiert beim ersten Kuss? Die Künstlerin Tatia Pilieva hat diese Frage mit einem Video beantwortet. In einem Fotostudio stellte sie zehn Paare zusammen, die sich vor der Kamera küssen sollten. Das Besondere daran: Die Personen kannten sich vorher nicht, sie begegneten sich zum ersten Mal.“ Bild.de haut gar – erwartetermaßen – noch derber mit der Pathos-Peitsche zu: „Knutsch-Video wird YouTube-Hit: Einmal küssen, bitte!“. Doch was im ersten Licht der Schwarz-weiß-Bilder wirkt wie die künstlerisch kompetente Zurschaustellung eines soziologischen Feldversuchs, ist im Grunde nichts weiter als eine ebenso einfache wie effektive Werbekampagne des Modelabels Wren Studio. Gut, man könnte der Bekleidungsmarke aus dem US-amerikanischen Lake Forest, Illinois zugute halten, dass es gar nicht erst so tut, als würde es sich hinter irgendwelchen romantischen Zeitlupenschmatzern verstecken, immerhin erscheint bereits zum Anfang des Videos: „Wren presents“. Und doch war wohl am Ende alles gar nicht so spontan und losgelöst, immerhin besteht Pilievas Zwanzig-Personen-Cast beinahe ausnahmslos aus in Kussszenen und Inszenierungen geübten Models, Musikern und Schauspielern, die freilich nicht nur die eigene Visage, sondern auch den – freilich von Wren Studio eingekleideten – formschönen Astralkörper in die Kamera hielten. Da ist die Frage, was nun echt ist und was Mienenspiel, nur allzu berechtigt. Oder wie es blog.rebellen.info – auch in Bezug auf die umfassende Berichterstattung in so ziemlich jedem News-Portal – so treffend formuliert: „Wenn selbst Journalisten nicht mehr zwischen Werbung und Inhalt unterscheiden können, dann wird Werbung zum Inhalt.“ Das hält die auf menschliche Urinstinkte geeichte Tatia Pilieva/Wren Studio-Koproduktion freilich keineswegs davon ab, fleißig Zuschauer einzusammeln – ganze 25 Millionen Mal wurde das Drei-Minuten-Filmchen in etwas mehr als zwei (!) Tagen allein auf YouTube angeklickt…

Letztendlich muss wohl wie immer jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er der schönen Viral-Fassade im weltweiten Netz über die digitalen Datenwege traut. Denn obwohl auf dem einen Auge vor allem die künstlerisch wertvollen Absichten im Fokus zu stehen scheinen, so gilt auch hier: mit dem Zweiten sieht man besser. Oder man gibt sich vollkommen der Berieselung hin. That’s entertainment…

 

 

Rock and Roll.

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Der Jahresrückblick 2013 – Teil 5


Dylan

Virales Marketing“ dürfte auch 2013 einen immens hohen Stellenwert bei der Veröffentlichung und Vermarktung von Musik, TV-Shows und Kinofilmen eingenommen haben, schließlich ist das reine Produkt längst nicht mehr gut genug für den nach wie vor gern zur kostenlosen Variante greifenden Konsumenten, der im Großteil nach wie vor freilich dem schnellen Download oder Stream (ich werfe einfach das derzeit populäre Stichwort „Redtube“ in die Runde) näher steht als der Bezahlvariante – „der Preis ist heiß“ und der „Geiz“ noch immer… *hust* „geil“.

Natürlich sind das alles alte Hüte, denen die Musikindustrie bereits seit Jahren nachjagt wie der gebrechliche Hase dem mal „Napster“, mal „Megaupload“, mal „iTunes Store“ (wenn man so will das schwarze Bezahlschaf der digitalen Familie) genannten Igel. Nie jedoch wurde bislang von den im Gros offenbar noch immer reichlich weltfremden und technikfeindlichen Anzug tragenden Herren in den Plattenlabelmajorchefetagen ein Weg gefunden, um die Zielgruppen mit den an den Mann (respektive: an die Frau) zu bringenden Waren (sprich: dem musikalischen Produkt als solches) zu versöhnen. Das pure, schnöde Plastik zieht eben längst nicht mehr. Und unter der potentiellen Käuferschicht „U25“ soll es in der Tat nicht wenige geben, die noch nie für die Musik, die sie tagtäglich in rauen Mengen auf ihren iPods, iPhones oderwasauchimmer durch die Weltgeschichte tragen, bezahlt haben… Schönes neues Digitaldilemma.

Hier kommt also wieder das „virale Marketing“ ins kommerzielle Spiel. Kurz gefasst, könnte man die Losung „Willst du gelten, so mach‘ dich nicht selten!“ ins Feld führen. Egal, ob es sich nun um eine Band, einen Musikkünstler (flash -künstlerin), einen anstehenden Kinostart oder irgendein mehr oder minder großes TV-Ereignis drehte, so hieß es, im Gespräch zu sein und da gefällst zu bleiben – am besten auf allen Kanälen, von den einschlägigen TV-Formaten über die digitalen Nachrichtenportale bis hin zu Facebook oder Twitter. Beste Beispiele dürften – in musikalischer Hinsicht – wohl aktuell Künstlerinnen wie Lady Gaga oder Miley Cyrus sein.

Lady Gaga & Miley Cyrus bei den 2013er VMAs (Fotos: Jeff Kravitz/FilmMagic for MTV; Kevin Mazur/WireImage for MTV)

Lady Gaga & Miley Cyrus bei den 2013er VMAs (Fotos: Jeff Kravitz/FilmMagic for MTV; Kevin Mazur/WireImage for MTV)

Die eine (Madame La Gaga) zelebrierte ja bereits in der Vergangenheit sowohl Tourneestarts wie Albumveröffentlichung mit allem Tamtam und großen, très arty konstruierten Presserundfahrten, während derer sie etwa kürzlich in Unterwäsche und angeklebten Schnäuzer auf die eigens eingerichtete Pressebühne des Berliner Technoclubs Berghain stolzierte (gut, da ist man von Frau Germanotta und ihren Fleischkleidauftritten freilich längst andere Kaliber gewohnt), um ihr neustes Albumwerk „Artpop“ zu bewerben. Hauptsache, es wirkt so herrlich überhöht und künstlich wie einst Andy Warhol. Hauptsache, man erkennt vor all der skurrilen Artyness kaum mehr den Menschen hinter der Maskerade. Denn nackt – auch das wissen wir seit diesem Jahr Dank der Künstlerin Marina Abramovic – sieht selbst (oder: gerade?) eine durch und durch künstlich zusammengeklaubte Figur wie die Gaga nur eins aus: höchst gewöhnlich und blass.

Die andere (Cyrus) setzt einfach auf das pure Anti-Image, auf die kontrollierte Destruktion des öffentlichen Bildes des einstigen Disney-Püppchens „Hannah Montana“. Und: es wirkt! Mittlerweile sollte selbst dem klatschfeindlichsten ZDF-Geronten (No offense, liebe Rentenbezieher, falls Sie soeben via Google über diesen Blog gestolpert sein sollten!) bekannt sein, dass das brave Girlie, welches noch vor wenigen Jahren als keusches Antlitz von den rosafarbenen Shirts und Frühstücksdosen vieler kleiner Mädchen griente, längst passé ist. Nein, das 2013er Miley-Update ist WILD, UNZÄHMBAR, SEXY und FREI! Und egal, ob die inzwischen 21-Jährige im Laufe des Jahres mit ihrem mittlerweile veritabel ikonographierten Powackler – so zu sehen bei den diesjährigen VMAs – selbst Mittelpunktkünstlern wie dem „Blurred Lines“-Smasher Robin Thicke (der bekam das Ganze denn auch aus nächster Nähe mit), Justin Timberlake, Katy Perry oder Lady Gaga (da ist sie wieder!) die Show stahl, sich mit der bei jeder Gelegenheit schräg heraus gereckten Zunge als irres Pophühnchen stilisierte oder im Musikvideo zum Hit „Wrecking Ball“ mal halbnackt über Bauschutt turnte oder gleich – komplett im preiswerten Evakostüm – den Ritt auf der Abrissbirne wagte (und damit auch die ein oder andere Parodie billigend in Kauf nahm) – La Cyrus war im Gespräch, die einst so süße Miley war 2013 stets für ein kleines, nebensächliches Skandälchen zu haben. All das diente freilich keinem Selbstzweck, sondern sollte den Weg für Cyrus‘ neueste Platte „Bangerz“ ebnen. Und die konnte als mediokres Popundwegwerfprodukt erwartetermaßen kaum mit all der pop-pop-populären Öffentlichkeitsarbeit ihrer Interpretin mithalten…

(Den kompletten Gegenentwurf zu beiden Vermarktungswegen lieferte übrigens keine Geringere als Jay Z’s bessere Hälfte Beyoncé erst vor wenigen tagen, als sie ihr neustes, selbstbetiteltes Werk komplett ohne jegliche Vorankündigung oder Bewerbung als Nacht-und-Neblaktion – zunächst –  exklusiv über den iTunes Store zum Kauf anbot. Und das auch nicht als schnödes Vierzehn-Song-Album, sondern als „interaktives Packages“ inklusive nicht weniger als achtzehn dazugehöriger Musikvideos… Wenn man so mag: antivirales Marketing in Reinstform. Und auch das schlug für ein, zwei Tage weltweit hohe Öffentlichkeitswellen…)

Wie zur Facebook’schen Statusmeldungshölle kommt nun also jemand wie Bob Dylan in diese Liste? Natürlich könnte man zunächst annehmen, dass „His Bobness“ es gar nicht (mehr) nötig habe, so etwas wie moderne Vermarktungsstrategien überhaupt in die Planungen seines Managements einfließen zu lassen, immerhin zählt seine Hörerschicht im Gros (!) zu den Menschen weit über der „Ü30“ – zu jenen also, von denen man annehmen dürfte, dass sie Musiktauschbörsen, iTunes Charts und Twitter höchstens aus den sprudelnden Erzählungen der Enkel kennen. Nun, ganz so scheint dem dann doch nicht zu sein…

Wie anders als mit der Begründung eines kleinen Marketingschachzuges ist es zu erklären, dass ein Jahrzehnte junger Evergreen namens „Like A Rolling Stone“ nun – 48 Lenze nach seiner Veröffentlichung auf dem Album „Highway 61 Revisited“ – ein amtliches Musikvideo erhält? Und dann nicht einfach eines mit einer schnöde dahin gerotzten Kameradarbietung des Künstlers selbst (was bei Dylan keineswegs verwundern würde). Nein, „Like A Rolling Stone“, seines Zeichens wohl noch immer Bob Dylans größter Hit, bekommt man im Jahr 2013 als interaktives Mitmachvideo zu sehen! Da darf sich der internetzaffine Zuschauer nun durch 16 eigens kreierte „Fernsehkanäle“ zappen, um darauf festzustellen, dass alle „Protagonisten“ Dylans Stück lippensynchron mitträllern. Hat was, in der Tat… Und „His Bobness“, dieser ewige Heilige des Songwritertums, dem das so gelungen interaktive Musikvideo freilich bei der vitalen Vermarktung der jüngst erschienenen, mehr als 40 Silberscheiben schweren Werkschau „The Complete Album Collection, Vol. 1“ zuträglich sein wird, hat bewiesen, dass vielleicht der ein oder andere seiner Hörer, jedoch nicht er zum alten Technikfeindeisen gehört…

Once upon a time you dressed so fine
You threw the bums a dime in your prime, didn’t you?
People’d call, say, „Beware doll, you’re bound to fall“
You thought they were all kiddin‘ you
You used to laugh about
Everybody that was hangin‘ out
Now you don’t talk so loud
Now you don’t seem so proud
About having to be scrounging for your next meal.

How does it feel
How does it feel
To be without a home
Like a complete unknown
Like a rolling stone?

 

Hier gibt es einen kleinen „Appetittrailer“ zum inaktiven Musikvideo von „Like A Rolling Stone“ (das freilich über diese eigene Seite angesehen, bearbeitet und durchzappt werden kann)…

 

…sowie einen Beitrag zur Entstehung des Videos, inklusive einem Interview mit dem Regisseur/Macher Vania Heymann:

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Everyone Everywhere – Everyone Everywhere (2012)

Everyone Everywhere 2012 (Cover)-erschienen bei Big Scary Monsters-

Wer heutzutage mit seiner Musik mehr als tiefrote Zahlen schreiben möchte, der muss sich schon etwas einfallen lassen und zumindest die Grundfesten des viralen Marketings – sprich: Facebook, Bandcamp, Web 2.0 – für sich zu nutzen wissen. Wenn man dazu noch einige einfallsreiche Gimmicks „on top“ zu setzen weiß, ist einem zumindest eine kurze digitale Aufmerksamkeit sicher…

Auch die aus Philadelphia, PA stammende Band Everyone Everywhere weiß die ihnen zur Verfügung stehenden multimedialen Kanäle gewinnbringend für sich zu nutzen. Im Zuge der Veröffentlichung ihres – erneut – unbetitelten/selbstbetitelten zweiten Albums im Herbst dieses Jahres bot das Vierergespann die Vinylversion plus einer DVD mit Musikvideos für die besonders Schnellen unter ihren Hörern via Bandcamp komplett „for free“ (!) an – die Aktion musste nach etwa 20 Minuten gestoppt werden, da der verfügbare Bestand an LPs bereits vergriffen war. Mehr noch: Gitarrist Tommy Manson, der sich hauptberuflich um die wirtschaftlichen Belange von größeren Hollywood-Produktionen kümmert (aktuell etwa M. Night Shyamalans neustes Projekt „After Earth“) und zur Abwicklung der Bandcamp-Verkäufe bisher seine Arbeits-Email-Adresse nutze, konnte sich vor weiteren Anfragen kaum retten, denn auch die digitalen Vorbestellungen des Albums preiste die Band mit unsagbar fanfreundlichen 50 Dollar-Cent aus. Und da Everyone Everywhere im vergangenen Jahr – nach eigenen Angaben – lediglich 43 Platten über die eigenen digitalen Vertriebswege absetzen konnten und bereits mit dem 2010 erschienen Vorgänger das von Künstlern wie Radiohead populär gemachte „Pay-What-You-Want“-Prinzip testeten, hatten zwar alle auf ein positives Feedback zum neusten Werk gehofft, jedoch nicht mit einem derartigen Ansturm gerechnet, welcher ihnen sogar eine Erwähnung auf der Internetausgabe des Forbes-Magazins einbrachte. Zusätzlich bot man das aktuelle Album bei Erscheinen im August 2012 auf höchst ungewöhnliche Weise als Stream an: die Band ließ das komplette, knapp 40 Minuten lange Album im Youtube-Video durchlaufen, während die Vier zu den eigenen Klängen auf zwei ausziehbaren Couches ein Nickerchen hielten.

Everyone Everywhere (PressPhoto)

Doch werden die neun neuen Songs all dem „Tam-Tam“ im Vorfeld gerecht? Nun – ohne es böse zu meinen: ohne all die innovative Selbstvermarktung hätten garantiert weniger Leute Wind von der Musik der Band bekommen, denn wie der ebenfalls unbetitelte/selbstbetitelte Vorgänger steckt auch das aktuelle Album von Everyone Everywhere knietief im DIY-Indierock der Neunziger, in einer Zeit, in der Jimmy Eat World noch nicht um ihr popgerechtes Stück vom Stadionrockkuchen baten und Sunny Day Real Estate traurigen Teenagern und Twentysomethings noch aus der Seele schrieen. Zwar kommt ein nicht unbeträchtlicher Teil der Songs hier auf wunderbar harmonisch-leichten Gitarrenfüßen daher („The Future“), doch der – im positiven Sinn – rückwärtsgewandte, ja fast traditionelle Indierock quillt den meisten Stücken aus jeder Klangpore. Die Schnelligkeit kratzt am Punk und gönnt sich eine angenehme Prise Pop, ebenso wie ein abwechslungsreiches Schlagzeugspiel à la Bloc Party und versponnene Gitarrenlinien, die sich auch schon mal ins dissonante Minisolo hineinwagen („Turn & Go & Turn“). Besonders toll gelingen die Spannungsbögen im Opener „I Feel Exhausted“: bedächtige Gitarren, in die sich nach und nach mehre Schlagzeug- und Feedbacklinien drängen und wickeln, um dann zum vollwertigen Indierocker auszuwachsen. Toll auch, dass vereinzelt die gewohnte „Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang“-Mixtur durch Saxofon und Bläser („Queen Mary II“) oder ein Banjo (am Ende von „Fervor & Indifference In The Bicameral Brain“) aufgelockert wird.

Everyone Everywhere (PressPhoto 2)

Auch in den von Sänger/Frontmann Brendan McHugh vorgetragenen Texten bilden sich melancholische Einheiten: mal singt er von Wut und dem Hier und Jetzt („I’ve called off the search / I know exactly where you are / I’ll give you the time / If you at least call / … / I want to smash things / I want a coffee / I want to punch myself repeatedly / Let’s watch a movie / Expend no energy / And just be / Can we just be?“ – „I Feel Exhausted“), vom Wegdriften aus dem tristen Alltag („Queen Mary II“), vom Älterwerden („Big Hat“), von Zukunftsängsten („We’ve been right about things like evolution / But if the planet’s burning up and no one knows?“ – „Fervor & Indifference In The Bicameral Brain“), den Träumen vom Berühmtsein und von der erfüllenden Unbeschwertheit des „amerikanischen Traums“ („$1,000,000,000“), vom Sich-treiben-lassen („We can move around / Do nothing / Feel nothing / We can go around / See nothing / Say nothing / We can rewrite / Something“ – „No Future“) oder einfachen Alltagsgedanken („Wild Life“).

Everyone Everywhere erfinden während der 40 Minuten ihres zweiten Albums das Indierock-Rad keinesfalls neu, liefern jedoch eine gelungene potentielle Grundlage als musikalische Kopfhörer-Untermalung für den nächsten Herbst- oder Winterspaziergang, wenn die Tage und Wochen grau, düster und kaugummiellenlang erscheinen und man für einen Moment nicht an morgen denken, sondern einfach den eigenen Gedanken hinterher hängen möchte. Das 2012er Album der US-Indierocker besitzt Tiefe, setzt dem Hörer jedoch nicht mit übermäßiger Schwere zu. Freunde von Pale, Jimmy Eat World, Death Cab For Cutie oder den Weakerthans dürfen hier gern einmal mehr als ein Ohr riskieren…

Aktuell bieten Everyone Everywhere die digitale Albumversion über ihre Bandcamp-Seite für den Minimalbetrag gerade einmal einem (!) Dollar an, den Vorgänger von 2010 sowie die Debüt-EP „A Lot Of Weird People Standing Around“ haut das Quartett wahlweise sogar „für lau“ raus. – DIY mit Neunziger-Ethos, mit den Mitteln von heute. Aufgepasst: hier denkt eine Band mit!

 

Hier kann man sich das komplette Album anhören…

…und hier die Videos zum ungewöhnlichen Albumstream…

 

…sowie zu „Queen Mary II“, bei welchem die Band mit minimalen Mitteln und maximaler Selbstironie Bilder von hohem Unterhaltungswert schaffen, begutachten:

 

Rock and Roll.

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