(gefunden bei Facebook)
Falls wer den Film nicht kennt: hier gibt’s den Trailer (und von mir den ausdrücklichen Anschaubefehl)…
Rock and Roll.
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Falls wer den Film nicht kennt: hier gibt’s den Trailer (und von mir den ausdrücklichen Anschaubefehl)…
Rock and Roll.
„Tusk – Der Mensch ist das gefährlichste Tier“ (2014)
Der ebenso erfolgreiche wie selbstverliebte Podcaster Wallace Bryton (Justin Long) strandet aufgrund unglücklicher Umstände in einem kanadischen Provinznest. Da sich sein Interviewtermin kurzfristig ins Jenseits befördert hat, ist er nun händeringend auf der Suche nach einem neuen Gesprächspartner für die nächste Podcast-Show. Durch Zufall stößt er auf eine Annonce des alten Abenteurers Howard Howe (Michael Parks), in welcher ihm aufregende Gesichten versprochen werden. Und in der Tat: Schon als Bryton bei Howes abgelegenem Anwesen ankommt, offeriert ihm der alte, anscheinlich an einen Rollstuhl gefesselte Mann aufregende Stories von Krieg und Hemingway. Was er jedoch noch nicht ahnt: Howe ist seit einem Erlebnis auf hoher See manisch von Walrossen fasziniert. Noch bevor der sensationsgeile Internetstar seine Teetasse leeren kann, fällt er betäubt zu Boden. Und als er wieder erwacht, merkt er, dass der alte Mann etwas ganz Besonderes mit ihm vor hat: Er möchte ihn operativ in ein Walross verwandeln!
Sein bester Freund und Co-Podcaster Teddy (Haley Joel Osment aus „The Sixth Sense“ – 15 Jahre, wie die Zeit vergeht…) beginnt sich unterdessen Sorgen zu machen. Gemeinsam mit Wallaces Freundin Allison (Genesis Rodriguez) begibt er sich auf die Suche. Unterstützt werden sie dabei von Montreals einstmals bestem Ermittler Guy LaPointe (Johnny Depp, der in dieser weirden Maskerade kaum wiederzukennen ist), der dem Serientäter Howe schon länger hinterher jagt. Viel Zeit bleibt ihnen jedoch nicht, denn Howard Howe hat sein teuflisches Handwerk bereits begonnen und in Kanadas Weiten hört niemand Wallace schreien…
„Tusk“ ist der Auftakt zur „True-North“-Trilogie von Regisseur Kevin Smith („Clerks“, „Dogma“), in der dieser kanadische Mythen und Legenden als Horrorkomödien ins (Independent-)Kino bringt. Die Idee zum Film, den man gut und gern als des Regisseurs Ode an die Schadenfreude betrachten kann, geht – natürlich – auf den gemeinsamen Podcast von Kevin Smith und Produzent Scott Mosier, ‚SModcast‘, zurück. In Folge 259, „The Walrus and The Carpenter“, besprechen beide eine Wohnungsanzeige, in der ein Mann eine kostenlose Wohngelegenheit anbietet. Als einzige Gegenleistung verlangte er von seinem Mitbewohner, dass er sich als Walross verkleidet. Daraufhin startete Kevin Smith einen Aufruf an seine Twitter-Follower: Wenn sie wollen, dass aus der Geschichte ein Film wird, sollten sie unter dem Hashtag #WalrusYes ihre Meinung posten. Und scheinbar waren eben jene Meinungen – oder auch einfach nur die Sehnsucht nach einem neuen Film des Kultregisseurs, den die meisten Filmfreunde auch als Gesicht von „Silent Bob“ kennen werden – durchaus positiv. Freilich ist jede der 105 Minuten von „Tusk“ so abseitig und zotig geraten, dass man sich nur allzu leicht ausmalen kann, wie viel Spaß Smith und seine Crew bei diesem Film gehabt haben müssen. Grandios auch: Michael Parks in der Rolle des alten irren Bösewichts, der seinen verzweifelten Gegenüber Justin Long locker an die Wand spielt, sowie Johnny Depp in einer bis zur Unkenntlichkeit überzeichneten Gastrolle. Ausserdem an Bord: Lily-Rose Melody Depp und Harley Quinn Smith, die beiden Töchter von Johnny und Kevin, in kleinen Nebenrollen als Supermarkt-Angestellte.
Wie bereits erwähnt stellt „Tusk“ lediglich den Auftakt zu Kevin Smiths „True-North“-Trilogie dar. Für den zweiten, für 2016 geplanten Teil „Yoga Hosers“ kommt denn auch fast die gesamte Besetzung wieder zurück. Dann jedoch spielen die Töchter von Kevin Smith und Johnny Depp die Hauptrollen. Der abschließende Film der Reihe soll „Moose Jaws“ heißen. Und wenn die beiden folgenden Teile auch nur ansatzweise den abseitigen Humorfaktor von „Tusk“ besitzen sollten, dann dürfte auch da der Daumen nach oben zeigen…
„Der Babadook“ (2014)
Die alleinerziehende Mutter Amelia (Essie Davis) hat den gut sechs Jahre zurückliegenden Tod ihres Mannes noch immer nicht überwunden. Hinzu kommt, dass ihr Sohn Samuel (Noah Wiseman) Amelia zunehmend Kummer bereitet. So quälen den Jungen Albträume von einem Monster, das ihn und seine Mutter umbringen will. Als er dann auch noch eine alte Schauergeschichte mit dem Titel „Mister Babadook“ findet, verstärkt dies seine Angst nur noch, verkündet jenes Buch doch, dass man die titelgebende Kreatur nicht mehr loswerden kann, sobald man einmal einen Blick ins Haus hineingeworfen hat. Von seiner Furcht übermannt, wird Samuel immer unberechenbarer und gewalttätiger. Dennoch glaubt die besorgte Amelia zunächst nicht an eine übernatürliche Heimsuchung. Doch nach und nach wird auch sie von verstörenden Erscheinungen geplagt. Hat ihr Sohn vielleicht doch die ganze Zeit Recht gehabt?
Eine zurückgezogen lebende Familie (minus Mann), eine Alltagskulisse samt altem, düsterem Haus, ein verängstigtes Kind – hier hätten wir schon den Stoff, aus dem – spätestens seit „Der Exorzist“ – ach so viele Horrorfilme gestrickt sind. Natürlich ist das Werk der australischen Regisseurin Jennifer Kent etwas anders. Es ist Independent, lässt mehr im Halbschatten des Gruselkabinetts, als dass es zeigt (was wohl auch dem Budget geschuldet sein dürfte). Und als man bereits denkt, dass „The Babadook“ mehr zum hochemotional-deprimierenden Lehrfilm über Trauerarbeit taugt als dass er zum Horrorschmöker ausartet, da nimmt der Film erneut eine Wende – leider nicht (ganz) zum Guten. Klar hat der Streifen – rein inszenatorisch – brillante Momente, und wenn zum Schluss das Monster und seine metaphorische Bedeutung eins werden, ist das wirklich clever umgesetzt. Dennoch ist die Herangehensweise oft zu klinisch, zu gleichsam für dieses Genre. Freilich ist gerade der Horrorbereich mit all seinen Trasher- und Slasher-Beispielen, mit dem stillen wie lauten, dem höchst subjektiven wie offensiven Grusel, den gekonnten Kniffen den selbstironischen Überhöhens wie effektiven Aussparens mehr als ausgereizt. „The Babadook“ will viel, und lässt den Zuschauer nach 95 Minuten zwiespältig zurück. Dabei haben doch jüngst Filme wie „Conjuring“ oder „Insidious“ gezeigt, wie man’s im Grunde besser machen könnte…
„Die unüblichen Verdächtigen“ (2013)
Yonatan (Gil Blank) ist ein kluger Kopf. Vielleicht ist er sogar etwas zu klug für seine (Um)Welt, denn in der Schule wird der Teenager schikaniert und sein einziger Freund ist sein Vater, den er regelmäßig bei seiner Arbeit als Sicherheitsinspektor in einer Bank besucht. All das wäre wohl gerade noch zu ertragen, doch nach einem tragischen Unfall sieht Yonatan sich gezwungen, seine Mutter vor der Armut und aus den Armen eines anderen Mannes, dem schmierigen Bankdirektor, zu retten. Der Junge entwirft einen verrückten Plan: Mit der Hilfe seines verschrobenen Großvaters Eliyahu (Sasson Gabai), einem ehemaligen Kämpfer der israelischen Untergrundbewegung, dessen durchgedrehten Freund Nick (Moni Moshonov) und eines schrulligen, in Ungnade gefallenen britischen Lords (Patrick Stewart) will er die Bank, die seine Familie in der Not im Stich gelassen hat, ausrauben. Ob das gut geht?
Freilich ist das Gros der Zutaten der israelischen Komödie, die im Juli 2013 auf dem Jerusalem Film Festival in Israel ihre Premiere feierte, nicht neu. Ein ausgefuchster Jungspund, ein Haufen alter, greiser Säcke und ein schmieriger Bösewicht auf der anderen Seite, dem das ungleiche Pack aus Alt und Jung an den Kragen will – all das ist seit Jahr und Tag Stoff für unzählige Komödien dies- wie jenseits von Hollywood. Und obwohl der Film des israelischen Regisseurs Reshef Levi während seiner kurzweiligen 107 Minuten zahlreichen Klischees (bewusst?) nicht ausspart, und sich obendrein die ein oder andere sentimentale stille Szene gönnt, wird man bei „Hunting Elephants“ (so der englische Originaltitel) gut unterhalten. Obendrein läuft Patrick Stewart, bekannt vor allem als Captain Jean-Luc Picard aus „Star Trek: The Next Generation“ oder als Professor Charles Xavier in der „X-Men“-Reihe, in zweiter Reihe zu ganz großer Form auf, denn der mittlerweile 74-Jährige ist neben seinen Rollen in Kino- und TV-Produktionen auf ein äußerst formidabler Theaterrecke (auch wenn er für die Rolle des Lord Michael Simpson erst einsprang, nachdem John Cleese aus gesundheitlichen Gründen aussteigen musste).
Rock and Roll.
„The Philosophers – Wer überlebt?“ (2013)
Es beginnt als ein simples Experiment an einer internationalen Schule in Jakarta. Der Philosophielehrer Mr. Zimit (James D’Arcy) führt mit seiner Schulklasse anlässlich von deren Abschlussprüfung im Unterricht ein fiktives Gedankenexperiment durch: Was wäre, wenn das Ende der Welt bevorsteht, aber der rettende Bunker nicht für alle Platz bietet? Wer von den zwanzig Schülern kommt hinein und wem sollte der Zutritt verwehrt werden, wenn doch nur Reserven für zehn Menschen vorhanden sind? Per Zufall werden den Schülern verschiedene Berufsrollen und Eigenschaften zugeteilt. Doch wer hat ein größeres Anrecht darauf zu überleben? Wer wird dringender gebraucht und auf wen kann angesichts der nahenden nuklearen Apokalypse verzichtet werden? Ist der Dichter weniger wert als ein Öko-Bauer, der Homosexuelle bei der Planung einer „Neubesiedelung“ außen vor? Das Ganze ist ein Gedankenexperiment, mit dem Mr. Zimit ein letztes Mal das Urteilsvermögen seiner Schüler herausfordert. Doch schnell bröckelt das rationale Gebäude und das Experiment bekommt eine gefährliche Eigendynamik, von der alsbald auch romantische Beziehungen im wahren Leben betroffen sind…
„Man stelle sich vor, was für ein guter Film „The Philosophers“ hätte werden können… Die Prinzipien utilitaristischer (und damit teilweise schlicht menschenverachtender) Vernunft ausgetestet an einer Gruppe theoretischer Konstrukte, deren Gefühlsebene unaufhaltsam in die Gleichung involviert wird. Das hätte wahnsinnig viel Raum geboten, nur nutzt John Huddles bloß die Besenkammer.“ – Obwohl die Kritik von cellurizon.de doch recht hart mit dem vor allem in den tropischen Kulissen von Jakarta und Indonesien entstandenen Film von Regisseur John Huddles („Unsere verrückte Farm“) ins Gericht geht, hat sie doch nicht ganz unrecht. Denn „After The Dark“ (so der US-Originaltitel) mangelt es zwar nicht an vielen spannenden Denkansätzen und Gedankenexperimenten, nur sind diese halt recht schnell erschöpft, und so muss der Film, welcher im August 2013 beim Fantasy Filmfest seine Deutschlandpremiere feierte, nach gut der Hälfte seiner knapp 110 Minuten neue Stränge herbei ziehen, um den Zuschauer halbwegs bei Laune zu halten. Action? Nunja, nicht des Philosophen Spezialgebiet… Amouröse Verwicklungen? Es bleibt an der Oberfläche, der Rest vorhersehbar… Da hilft auch nicht, dass die recht kleine Produktion mit KoRn-Frontmann Jonathan Davis einen namenhaften Soundtrack-Lieferanten gewinnen konnte. So bleiben junge, unbekannte Gesichter in urlaubsreifen Kulissen, welche sich ohne ein einziges Gramm Dreck unter den von der nahenden Apokalypse bedrohten Fingernägeln die frisch frisierten Köpfe über große philosophische Konstrukte zerbrechen. Wer jedoch eh schon ein Faible fürs Philosophische hat (so wie ich, immerhin habe ich das Ganze mal mehr oder minder ernsthaft studiert und kann derlei theoretischen „Eierköpfigkeiten“ schon etwas abgewinnen) und da auch mal 90 Minuten auf Action verzichten kann, dem sei „The Philosophers“ ans Flimmerherz gelegt. Der Rest dürfte gelangweilt abwinken…
Rock and Roll.
„For better or worse, everything I’ve made is a snapshot of who I was at that time.“
(Spike Jonze, * 1969, US-amerikanischer Musikvideokünstler sowie Regisseur von Filmen wie „Being John Malkovich“, „Adaption.“ oder „Wo die wilden Kerle wohnen“)
Allen Freunden des anspruchsvoll-melancholischen Kinos sei übrigens Jonzes in Deutschland am 27. März startender neuster Film-Geniestreich „Her“ ans Cineastenherz gelegt. Ich durfte ihn bereits sehen und muss gestehen: eine innere Blumenwiese für Herz, Hirn und Gehörgang (der Soundtrack stammt zum Großteil von den „U2 der Indiehipster-Fraktion“, Arcade Fire, sowie Yeah Yeah Yeahs-Frontfrau Karen O)!
Rock and Roll.
Natürlich könnte sich der cineastische Teil des ANEWFRIEND’schen Jahresresümees wieder eben jene Musikdokumentationen in Erinnerung rufen, die 2013 besonders viel – und nachhaltig – Eindruck hinterließen: „Sound City“ von Sympathieass und Regieneuling Dave Grohl (Foo Fighters, Nirvana etc. pp.), das Oscar-prämierte „Searching For Sugar Man„, die so einfache wie bewegende Black Protopunk-Doku „A Band Called DEATH“ oder das vollkommen den Boss-Jüngern und ihrer Verehrung gewidmete und von Starregisseur Ridley Scott produzierte „Springsteen & I„. Natürlich ließe sich an dieser Stelle eine ellenlange Ode herunterbeten, die auch der zweite Teil von Peter Jacksons „Der Hobbit“-Verfilmung vollkommen verdient hätte. Natürlich… Aber all das wurde bereits vielfach an anderer Stelle, ob nun auf diesem bescheidenen Blog oder anderswo im weltweiten Netz, getan. Stattdessen gibt’s den ANEWFRIEND’schen Filmtippnachschlag für die letzten Tage des alten Jahres…
„Prisoners“ (2013)
Oh, du trügerische Ruhe… Ein verschlafenes kleines Städtchen irgendwo im Nirgendwo von New England im Nordosten der USA, in dem im Grunde jeder jeden in den uniformen Einfamilienhaussiedlungen kennt und man die Haustüren nie abschließen muss. In dem man schnell Freundschaft mit den Nachbarn schließt und gemeinsam die Feiertage verbringt. So auch die beiden Kumpels Keller Dover (Hugh Jackman) und Franklin Birch (Terrence Howard), die sich in bester Laune zum familiären Beisammensein bei Thanksgivingbraten und Wein treffen. Auch ihre sechsjährigen Töchter Anna und Joy sind beste Freundinnen, und da es den Mädchen im Haus schnell langweilig wird, rennen sie zum Spielen nach draußen. Doch als Keller nach dem Rechten sehen will, fehlt von den Kindern jede Spur. Panik bricht aus, und der einzige Anhaltspunkt ist ein heruntergekommenes Wohnmobil, das Kellers jugendlicher Sohn kurz zuvor nahe der Familienhäuser parkend vorgefunden hat. Schnell kann die verständigte Polizei Wohnmobil und Besitzer ausfindig machen, und wäre dieser Film einfacher gestrickt, dann wäre die Lage schnell klar… Am Steuer des Fahrzeugs finden die Cops um den ermittelnden Detective Loki (Jake Gyllenhaal) den geistig zurückgebliebenen Alex Jones (Paul Dano) vor. Doch aus dem jungen Mann mit dem IQ eines 10-Jährigen ist, vom dem ein oder anderen zusammenhangslosen Wort einmal abgesehen, beim Verhör nichts herauszubekommen. Und so müssen der Detective und seine Kollegen Jones wieder auf freien Fuss setzen. Das kann und will Dover – und das ist bei einem Vater, den die ständige Sorge um seine Tochter um den Verstand zu bringen droht, nur all zu gut nachzuvollziehen – natürlich so nicht geschehen lassen. Also kidnappt er – mehr im Affekt – Jones kurzerhand, und setzt so die Suche nach den Mädchen mit unbarmherzigen Verhörmethoden und auf seine Art und Weise fort…
Mit „Prisoners“ hat der frankokanadische Regisseur Denis Villeneuve ein US-Filmdebüt nach Maß geschaffen. Dabei hätte es den Streifen gut und gern nie geben können. Jahrelang versuchte Warner Bros., den so vielversprechend von Aaron Guzikowski („Contraband“) zu Papier gebrachten Thrillerstoff zu realisieren, hatte mal Christian „Batman“ Bale und Mark „Ted“ Wahlberg für die Hauptrollen im Visier, mal Bryan Singer („X-Men“) oder Antoine Fuqua („Training Day“) für die Regiearbeit im Gespräch. Sieht man das nun endlich von Villeneuve in großartiger Manier zu Ende gebrachte Resultat, so hätte man schwerlich eine bessere Auswahl als die jetzige treffen können. In der Atmosphäre mit all den neblig grauen, alltäglich gleichen Fassaden und dem wolkenverhangenen Wetter spiegeln sich ebenbürtige Werke von David Fincher („Sieben“, „Zodiac“) oder Clint Eastwood („Mystic River“), denen, wie auch in „Prisoners“, zwar der dezente Hang zur minutiösen Überlänge zueigen ist, diese jedoch jederzeit mit offenen Enden, Twists und Turns, Fehlläufen und geradezu irrwitzigen Wendungen einhunderprozentig wett machen. Zum auf schaurige Art und Weise zu Herzen gehenden Schauspiel tragen jedoch vor allem die beiden Hauptdarsteller Hugh Jackman („Wolverine“) und Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“) bei, die zwar mit dem gleichen Einsatz versuchen, das Leben der verschwundenen Mädchen zu retten, jedoch mit nahezu komplett unterschiedlichen Waffen.
In seiner Gesamtheit ist „Prisoners“ einer der wohl spannendsten, mitreißendsten und wendungsreichsten Thriller der letzten Jahre, der in seinen zweieinhalb Stunden ebenso viele Fragen wie (bewusst) fehlplazierte Antworten ins Feld wirft, bis der Zuschauer kaum noch weiß, wer zur Hölle hier eigentlich Täter, wer Opfer ist. Natürlich ist weder die zum Äußersten neigende Handlung, noch der sich immer enger schlingende Plot etwas für schwache Nerven (und auch das Ende bietet reichlich Diskussionsstoff), aber dennoch: Wer ein hochkarätig besetztes cineastisches Ratespiel sucht, der sollte sich „Prisoners“ keinesfalls entgehen lassen. Und gut in die Stille hinein hören…
„Byzantium“ (2013)
Keine Frage, spätestens seit „Twilight“, jener Filmreiheadaption der keuschen Romanvorlagen der US-amerikanischen, mormonischen Jugendbuchautorin Stephanie Meyer, haben die Vampire das mal mehr, mal weniger blutige Gänsehautzepter der Zombies und Werwölfe übernommen (obwohl zweitere, als muskelbepackte Sixpacker, auch ihren Platz in „Twilight“ bekommen). Dabei waren es gerade die blutsaugenden Fledermauswandler, die als mysteriöse, lichtscheue Wesen seit jeher das cineastische Horrorgenre bestimmt haben – man denke nur an F.W. Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“ (von 1922!), dessen 1979-Remake mit Klaus Kinski in der Rolle des spitzzähnigen Bleichgesichts, an Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ (1967), an „Bram Stoker’s Dracula“, das 1992 mit einer bildhübschen Winona Ryder und großartiger Atmospähre aufwartete. Wer nach Action rief, der bekam etwa in der „Blade“-Reihe (1998-2004) einen Wesley Snipes als arschcoolen Vampirjäger oder im unterkühlten Pendant „Underworld“ Kate Beckinsale als um sich schlagende Allzweckwaffe im hautengen Lederdress. Egal welcher Kultregisseur, ob nun Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn“), John Carpenter („John Capenter’s Vampires“) oder Guillermo del Toro („Cronos“) – im Halbdunkel konnte bislang keiner der Verlockung zweier spitzer Eckzähne an schönen Frauenhälsen widerstehen… Und selbst diejenigen Filmfreunde, denen all das längst zu einseitig, stinografisch und vorhersehbar geworden sein mag, dürften mit den so wunderbar anderen Vampirstreifen wie dem schwedischen „So finster die Nacht“ (2008, der nur zwei Jahre später mit dem erstaunlich guten „Let Me In“ sein US-Remake erfuhr) oder dem südkoreanischen „Durst“ (2009, einer der eigensinnigsten Filme in dieser Auszählung) bestens unterhalten worden sein. In den Neunzigern dürfte wohl jedoch vor allem „Interview mit einem Vampir“ (1994) stilbildend gewesen sein, eine epische Erzählung, in der sich das ewig junge und ewig schöne maskuline Vampirduo aus Tom Cruise und Brad Pitt (aka. Lestat de Lioncourt und Louis de Pointe du Lac) durch Zeitalter und Jahrhunderte schlägt, schläft und saugt. Dass nun ausgerechnet Neil Jordan, der Regisseur eben jenes Films, mit „Byzantium“ auf das eigene Meisterwerk antwortet, wirkt anfangs eventuell ein wenig schräg und selbsteingenommen, passt jedoch nur zu gut…
Clara Webb (Gemma Arterton) und ihre Tochter Eleanor (Saoirse Ronan) befinden sich seit Jahrhunderten auf der Flucht vor einer geheimnisvollen, unbarmherzigen Bruderschaft. Nachdem die beiden grundverschiedenen Vampirdamen, die sich stets als Schwestern ausgeben (der Alterslosigkeit sei Dank!), einmal mehr übereilt ihr Quartier verlassen mussten, landen sie in einer trostlosen englischen Küstenstadt im heruntergekommenen Hotel „Byzantium“. Während Clara sich nur für das Hier und Jetzt interessiert und versucht, als Prostituierte Geld zu verdienen, hat Elenor das Bedürfnis, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Die auf ewig 16-Jährige erinnert sich, wenn auch nur fragmentarisch und im Traum, daran, dass sie vor ihrer Vampirwerdung in eben diesem Küstenstädtchen in einem Waisenhaus aufwuchs. In einem Schreibkurs bringt sie ihre Lebensgeschichte zu Papier, was bald schon ihren Mitschüler Frank (Caleb Landry Jones) auf sie aufmerksam macht. Als immer mehr Menschen aufgrund von Blutverlust sterben und Eleanors Lehrer (Tom Hollander) sich mit der schier unglaublichen Geschichte seiner Schülerin auseinanderzusetzen beginnt, spitzt sich die Situation für Mutter und Tochter zu. Und auch die eigene Vergangenheit holt sie in Form zweier Gesandter der auf Rache sinnenden Bruderschaft wieder ein…
Wer „Byzantinum“ lediglich als weibliches Pendant zum von Testosteron durchzogenen Epos „Interview mit einem Vampir“ bezeichnet, tut wohl beiden Filmen unrecht. Denn obwohl auch in der Verfilmung von Moira Buffiniaus Drama „A Vampire’s Play“ zwei gleichgeschlechtliche Personen im Fokus stehen – und die eben in diesem Film weiblich sind -, schneidet der irischstämmige Regisseur Jordan jedes Fitzelchen Zelluloid auf das in vollstem Maße überzeugende Darstellerduo Gemma Arterton („James Bond 007 – Ein Quantum Trost“, „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“) und Saoirse Ronan („Abbitte“, „Wer ist Hanna“) zu, die ihrerseits den Fokus dazu nutzen, die beiden Figuren mit einfachsten Gesten mal voneinander weg, mal zueinander finden zu lassen – Ambivalenz in Blutrot. Dass dies zu Lasten der deutlich limitierten Handlung und am offenen Faden hängenden Geschichte geht, ist zwar in der Tat bedauerlich. Man wird jedoch mit der in Masse vorhandenen morbid-melancholischen Atmosphäre und so, so vielen tollen Kameramomentaufnahmen für jede offene Frage entschädigt. Vampirfilme gibt es eh genug. Und den pubertären Jungfrauen bleiben noch immer Edward und Bella und Jacob und „Twilight“…
„Sightseers – Killers On Tour!“ (2012)
Beim ersten Mal könnte es noch ein Unfall gewesen sein. Doch schon der eigentümlich selbstzufrieden aufblitzende Ausdruck in Chris‘ (Steve Oram) Gesicht, nachdem er beim Zurücksetzen seines Wagens einen unfreundlichen Umweltverschmutzer über den Haufen gefahren hat, gibt dem verdutzten Zuschauer eine Vorahnung dessen, was da noch kommen wird… Tina (Alice Lowe) ist mit Chris auf Wohnwagen-Tour durch England, für beide ist es mit Mitte Dreißig die erste richtige Beziehung. Chris möchte sich als Autor versuchen und (s)ein Buch schreiben, Tina soll seine Muse sein – welch‘ ein Idyll! Lässt man sich das etwa zerstören von pöbelnden Mittouristen, die möchten, dass man hinter dem – freilich gestohlenen – Hund herputzt? Oder von einem Campingplatznachbarn, der es tatsächlich schon geschafft hat, ein Buch zu schreiben – derer drei sogar! -, und der einen noch tolleren Caravan fährt als man selbst, dieser eitle, ach so perfekte Angeber? Natürlich nicht!
Irgendwie ist diese Melange schon irrwitzig, die Regisseur Ben Wheatley („Kill List“) da auf die Leinwand bringt. Da schickt er ein nach Außen vage zwischen ewigem Backfisch und asozialem Spießertum pendelndes Pärchen auf einen chaotischen Roadtrip quer durch die wohl unschönsten Touristenattraktionen der englischen Insel, während dem sie sich mehr und mehr – und umso inniger! – zu hassen lernen. Und: Chris und Alice hinterlassen in ihrer gesellschaftsfernen Gangart eine wahre Spur von Blut und Verwüstung, die zuerst mit unachtsamen Zufällen beginnt, jedoch schon bald nur noch willkürlich aus reinster Mordslust besteht. Für Zartbesaitete ist diese Mischung aus „Natural Born Killers“ und „Little Britain“ tatsächlich nicht die allerbeste Wahl der Unterhaltung. Vielmehr sollte man bei der schwarzhumorigen Splatterkomödie, beim Publikumsliebling des Fantasy Filmfests 2012, an dessen Drehbuch die beiden Hauptdarsteller selbst mitschrieben, schon einiges an Faibel für Sarkasmus und Ironie mitbringen, um über diesen Streifzug der englischen Vorstadtentsprechung von „Bonnie und Clyde“ lachen zu können… Freunden des oft gerühmten britischen Humors sei „Sightseers – Killers On Tour!“ jedoch bedenkenlos empfohlen.
„Paulette“ (2012)
Eigentlich könnte einem Paulette (Bernadette Lafont) leid tun… Vor langer Zeit hatte sie einst scheinbar alles: eine glückliche Familie, einen Mann, Wohlstand, Ansehen und ein eigenes Lokal. Nun ist all das weg, der Mann verstorben, das Lokal längst ein Null-Acht-Fünfzehn-Chinarestaurant und die Tochter mit einem farbigen Polizisten liiert, mit dem sie darüber hinaus noch ein zwar zuckersüßes, jedoch eben immer noch farbiges Enkelkind gezeugt hat. Überhaupt: Fremde, und dann auch noch mit ausländischen Wurzeln, verursachen bei Paulette nur eines: Angst und Unbehagen. Denn die rüstige Rentnerin lebt trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 80 Jahren alleine in einem zwielichtigen, heruntergekommenen Pariser Vorort. Zu schaffen macht ihr dabei vor allem der eigene soziale Abstieg und die damit verbundene schmale Pension, über die sie sich immer wieder aufs Neue aufregen könnte… Als ihr eines Abends ein Päckchen Marihuana in die Hände fällt, sieht sie ihre Chance gekommen – Paulette wird zur Haschisch-Dealerin. Da sie früher als Konditorin gearbeitet hat, besitzt sie einen ausgeprägten Geschäftssinn und kann zudem auf ihre grandiosen Backkünste zurückgreifen. Hilfe bekommt sie außerdem von ihren Freundinnen, die ab und zu auf einen Nachmittagstee vorbeischauen. Von so einer Unterstützung kann ihre Lederjacken tragende Konkurrenz im Viertel freilich nur träumen… Innerhalb kürzester Zeit schwingt sich die ruppige Dame zur unumstrittenen Königin des kultivierten Drogenhandels auf – eine Tatsache, die bald auch die mächtigen Hintermänner der lokalen Drogenversorgung hellhörig macht. Um Paulettes Talente für sich nutzen zu können und sie unter Druck zu setzen, entführen sie ihren Enkelsohn Léo (Ismaël Dramé) – doch dabei haben sie die Rechnung ohne die rabiate Rentnerin und ihre Gerontengang gemacht…
Freilich bietet „Paulette„, die Komödie von Regisseur Jérôme Enrico („Prêt-à-Porter“), keine Neuerfindung des frankophilen Filmrades an. Dafür sind die Figuren zu explizit angelegt, dafür ist die Handlung einfach zu vorhersehbar. Vielmehr greift der Film mit der Versöhnung über soziale wie ethnische Gesellschaftsbarrieren hinweg ein durchaus beliebtes Grundthema des französischen Kinos auf (man erinnere sich etwa an den internationalen Publikumserfolg „Ziemlich beste Feunde“ oder die unterhaltsame Polizeiklamotte „Ein Mordsteam“) und wandelt so als Culture Clash der „Fabelhaften Welt der Amélie“ mit „Banlieue 13“ auf recht großem Fuße. Dass „Paulette“ dabei außerordentlich unterhaltsam geraten ist, spricht im Grunde nur wieder einmal für den Charme des franzöischen Films, der es sich weiterhin vorbehält, etwas anders – im besten Sinne! – zu sein…
Auch toll in ANEWFRIENDs Filmjahr waren etwa…
„In ihrem Haus“ (2012)
Mehr dazu hier…
„Der Geschmack von Rost und Knochen“ (2012)
Mehr dazu hier…
„This Ain’t California“ (2012)
Mehr dazu hier…
Rock and Roll.
Es gibt kein Entrinnen, nirgends! Wohin man auch blickt und klickt, wird man mit Resümees, Rekapitulationen, Highlights, Lowlights und Schlussstrichen geradezu überschüttet und kopftechnisch nahezu übersättigt. ANEWFRIEND stimmt nun auch in diesen Reigen ein und präsentiert, wie bereits im vergangenen Jahr schon, höchst subjektive Glanzlichter aus Bild und Ton.
In guter Tradition startet die ANEWFRIEND’sche Jahreszäsur auch 2013 mit den Serien…
„Breaking Bad“
„There are two kinds of men in this world. Those who drink and those who pour.“
– der mexikanische Drogenboss zu Clint Eastwood und Eli Wallach in „Il buono, il brutto, il cattivo“(dt. „Zwei glorreiche Halunken“) –
Über kaum eine TV-Serie wurde im zurückliegenden Flimmerjahr so sehr diskutiert und debattiert, kaum eine Serie wurde so heißblütig kommentiert wie „Breaking Bad„. Dass der Fernsehstoff in den heimatlichen Vereinten Staaten besser ankam als hierzulande (ich beziehe mich da explizit auf Quantität und Quote!), dürfte einerseits mal wieder kaum einen überraschen, immerhin beweisen die bundesdeutsche Senderlandschaft sowie deren Fernsehpublikum Jahr für Jahr aufs Neue, dass ihnen frische, eigenständige und eigensinnige neue Ideen gefälligst den Sendebuckel in Richtung Allerwertester entlangrutschen können, um dann irgendwo in der nächtlichen Versenkung zwischen „Wetten dass…?“, „Rosamunde Pilcher“, der x-ten drögen Polittalkshow und der xxx-ten „Tatort“-Wiederholung zu verschwinden… Wer anders denkt, bedient sich noch immer im Pay-TV oder Internet (von feinen Spartensendern wie ZDFneo einmal abgesehen). Andererseits bot „Breaking Bad“ auch fünf Staffeln lang ein ebenso alltägliches wie irrwitziges – und doch klischeehaft US-amerikanisches – Set-up: Ein biedereres Leben als das des Chemielehrers Walter White (Bryan Cranston) könnte ein Mittelklasse-US-Amerikaner kaum führen: Broterwerb als Lehrkraft an einer High School in Alberquerque, New Mexico, Nebenjob nachmittags an einer Waschanlage. Mit dem verdienten Geld hält er seine Familie gerade eben über Wasser, und ist doch immerzu der willig-stille Fußabtreter für sein jeweiliges Gegenüber. Als er dann jedoch bei einer ärztlichen Routineuntersuchung die Diagnose „Lungenkrebs im Endstadium“ erhält, bricht Whites scheinbar geordnete Welt innerhalb weniger Momente zusammen. Wie soll er etwas, dass er selbst kaum wahrhaben kann (respektive: will), nur seiner Familie erklären? Woher soll er ohne jegliche Krankenversicherung nur das Geld für eine Behandlung nehmen? Und: Was kann er seiner Familie im Grunde vermachen? Mehr durch Zufall (oder ist es doch Schicksal?) begleitet er kurz darauf seinen Schwager, den Drogenfahnder Hank (Dean Norris), bei einem seiner Einsätze, und trifft dabei auf seinen ehemaligen Schüler Jesse Pinkman (Aaron Paul). Wie im Kurzschluss hilft White diesem bei der Flucht vor dem Arm des Gesetzes – und schon wenig später stehen beide in Unterhosen in der sengenden Wüstensonne New Mexikos, um Pinkmans Crystal Meth-Geschäft auf Vordermann zu bringen. Verrückt… und logisch, tun sich hier Whites chemisches Fachwissen und Pinkmans Straßenköterschläue zusammen, um den lokalen Drogenmarkt aufzumischen – für den einstigen Biedermann und Ja-Sager bald die einzig plausible Möglichkeit, seine Familie vor dem Hinterlassen eines Nichts zu retten…
Dass dieser blauäugige Sprung ins kriminelle Drogengeschäft bei aller Qualität der „Heisenberg“ ’schen Ware (White gibt seinem Drogenbaron-Alter Ego in Anlehnung an sein Idol Werner Heisenberg bald diesen Namen) kaum gut ausgehen kann, merkt der Zuschauer natürlich schnell – da braucht es allein bei diesen brisanten Familienverhältnissen mit der eingeheirateten Drogenfahndung längst keinen Einstein. Trotzdem verfolgt man 62 Episoden lang gebannt Whites und Pinkmans diametrale Wandlungen von Saulus zu Paulus, denn während tragische Verkettungen dem einst so eigensinnigen Schulschwänzer und Kiffer (Pinkman) mehr und mehr Risse in der Schutzwand seines Gewissens schlagen, nimmt „Heisenberg“ eine immer größere Rolle im Leben des braven Biedermanns (White) ein, der schlussendlich auch die eigene Familie in höchste Gefahr bringt…
Natürlich darf man einen guten Teil des Serienerfolgs Vince Gilligan, dem Schöpfer und kreativen Kopf hinter „Breaking Bad“, der in den Neunzigern bereits seinen Anteil am Mysteryserienhit „Akte X“ hatte, zuschreiben. Lässt man den gar nicht mal so fiktionalen Stoff vom Hals-über-Kopf-Fall von Otto Normal in fremde Drogensümpfe beiseite, so bleiben nach fünf Jahren „Breaking Bad“ (das Serienfinale lief in den USA Ende November) doch vor allem die herausragenden Darstellerleistungen, die der Serie ihren packenden Mantel verliehen: Bryan Cranston, der sich als Walter „Heisenberg“ White endlich frei vom Image des tumben „Malcolm mittendrin“-Nebendarstellers spielte, dafür völlig zu recht sämtliche Fernsehpreise (allein zwei der insgesamt zehn „Emmys“) einheimste und sich damit für die große Hollywood-Bühne empfahl (er ist zum Beispiel für die Rolle des Gegenspielers im kommenden „Batman“-Film im Gespräch). Aaron Paul, der die Janusköpfigkeit des bedauerlichen Jesse Pinkman mit den wohl traurigsten White Trash-Hundeaugen des zurückliegenden Fersehjahres füllte und so seine Rolle zur unerwarteten letzten Stimme des gutes Gewissens entwickelte (leider wird er wohl die eigene Karrierekarre mit der Hauptrolle in der Videospielverfilmung von „Need For Speed“ ins qualitative Abseits befördern). Anna Gunn als Whites stets überfordert hin und her wankende Ehefrau Skylar, bei der man tatsächlich nie so recht wusste, ob sie gerade Sympathie- oder Antipathiepunkte sammelt. Dean Norris als bulliger, kumpelhafter Drogenfahnder Hank Schrader, der bis zum Ende die Dämpfe des Drogensumpfs vor der eigenen (familiären) Nase zu überriechen schien. Und, last but not least, Bob Odenkirk als gewitzter Anwalt Saul Goodman, der – ebenfalls vollkommen zu recht – wohl bald ein eigenes Comedy-Spin-Off seines Charakters bekommen dürfte… better call Saul! All die Zutaten ergaben in der Serie Heisenbergs heiß begehrtes blaues Methamphetamin. Und als „Breaking Bad“ die wohl gelungenste Melange aus „Der Pate“, Gesellschaftskritik und Film Noir fürs unterhaltungsgeile MTV-Publikum seit Langem. Der Western schießt der Globalisierung die Haustür ein, während der Zuschauer benommen schlucken muss. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass Gillian und Cranston der Hauptperson den protzigen lauten Knall am Ende verwehrten…
„American Horror Story: Coven“
Die US-Mystery-Serie zählte ja bereits im vergangenen Jahr zu ANEWFRIENDs liebsten TV-Ereignissen. Nach einem verfluchten Horrorhaus (Staffel 1) und einer besonders irren Nervenheilanstalt (Staffel 2) haben sich die Macher – die Originalidee stammt von den beiden Drehbuchschreibern Ryan Murphy und Brad Falchuk – für die dritte Staffel und „American Horror Story: Coven“ nun das südstaatliche New Orleans der Gegenwart für ihre Gruselattacken ausgesucht. Besonders toll, noch immer: während sich Schauplätze, Settings und Thematiken ändern, wird auch in der dritten Staffel ein Großteil des Darstellerstamms beibehalten (etwa Sarah Paulson, Jessica Lange oder Lily Rabe), während neue prominente Namen dazukommen (die großartige Kathy Bates!) oder andere wieder hervor geholt werden (Taissa Farmiga aus der ersten Staffel).
Und natürlich lässt sich „American Horror Story“ auch weiterhin als nicht eben simpel gestrickter Gruselspaß mit toller Atmosphäre schauen. Liest man jedoch tiefer in die Serie hinein, so zupflückt diese zwischen den Zeilen die dunkelsten Spielarten des menschlichen Miteinanders – und offenbart, dass der wahre Horror noch immer in der Alltäglichkeit steckt. Der Teufel im Detail, die Hexe im Genick – auch in Staffel 3 höchst clever verpackt…
„The Walking Dead“
Die postapokalyptische TV-Serie, welche Frank Darabont vor nunmehr drei Jahren bildschirmgerecht einer Comicbuchreihe entlieh, hat sich in seinen bislang vier Staffeln zum stilbildenden Flagschiff einer ganzen „Zombiemanie“ entwickelt. Leider schwächelt die Story von „The Walking Dead“ mittlerweile – allen großartigen Zombiekostümierungen zum Trotz – doch recht arg, sodass man sich bei allen Handlungen um die Flüchtlingsgruppe, welche aktuell meist im beschränkten Refugium eines verlassenen Gefängnisses stattfinden, mehr an eine Horrorvariation einer fiesen Telenovela erinnert fühlt denn an eine Action-Serie. Und ich dürfte wohl kaum der einzige sein, dem die zentrale Figur des widerwilligen Gruppenanführers und Ex-Polizisten Rick Grimes (Andrew Lincolm) mittlerweile gehörig gegen den Sympathiestrich geht… Hoffen wir auf eine Besserung in der Zukunft (höhere Zombiedosis, bitte!), denn eine fünfte Staffel von „The Walking Dead“ wurde im Oktober bestätigt.
„Sons Of Anarchy“
Motorradgangs – da denkt man sicherlich zuerst an die Route 66, „Easy Rider“, „Born to be Wild“ oder die Hell’s Angels…
Glaubt man jedoch den Bildern, welche in mittlerweile sechs Staffeln das Treiben des (fiktiven) Motorradclubs SAMCRO (kurz für „Sons of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original“) beleuchten, so dürfte im 21. Jahrhundert mehr „Hamlet“ als Dennis Hopper in den Lederwesten stecken. Und in der Tat hat Produzent und Ideengeber Kurt Sutter (der übrigens selbst eine mehr oder minder tragende Rolle innerhalb der Serie einnahm) die Handlung von „Sons Of Anarchy“ lose von Shakespeare entlehnt, wenn er zeigt, wie der Staffelstab der Führungsriege innerhalb des Bikerclubs langsam aber sicher – und flankiert von Lügen, Intrigen und einer Menge Gefühlen – vom grauhaarigen Clarence „Clay“ Morrow (großartig: Ron Perlman) an den rechtmäßigen Erben Jackson „Jax“ Teller (Charlie Hunnam, der um ein Haar die männliche Hauptrolle in der S&M-Frauenromanverfilmung von „Shades of Grey“ gespielt hätte) übergeht. Natürlich stehen hinter diesen testosterongebeutelten Herren umso stärkere Frauen, und so haben denn auch Jax‘ Mutter und Clays On/Off-Herzensdame Gemma (Katey „Bundy“ Sagal in der wahren Rolle ihres Lebens!) und Jax‘ einstmals brave Ehefrau Tara (Maggie Siff) ein Wörtchen mit zu reden. Und als wäre das nicht genug, hat die kalifornische Motorradgang immer und immer wieder Ärger mit verfeindeten Gangs sowie dem korrupten Arm des Gesetzes… Herrje.
Alles in allem bietet „Sons Of Anarchy“ somit Jedem etwas: Der Mann bekommt Pferdestärken, Benzingeruch, Bitches, Sex, Testosteron und Action, die Frau Zickenkriege und die gesamte Gefühlsklaviatur. Oder war’s dann doch umgekehrt? Eine gute Serie mit hohem Dramafaktor und feinem Gespür fürs moderne Wild West-Feeling ist „Sons Of Anarchy“ in jedem Falle, auch wenn sich so langsam aber sicher ein paar äußerst zähe Längen einschleichen…
„Wilfred“
Mein persönliches Comedy-Highlight bildete in diesem Jahr die US-Adaption der australischen Serie „Wilfred“ in welcher der gescheiterte und am Leben verzweifelte Anwalt Ryan (unerwartet toll: Elijah „Frodo“ Wood) mit Wilfred (Jason Gann, der bereits im Original diese Rolle spielte), dem Hund seiner hübschen Nachbarin Jenna (Fiona Gubelmann) konfrontiert wird. Der kuriose Dreh- und Angelpunkt: Wilfred ist keineswegs ein normaler Hund. Oder, um’s anders auszudrücken: er erscheint Ryan in höchst menschlicher Form (nur eben im Hundekostüm). Fortan weicht Wilfred nicht mehr von Ryans Seite, kifft, säuft, kopuliert mit einem riesigen Stoffteddy, bringt den suizidgefährdeten Thirtysomething als selbsternannter lebensweiser Mentor in allerlei peinliche Situationen und das Leben von Ryan kräftig aus der Bahn… Obwohl: Schlimmer konnte es für den ohnehin kaum kommen, oder? Ein großer Spaß, das Ganze!
Aus und vorbei…
…hieß es 2013 für unseren Lieblingspsychopathen „Dexter“ – und das keine Staffel zu früh, denn wer bitte will schon einem Serienkiller mit Gewissensbissen beim Einrichten in halbwegs „normale“ Gewohnheiten zuschauen? Sieben Staffeln ging die parallelen Leben von Dexter Morgan (Michael C. Hall) auf nahezu beständig anwachsendem Spannungslevel gut, in der finalen achten Schleife folgte dann – leider! – kurz vor Ende der große Knick. Sei’s drum – es waren sieben schaurig schöne Jahre mit dem wohl neurotischsten Blutspurenanalytiker des Morddezernats des Miami Metro Police Department.
Ebenfalls „Goodbye and fare thee well“ musste man in diesem Jahr zu „Luther“ sagen. Denn nach lediglich drei Staffeln wirft Detective Chief Inspector John Luther (dauerhaft unterschätzt und zu oft für Nebenrollen besetzt: Iris Elba) seinen Wintermantel in die Fluten der Themse, um das grausam graue London hinter sich zu lassen und mit seiner Hassliebe Alice (Ruth Wilson) an einen (hoffentlich) besseren Ort zu verschwinden. Man wünscht es ihm, dem grantig kalten Kämpfer mit dem warmen Herzen am rechten Fleck… Eine der besten BBC-Serien ever, wer’s nicht kennt: anschauen!
Leicht und locker…
…ging’s – und geht’s! – noch immer bei den verliebten Nerds der „Big Bang Theory“ zu, in der sich Sheldon, Leonard, Raj und Howard mal mit der seltsam dümmlichen Außenwelt, mal mit ihren Freundinnen herumschlagen müssen. Auch die beiden „2 Broke Girls“ Max (Kat Dennings) und Caroline (Beth Behrs) schlagen sich in New York weiterhin auf höchstem Sitcom-Niveau die Nächte für ihren großen gemeinsamen Traum – ein eigenes Cupcake-Imperium – um die Ohren, während Ted Mosby nach acht Jahren und gut 200 Folgen so langsam aber sicher zum Ende seiner ausführlichen und mit Irrwegen gesäumten Schilderungen des Kennenlernens der Mutter seiner Kinder – also: „How I Met Your Mother“ – kommt. Mach’s gut, Barney Stinson! Mach’s gut, du Bro aller Bros!
Und 2014?
…folgt der nächste Abschied, wenn mit Hank Moody (David Duchovny) der wohl größte und auf sympathische Weise tollpatschige Rock’n’Roll-Lebemann der Serienlandschaft und dem „Haifischbecken“ Los Angeles Lebewohl sagt. Bis dahin hat man während Staffel 7 noch ein paar Folgen lang Zeit, um von Drugs, Sex und Rock’nRoll á la „Californication“ zu träumen…
Außerdem darf man auf die Fortsetzung des nächsten BBC-Highlights gespannt sein, denn fürs kommende Jahr wurde die dritte Staffel von „Sherlock“ versprochen – so denn die beiden zu Hollywood-Lieblingen avancierten Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes, „Star Trek: Into Darkness“, „The Fifth Estate“) und Martin Freeman (Dr. John Watson, „The Hobbit“) noch Zeit für die Dreharbeiten finden…
Sollte mir dann – wider Erwarten – trotzdem noch ein wenig Zeit bleiben, habe ich noch Kevin Spacey in „House Of Cards“ und Mads Mikkelsen in „Hannibal“ auf der medialen hohen Kante liegen. Und da sich Hollywood mehr und mehr ins qualitativ hochwertige Serienfach bewegt, dürften weitere Serienhighlightkandidaten auch im kommenden Jahr nicht all zu lange auf sich warten lassen…
Rock and Roll.