Leser dieses Blogs, die über ein gutes Langzeitgedächtnis verfügen (oder mal eben die Suchfunktion weiter unten nutzen), wissen es wohl längst: Mit der zu Teilen aus Trier und Berlin stammenden Band East hat der Projektleiter von Tigeryouth, Tilman Benning, so ganz nebenbei noch eine waschecht-lupenreine Emo-Truppe am Start. Nach ein paar Jährchen des mal mehr, mal weniger häufigen Probens und Tüftelns hat das Quintett im Januar endlich ihr Debüt-Album „In An Instant“ auf die wartende Hörerschaft losgelassen. Kaum verwunderlich, dass die zehn Songs, welche sich stilistisch nah an den 2017 veröffentlichten „Bendorf-Live-Sessions“ orientieren, fast durchgehend live eingespielt wurden und – nebst den Fäusten – auch den DIY-Gedanken hoch oben halten…
Klar, „Emo“ ist seit den Anfangstagen Mitte der Achtziger, als sich der Musikstil aus der sogenannten Washington D.C.-Hardcore-Punk-„Schule“ mit so wichtigen Wegbereiter-Bands wie Rites Of Spring oder Fugazi herausbildete, im Laufe der Jahre durch so einige an der Oberfläche kratzende Klischees wie Seitenscheitel, übermäßigen Kajalstift-Gebrauch oder weinerliche Selbstkasteiung zu einem grotesken modischen Witz fernab seiner Ursprünge verkommen. Dass es Ende der Neunziger sowie Anfang der Nullerjahre aber eine großartige Emo-Szene gab, die vor allem mit aus den US of A kommenden Bands wie The Get Up Kids, Texas Is The Reason, The Promise Ring, Sunny Day Real Estate oder Thursday für Aufsehen sorgte, gerät dabei schnell in Vergessenheit.
East schaffen nun, zwei Jahrzehnte später, das Kunststück, Songs zu schreiben, die an ebenjene Glanzzeit erinnern und trotz ihrem klar der Nostalgie verpflichteten Soundgewand genug Eigenständigkeit transportieren, um nicht als aus der Zeit gefallene Tribut-Band wahrgenommen zu werden. Die zehn Songs wollen entdeckt werden, wollen sich im Gemüt breit machen und Gefühle provozieren. Melancholie und Nachdenklichkeit, aber auch Euphorie und Hoffnung schwingen dabei in den Kompositionen mit. Das Ganze wird von Tilman und Co. mit warm flirrende Gitarren und einer ehrlich empfundenen Zerbrechlichkeit vorgetragen, die freilich ab und an an Bands wie The Get Up Kids, American Football oder Hot Water Music (oder meinetwegen auch an deutsche Vertreter wie Pale und Sometree) erinnern mag, in jedem Fall jedoch literweise Herzblut in sich trägt. Und trotzdem werden teils wuchtige Instrumental-Augenblicke erschaffen, die wohl so ziemlich jeden, der einen Meilenstein wie „False Cathedrals“ von Elliott im Plattenregal stehen hat oder auch wegbereitende Trauerkloß-Alben von Mineral und Chamberlain oder den Labelkatalog von Deep Elm Records bestens kennt, mit ein paar seligen Tränchen im Augenwinkel zurücklassen. Man fühlt sich an die Wand gedrückt, wird aber durch die akzentuierten Melodien befreit. Kein Zweifel: Da musiziert eine Band, die merklich Bock auf einige Momente des Jugend-Revivals hat. Die nicht vergessen hat, dass dynamisches Songwriting das A und O für eine – bei aller gewürzten Kürze – unterhaltsame Platte ist. Die ruhige Parts sparsam dosiert, damit sich all die dezent post-rockigen Ausbrüche, all die rauen, dissonanten Momente in Schönheit entfalten können. Natürlich mag „In An Instant“ mit all seinen Trademarks kein Album für jedermann sein, jedoch haben East ein Respekt zollendes Werk geschrieben, welches dennoch ganz im Hier und Jetzt zuhause ist und sich referenziell sowie in tiefer Verbeugung an einem recht klischeefreien Emo-Sound bedient, der damals so viele Menschen inspiriert hat. So gesehen (und für mich): Eine spannende Reise in die eigene musikalische Vergangenheit… *hach*
Zum dieser Tage veröffentlichten Musikvideo zum Song „Through The Smoke“ meinen East: „Eine kleine Erinnerung an eine Zeit, wo wir noch zu 11 im Kreis stehen konnten, wo die Clubs noch offen waren, wo wir noch zusammen Musik machen durften. Crazy!“
Rock and Roll.