Schlagwort-Archive: Thriller

Flimmerstunde – Teil 36


Wer ANEWFRIEND auf Facebook folgt, dem dürften die unterstehenden Zeilen wohlmöglich bekannt vorkommen. Der Rest findet hier jeweils zwei Film- und Serien-Empfehlungen meinerseits aus der letzten Zeit…

Nomadland“ (2020)

Fern (Frances McDormand) hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren, aber dennoch ist sie in dem gemeinsamen Haus in Empire, Nevada wohnen geblieben. Nun allerdings hat die United States Gypsum Corporation, ein Baustoffhersteller und der einzige große Arbeitgeber der Kleinstadt, dicht gemacht und es gibt keine Jobs mehr. Nicht einmal eine Postleitzahl hat Empire mehr, weswegen Fern sich schließlich dazu entscheidet, in ihrem kleinen Van zu leben, durch die Vereinigten Staaten zu fahren und sich von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob treiben zu lassen. Sie besteht allerdings darauf, dass sie nicht obdachlos, sondern einfach nur hauslos ist. Wohlmöglich könnte die Frau in ihren Sechzigern aufgrund ihrer Qualifikationen jederzeit wieder ein relativ „normales“ Leben führen, doch sie bevorzugt den Alltag auf der Straße mit seiner Freiheit, den anderen Menschen und den vielen Bekanntschaften, die man irgendwann wieder trifft. So arbeitet sie mal in einem Versandlager, hilft mal der Ernte, arbeitet in einem Diner oder in einer Wohnwagensiedlung, nie so ganz wissend, was die nächsten Tagen bringen werden…

Mit „Nomadland“ entwickelt „The Rider“-Regisseurin Chloé Zhao – trotz ihres zwischenzeitigen Marvel-Blockbuster-Gigs mit dem kommenden „Eternals“ – ihre ganz eigene Art des Filmemachens konsequent weiter. Der Film, welcher lose auf dem Sachbuch-Bestseller „Nomadland: Surviving America In The Twenty-First Century“ basiert, für den sich Autorin Jessica Bruder ein Jahr lang sogenannten „Arbeitsnomaden“ angeschloss, lebt nicht nur von seinen vielen Laiendarstellern, sondern vor allem vom konsequent uneitlen Mimenspiel der zweifachen Oscar-Preisträgerin Frances McDormand („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“), die selbst den kleinen, melancholisch-stillen Momenten eine erstaunliche Tiefe und Würde verleiht. Der bewusst „kleine“ Film, welcher bei seiner Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde und somit als einer der Geheimfavoriten in die anstehende Oscar-Saison geht, stilisiert die modernen Nomaden weder zu Opfern noch zu Helden – und setzt ihnen und ihren klapprigen Heimat-Vehikeln gerade deshalb ein so eindringliches Denkmal, das den Zuschauer mitsamt seinen Protagonisten von Stop zu Stop, von Jahreszeit zu Jahreszeit treiben lässt. Ein berührendes, bildgewaltiges und trotzdem durch und durch bescheidenes Roadmovie voll von Poesie und flüchtigem Glück, das gerade deshalb so tief berührt, weil es nicht auf die Tränendrüse drückt (und somit quasi die Antithese zu klassischen Oscar-Projekten wie „Green Book“ & Co. darstellt). Ebenso toll auch: der einmal mehr wunderbar subtile Score des italienischen Komponisten Ludovico Einaudi.

The Postcard Killings“ (2020)

Es ist ein grauenvoller Anblick, der sich Jacob Kanon (Jeffrey Dean Morgan) da bietet: Seine Tochter und ihr Ehemann wurden während ihrer Hochzeitsreise in London grausam ermordet, zerstückelt und auf bizarre Weise neu zusammengesetzt. Aber wer könnte eine solche furchtbare Tat begangen haben? Und aus welchem Grund? Als der New Yorker Polizist nach möglichen Hinweisen sucht, führt ihn die Spur nach Madrid, München und Stockholm, wo bald darauf ganz ähnliche Morde geschehen. Gemeinsam mit dem deutschen Kommissar Bubeck (Joachim Król) und der schwedischen Journalistin Dessie Leonard (Cush Jumbo) jagt er einem Phantom hinterher, das es zu seiner Methode gemacht hat, seine Verbrechen stets mit Postkarten anzukündigen…

Eines muss man „The Postcard Killings„, der filmischen Adaption eines Romans von Liza Marklund und James Patterson, lassen: Es gibt doch – dem blutigen Sujet zum Trotz – während der 104 Minuten den einen oder anderen Moment, über den man schmunzeln darf. Wenn etwa Kanon ganz frustriert ist, dass es in Europa Reisefreiheit gibt und die Menschen deshalb nicht ständig überwacht werden können, ist einer davon (während in seiner Heimat, genauer betrachtet, nicht einmal eine Meldepflicht herrscht). In einem anderen wird trocken entgegnet, dass es in den US of A eben üblich sei, erst zu schießen und danach zu fragen… Möglich gemacht wird beides durch eine Mörderjagd, die quer durch Europa führt und auch noch einen US-Polizisten mit hineinzieht. Das soll für internationales Flair sorgen und führt so zu dem ein oder anderen Konflikt, wenn sich Behörden und Mentalitäten gegenseitig in die Quere kommen. Und auch wenn der Mystery-Killer-Thriller an so einigen Stellen keinen gesteigerten Wert aufs kleinste Detail legt und eine Unstimmigkeit zugunsten des Kurzweils mal eben eine Unstimmigkeit sein lässt, unterhält der Film mit Jeffrey Dean Morgan (vielen wohlbekannt als Negan aus „The Walking Dead“) in der Hauptrolle. Daher: Tipp für alle Genre-Freunde. (Wer nicht gespoilert werden mag, der sollte übrigens die digitalen Griffel vom deutschen Trailer lassen…)

La Révolution“ (2020)

Frankreich im Jahr 1787: Das Volk hungert, die Unruhen auf den Straßen nehmen zu und eine Revolution bahnt sich an. Doch die adlige Elise de Montargis (Marilou Aussilloux) hat ganz andere Sorgen – seit ihr Vater vor Monaten nach Versailles gereist ist, beschleicht sie der Verdacht, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Außerdem wird ihre kleine Schwester Madeleine (Amélia Lacquemant) von schlimmen Albträumen und Visionen geplagt, weswegen ihr Onkel sie in eine Nervenheilanstalt stecken will. Währenddessen häufen sich in der Bevölkerung die Fälle mysteriöser und brutaler Morde. Gefängnisarzt Joseph Guillotin (Amir El Kacem) untersucht einen Verdächtigen und kommt Unstimmigkeiten auf die Spur. Auf eigene Faust beginnt er zu ermitteln, damit der Verdächtige nicht unschuldig gehängt wird. Seine Wege kreuzen sich bald mit denen von Elise, die eine gemeinsame Vergangenheit mit Josephs Bruder Albert (Lionel Erdogan) hat. Sie stellen fest, dass die Dinge, die sie beide umtreiben, auf ungeahnte Weise zusammenhängen – und alle Spuren führen zu einer Infektion, die das Blut der Infizierten blau färbt und sie in mörderische Raserei verfallen lässt…

Wer hier eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts erwartet, der wird schnell eines Besseren belehrt. Dafür bietet die Netflix-Serie „La Révolution“ ein ebenso faszinierenden wie kruden Mix aus Historiendrama und Fantasy-Elementen, der zuweilen auch in Richtung detektivischer Spurensuche sowie Horror-Slasher geht und an mancher Stelle sichtlichen Spaß an der gezielten Übertreibung hat. Das mag einerseits ziemlicher Schund sein, ist gleichzeitig aber eben auch faszinierend. Vor allem ist diese erste Staffel durchaus hübsch bebildert. Vieles sieht künstlich aus, zudem wird mal wieder ganz übertrieben mit Grautönen gearbeitet, sodass jeder Anflug von Farbe falsch und auffällig im Kontrast wirkt. Auch an diesen Stellen legte man also so gar keinen Wert auf Authentizität. Aber diese Kombination aus Noblesse und Trash, aus Blut, Dreck und Okkultem ist auf ihre Weise derart fesselnd in ihrer Kühnheit, dass man sich die acht Folgen doch ganz gut (am Stück) anschauen kann. Zwischenzeitlich kommt es zwar zu kleineren Hängern, wenn die Geschichte mal wieder derart konfus umherirrt, als befände sie sich selbst in einem Virus-Wahn. Zu sehen gibt es jedoch auch dann noch genug.

Zu viel sollte man an der Stelle nicht vorab verraten, da ein Teil des Spaßes bei „La Révolution“ darin liegt, dass die Geschichte immer und immer abstruser wird. Da gibt es Abarten gewohnter Genrekreaturen, Ausflüge in die Zauberwelt, garniert mit einer Prise Sherlock Holmes und etwas Pseudo-Wissenschaft. Geradezu prophetisch mag sein, dass hier ein Virus eine große Rolle spielt, welches höchst ansteckend ist und wofür eilig nach einem Heilmittel gesucht wird. So als hätte man das Jahr 2020 mal so eben rund 230 Jahre nach vorne verlegt. Polternde Populisten gibt es in der Serie zwar nicht, dafür andere Adelsschurken, denen minderwertige Menschen – sprich: alle aus dem schnöden Volk – herzlich egal sind.Unterm Strich ist „La Révolution“ also für Genre-Freunde durchaus empfehlenswert. Und aufgrund des Erfolgs kurz nach dem Serienstart im vergangenen Oktober ist – so Corona und Netflix es denn zulassen – eine 2. Staffel durchaus denkbar…

Years and Years“ (2019)

Es ist 2019, die Welt steht in Flammen. Die von BBC One und HBO produzierte sechsteilige Mini-Serie „Years and Years“ zeigt, wie eine Familie aus dem englischen Manchester – teils im Zeitraffer – ihren Weg aus dem globalen Übel sucht, und in den immer wirreren Zeiten versucht, nicht sich selbst (und einander) zu verlieren…

Auch wenn absurd Komisches die Serie glücklicherweise immer wieder auflockert, ist Wegschauen – besonders gen Ende – schlicht unmöglich: Das Szenario von „Years and Years“ mag zwar dystopisch und (noch) fiktiv sein, ist mit all seinen bitteren Konklusionen bis ins Detail jedoch so verdammt realitätsnah und gut vorstellbar, dass es richtig weh tut zuzusehen, wie die Welt von Jahr zu Jahr mehr vor die Hunde geht. Außerdem ist vor allem Nebendarstellerin Emma Thompson einmal mehr schlichtweg fabelhaft.

Wer übers Wochenende (oder an ein, zwei Abenden) nur eine Serie schauen mag, der sollte definitiv diese wählen – zudem flimmern sich die knapp sechs Stunden, welche man aktuell in der ZDF-Mediathek findet, quasi in einem Binge-Rutsch. Ohne viele Worte, kurzum: Unbedingte Empfehlung!

Rock and Roll.

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Monsterparty – ANEWFRIENDs Playlist zum All Hallows‘ Eve


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Allerorten findet man in den digitalen Weiten seit einigen Tagen die wahlweise „tollsten“, „besten“ oder „gruseligsten“ Songs zum heutigen All Hallows‘ Eve, der „Rolling Stone“ etwa präsentiert seine „13 besten Songs zu Halloween„. 

Da will sich ANEWFRIEND freilich nicht lumpen lassen, legt noch zwei oben drauf und schickt seinerseits eine 15 Stücke starke Musikvideo- und Song-Playlist ins Rennen – ganz spontan und daher ohne Garantie auf Vollständigkeit. Und wem der ein oder andere Song fehlen sollte, der darf gern (s)einen süß-sauren Kommentar direkt hier oder via Facebook abgeben…

 

 

Michael Jackson – „Thriller“

Der Klassiker. Das dazugehörige Musikvideo ist beinahe süße 33 Jahre jung, und noch immer kommt da nix ran. Isso.

 

The Cure – „Lullaby“

Wo wir grad bei „Klassikern“ sind, sind Robert Smith und seine Jungs von The Cure, welche in diesem Jahr tatsächlich ihr Vierzigjähriges feiern dürfen, natürlich nie weit weg. Ebenso wie ihr spookiges Musikvideo zum Albtraum-Schlaflied „Lullaby“ von ihrem auf ewig besten Album „Disintegration“.

 

Patrick Wolf – „The Child Catcher“

Klar mögen spätere Werke von Patrick Wolf wie „The Magic Position“ weitaus bunter daher schunkeln als etwa das 2003 veröffentlichte Debüt „Lycantrophy“, das seine schaurig-verqueren kleinen Hymnen ja schon im Titel trägt. Besser war der Wolf-Junge nur auf dem Nachfolger „Wind In The Wires“…

 

The Faint – „Help In The Head“

Innerhalb der „Saddle Creek“-Mischpoke waren (und sind) die vier Typen von The Faint, welche unlängst mit „CAPSULE:1999-2016“ eine feine und durchaus repräsentative Werkschau auf den Markt geworfen haben (für alle, die die Band um Frontmann Todd Fink noch nicht kennen sollten), stets so etwas wie der war gewordene Halloween-Fiebertraum für die Indiedisco. Übrigens war selbst Indie-Darling Conor Oberst eine kurze Zeit lang Teil der Band…

 

Gus Black – „(Don’t Fear) The Reaper“

Im Original von den AOR-Rockern Blue Öyster Cult, kommt diese Coverversion von Singer/Songwriter Gus Black, welche seinerzeit passenderweise (auch) auf dem „Scream“-Soundtrack erschien, um Einiges schauriger daher…

 

Marilyn Manson – „Sweet Dreams (Are Made Of This)“

Jedes Jahrzehnt hat so eine personifizierte Schockgestalt. Was Alice Cooper für die Siebziger und Achtziger war, war Marilyn Manson für die Neunziger, in denen er mit Alben wie „Antichrist Superstar“ oder immer noch großen Coverversionen wie dieser (der Song stammt ja im Original von den Eurythmics) noch für handfeste Skandale sorgen konnte. Heutzutage lässt Mr. Brian Warner eher den dandyhaften Elder Statesman of Grusel raushängen, den seltsamen Onkel, von dem man jedoch noch immer seine Kinder fern halten möchte…

 

Black Sabbath – „Sabbath Bloody Sabbath“

Und was Marilyn Manson für die Neunziger war, waren Ozzy Osbourne und Black Sabbath für die Siebziger. Ganz klar: Heavy Metal wäre, so wie er später (und auch heute) gespielt wurde und wird, ohne die Band aus Birmingham undenkbar gewesen.

 

Metallica – „Enter Sandman“

Von daher haben James Hetfield und Co. Black Sabbath eine Menge zu verdanken. Die Inspiration zu „Enter Sandman“ in jedem Fall…

 

Foo Fighters – „Everlong“

Klassiker. Die mittlerweile auch nicht mehr ganz so jungen Jungs um Frontmann Dave Grohl schaffen es bis heute, dass jedes ihrer Musikvideos zu einer visuellen Augenweide wird.

 

Deftones – „This Place Is Death“

Die Band aus Sacramento, Kalifornien hat wohl als einzige das heute im besten Fall milde belächelte Nu-Metal-Genre unbeschadet überstanden. Eben, weil sich Chino Moreno und Mannen immer selbst treu geblieben sind, ohne jedoch Innovationen im Sound außer Acht zu lassen.

 

My Chemical Romance – „Welcome To The Black Parade“

Jüngst feierte „The Black Parade“, das dritte Album der Band aus New Jersey, sein zehnjähriges Jubiläum. Nie waren die mittlerweile aufgelösten My Chemical Romance größer, cineastischer (und wohl auch: besser)…

 

Nick Cave & The Bad Seeds – „Where The Wild Roses Grow“ (feat. Kylie Minogue)

Mordstyp, dieser Nick Cave. Aber Wortspielspaß beiseite, der Mann ist wohl der besteste Mörderballadenschreiber der Welt (falls es diesen Titel braucht) – siehe das 1996 veröffentlichte Meisterwerk „Murder Ballads“ (sic!).

 

The Dresden Dolls – „Coin Operated Boy“

Kein Halloween ohne meine heiß geliebte Crossdresserbande um Pianistin und Sängerin Amanda Palmer und Drummer Brian Viglione. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass uns das Duo irgendwann noch einmal mit einem gemeinsamen Album beglücken wird…

 

David Bowie – „Lazarus“

Kurz vor seinem Tod hat der große David Bowie mit „Blackstar“ noch einmal ein enigmatisches Großwerk rausgehauen. Allein seinem von Krankheit gezeichnetem Mienenspiel im Musikvideo zu „Lazarus“ noch einmal zuzusehen, lässt einen in Ehrfurcht erstarren. Legende.

 

Die Ärzte – „Monsterparty“

Muss ein.

 

Rock and Roll.

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Flimmerstunde – Teil 32


Grand Piano – Symphonie der Angst“ (2013)

grand pianoDer berühmte Konzertpianist Tom Selznick (Elijah Wood) leidet unter extremem Lampenfieber. Daher entschließt er sich, eine Karrierepause einzulegen. Als er jedoch nach fünf Jahren Bühnenabstinenz eingeladen wird, das sogenannte „Unspielbare Stück“ vorzutragen und damit seinem kürzlich verstorbenen ehemaligen Lehrer und Mentor zu huldigen, kann er nicht ablehnen. Auch die Tatsache, dass sich bislang jeder Pianist – und so auch er selbst – bei diesem Stück mindestens einmal verspielt hat, hält ihn nicht von seinem Vorhaben ab. Als er jedoch tatsächlich wieder am Klavier sitzt, packt ihn eine ganz neue und andere Angst, denn in seiner Partitur findet Tom eine Nachricht, in der ihm gedroht wird, dass bei nur einem falsch gespielten Ton sowohl sein Leben und das seiner Frau, einer gefeierten Schauspielerin, ein gewaltvolles Ende nehmen würden. Bald schon werden die Drohungen, welche ganz und gar nicht der schlechte Scherz sind, als der sie zunächst erscheinen, konkreter, und sein neuerlicher Peiniger (gespielt von John Cusack) meldet sich zu Wort. Wird Tom es schaffen, seine Angst zu bezwingen und das „Unspielbare Stück“ ohne einen Fehler über die Bühne zu bringen?

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Sicherlich mag es nicht an Elijah Wood allein liegen, dass „Grand Piano – Symphonie der Angst“ am Ende seiner knapp 80 Minuten ein recht zwiespältiges Gefühl zurücklässt. Freilich sind die kleinen Kamerakniffe – die Fahrten durchs Innenleben des sündhaft teuren Konzertflügels, die Hatz hinter den Kulissen des Konzertsaals – mit denen der spanische Regisseur Eugenio Mira (u.a. „Agnosia“, „Red Lights“) versucht, für aufgeladene Spannung und ansehnliches Filmwerk zu sorgen, sehenswert. Allerdings krankt der in Barcelona entstandene Film am dezent vorhersehbaren Script, das sowohl Wood, der sich nach der Überrolle des „Frodo“ in Peter Jacksons monumentalem „Herrn der Ringe“ zusehens auf kleinere Rollen (im cineastischen Sinne) wie die des irren Killers in Alexandre Ajas „Maniac“ sowie TV-Serien wie „Wilfred“ spezialisiert, aber mit seiner hilflos-verängstigten Kindchen-Gestik wohl nie ganz den Deckmantel des Hobbits ablegen wird, als auch John Cusack – beziehungsweise ihren Rollen – wenig Platz zur Entfaltung gibt. Man wird das Gefühl nicht los, dass Mira auf Teufelkommraus versucht, Joel Schumachers „Nicht auflegen!“ nachzueifern, dafür jedoch nur eine Handvoll dramaturgischer Effekte in Petto hatte. So jedoch landet „Grand Piano“, das dem Klassik-Freund die ein oder andere von Elijah Wood fein inszenierte Tasterklimper-Minute bieten dürfte, im unterhaltsam-kurzweiligen Thriller-Mittelfeld, mit deutlich Luft nach oben…

Grand-Piano-2014

 

 

 

Rock and Roll.

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Flimmerstunde – Teil 28


„13 Sins“ (2014)

13 sins (movie poster)Elliot (Mark Webber) muss sich in diesem Moment wie eine der ärmsten Säue des Planten fühlen: Sein Vorgesetzter kündigt ihm mit perfekt zurecht gelogenem Perlweisslächeln den Job, sein geistig behinderter Bruder macht nur Ärger und zu allem Überfluss sind er und seine schwangere schwarze Freundin Shelby (Rutina Wesley) auch noch gezwungen, seinen dezent rassistisch veranlagten dementen Vater bei sich aufzunehmen. Dabei steht ihre Hochzeit kurz bevor, und in den USA bedeutet „kein Job“ auch gleichzeitig „keine Zukunft“ und „keine Krankenversicherung“ (für die komplette Familie!). Was also nun, was also tun? Und so glaubt Elliot in dem Moment, als er eines Abends den Anruf von einem ihm unbekannten Mann erhält, in welchem der ihm die Chance anbietet, eine große Summe Geld in einer höchst mysteriösen Game Show zu gewinnen, eher an einen gut getimten schlechten Scherz der Marke „Versteckte Kamera“ als an die reelle Aussicht auf ein unbeschwertes Leben. Doch der Anrufer, der nahezu alles über seinen Gesprächspartner zu wissen scheint, meint es ernst, auch wenn die Sache ein paar nicht unbedeutende Haken hat: Elliot muss dafür 13 schwierige Herausforderungen bestehen… Eintausend Dollar erhält der Kandidat als Sofortüberweisung. Nach Erfüllung der weiteren Aufgaben folgt jeweils die nächste, sich von Mal zu Mal erhöhende Belohung. Die vom Anrufer geforderten Aufgaben beginnen zunächst mit etwas simpleren Vergehen wie Vandalismus, doch der Schweregrad steigert sich von Mission zu Mission. Und Aufgeben hätte den sofortigen Verlust aller bisher erkämpften Dollar zur Folge. Bald schon ist Elliot die Polizei – allen voran der zwielichtige Ermittler Chilcoat (Ron Perlman) – auf den Fersen. Wie weit ist der eigentlich so schüchterne junge Mann bereit zu gehen, um den großen Jackpot zu knacken? Und wer steckt hinter den perfiden Mutproben?

13 sins scene

Wie so oft im Horror- und Suspense-Genre liegt auch dem neusten Filmwerk des 1976 in Hamburg geborenen deutschen Independent-Schauspielers und Filmemachers Daniel Stamm (u.a. „Der letzte Exorzismus“) ein Original aus dem asiatischen Raum zugrunde: Die thailändische Horrorkomödie-meets-Psychothriller „13 Beloved“ erschien bereits 2006. Und wie so oft krankt das US-Remake daran, dass es einfach zu oft zu viel will – und das am besten gleichzeitig. Dabei ist „13 Sins“ am Ende seiner gut zwei Stunden weder Filmfleisch noch -Fisch, eben weil Stamm zu oft zwischen Splatter-Komödie und düsteren Psychothriller-Spielchen hin und her changiert, dabei jedoch die Story etwas aus den Augen verliert und „13 Sins“ schlussendlich auf eine viel zu offensichtlich Pointe hinsteuern lässt – da können auch die beiden Hauptdarsteller Mark Webber (u.a. „The End Of Love“, „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“; weder verwandt noch verschwägert mit dem Ex-Formel 1-Fahrer), dem man den Normalo leider vor allem wegen seiner darstellerischen Farblosigkeit abnimmt, und Ron Perlman (u.a. „Hellboy“, „Blade II“, „Drive“ oder seine derzeitige Paraderolle als fieser Bikerchef Clarence „Clay“ Morrow in der erfolgreichen TV-Serie „Sons Of Anarchy“), der sich wie kaum ein zweiter im B-Rollen-Fach häuslich eingerichtet zu haben scheint, nichts mehr retten. Unterm Strich bleibt „13 Sins“ zwar gute Unterhaltung, doch an spürt, dass da deutlich mehr drin gewesen wäre…

 

 

 

„Sound Of Noise“ (2010)

sound of noise plakatGar Skurriles spielt sich da im verschlafenen schwedischen 300.000-Einwohner-Städtchen Malmö ab: Da entert eine sechsköpfige, scheinbar radikale Gruppierung in Tarnverkleidung wahlweise Baustellen, Bankfilialen oder den OP-Saal des örtlichen Krankenhauses, um reichlich Unruhe und noch mehr Verwirrung zu stiften.  Denn neben der Aufrüttelung der örtlichen Kulturszene (das nimmt man freilich gern in Kauf) haben Sanna (Sanna Persson), Magnus (Magnus Börjeson) und ihre vier Komplizen nur eines im Sinn: sie wollen spielen – im wahrsten Wortsinne. So kapern die sechs hochbegabten Schlagzeuger im Zuge ihrer vierteiligen „Symphonie“ mal einen Operationssaal und nutzen den verdutzten beleibten Patienten als Resonanzkörper (dieser Akt wird dann ganz nonchalant „Doctor Doctor Gimme Gas In My Ass“ genannt), schreddern in „Money 4 U, Honey“ so manche Banknote, während der Bankstempel im Takt auf Formulare trifft un Münzen prasseln, bringen während „Fuck The Music“ das lokale Konzerthaus inmitten einer Aufführung mittels Bulldozern zum Beben oder verwandeln in „Electric Love“ vom Elektrizitätswerk aus eben gleich die ganze Stadt in ein taktvolles Meer aus Licht und Dunkelheit. Bei solch‘ abstrusen Plänen ist selbst – und vor allem – die Polizei von Malmö, bei denen ausgerechnet der aus höchst persönlichen Gründen musikfeindliche Ermittler Amadeus Warnebring (Bengt Nilsson) auf den Fall angesetzt wird, ratlos. Doch siehe da: Irgendwann kommt Warnebring dem trommelnden Anarcho-Sextett auf die Schliche. Und bringt damit doch vor allem sein ach so lange gehegtes Sehnen nach Stille ins Wanken…

SoN02.jpg

Sieht man heute den 2001 entstandenen und „Sound Of Noise“ zugrunde liegenden zehnminütigen Kurzfilm „Music For One Apartment And Six Drummers“ (gibt’s weiter unten zu sehen), so schien die Idee des Regieduos aus Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson nur allzu konsequent, ihr Experiment der Klangerzeugung und -auslotung auf im Grunde artfremden Gegenständen auf spaßige 80 Minuten auszudehnen. Also setzten sich die Trommelfetischisten mit Kumpel Magnus Börjeson (der dann auch gleich die Filmrolle des ideengebenden Maestros übernahm) zusammen und ersponnen eine irrwitzige Story rund um Drumming, verquere Persönlichkeiten und irrwitzige Situationskomik, bei der selbst Freunde der gut eingetüteten Love Story nicht zu kurz kommen. Wenn man so will, stellt „Sound Of Noise“ die ungleich begabtere schwedische Variante von „Pussy Riot“ dar – Skimasken, Anarchiegedanken und intellektuelles Grundgerüst inklusive. Nicht erst durch die Blue Man Group, Stomp und Konsorten sollte hinlänglich bekannt sein, dass eigentlich alles zur spontanen Trommelsession taugt, während US-Militärs die Songs von Metallica als Folterwerkzeuge missbrauchen und Otto Normal schutzlos und nahezu 24 Stunden täglich der mal bewussten, viel öfter unterbewussten Dauerberieselung ausgeliefert ist. Auf Filmfestivals von Stockholm bis Cannes mauserte sich der Film ebenso zum Zuschauer- wie Kritikerliebling, erntete bei der Filmcommunity von indieWire die löbliche Umschreibung „Bonnie and Clyde on drums“ und gilt heute längst als „Kultfilm“ für alle Freunde des auch sonst immer so herrlich etwas abseits der Spur tanzenden skandinavischen Programmkinos. Wer diesem also ohnehin zugetan sein sollte, dem sei „Sound Of Noise“, dieses charmant andere Independent-Zelluloid-Kleinod aus Schweden, wärmstens ans Herz gelegt. Der Rest des konservativen Spießbürgertums darf gern weiter in öden Harmonien der MCs Haydn, Mozart oder Beethoven lauschen…

(Kleiner Tipp am Rande: Beim Online-Versandhaus mit dem großen „A“ bekommt man „The Sound Of Noise“ aktuell geradezu lachhaft preisgünstig in der schicken „Limitierten Soundtrack Edition“ inklusive Bonusmaterial, informativem Booklet und dem Soundtrack auf Compact Disc – was ja bei einem Film wie diesem durchaus passend erscheint…)

 

Hier gibt’s den Trailer…

 

…eine weitere kurze Sequenz aus dem Film…

 

…und, wie weiter oben angekündigt, den etwa neun Jahre vor „Sound Of Noise“ in identischer Besetzung entstandenen Kurzfilm „Music For One Apartment And Six Drummers“:

 

 

Rock and Roll.

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Der Jahresrückblick 2013 – Teil 2


Natürlich könnte sich der cineastische Teil des ANEWFRIEND’schen Jahresresümees wieder eben jene Musikdokumentationen in Erinnerung rufen, die 2013 besonders viel – und nachhaltig – Eindruck hinterließen: „Sound City“ von Sympathieass und Regieneuling Dave Grohl (Foo Fighters, Nirvana etc. pp.), das Oscar-prämierte „Searching For Sugar Man„, die so einfache wie bewegende Black Protopunk-Doku „A Band Called DEATH“ oder das vollkommen den Boss-Jüngern und ihrer Verehrung gewidmete und von Starregisseur Ridley Scott produzierte „Springsteen & I„. Natürlich ließe sich an dieser Stelle eine ellenlange Ode herunterbeten, die auch der zweite Teil von Peter Jacksons „Der Hobbit“-Verfilmung vollkommen verdient hätte. Natürlich… Aber all das wurde bereits vielfach an anderer Stelle, ob nun auf diesem bescheidenen Blog oder anderswo im weltweiten Netz, getan. Stattdessen gibt’s den ANEWFRIEND’schen Filmtippnachschlag für die letzten Tage des alten Jahres…

 

Prisoners“ (2013)

Prisoners posterOh, du trügerische Ruhe… Ein verschlafenes kleines Städtchen irgendwo im Nirgendwo von New England im Nordosten der USA, in dem im Grunde jeder jeden in den uniformen Einfamilienhaussiedlungen kennt und man die Haustüren nie abschließen muss. In dem man schnell Freundschaft mit den Nachbarn schließt und gemeinsam die Feiertage verbringt. So auch die beiden Kumpels Keller Dover (Hugh Jackman) und Franklin Birch (Terrence Howard), die sich in bester Laune zum familiären Beisammensein bei Thanksgivingbraten und Wein treffen. Auch ihre sechsjährigen Töchter Anna und Joy sind beste Freundinnen, und da es den Mädchen im Haus schnell langweilig wird, rennen sie zum Spielen nach draußen. Doch als Keller nach dem Rechten sehen will, fehlt von den Kindern jede Spur. Panik bricht aus, und der einzige Anhaltspunkt ist ein heruntergekommenes Wohnmobil, das Kellers jugendlicher Sohn kurz zuvor nahe der Familienhäuser parkend vorgefunden hat. Schnell kann die verständigte Polizei Wohnmobil und Besitzer ausfindig machen, und wäre dieser Film einfacher gestrickt, dann wäre die Lage schnell klar… Am Steuer des Fahrzeugs finden die Cops um den ermittelnden Detective Loki (Jake Gyllenhaal) den geistig zurückgebliebenen Alex Jones (Paul Dano) vor. Doch aus dem jungen Mann mit dem IQ eines 10-Jährigen ist, vom dem ein oder anderen zusammenhangslosen Wort einmal abgesehen, beim Verhör nichts herauszubekommen. Und so müssen der Detective und seine Kollegen Jones wieder auf freien Fuss setzen. Das kann und will Dover – und das ist bei einem Vater, den die ständige Sorge um seine Tochter um den Verstand zu bringen droht, nur all zu gut nachzuvollziehen – natürlich so nicht geschehen lassen. Also kidnappt er – mehr im Affekt – Jones kurzerhand, und setzt so die Suche nach den Mädchen mit unbarmherzigen Verhörmethoden und auf seine Art und Weise fort…

Mit „Prisoners“ hat der frankokanadische Regisseur Denis Villeneuve ein US-Filmdebüt nach Maß geschaffen. Dabei hätte es den Streifen gut und gern nie geben können. Jahrelang versuchte Warner Bros., den so vielversprechend von Aaron Guzikowski („Contraband“) zu Papier gebrachten Thrillerstoff zu realisieren, hatte mal Christian „Batman“ Bale und Mark „Ted“ Wahlberg für die Hauptrollen im Visier, mal Bryan Singer („X-Men“) oder Antoine Fuqua („Training Day“) für die Regiearbeit im Gespräch. Sieht man das nun endlich von Villeneuve in großartiger Manier zu Ende gebrachte Resultat, so hätte man schwerlich eine bessere Auswahl als die jetzige treffen können. In der Atmosphäre mit all den neblig grauen, alltäglich gleichen Fassaden und dem wolkenverhangenen Wetter spiegeln sich ebenbürtige Werke von David Fincher („Sieben“, „Zodiac“) oder Clint Eastwood („Mystic River“), denen, wie auch in „Prisoners“, zwar der dezente Hang zur minutiösen Überlänge zueigen ist, diese jedoch jederzeit mit offenen Enden, Twists und Turns, Fehlläufen und geradezu irrwitzigen Wendungen einhunderprozentig wett machen. Zum auf schaurige Art und Weise zu Herzen gehenden Schauspiel tragen jedoch vor allem die beiden Hauptdarsteller Hugh Jackman („Wolverine“) und Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“) bei, die zwar mit dem gleichen Einsatz versuchen, das Leben der verschwundenen Mädchen zu retten, jedoch mit nahezu komplett unterschiedlichen Waffen.

In seiner Gesamtheit ist „Prisoners“ einer der wohl spannendsten, mitreißendsten und wendungsreichsten Thriller der letzten Jahre, der in seinen zweieinhalb Stunden ebenso viele Fragen wie (bewusst) fehlplazierte Antworten ins Feld wirft, bis der Zuschauer kaum noch weiß, wer zur Hölle hier eigentlich Täter, wer Opfer ist. Natürlich ist weder die zum Äußersten neigende Handlung, noch der sich immer enger schlingende Plot etwas für schwache Nerven (und auch das Ende bietet reichlich Diskussionsstoff), aber dennoch: Wer ein hochkarätig besetztes cineastisches Ratespiel sucht, der sollte sich „Prisoners“ keinesfalls entgehen lassen. Und gut in die Stille hinein hören…

 

 

Byzantium“ (2013)

Byzantium DVD Cover - FSK 16Keine Frage, spätestens seit „Twilight“, jener Filmreiheadaption der keuschen Romanvorlagen der US-amerikanischen, mormonischen Jugendbuchautorin Stephanie Meyer, haben die Vampire das mal mehr, mal weniger blutige Gänsehautzepter der Zombies und Werwölfe übernommen (obwohl zweitere, als muskelbepackte Sixpacker, auch ihren Platz in „Twilight“ bekommen). Dabei waren es gerade die blutsaugenden Fledermauswandler, die als mysteriöse, lichtscheue Wesen seit jeher das cineastische Horrorgenre bestimmt haben – man denke nur an F.W. Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“ (von 1922!), dessen 1979-Remake mit Klaus Kinski in der Rolle des spitzzähnigen Bleichgesichts, an Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ (1967), an „Bram Stoker’s Dracula“, das 1992 mit einer bildhübschen Winona Ryder und großartiger Atmospähre aufwartete. Wer nach Action rief, der bekam etwa in der „Blade“-Reihe (1998-2004) einen Wesley Snipes als arschcoolen Vampirjäger oder im unterkühlten Pendant „Underworld“ Kate Beckinsale als um sich schlagende Allzweckwaffe im hautengen Lederdress. Egal welcher Kultregisseur, ob nun Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn“), John Carpenter („John Capenter’s Vampires“) oder Guillermo del Toro („Cronos“) – im Halbdunkel konnte bislang keiner der Verlockung zweier spitzer Eckzähne an schönen Frauenhälsen widerstehen… Und selbst diejenigen Filmfreunde, denen all das längst zu einseitig, stinografisch und vorhersehbar geworden sein mag, dürften mit den so wunderbar anderen Vampirstreifen wie dem schwedischen „So finster die Nacht“ (2008, der nur zwei Jahre später mit dem erstaunlich guten „Let Me In“ sein US-Remake erfuhr) oder dem südkoreanischen „Durst“ (2009, einer der eigensinnigsten Filme in dieser Auszählung) bestens unterhalten worden sein. In den Neunzigern dürfte wohl jedoch vor allem „Interview mit einem Vampir“ (1994) stilbildend gewesen sein, eine epische Erzählung, in der sich das ewig junge und ewig schöne maskuline Vampirduo aus Tom Cruise und Brad Pitt (aka. Lestat de Lioncourt und Louis de Pointe du Lac) durch Zeitalter und Jahrhunderte schlägt, schläft und saugt. Dass nun ausgerechnet Neil Jordan, der Regisseur eben jenes Films, mit „Byzantium“ auf das eigene Meisterwerk antwortet, wirkt anfangs eventuell ein wenig schräg und selbsteingenommen, passt jedoch nur zu gut…

Clara Webb (Gemma Arterton) und ihre Tochter Eleanor (Saoirse Ronan) befinden sich seit Jahrhunderten auf der Flucht vor einer geheimnisvollen, unbarmherzigen Bruderschaft. Nachdem die beiden grundverschiedenen Vampirdamen, die sich stets als Schwestern ausgeben (der Alterslosigkeit sei Dank!), einmal mehr übereilt ihr Quartier verlassen mussten, landen sie in einer trostlosen englischen Küstenstadt im heruntergekommenen Hotel „Byzantium“. Während Clara sich nur für das Hier und Jetzt interessiert und versucht, als Prostituierte Geld zu verdienen, hat Elenor das Bedürfnis, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Die auf ewig 16-Jährige erinnert sich, wenn auch nur fragmentarisch und im Traum, daran, dass sie vor ihrer Vampirwerdung in eben diesem Küstenstädtchen in einem Waisenhaus aufwuchs. In einem Schreibkurs bringt sie ihre Lebensgeschichte zu Papier, was bald schon ihren Mitschüler Frank (Caleb Landry Jones) auf sie aufmerksam macht. Als immer mehr Menschen aufgrund von Blutverlust sterben und Eleanors Lehrer (Tom Hollander) sich mit der schier unglaublichen Geschichte seiner Schülerin auseinanderzusetzen beginnt, spitzt sich die Situation für Mutter und Tochter zu. Und auch die eigene Vergangenheit holt sie in Form zweier Gesandter der auf Rache sinnenden Bruderschaft wieder ein…
Wer „Byzantinum“ lediglich als weibliches Pendant zum von Testosteron durchzogenen Epos „Interview mit einem Vampir“ bezeichnet, tut wohl beiden Filmen unrecht. Denn obwohl auch in der Verfilmung von Moira Buffiniaus Drama „A Vampire’s Play“ zwei gleichgeschlechtliche Personen im Fokus stehen – und die eben in diesem Film weiblich sind -, schneidet der irischstämmige Regisseur Jordan jedes Fitzelchen Zelluloid auf das in vollstem Maße überzeugende Darstellerduo Gemma Arterton („James Bond 007 – Ein Quantum Trost“, „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“) und Saoirse Ronan („Abbitte“, „Wer ist Hanna“) zu, die ihrerseits den Fokus dazu nutzen, die beiden Figuren mit einfachsten Gesten mal voneinander weg, mal zueinander finden zu lassen – Ambivalenz in Blutrot. Dass dies zu Lasten der deutlich limitierten Handlung und am offenen Faden hängenden Geschichte geht, ist zwar in der Tat bedauerlich. Man wird jedoch mit der in Masse vorhandenen morbid-melancholischen Atmosphäre und so, so vielen tollen Kameramomentaufnahmen für jede offene Frage entschädigt. Vampirfilme gibt es eh genug. Und den pubertären Jungfrauen bleiben noch immer Edward und Bella und Jacob und „Twilight“…

 

 

Sightseers – Killers On Tour!“ (2012)

Sightseers posterBeim ersten Mal könnte es noch ein Unfall gewesen sein. Doch schon der eigentümlich selbstzufrieden aufblitzende Ausdruck in Chris‘ (Steve Oram) Gesicht, nachdem er beim Zurücksetzen seines Wagens einen unfreundlichen Umweltverschmutzer über den Haufen gefahren hat, gibt dem verdutzten Zuschauer eine Vorahnung dessen, was da noch kommen wird… Tina (Alice Lowe) ist mit Chris auf Wohnwagen-Tour durch England, für beide ist es mit Mitte Dreißig die erste richtige Beziehung. Chris möchte sich als Autor versuchen und (s)ein Buch schreiben, Tina soll seine Muse sein – welch‘ ein Idyll! Lässt man sich das etwa zerstören von pöbelnden Mittouristen, die möchten, dass man hinter dem – freilich gestohlenen – Hund herputzt? Oder von einem Campingplatznachbarn, der es tatsächlich schon geschafft hat, ein Buch zu schreiben – derer drei sogar! -, und der einen noch tolleren Caravan fährt als man selbst, dieser eitle, ach so perfekte Angeber? Natürlich nicht!
Irgendwie ist diese Melange schon irrwitzig, die Regisseur Ben Wheatley („Kill List“) da auf die Leinwand bringt. Da schickt er ein nach Außen vage zwischen ewigem Backfisch und asozialem Spießertum pendelndes Pärchen auf einen chaotischen Roadtrip quer durch die wohl unschönsten Touristenattraktionen der englischen Insel, während dem sie sich mehr und mehr – und umso inniger! – zu hassen lernen. Und: Chris und Alice hinterlassen in ihrer gesellschaftsfernen Gangart eine wahre Spur von Blut und Verwüstung, die zuerst mit unachtsamen Zufällen beginnt, jedoch schon bald nur noch willkürlich aus reinster Mordslust besteht. Für Zartbesaitete ist diese Mischung aus „Natural Born Killers“ und „Little Britain“ tatsächlich nicht die allerbeste Wahl der Unterhaltung. Vielmehr sollte man bei der schwarzhumorigen Splatterkomödie, beim Publikumsliebling des Fantasy Filmfests 2012, an dessen Drehbuch die beiden Hauptdarsteller selbst mitschrieben, schon einiges an Faibel für Sarkasmus und Ironie mitbringen, um über diesen Streifzug der englischen Vorstadtentsprechung von „Bonnie und Clyde“ lachen zu können… Freunden des oft gerühmten britischen Humors sei „Sightseers – Killers On Tour!“ jedoch bedenkenlos empfohlen.

 

 

Paulette“ (2012)

Paulette posterEigentlich könnte einem Paulette (Bernadette Lafont) leid tun… Vor langer Zeit hatte sie einst scheinbar alles: eine glückliche Familie, einen Mann, Wohlstand, Ansehen und ein eigenes Lokal. Nun ist all das weg, der Mann verstorben, das Lokal längst ein Null-Acht-Fünfzehn-Chinarestaurant und die Tochter mit einem farbigen Polizisten liiert, mit dem sie darüber hinaus noch ein zwar zuckersüßes, jedoch eben immer noch farbiges Enkelkind gezeugt hat. Überhaupt: Fremde, und dann auch noch mit ausländischen Wurzeln, verursachen bei Paulette nur eines: Angst und Unbehagen. Denn die rüstige Rentnerin lebt trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 80 Jahren alleine in einem zwielichtigen, heruntergekommenen Pariser Vorort. Zu schaffen macht ihr dabei vor allem der eigene soziale Abstieg und die damit verbundene schmale Pension, über die sie sich immer wieder aufs Neue aufregen könnte… Als ihr eines Abends ein Päckchen Marihuana in die Hände fällt, sieht sie ihre Chance gekommen – Paulette wird zur Haschisch-Dealerin. Da sie früher als Konditorin gearbeitet hat, besitzt sie einen ausgeprägten Geschäftssinn und kann zudem auf ihre grandiosen Backkünste zurückgreifen. Hilfe bekommt sie außerdem von ihren Freundinnen, die ab und zu auf einen Nachmittagstee vorbeischauen. Von so einer Unterstützung kann ihre Lederjacken tragende Konkurrenz im Viertel freilich nur träumen… Innerhalb kürzester Zeit schwingt sich die ruppige Dame zur unumstrittenen Königin des kultivierten Drogenhandels auf – eine Tatsache, die bald auch die mächtigen Hintermänner der lokalen Drogenversorgung hellhörig macht. Um Paulettes Talente für sich nutzen zu können und sie unter Druck zu setzen, entführen sie ihren Enkelsohn Léo (Ismaël Dramé) – doch dabei haben sie die Rechnung ohne die rabiate Rentnerin und ihre Gerontengang gemacht…

Freilich bietet „Paulette„, die Komödie von Regisseur Jérôme Enrico („Prêt-à-Porter“), keine Neuerfindung des frankophilen Filmrades an. Dafür sind die Figuren zu explizit angelegt, dafür ist die Handlung einfach zu vorhersehbar. Vielmehr greift der Film mit der Versöhnung über soziale wie ethnische Gesellschaftsbarrieren hinweg ein durchaus beliebtes Grundthema des französischen Kinos auf (man erinnere sich etwa an den internationalen Publikumserfolg „Ziemlich beste Feunde“ oder die unterhaltsame Polizeiklamotte „Ein Mordsteam“) und wandelt so als Culture Clash der „Fabelhaften Welt der Amélie“ mit „Banlieue 13“ auf recht großem Fuße. Dass „Paulette“ dabei außerordentlich unterhaltsam geraten ist, spricht im Grunde nur wieder einmal für den Charme des franzöischen Films, der es sich weiterhin vorbehält, etwas anders – im besten Sinne! – zu sein…

 

 

Auch toll in ANEWFRIENDs Filmjahr waren etwa… 

 

„In ihrem Haus“ (2012)

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„Der Geschmack von Rost und Knochen“ (2012)

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„This Ain’t California“ (2012)

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Rock and Roll.

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