Schlagwort-Archive: The Weight Of Your Love

Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier wieder einige der Video- und Songneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

Johnny Cash – She Used To Love Me A Lot

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Johnny Cash – da haben die meisten sicherlich das gebrechliche Bild jenes Mannes in Erinnerung, der sich im Musikvideo zur großartigen Nine Inch Mails-Coverversion von „Hurt“ über die Tasten des vor ihm stehenden Pianos schaut und auf (s)ein langes Leben zurückblickt… Nicht umsonst gelten Cashs letzte Jahre, für die er sich mit Erfolgsproduzent Rick Rubin zusammentat, um mit der Aufnahmereihe der „American Recordings“ sein eigenes, in all den Jahren leicht country’esk angestaubtes Image aufzupolieren, als seine wohl besten und produktivsten.

Doch der „Man in Black“ war auch vor (und nach) seiner Zeit der Alternative Credibility äußerst umtriebig und veröffentlichte in seiner Karriere zwischen 1954 und 2003 nahezu 100 Alben auf diversen Labels. Dass bei dieser Masse freilich so einiges unters Mischpult rutscht, dürfte nicht verwundern. Dass nun, elf Jahre nach Cashs Tod im Alter von 71 Jahren, nach und nach all die „verschollenen Aufnahmen“ plötzlich (?) das Licht der Plattenläden entdecken, gehört wohl dazu. „Out Among The Stars„, das in Deutschland am 21. März, erscheint, enthält nun Songs, die Johnny Cash zwischen 1981 und 1984 (also in den Jahren seiner Popularitätsflaute) mit dem Country-Produzenten Billy Sherrill aufgenommen hatte. Weil sich sein damaliges Label Columbia Records jedoch weigerte, das Album zu veröffentlichen, verschwanden die Songs und tauchten erst kürzlich wieder auf, als sich Cashs Sohn John Carter Cash deren annahm und ein wenig auf Zeitgeist „polierte“.

Im Musikvideo zur Auskopplung „She Used To Love Me A Lot“ stellt der verantwortliche Film- und Musikvideoregisseur John Hillcoat in eleganten, schwarzweiß und matt farbig gehaltenen Bildern der romantischen Vorstellung des amerikanischen Traumes die Entfremdung und soziale Zwiespältigkeit der Realität entgegen: Ur-amerikanische Landschaftsaufnahmen reihen sich an Bilder von Naturzerstörung, Symbolen des Kapitalismus – auf zwei kämpfende Bisons in der Steppe folgt beispielsweise der Stier der New Yorker Wall Street – und vom Leben gezeichneten und geprüften Menschen mit traurigen Augen. „Der Text des Liedes klang für mich, als hätte er ihn an das heutige Amerika gerichtet“, erklärt Hillcoat seine Interpretation des Cash-Songs. „An die Nation, die ihn liebte, und gegen deren Spaltung er immer gekämpft hat. Diese Spaltung hat sich seit seinem Tod nur noch extrem verstärkt, deshalb wollten Amerika in diesem krassen Licht zeigen, als Hommage an den Grund, aus dem Cash immer schwarz getragen hat: weil es beschämenderweise immer mehr Entrechtete und Ausgeschlossene gibt.“

Gleichzeitig ist das Musikvideo laut Hillcoat auch ein Kommentar zu Cashs persönlichem Leben – nicht umsonst sind immer wieder Bilder des Musikers im Hintergrund auf Wänden zu sehen. „Wir wollten auch den Kampf und die Reise dieses großen Mannes zeigen, von der Liebe seines Lebens hin zu den verbrannten Ruinen seines berühmten Hauses am See, persönliche Fotos, die Höhle, wo er versuchte, sich das Leben zu nehmen und dann sein Leben umkrempelte, den Ort wo er zuletzt aufnahm und das letzte Foto von ihm vor seinem Tod.“ Letzteres bildet denn auch eindrucksvollen Schluss des Videos…

 

 

 

Editors – Sugar

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Im krassen Gegensatz zu den weiten Landschaften des Cash-Clips stehen die Bilder des neuen Musikvideos zu „Sugar“, der aktuellen Singleauskopplung aus dem im vergangenen Juni veröffentlichten vierten Editors-Studioalbum „The Weight Of Your Love„. Darin finden sich Sänger Tom Smith & Co. inmitten grauen Betons und kühler Neonbeleuchtung wieder. Und während geradezu aggressive Basslinien und Textzeilen wie „You swallow me whole / With just a mumbled hello / And it breaks my heart to love you / It breaks my heart to love you“ mal wieder ordentlich Melancholie ins Hörerherz pumpen, verlieren Schwerkraftgesetze ihre Gültigkeit und kommen die Wände immer näher…

 

 

 

Yesterday Shop – Trees & Games

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Ähnliches Setting inmitten verlassener Industriebauten und den nagenden Zähnen der Zeit, identisches Gespür für schwebende Indie-Schwermütigkeit: Das aus dem schwäbischen Reutlingen stammende und sich mittlerweile auf Hamburg und Berlin verteilende Quintett Yesterday Shop gewährt mit „Trees & Games“ einen ersten Vorgeschmack aufs kommende Album „Parodos“, welches ab dem 9. Mai in den Plattenläden stehen wird. Ob das ähnlich gut wird wie der Ende 2012 erschienene selbstbetitelte Erstling? ANEWFRIEND bleibt am Ball!

 

 

 

Warpaint – Love Is To Die (live at Conan O’Brien)

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Indie? Melancholisch? Schwebend? Faszinierend? All diese Attribute treffen freilich auch auf den All-Female-Vierer von Warpaint und deren aktuelles Album zu. Dass die Band aus Los Angeles bei allem Touren rund um die Welt und all den Vorband-Aufritten für The National, Nick Cave & The Bad Seeds oder die Queens Of The Stone Age das heimische (TV-)Publikum nicht vergessen hat, bewiesen Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa kürzlich bei Late Night-Talker Conan O’Brien, bei dem sie eine tolle Live-Version der aktuellen Single „Love Is To Die“ zum Besten gaben…

 

 

 

Joan As Police Woman – Holy City

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Für den hartnäckigsten Ohrwurm in den ANEWFRIEND’schen Gehörgängen sorgte in der vergangenen Woche übrigens Joan „Joan As Police Woman“ Wasser mit „Holy City“, der aktuellen Single aus dem neuen Album „The Classic„. Dabei sei betont, dass sich der dazugehörige Rest von Platte Nummer fünf der 43jährigen Wahl-New Yorkerin ebenso lohnt, immerhin lässt sich laut.de in seiner knappen Review zu dem euphorischen Urteil hinreißen, das in den zehn neuen – und absolut zeitgemäß mit Elementen aus Soul, Blues, Swing und Sixties-Doo-Wop spielenden – Stücken „das echte Leben tobt“…

 

 

 

Die Coverversion(en) der Woche…

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…stammt von der jungen Musikerin Kawehi, die im Rahmen ihrer Kickstarter-Kampagne für das Musikprojekt Robot Heart Cover-Wünsche annahm. Einer dieser Unterstützer-Vorschläge war Nirvanas „Heart-Shaped Box“, das die Künstlerin mit Beatboxing intoniert und nach und nach – mittels Loop-Maschine – Gesangs- und Keyboard-Schleifen einfügt, bis am Ende eine komplett eigene Variante des Kurt Cobain-Angstkleinodes entsteht.

Auch gut ist Sarah Stones A Capella-Handclap-, Tischklopf- und Becherknall-Variante von „Royals“ (das Original von Neuseelands 17-jährigem Shooting Star Lorde dürfte wohl hinlänglich bekannt sein), während Meytal Cohens Drum-Cover des Tool-Evergreens „Forty Six & 2“ beweist, wie *hust* ansehnlich und leichtfüßig weibliches Schlagzeugspiel inmitten schöner Sonnenlandschaften daher kommen kann. Das Auge hört ja bekanntlich auf YouTube mit, oder?

 

 

Rock and Roll.

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Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier wieder einige der Videoneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

 

Thees Uhlmann – Die Bomben meiner Stadt

Thees

Ob’s mit Tomte irgendwann noch weitergeht? Die einen verkünden die Trennung (um Namen zu nennen: der letzte Schlagzeuger Max Schröder), die anderen (Frontmann Thees Uhlmann) lassen die Dinge gern offen… Nichts Genaues weiß keiner. Fakt ist: Jeder macht derzeit sein eigenes Ding. Und im Fall von Thees Uhlmann könnte dieses mit der dicken Aufschrift „Solokarriere“ auch kaum besser laufen. Am 30. August erscheint endlich der Nachfolger zum 2011 veröffentlichten, selbstbetitelten Solodebüt des norddeutschen Wahlberliners. Und auch 2013 hält es Uhlmann beim Titel recht simpel und knapp – Album Nummer zwei wird „#2“ heißen, Punkt, aus, fertig. (Wer Zugaben mag, der sollte sich die Digipack-Version sichern, welche neben der 2-CD-Variante inkl. Livemitschnitt auch noch eine Bonus-DVD sowie ein eventuell gewinnbringendes Rubbelllos enthält… Der Uhl hat Ideen…)

Hier kann man sich mit „Die Bomben meiner Stadt“ bereits einen ersten Song aus „#2“ anhören, der im dazugehörigen Video die ein oder andere Impression von den Albumaufnahmen und den letzten Konzerten bietet… Ein feines Stück, das wohl auch live – Thees Uhlmann und Band gehen im November auf ausgedehnte Tournee zur neuen Platte – für reichlich Stimmung sorgen wird. „Die Bomben meiner Stadt machen boom, boom boom…“

 

 

 

Mumford & Sons – Hopeless Wanderer

Szene aus "Hopeless Wanderer"

Vier Typen in Cordhose und Jeanshemd, die zu idyllischer Landromantikkulisse herzerwärmende, von Banjo, Piano und Standbass angetriebene Melodien für Millionen spielen? Na klar, Mumford & Sons!

Doch halt, irgendwas an diesen vier Typen im Video zu „Hopeless Wanderer“, der neuen Single aus dem Erfolgsalbum „Babel„, ist anders… Richtig! Denn dieses Mal lassen sich Marcus Mumford und seine Bandkollegen optisch von den US-Komikern Ed Helms, Jason Sudeikis, Will Forte und Jason Bateman, welche der ein oder andere eventuell aus Filmen wie „Hangover“ oder „Kill The Boss“ kennen mag, vertreten. Und die machen ihre Sache recht gut… Pathetische Posen? Check! Mimische Beteuerung der eingeschworenen Gemeinschaft? Check! Ausdruckstanz? Check! Rockstar-Attitüden? Check! Wohl dem, der Selbstironie besitzt…

 

 

 

Portugal. The Man – Modern Jesus

Modern Jesus

A propos „Selbstironie“: Die scheinen auch Portugal. The Man zu besitzen. Denn im neusten Video der Band, welche mit „Evil Friends“ im Juni noch ANEWFRIENDs „Album der Woche“ abgeliefert hat, sieht man all jene Dinge, die man bislang eher nicht mit der ursprünglich aus dem kalten Alaska stammenden Band in Verbindung brachte: Beten, Ballern und Bootyshaken. Hat da etwa auch Produzent Danger Mouse seine Finger im Spiel gehabt?

 

 

 

Editors – Formaldehyde

Editors

Wer hätte das gedacht? Da machen die Editors mit ihrem neusten Studioalbum mehr als zehn Schritte zurück in Richtung Rocksound und Bandgefühl, und schon werfen eben jene Kritiker, die beim letzten, vor vier Jahren veröffentlichten Album „In This Light And On This Evening“ noch die Kälte und Sperrigkeit bemängelten, Sänger Tom Smith und seiner zum Quintett angewachsenen Band Anbiederung und Belanglosigkeit vor. Natürlich ist an „The Weight Of Your Love“ nicht alles rund und großartig, aber als Ganzes funktioniert das Album in der Tat. Und mal ganz ehrlich: Was bitteschön ist langweiliger als eine Band, auf die sich alle einigen können? Die Editors polarisierten 2005, als das Debütalbum „The Back Room“ für Furore sorgte. Die Editors polarisieren auch 2013. Lediglich die Bühnen sind groß und lichtdurchfluteter – und Ian Curtis‘ Schatten deutlich kleiner…

Hier gibt’s das Video zur neuen Single „Formaldehyde“, bei welchem der Brite Ben Wheatley (u.a. Sightseers, Kill List) auf dem Regiestuhl saß, und das die aus dem englischen Birmingham stammende Band mal eben in eine Wildwestszenerie versetzt:

 

 

 

Jupiter Jones – Denn sie wissen, was sie tun

Jupiter Jones

A propos „Polarisieren“, a propos „Wildwest“: Beide Fakten könnte man derzeit auch beinahe eins zu eins auf die vier Jungs von Jupiter Jones übertragen. Dabei sind all die Vorwürfe von Pathos und Pop längste alte Hüte für Nicholas Müller, Andreas Becker, Sascha Eigner und Marco Hontheim, denn bereits das 2004 erschienene – und im Übrigen noch immer ganz großartige – Debütalbum „Raum um Raum“ war dem Punklager zu sehr Pop, für’s Poplager war’s jedoch zu viel Punk. Und auch wenn das letzte, selbstbetitelte Album den Kenner und Fan der Band vor zwei Jahren doch mehr als ein Mal müde gähnen ließ, darf sich, wer will, gern auf’s neue Album „Das Gegenteil von Allem„, welches ab dem 11. Oktober in den Regalen stehen wird, freuen… Ich zumindest tue das, und sei es nur, weil ich die Band vor langer Zeit ins Herz geschlossen habe.

Und da war doch noch das Stichwort „Wildwest“… Richtig! Denn ebenso wie das neuste Musikvideo der Editors spielen auch Jupiter Jones im ersten Albumvorboten „Denn sie wissen, was sie tun„, welchen man sich aktuell kostenlos (!) bei Amazon herunterladen kann, groß im Saloon auf. Mit dabei: Ex-Rapper und Deichkind-Chaot Ferris MC sowie Jennifer Rostock-Frontfrau Jennifer Weist. Am Ende lässt diese Konstellation alle wohlmöglich genauso fragend dastehen wie der Fakt, dass Jupiter Jones zum ersten Mal seit fast zehn Jahren wieder richtig aufs musikalische Gaspedal treten… Mutig ist der Zug, all jene, die Songs wie „Still“ (dessen niederländische Coverversion ich hier in Maastricht übrigens vor ein paar Tagen in einem örtlichen Elektronikdiscounter unvermittelt kennen lernen „durfte“) vor ein paar Jahren ins Boot geholt hatten, nun so vor den Kopf zu stoßen, allemal. Steht also auf Album Nummer fünf eine Rückbesinnung auf den Bandsound der Anfangstage an? Oder gar ein noch größerer Spagat zwischen Punk, Rock und Pop? Es bleibt spannend im Hause Jupiter Jones…

 

 

 

Oh Land – Renaissance Girls

Oh Land

Verdammte Popmusik, verdammte Ohrwürmer! Eigentlich will man „Renaissance Girls“, den neusten Vorboten des kommenden Oh Land-Albums „Wish Bone“, gar nicht toll finden… Zu billig produziert und poplastig platt scheint der Song im ersten Moment, zu trashig und Eighties-like sind die Kostüme im dazugehörigen Video. Doch dann: Diese Stimme! Diese Melodie! Dieser um die Ecke gedachte, selbstironische Text! Und Nanna Øland Fabricius, die aus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen stammende Dame, welche seit 2008 unter dem Pseudonym Oh Land (eine Anspielung auf ihren Zeitnamen) feine Elektropopsongs veröffentlicht, ist ja auch ganz nett anzuschauen…

Bevor am 24. September das dritte, von TV On The Radio-Kopf Dave Sitek produzierte Album „Wish Bone“ erscheint, bekommt man hier schon einmal einen Vorgeschmack, welcher sich bei mir bereits als hartnäckiger Ohrwurm erwiesen hat. Pop as Pop goes, mit Herz, feministischem Augenzwinkern und Hirn:

„I can be an engine buzzing like a bee, I’m a real independent / Doing the laundry and planning for the future / It’s the nature of a renaissance girl / I can be your darling cooking you dinner and soothing your heartache / Having three kinds and still remain a virgin / It’s my version of a renaissance girl…“

 

 

 

Queens Of The Stone Age – live beim Lollapalooza 2013

Foto: Ian Witlen

Foto: Ian Witlen

Ganz kurz: Alle jene, welche den Auftritt von Josh Homme und seinen Queens Of The Stone Age am 2. August beim diesjährigen Lollapalooza Festival in Chicago verpasst haben, können sich hier die 70-minütige Show im Stream anschauen. Und danach dem aktuellen Album „...Like Clockwork„, welches wohl auch Ende 2013 zu den diesjährigen Veröffentlichungshighlights zählen dürfte, einen neuen Anlauf in der persönlichen Heavy Rotation gönnen…

 

 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Editors – „The Weight Of Your Love“ (2013)

The Weight Of Your Love (Cover)-erscheint bei PIAS/Rough Trade-

Eines muss man den Editors zugute halten: einfach hatten sie es nie. So wurden bereits die ersten öffentlichen musikalischen Gehversuche der Band aus dem englischen Birmingham kritisch beäugt, ihr 2005 erschienenes Debütalbum „The Back Room„, trotz auch im Rückblick noch immer famoser Ausnahmesingles wie „Munich“, „Blood“ oder „Bullets“, von nicht wenigen berufsmäßigen und selbstberufenen Kritikern als bloße Interpol-meets-Joy Division-Kopie abgetan und dem Quartett keine allzu großen Perspektiven in Aussicht gestellt. Den feinen Unterschied zu all den anderen Bands, die vor allem zum Anfang des neuen Jahrtausend – und vor allem in Großbritannien – wie Pilze aus dem Boden schossen und es sich auf die Fahnen geschrieben zu haben schienen, unbedingt und auf jeden Fall wie das next big New Wave-thing klingen zu müssen, machte wohl das prägnante Bariton-Organ von Sänger Tom Smith aus. Nur klang dieses eben jenem des Interpol-Frontmanns Paul Banks ziemlich ähnlich, in besonders lebensfeindlichen Passagen gar wie das des seligen Joy Divison-Fronters Ian Curtis. Dennoch gab der Erfolg Tom Smith (Gitarre, Piano und Gesang), Chris Urbanowicz (Gitarre, Keyboard), Russell Leetch (Bass) und Ed Lay (Schlagzeug) recht: „The Back Room“ heimste 2006 auf Anhieb eine Nominierung für den begehrten Mercury Prize ein und kletterte im Anschluss bis auf Platz zwei der UK-Charts. Und während viele ihrer damals klanggleichen Kollegen bereits beim stets als kritisch beschriebenen Nachfolger einknickten (oder gar schon vorher in der Versenkung der Bedeutungslosigkeit verschwanden), legten Smith & Co. 2007 mit „An End Has A Start“ noch eins drauf. Ihr Sound verließ die dunkle Ecke der Indiedisko, um sich zu zehn hymnisch großen Stücken und zu ebenso traurig wie aufgeregt hüpfenden Herzschlägen in den ersten Reihen die nachtkalten Füße wund zu tanzen. Pathos! Gitarren! Rocksongs! Gefühl! Die Editors empfahlen sich für Arena-Auftritte und fanden genug begeisterte Hörer, die „An End Has A Start“ auf den Spitzenplatz der UK-Charts bugsierten. Dass sich die Band danach – wollten sie nicht auch noch zu Kopisten ihrer selbst abgestempelt werden – soundtechnisch in eine neue Richtung entwickeln musste, war klar. Gemeinsam mit Produzent Flood verzog man sich also 2008 ins Studio und überließ dort den Keyboard- und Synthesizerobzessionen von Chris Urbanowicz die Oberhand. Heraus kam man ein Jahr später mit „In This Light And On This Evening„, einem mal bedrohlich kalten, mal – lyrisch – schutzlos am offenen Herzen der technoiden Metropole London operierenden Monolithen von Album, in welchem die Editors wohl endgültig aus dem Schatten von Interpol heraus schwammen. Vielmehr boten sich nun noch deutlicher Referenzpunkte der Achtziger an: Erasure, (erneut) Joy Division, Depeche Mode oder The Cure. Ein befremdlicher Fiebertraum von Caspar David Friedrich im Elektronebel? Yessir! Brutal direktes Vor-den-Kopf-stoßen von Erwartungshaltungen – und dennoch erreichte auch „In This Light…“ Platz eins im UK. Nächster Halt: erneute Endstation. Während Frontmann Tom Smith 2011 gemeinsam mit ehemaligen Razorlight-Schlagzeuger als „Smiths & Burrows“ – pünktlich zum Weihnachtsgeschäft – ein ebenso liebliches wie gelungenes Weihnachtsalbum namens „Funny Looking Angels“ in die Regale stellte, liefen die parallelen Versuche der erneuten Neuausrichtung seiner Hauptband weniger flüssig. Also trennte man sich 2012 – offiziell „aufgrund musikalischer Differenzen“ – von Chris Urbanowicz, nahm mit Justin Lockey (Gitarre) und Elliott Williams (Piano und Keyboard) zwei neue Mitglieder ins Bandgefüge auf und begab sich nach Nashville (!) und in die Obhut von Produzent Jacquire King, einem Grammy-prämierten Fachmann für Rocksongs mit Tiefe und Wucht, bei dem sich Namen wie die Kings Of Leon, Tom Waits, Norah Jones, aber auch Modest Mouse, Josh Ritter oder Lissie bereits die Studiotürklinke in die Hand gaben…

Editors #1

“[The Weight of Your Love] is a band record, a musical record, a rock record… with a foot in that alt-rock / Americana world.” – beschreiben Selbsteinschätzungen wie eben jene von Sänger Tom Smith getroffene also das vierte Album „The Weight Of Your Love“ adäquat? Eindeutig: jein. Denn obwohl die neu formierten Editors für die elf neuen Stücke einen erneuten – teilweisen – Richtungswechsel unternahmen, bleiben schon noch ein paar Konstanten: So zählt Tom Smiths unverwechselbarer Bariton noch immer zum größten Pfund, welches die Band in die musikalische Waagschale zu werfen vermag. So bleiben sie doch am Ende des Stückes noch immer eine recht straighte Rockband – allen früheren Wave-Anleihen und Synthesizer-Orgien zum Trotz. Und eben jene Synthesizer scheinen mit dem geschassten Gitarristen Chris Urbanowicz über Bord gegangen zu sein – der Vorgänger „In This Light And On This Evening“ könnte stilistisch kaum ferner liegen.

Das erste Stück „The Weight“ eröffnet ein Akustikgitarren-Bluesriff zum Stampfbeat von Ed Lays Schlagzeug, bevor Streicher und „Ohoohoo“-Chöre dem Song einen „I Feel You“-artigen Depeche Mode-Touch geben und Tom Smith bereits zur lyrischen Eröffnung „For A Moment I felt the strength of your love / It was lightning / It was lightning / Strike down / On me“ den Dave Gahan von Birmingham gibt. Auch „Sugar“ groovt anfangs wie eine dieser typisch dunklen Depeche Mode-Schmerzenshymnen der Neunziger und artet mehr und mehr in ein Duell zwischen sägenden E-Gitarren und Konserven-Streichern aus. Die erste Vorab-Single „A Ton Of Love“ macht es dann besonders deutlich: die Editors setzen auch 2013 alles auf eine Karte – und auf der steht in dicken Edding-Lettern das Wort „Stadion“. Fette Gitarrenfanfaren? An Bord! Smith singt mit breiter Brust von „Desire“ und man meint bereits, Michael Stipe und Bono milde lächelnd vom Bühnenrand applaudieren zu sehen. Und zu eben jenen Rocksongs, die sich nun – wie bereits auf dem zweiten Album „An End Has A Start“, und um nicht wenige Streichersätze ergänzt – wieder ihren Weg in den aktuell vorherrschenden Bandsound gebahnt haben, bietet das Quintett einiges an Gegengewicht auf. So ist „What Is This Thing Called Love“ eine zartfühlige, streicher- und pianogetragene Ballade, zu welcher Smith mit unerwartet hohem Falsettstimmchen aufwartet, wird „Nothing“ introspektiv und beinahe ausschließlich von Streichern gen Firmament getragen, oder stellt das ansonsten recht dröge „Formaldehyde“ ein feines Bassmotiv in den Vordergrund. Kurz vor Schluss lösen die Editors – in „The Phone Book“ und vierenhalb schunkeligen Minuten – sogar Smiths Americana-Versprechen ein, bevor „Bird Of Prey“ erst zu Stampfbeat und Piano von eben jenen Greifvögeln im Backgroundchor begleitet wird, um sich schließlich von Dannen tragen zu lassen. Als klarer Fixpunkt dürfte Fans und Kennern der englischen Band auch 2013 Tom Smiths mit reichlich Pathos („Desire“ – aus „A Ton Of Love“), Weltschmerz („I’m a lump of meat / With a heartbeat“ – aus „The Weight“), Altersweisheiten („You gotta learn to be thankful / For the things that you have“ – aus „A Ton Of Love“), Falsch-vs.-Richtig-Metaphorik („Two Hearted Spider“) oder Liebeslyrik („Sing me a love song / From your heart or from the phone book / It don’t matter to me“ – aus „The Phone Book“) beladenen Texte sein. Geschmackssache? Natürlich. Wie das komplette Album (bei dem übrigens des Öfteren Platten von Echo And The Bunnymen im Studio gelaufen sein dürften)…

Editors #2

Die wichtigste – da entscheidendste – Frage zu „The Weight Of Your Love“ scheint wohl, ob Album Nummer vier für die Editors einen Schritt vor oder zurück bedeutet. Dabei ist es umso erfreulicher, dass es die Band überhaupt geschafft hat, sich aus der kreativen Synthesizersackgasse, in welche sie sich nach „In This Light…“ begeben hatten, heraus zu manövrieren. Dass nicht jeder Song auf „The Weight Of Your Love“ gleich tief sticht? – Geschenkt. Dass hier eine Band bewusst auf die Headliner-Plätze von Größen wie U2, R.E.M. (die freilich selbst längst Geschichte sind) oder Depeche Mode schaut, und so auch ein paar kreative Untiefen á la Coldplay oder den Kings Of Leon mitnimmt? – Kann man den Editors kaum verdenken. Denn mal ehrlich: wer, der die Stimme von Tom Smith anno 2005 hörte, dachte denn ernsthaft, dass solch‘ ein markantes Organ auf Dauer nur kleine Indie-Clubs beschallen würde? Die Editors sind mit ihren Songs, in denen die Hymnenhaftigkeit von dringlicher Klimax zu noch dringlicher Klimax jagt, für die große Bühne bestimmt – wer Herz und Ehrlichkeit und kreatives Wachstum sucht, der wird all das finden, solange er tiefer gräbt und genauer hinhört. Mit „The Weight Of Your Love“ untermauern Tom Smith & Co. ihren Anspruch auf den großen Wurf. Und obwohl sie aktuell eher groß als großartig tönen, ist eines sicher: dieser Wurf wird kommen. An end has a start…

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Anhand dieser beinahe halbstündigen „Making Of“-Dokumentation kann man sich einen Eindruck über den Entstehungsprozess von „The Weight Of Your Love“ verschaffen…

 

…und sich hier die Videos der ersten beiden Singles „A Ton Of Love“…

 

…und „The Weight“ anschauen:

 

Rock and Roll.

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Eine Tonne Liebe, noch mehr Vorfreude – Neues Editors-Video zu „A Ton Of Love“ + Albumankündigung


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A propos „die richtigen Lehren aus den Abgängen von Bandmitgliedern ziehen“: das bisher letzte Editors-Werk „In This Light And On This Evening“ wurde ja – und da lehne ich mich jetzt wohl keinesfalls zu weit über den Behauptungssims – vor vier Jahren mit durchaus gemischten Gefühlen aufgenommen. Immerhin schienen damals technoide Sythpop-Einflüsse, die böse an Depeche Mode und tiefste Achtziger Jahre erinnerten, den Post-Punk’schen Sturm und Drang, der noch den beiden Vorgängern innewohnte, fast vollständig abzulösen – „Blade Runner“ vs. Ian Curtis, quasi. Im vergangen Jahr gab schließlich Gitarrist Chris Urbanowicz aufgrund „musikalischer Differenzen“ seinen Ausstieg bekannt…

largeOhne ihn wähnte man das verbliebene Editors-Trio aus Sänger Tom Smith, Bassist Russel Leetch und Schlagzeuger Ed Lay in unsicheren Gewässern: Wie würde es weiter gehen? Würden die drei den Verlust kompensieren können, gar als Chance für einen Neuanfang – nach meinem Wunsch: eine erneute Richtungskorrektur – nutzen? Es blieb spannend bei der Band aus dem englischen Birmingham…

Nun: urteilt man nach „A Ton Of Love“, dem ersten Vorboten des am 28. Juni erscheinenden vierten Albums „The Weight Of Your Love„, so dürften Tom Smith & Co. wohl einige der „alten“ Hörer wieder von sich und ihren Qualitäten überzeugen dürfen, bestenfalls gar einige neue dazu gewinnen. Denn: treibende Drums, druckvoller Bass, dazu eine hymnische Glanzleistung von Ausnahmestimme Smith – hey, die Editors klingen wie zu ihren besten Zeiten!

So und nicht anders schürt man Vorfreude! Wie lesen uns – sprich: bezüglich „The Weight Of Your Love“ – in ein paar Wochen? Definitiv!

 

 

Rock and Roll.

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