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Auf dem Radar: The Bronze Medal


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Spätestens, wenn andere Bands und Künstler den eigenen, sehr charakteristischen Sound in mehr oder minder groben Zügen gleichsam eheerbietend wie ehrfürchtig kopieren, weiß man als Band: man hat’s geschafft, man ist endlich im Kanon der ganz Großen angekommen. Selbiges darf man mit Fug und Recht mittlerweile auch von The National behaupten, denn nicht nur bespielen die fünf US-Indierocker um Frontmann Matt Berninger – spätestens – seit ihrem verdienten Durchbruch mit dem unlängst eine Dekade jung gewordenen Album „High Violet“ die ganz großen Konzertsäle und Prime-Time-Festival-Slots, ihr Sound findet mittlerweile auch immer öfter seine Kopisten (freilich ohne dies despektierlich zu meinen). Man denke etwa an The Slow Show aus dem englischen Manchester, die sich nicht nur nach einem Song vom 2007er The National-Werk „Boxer“ benannten (selbst, wenn The Slow Show das immer wieder verneinten und vielmehr auf „die Liebe zu Showeinlagen und die Entschlossenheit der Band, keine überstürzte Musik zu machen“ verwies), sondern – nebst dem dezent heiseren Bariton von Sänger Rob Goodwin – auch in die Stücke ihrer bislang drei Alben ganz ähnliche grundmelancholische Strukturen einwoben wie die großen Vorbilder aus Cincinnati, Ohio. Natürlich tönen Plagiate anders, gewisse Ähnlichkeiten sind jedoch trotzdem kaum von der Hand zu weisen. Gleiches könnte man übrigens auch von The Bronze Medal behaupten…

a2632293468_16The Bronze… wer? Eben. Irgendeinen Grund muss es doch haben, dass selbst ich, der ja für The National-likes nun nicht erst seit gestern überaus empfänglich ist, erst vor wenigen Tagen auf das Quintett aus dem englischen Bristol aufmerksam geworden bin. Immerhin machen Chris Hillier, Robin Southwell, Rory O’Gorman, Daniel Rogers und Mike Barnett bereits seit 2009 gemeinsam Musik, und auch der feine Album-Erstling „Darlings“ erschien bereits 2014 (nach einer selbstbetitelten EP zwei Jahre zuvor). Da erscheint es fast tröstlich, dass The Bronze Medal, die sich ihrerseits nach einem Song der schottischen Indierocker Idlewild benannten, nicht nur hierzulande, sondern auch im heimischen UK in den vergangenen Jahren (leider) meist etwas unterhalb des internetten Hype-Radars flogen (das belegen etwa auch Facebook-Likes, bei denen etwa The Slow Show mit aktuell etwas über 16.000 bereits vier mal so viele vorweisen können wie Chris Hillier und Co.). Trotzdem konnte sich der Fünfer in den letzten Jahren zu einem absoluten Geheimtipp der Szene mausern und mit ihrem filigran-einfühlsamen Indiefolkrock neben vielen Fans auch vielversprechende Referenzen sammeln. Die renommierte The Times etwa nannte sie liebevoll “masters of slow-build indie minimal”  – und genau das passt wohl wie kaum eine andere Beschreibung auf den Sound von The Bronze Medal. Die Songs der Band laden zum bewussten Zuhören ein und fordern dabei die volle Aufmerksamkeit – die sollte man ihnen auch zuteil werden lassen, um die vielen Facetten in ihrer Musik zu entdecken.

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Klar, wenn es um die reine Bekanntheit geht, sind die fünf Lads um Chris Hillier, Robin Southwell, die sich einst in Norwegen trafen, im Vergleich mit Bands wie eben The National, Idlewild, The Slow Show oder Snow Patrol, aber auch zu anderen Ähnlich tönenden Kapellen wie die mittlerweile – aus recht unterschiedlichen Gründen – aufgelösten Frightened Rabbit oder Dry The River natürlich nahezu mikroskopisch klein, musikalisch müssen sie sich jedoch keineswegs hinter ebenjenen verstecken. Man höre da am besten das lediglich neun Songs umfassende Debütwerk „Darlings„, welches die fünf Herren aus Bristol im hohen isländischen Norden von Reykjavík zusammen mit Produzent Valgeir Sigurdsson, der seinerseits bereits mit Größen wie Björk, Damon Albarn, Feist oder Sigur Rós arbeitete, aufnahmen. Darauf präsentieren sich The Bronze Medal nicht nur als (noch immer) spannender Hoffnungsträger für alle Freunde von geduldigen Grower-Songs, sphärisch getragener Indiepop-Intimität, folkig-verträumtem Kaminknistern und minimalistischen, gen Indie-Drama schreitenden Songstrukturen, sondern tönen auch gleichzeitig intimer als auf ihrer zuvor veröffentlichten, manches Mal gar Richtung Postrock schielenden EP (von dieser sei etwa das feine „No Hospitals“ ans Hörerherz gelegt, welches live schonmal zum zehnminütigen Song-Epos gerät, das den Fokus mehr auf sich überlagernde Sounds denn auf Rhythmus oder Melodie legt).

Im Übrigen könnte es gut sein, dass sich The Bronze Medal in nächster Zeit mit einer neuen EP – eventuell gar mit einem neuen Langspieler – zurückmelden (was ja nach sechs Jahren Veröffentlichungsfunkstille durchaus angebracht wäre). Mit einer Rohfassung von „Can’t Beat“ ließ das englische Indierock-Quintett im April einen ersten formidablen Vorgeschmack hören. Bleibt eigentlich nur noch, der Band zu wünschen, dass sie es in Zukunft ein wenig aus dem Geheimtipp-Schatten heraus schaffen…

 

Wer sich einen ersten Eindruck von The Bronze Medal verschaffen möchte, der höre doch bei Bandcamp rein – oder eben die reduzierten „Home Sessions“…

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Fugitive Dancer


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Foto: Facebook

Die Zeiten sind, bei allem Merkwürdigem, was da in der Welt um uns gerade so abgeht, kaum weniger schnelllebig als noch vor ein paar Jahren. Das macht sich freilich auch im Musikgeschäft bemerkbar, wo selbst ich, der sich tagein, tagaus die größtgrößte Mühe gibt, nur nichts und keine Band und keine(n) Künstler(in) zu verpassen, manchmal feststelle, dass mir in den letzten Jahren wohl so einiges durch die Lauscher gerutscht sein mag. Fugitive Dancer etwa.

Obwohl: so ganz richtig ist das nun auch nicht. Denn obwohl die sechsköpfige (!) Augsburg-meets-Ulmer Band erst vor wenigen Tagen ihr zweites Album „9 PM On Thursdays“ in die (digitale) weite Welt entlassen hat, sind Informationen rar gesät – was wohl daran liegen mag, dass sich Sebastian Krichler (Gesang, Gitarre), Maxim Skripko (Gesang, Gitarre), Julian Klein (Keyboard, Backgroundgesang), Marius Stehle (Schlagzeug), Jadwiga Seelig (Cello) und Andreas Miehle (Bass) in den letzten Jahren recht rar gemacht haben. Woran lag’s? Nun, wohl – ganz schnöde und piefig – an unterschiedlichen Lebensentwürfen und den Tücken des Alltags (welche heutzutage eben meist das Familiäre und das Brötchenverdienen in der Prioritätenliste am schönen Hobby Musik vorbei mogeln) – darauf lassen auch (untenstehende) Zeilen schließen, die die Band ihrem neusten Release via Facebook mit auf den Weg gab.

49778029816_b373c9d397_oDabei legten Fugitive Dancer vor knapp einer Dekade einst vielversprechend los: Nach Veröffentlichung ihres Debütalbums „Brother From Another Mother“ trat die Band im Frühjahr 2011 als Vorgruppe der norwegischen Singer/Songwriter-Pop-Musikerin Marit Larsen in Neu-Ulm auf, was ihnen zunächst etwas mehr überregionale Bekanntheit und schließlich sogar einen Auftritt im SWR Fernsehen einbrachte. Im Laufe des Jahres spielte die Band ihre ersten zwei bundesweiten Tourneen, die sie das ein ums andere Mal auch zu den österreichischen Nachbarn führten (wie ein Beitrag bei FM4 belegt). Und danach? Kam 2013 mit dem feinen „26“ noch ein vermeintlicher Appetizer während der Wartezeit auf den neuen Langspieler, und dann: der Alltag. Und dann lange Zeit nichts mehr, während nicht nur der Facebook-Auftrittder Band, der zwischen 2014 und 2020 nichts Neues zu berichten weiß (der Wikipedia-Eintrag ebenso wenig), sondern wohl auch die Instrumente im Proberaum ordentlich Staub ansetzten.

Umso schöner zu hören, mit welch‘ großartigen Songs sich Fugitive Dancer nun zurückmelden, schließlich lässt die knappe Dreiviertelstunde von „9 PM On Thursdays“, die sich in der melancholisch-bunten Referenztruhe mal bei Größen wie Matt Berninger und seinen glücklicher- und verdienterweise im Weltruhm angekommenen Lads von The National, mal bei den ganz ähnlich tönenden Mancunians von The Slow Show (die sich ja nicht von ungefähr nach einem Song von ersterer Band benannt haben), mal bei den besten Seiten von Coldplay (meint: die Anfangszeit zwischen „Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) bedient, kaum zu wünschen übrig. Wer lieber in Schubladen einsortiert, der darf gern jene für mit Bedacht und Sorgfalt komponierten, verlässlich zwischen Hymnus und persönlichem Kleinod schwankendem Indie Pop gaaaanz weit aufziehen. Obwohl die ein oder andere musikalische Inspiration freilich kaum zu verleugnen sein dürfte, muss sich das Sechsergespann mit diesen neun neuen Songs selbst vor internationalen Vergleichen keineswegs verstecken.

Umso hin und her gerissener lassen einen Fugitive Dancer mit diesem Album gerade zurück: ein klein wenig traurig ob der Tatsache, dass dieses Werk, welches die Band eventuell bereits vor einiger Zeit aufnahm, jedoch – völlig zurecht – mit all seinem Herzblut und tollen, geradezu süchtig nach der Repeat-Taste machenden Melodien für zu schade für die digitale Schublade befand, wohlmöglich schon das letzte gemeinsame Lebenszeichen gewesen sein mag, und froh, dass man selbst auf Songs wie „Autumn Sky“, „Away“ oder „Weather Woman“ gestoßen ist, bevor die Flut der schnelllebigen Zeiten alles wieder unter sich begräbt. Nicht nur deshalb sind Fugitive Dancer schon jetzt eine meiner persönlichen Entdeckungen des Musikjahres…

 

„‚9 PM On Thursdays‘ – diese Zeit war einmal unsere Zeit. Band-Beisammensein gewordener Termin. Damals, als wir bereits in sechs verschiedenen Städten wohnten und jeden Donnerstag um 21 Uhr für ein, zwei Stunden digitalen Miteinanders auf Skype zusammenfanden. Um unsere, trotz der räumlichen Trennung, noch großen Pläne zu schmieden, Bandproben in Mannheim zu koordinieren, über unsere Zukunft als Band zu sprechen – und den Release jenes Albums zu planen, an dem wir so lange gearbeitet hatten.

Und die Zukunft fand statt, nur ohne unsere Pläne. Lautlos nahm die Zeit jede(n) von uns an die Hand, führte uns hinein in neue Abschnitte und heraus aus anderen, schmiss uns das Leben in allen Farben um die Ohren, ließ uns neue Heimaten finden – und die alte, jahrelange Heimat Fugitive Dancer aus den Augen verlieren. Dabei haben wir sie nie vergessen, nur den Weg zurück nicht mehr gefunden.

Nun lichtet sich in der vielleicht merkwürdigsten Zeit, die man sich dafür ausdenken kann, nach sechs stillen Jahren der Nebel noch einmal und wir reichen nach, was wir zumindest uns damals versprochen hatten: Die Veröffentlichung eines Albums, das uns noch immer die Welt bedeutet und von dem wir hoffen, dass es eure Welt in diesen seltsamen Tagen für ein paar Momente ein bisschen heller macht. Wir verbleiben…

…mit letztem Gruß? Man weiß es nicht. Passt auf Euch auf.
Andi, Jadi, Julian, Marius, Maxim, Sebastian“

 

Via YouTube findet man „9 PM On Thursdays“ im Stream:

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: The Slow Show


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„Es gab wohl noch nie eine Band aus Manchester, die sich mit The Slow Show vergleichen lässt. Ihre minimalistischen und dann doch epischen Songs schwingen sich von behutsamen Americana zu tosenden Hooks und Refrains mit Streichern und Trompeten auf. Schwer persönlich sind diese Songs über Liebe und Tod, die es immer wieder schaffen, ihr Publikum zu bedächtigem Schweigen, sogar zu Tränen zu rühren.“

So weit, so Pressetext. Für Schnellklicker ließe sich die fünfköpfige, seit 2010 bestehende Band sogar noch schneller einordnen: benannt nach einem Song der großen Pathetiker The National, das Album im selben Studio wie Elbow aufgenommen. Damit wären die Pole bereits abgesteckt…

TSS_white_water_480pxUnd obwohl der Pressetext einen Glauben lassen mag, dass es „wohl noch nie“ eine vergleichbare Band aus Manchester, jener 500.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Englands, gab, und The Slow Shows Sänger Rob Goodwin gar eine stimmliche Nähe zu Johnny Cash nahe legt, könnte beides falscher kaum sein. Denn zum einen eint The Slow Show und Elbow weitaus mehr als die Aufnahmen in den in einem der typischen Backsteingebäude von Manchester gelegenen Blueprint Studios (nämlich die gleiche detailversessene Herangehensweise an ihr melancholisches Liedgut, sodass es kaum verwunderlich ist dass Elbow die fellow Mancunians bereits in ihr Vorprogramm holten). Zum anderen dürfte Goodwins tiefes, Dark Wave-taugliches Bariton näher bei Lambchop-Frontmann Kurt Wagner stehen als beim großen Countryman Cash (hier und da ist auch eine Grabesstimme wie die von Nick Cave nur einen Spalt weit entfernt). Bewegt man sich jedoch nur ein kleines Stückweit weg von der Bodenständigkeit Manchesters – die Stadt wirft ja nicht erst seit Oasis, Elbow oder I Am Kloot hin und wieder tolle Bands in die Musikwelt (man denke auch an die Happy Mondays, The Stone Roses oder die Inspiral Carpets) -, so öffnen sich im deutlich mehr von US-Vorbildern gefärbten Klangbild von The Slow Show größere Weiten. Freilich mögen auch hier The National mehr als einmal Pate gestanden haben (etwa beim Song „Bloodline“, das mit seinem bedächtigen Aufbau, seiner Steigerung, seinen Fanfare dem The National-Evergreen „Fake Empire“ näher ist, als einem lieb sein mag), wer jedoch The Slow Show bloßen Ideenklau vorwirft, tut der Band unrecht. Vielmehr entwerfen Rob Goodwin und Co. kleine große Americana-Kleinode von spröder Schönheit, deren Kopf im Americana steckt, während das Herz den Northern Soul stolz in der Brust voran trägt. Da darf auch schonmal, wie in „Dresden“, dem Eröffnungsstück des dieser Tage erscheinenden Debütalbums „White Water„, ein sakraler Chor den Song eröffnen, während anderswo Streicher schwelgen, Pianoakkorde bedächtig vor sich her klimpern und die Band Goodwins weihevolle Stimme nie überfrachtet, sondern immer nur dienlichst unterstützt. Klar waten nahezu alle elf Albumsongs knietief im Moll, klar bewegen sich The Slow Show damit konsequent auf einem schmalen Grat zwischen Kitsch und Melancholie, während die Texte kleine Trauerweiden übers Leben, Lieben, Touren und Loslassen malen. „Herbstmusik“ würden wohl die Meisten dick mit Edding aufs Cover kritzeln – Musik, die im Sommer so fremd wirken würde wie ein Schneemann an der Copacabana. Freunde rotweingeschwängerten, melancholischen Liedguts dürften aber an der Band, deren Debütalbum in Deutschland bei „Haldern Pop„, dem Label des exquisiten nordrhein-westfälischen Festivals, zu dessen Rooster Bands und Künstler wie Friska Viljor, Dry The River oder William Fitzsimmons zählen, Gefallen finden…

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Hier gibt’s die Musikvideos zu „Bloodline“…

 

…und „Dresden“…

 

…sowie selbigen Song noch einmal in einer Liveversion vom letztjährigen „Haldern Pop Festival“, bei dem die Band einen Chor zu sich auf die Bühne holte…

 

…und das bewegende „Brother“ in einer Live-Session-Variation:

 

THE SLOW SHOW LIVE:

21.05.15 – Köln (DE) / Luxor
22.05.15 – Haldern (DE) / Haldern Pop Bar
23.05.15 – Dortmund (DE) / Way Back When Festival
24.05.15 – Beverungen (DE) / Orange Blossom Festival
25.05.15 – Hamburg (DE) / Prinzenbar
26.05.15 – Berlin (DE) / Privatclub
27.05.15 – Dresden (DE) / Beatpol
28.05.15 – Wien (AT) / Chelsea
29.05.15 – München (DE) / Strom
31.05.15 – Zürich (CH) / Papiersaal

 

Rock and Roll.

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