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Das Album der Woche


Cat Power – Covers (2022)

-erschienen bei Domino/GoodToGo-

Von all den Sachen, die man als musikschaffende(r) Künstler*in heutzutage in die Welt setzen kann, gibt es wahrscheinlich nichts Unwesentlicheres als ein Coveralbum. Das Format ermöglicht dem Act theoretisch auf Autopilot ein paar Lieblingssongs herunterzuschrammeln – und zack, ist im Handumdrehen schon wieder ein neues Stück Content fertig. Als Beweismaterial für diese gar nicht mal so steile These sollte eine schnell ergoogelte Internetsuche nach einem beliebigem Song mit dem Zusatz „Cover“ genügen, schließlich besteht ein signifikanter Teil des weltweiten Netzes aus mehr oder minder leidlichen, mehr oder weniger uninspirierten Darbietungen von geliebten Songs. Andererseits gibt es nicht wenige Bands und Künstler*innen, für die das Konzept „Coveralbum“ eine ganz eigene Kunstform darstellt. Die mit der radikalen Spielfreude eines Kleinkinds Songs auseinanderpflücken und in neuen, spannenden Formen zusammensetzen. Oder mit schlichten, dem Original verpflichteten Interpretationen auf magische Art und Weise die wahren Qualitäten der Ursprungsfassung offenbaren.

Vor allem Charlyn Marie „Chan“ Marshall ist in jenem „Cover-Album-Business“ ein wahrer Profi. Rund zwanzig Jahre ist es her, dass die US-Musikerin, welche den meisten wohl eher als Cat Power bekannt sein dürfte, erstmals demonstrierte, mit welcher Intensität sie sich Songs aus fremden Federn zu eigen machen kann. Auf „The Covers Record“ prägte anno 2000 noch der karge, ominöse Indie-Blues ihrer Frühphase die Neuinterpretationen, denen meist wenig mehr als eine zurückhaltende Gitarre oder ein leises Klavier für durchschlagende Effekte ausreichte. Ob sie die Verzweiflung hinter der rebellischen Attitüde im abgenudelten Stones-Gassenhauer „(I Can’t Get No) Satisfaction“ ans Dämmerlicht holte oder The Velvet Undergrounds „I Found A Reason“ so weit reduzierte, dass es durch Mark und Bein ging – Coverversionen haben bei Cat Power immer etwas mit Offenlegen zu tun, kehren das mithin unbewusste Innere der Songs nach außen. Nachdem 2008 mit „The Greatest“ ein zweiter Teil der Coveralben-Reihe erschien (und die Stücke darauf mit ein wenig mehr Grandezza scheinen ließ), schreibt Marshall nun mit dem ähnlich schlicht betitelten „Covers“ diese Bewegung zur Trilogie fort – und macht einmal mehr doch manches anders. Schließlich hat auch die Musikerin, die kürzlich ihren 50. Geburtstag feierte, in der Zwischenzeit so einige persönliche wie musikalische Wandlungen durchlaufen, hat einem selbstzerstörerischen Sex’n’Drugs’n’Rock-and-Roll-Lebensstil abgeschworen, ist Mutter geworden, hat für sich noch stärker die Wurzeln und Traditionen der amerikanischen Musikgeschichte erkundet. So prägen vor allem Band-Arrangements die ersten Stücke ihres nunmehr elfen Studioalbums, dessen Songauswahl zwar von der erwarteten Geschmackssicherheit gekennzeichnet ist, aber dennoch die eine oder andere Überraschung bereithält.

So wagt etwa „Unhate“ das Selbst-Cover eines der düstersten Songs auf „The Greatest“ – dort noch „Hate“ genannt und lediglich mit einer Stromgitarre live aufgenommen – und beantwortet dessen seinerzeit auf Nirvana verweisende Klaustrophobie mit weiten Keyboard-Akkorden – ein versöhnliches Update eines aufwühlenden Songs. Und auch paradigmatisch fürs Album? Zunächst scheint es so, denn auch die Version von Frank Oceans „Bad Religion“ kleidet die dramatische, beinahe sakrale Anspannung und vertrackte Phrasierung des Originals in ein deutlich luftigeres, lässigeres Gewand. Lana Del Rey, längst auf ihre Art eine der besten Schülerinnen (und Freundinnen) Marshalls, bekommt eine Fassung von „White Mustang“ spendiert, die kalifornische Luftschlösser gegen staubige Seitenstraßen und die Sümpfe des Deltas austauscht (und – so viel Ehrlichkeit sollte sein – leider auch einen guten Teil der Atmosphäre des Originals einbüßt). Bis hierhin fließt „Covers“ angenehm dahin, scheint aber den emotionalen Verwüstungen seiner Ausgangsorte eine abgeklärtere Note entgegenzusetzen, ihnen ein Stück weit noch ausweichen zu wollen – kaum verwunderlich also, dass mancherwebs Vergleiche zu Künstlerinnen wie Norah Jones angestellt und etwas despektierliche Formulierungen wie „Café-Latte-mit-Hafermilch-Musik“ (sueddeutsche.de) getroffen werden. Umso besser, dass „A Pair Of Brown Eyes“ diesem vorschnellen Eindruck dann ordentlich zusetzt.

Doch keine Angst – Cat Power setzt hier keinen in Doom Metal gefärbten Kontrast! Nein, im Auge des Sturms und im Zentrum der Kneipe ist es ganz, ganz still… Aus Shane „The Pogues“ McGowans Sehnsucht macht die „Queen of Sadcore“ (VISIONS) ein Duett mit der eigenen hochgepitchten Stimme, während nostalgische Synthies das Mellotron evozieren – meisterlich gesellt sich ihre Fassung neben das Original, weit entfernt davon, lediglich mal kurz kopieren zu wollen. Apropos Kneipe: Auch „Here Comes A Regular“, Paul Westerbergs bewegende, von dezenter Teenage Angst geprägte The Replacements-Erzählung über das fehlende Zuhause und den quälenden Durst, wird hier radikal transformiert. Marshall nimmt ihr die Rauheit und akzentuiert die zerbrechliche Seite der Selbstaufgabe in einer traurig-schönen Klavierballade mit zarten Akustiktupfern und dem erneut gedoppelten Gesang. Dazwischen reiht sich ein gelungener Moment an den anderen. Ob Bob Segers „Against The Wind“ als ähnlich melancholischer Dream-Pop, das wiederholt mit unheilschwangerer Grandezza beschworene Nick Cave-Stück „I Had A Dream, Joe“, Jackson Brownes bereits oft anderenorts gecoverter geschmeidiger Westküsten-Rock-Evergreen „These Days“ als intimes Folk-Stück oder „Endless Sea“ als monoton-stampfender Blues, in dem Marshall mit einsilbiger Leadgitarre beweist, dass sie auch ohne oberkörperfreie Lederhaut-Inszenierung genauso cool wie Iggy Pop ist. Selbst für den Kinderchor im Original des – angenehm druckvollen – „Pa Pa Power“ (Dead Man’s Bones) hat sich Cat Power eine feine Alternative überlegt: eine silbrig schimmernde Gitarre. Bei aller Vielseitigkeit macht „Covers“, welche dieses Mal ein wenig überraschend den erwarteten Bob Dylan außen vor lässt, mit der Zeit einen bemerkenswert geschlossenen Eindruck, führt behutsam über einen leichtfüßigen Einstieg in die Abgründe seines Ausgangsmaterials.

Weniger Abgrund, aber so einige Symbolismen bietet auch das Albumcover. So erklärt Chan Marshall die Einzelheiten wie folgt: Der leere Ausschnitt symbolisiert, dass sowohl die Träger des Hemdes als auch die Schöpfer der Songs irgendwann nicht mehr da sind, ihre Musik jedoch – bestenfalls – bleibt. Der Pass in der Hemdtasche repräsentiert die Erde, auf der wir Menschen zu Gast sind. Der Bleistift als auch das blaue Workingman-Hemd selbst stehen für das Arbeiten, schließlich sind Musiker*innen schlussendlich nichts weiter als Arbeiter am Song. Ein wahrer Symbolkatalog für ein Coveralbum…

Im Grunde ist der simple Albumtitel dennoch ebenso feines Understatement wie missverständlich: Coverversionen von Cat Power decken auf, sind eher „Un-Covers“, respektvoll ihrem Ursprung verpflichtet und doch freimütig im jeweiligen Umgang. In Marshalls tief-charismatischer Stimme finden sie eine neue Artikulation, die auch dem von Billie Holiday bekannt gemachten „I’ll Be Seeing You“ nicht nur ein ordentliches, zeitgemäßes Plus an Melancholie, sondern auch so viel Wärme mitgibt. Die Zwiegespräche zwischen dem Gestern und Heute enden nie – überrascht es da irgendjemanden, dass „Covers“ abschließend eine Brücke über den Abschied baut? Ein Hoch auf Cat Power, seit eh und je eine dieser ganz besonderen „Queens of Gänsehaut“.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Cat Power – „I’ll Be Seeing You“


Foto: Promo / Mario Sorrenti

Chan Marshall aka Cat Power covert oft und gerne Das hat sie bereits mit ihren 2000 beziehungsweise 2008 erschienenen Alben „The Covers Record“ und „Jukebox“ bewiesen. Von The Velvet Underground über Bob Dylan und Joni Mitchell bis hin zu neuen Versionen ihrer eigenen Songs – aus jedem Stück bastelt sie eine verdammt eigene, aber dafür absolut unnachahmliche Cat Power-Version. Anfang nächsten Jahres folgt mit „Covers“ das dritte Coveralbum und vollendet somit die Trilogie.

Aus jenem Werk, ihrem mittlerweile elften Studioalbum und der Nachfolger zum 2018er „Wanderer„, hat die wandelbare 49-jährige US-Musikerin nun, nach Interpretationen von Frank Oceans „Bad Religion„, The Pogues‘ „A Pair Of Brown Eyes“ und Dead Man’s Bones‘ „Pa Pa Power„, den nächsten Vorgeschmack veröffentlicht. „I’ll Be Seeing You“ ist ihre persönliche Version des oft mit Jazz-Ikone Billie Holiday assoziierten Standards. Gewählt hat sie ihn, um den ihr nahestehenden Menschen zu gedenken, die sie in jüngster Zeit verlieren musste, unter anderem den 2019 auf tragische Weise verstorbenen Cassius- und French-House-DJ Philippe Zdar, der unter anderem auch ihr 2012er Album „Sun“ produzierte. Die Auswahl begründet Chan Marshall selbst wie folgt:

“When people who you love have been taken from you, there’s always a song that holds their memory in your mind.  It’s a conversation with those on the other side, and it’s really important for me to reach out to people that way.” 

Auch das dazugehörige Musikvideo ist eine Art Tribut an die Holiday’sche Variante, welche immerhin bereits amtliche 77 Jahre auf dem musikalischen Buckel hat (das Original ist gar noch älter und stammt von 1938). Um die von Nostalgie getränkte Atmosphäre vergangener Tage in den bewegten Bildern einzufangen, performt Chan Marshall in Frack und Zylinder auf einer kleinen Bühne eines dunklen Kabarett-Saals im Stil der 1940er Jahre, während nur ein kleines, scheinbar elitäres Publikum und die Mitarbeiter*innen der samtigen, zugleich zurückhaltend zärtlich und doch kraftvollen Stimme von Cat Power lauschen.

Das Cover ist übrigens der B-Part der Doppelsingle “Unhate / I’ll Be Seeing You”. In “Unhate” covert die Musikerin sogar sich selbst, indem sie ihren Song “Hate” aus dem 2006 erschienenen Album “The Greatest” in ein neues Gewand taucht. Einen besseren Soundtrack für den eigenen Winterblues mag man sich kaum vorstellen…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Cat Power – „Woman“ (feat. Lana Del Rey)


Cat-Power

Satte sechs Jahre Zeit hat sich Charlyn Marie „Chan“ Marshall alias Cat Power Zeit gelassen, um an einem neuen Album zu werkeln – die bislang längste Veröffentlichungspause in der Diskografie der auch schon 46-jährigen US-Musikerin. (Kinners, wie die Zeit vergeht…) 

131298Am 5. Oktober nun wird Cat PowerWanderer„, den Nachfolger zur bislang letzten Platte  „Sun“ und summa summarum das zehnte Studiowerk, in den Plattenregalen platzieren. Und stellt nun mit „Woman“ den ersten (kompletten) Song daraus vor – mit prominentem Gastbeitrag von niemand Geringerem als Lana Del Rey.

Der beginnt als bluesiges Indierock-Stück, über das Marshall gewohnt entspannt und cool singt. Zum Refrain hin wird es langsamer und souliger, sodass der kundige Kenner der bisherigen Werke ans großartige „The Greatest“ denken darf, und Del Reys markante Stimme kommt als passende Begleitung ins Spiel. Im dazugehörigen Musikvideo, bei dem Greg Hunt Regie führte, kommt Gastchanteuse Del Rey jedoch nicht vor, es zeigt lediglich Chan Marshall und ihre Band an verschiedenen, durchaus romantischen Locations… *hach*

 

 

„If you know people who know me
You might want them to speak
To tell you ‚bout the girl or the woman they know
More than you think you know about me
More than you think you know me
See you walkin‘ in circles (circles)
See you talkin‘ in circles (circles)
See your thoughts runnin‘ in circles
And walk around all day long, followin‘ me
The doctor said I was better than ever
Man, you should have seen me
Doctor said I was not my past
He said I was finally free

Taking the charge (taking the charge)
I took the lead (I took the lead)
I need you to believe

I’m a woman of my word, now haven’t you heard
My word’s the only thing I’ve ever needed?
I’m a woman of my word, now you have heard
My word’s the only thing I truly need
Woman…

Your money’s like a weapon, a tool to get me
You think I’m like the other ones
Well, my money’s like a weapon (weapon), tool for me
No, I’m not like those other ones
A cage is like a weapon, a tool for me
You think I’m like the other ones
Well, my cage is a weapon, it’s perfect for me
It’s the one suit they seem to not see

I’m a woman of my word, now haven’t you heard
My word’s the only thing I’ve ever needed?
I’m a woman of my word, now you have heard
My word’s the only thing I truly need
Woman…

I’m a woman, woman, woman, woman…“

 

Rock and Roll.

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„The Greatest“ – Muhammad Ali ist tot.


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Rumble in the Jungle. – Damals, im Oktober 1974, wohl der größte Boxkampf aller Zeiten (vergesst Mayweather Jr. vs. Pacquiao, wo das Boxerische nicht mit dem Großmaul-Showgehabe mithalten kann), als Muhammad Ali und George Foreman in Kinshasa, Zaire aufeinander trafen, heute ein geflügelter Ausspruch. Thrilla in Manila. – Kaum ein Jahr später, im Oktober 1975, trafen Ali und Joe Frazer in Quezon City, heute ein Teil der Region Metro Manila, Philippinen, aufeinander. Zwei Kämpfe, die in die Sportgeschichte eingingen. Zwei Kämpfe, deren windige Organisation durch den legendären Boxpromoter Don King zwar wenig von der perfekt durchorganisierten Show besaß, die heute bei Großereignissen wie diesen üblich ist, dafür umso mehr Unterhaltungswert (und mag es vor allem aus Nostalgie sein). Zwei Kämpfe, die Muhammad Ali – wenn auch knapp – für sich entschied. „The Greatest.“

Es gibt wohl nichts, das nicht bereits zu Lebzeiten über den Mann, der am 17. Januar 1942 in Louisville, Kentucky als Cassius Marcellus Clay Jr. zu Welt kam, gesagt wurde. Er gehörte zu den bedeutendsten Schwergewichtsboxern und herausragendsten Athleten des 20. Jahrhunderts und wurde 1999 vom Internationalen Olympischen Komitee zum „Sportler des Jahrhunderts“ gewählt – wer je einen seiner 61 Kämpfe (von denen er 56 gewann, wiederum 37 davon durch K.O.) gesehen hat, der wird verstehen, wieso. Er ist bis heute der Einzige, der den Titel „unumstrittener Schwergewichts-Boxweltmeister“ dreimal in seiner Karriere gewinnen konnte. Viel wichtiger jedoch: Muhammad Ali war auch als Mensch, als Persönlichkeit faszinierend. Er war ein Großmaul, wie es im Buche stand – aber eines, das den markigen Worten auch fliegende Fäuste folgen ließ. „Das ist nur ein Job. Gras wächst, Vögel fliegen, Wellen schlagen an Land. Und ich verprügle Leute.“, wie er einmal sagte. Es war eher das Wie, welches ein Stückweit die Welt – auch außerhalb des Boxrings – veränderte. Und die Zeit, in der Muhammad Ali, diese polarisierende, ganz besondere Sorte Mensch, aktiv war. Sein Kampf für die Rechte der Schwarzen in den USA, sein Bekenntnis zum Islam im Jahr 1964. Heutige Box-Großmäuler wie Floyd Mayweather Jr. mögen mehr Kohle mit ihrer Show scheffeln. Sollen sie nur. Ohne einen Muhammad Ali würde keiner von ihnen heute da sitzen – wenn man so will, kann man in ihm einen „Steve Jobs des Boxsports“ sehen. All die Berge von Dollars, als die halbnackten Frauen und aufgereihten Privatjets und Luxuskarossen seiner Protz-und-Prass-Nachfolger machen nur umso deutlicher, dass es wohl nie wieder einen Boxer wie Muhammad Ali geben wird, der in der vergangenen Nacht in einem Krankenhaus in Scottsdale, Arizona, in welches er wegen Atembeschwerden eingeliefert wurde, im Alter von 74 Jahren starb. Er war „The Greatest“, er wird es bleiben.

Passende Worte findet man im Nachruf von Spiegel.de-Redakteur Peter Ahrens.

 

 

MA days quote

 

Rock and Roll.

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Mixtape Madness: Cat Power


Cat Power

Im Grunde ist eine Frau wie Chan Marshall einfach nur zu beneiden: musikalisch durchaus nicht untalentiert, ebenso lyrisch begabt, durfte sich neben Norah Jones und Jude Law auch schon vor der Kamera beweisen (in Wong Kar-Wais Film „My Blueberry Nights“ von 2007). Trotz ihrer mittlerweile 40 Jahre sieht sie noch immer blendend aus und könnte glatt als „Twen“ an einem dieser „Bad-hair-days“, die für gewöhnlich einer durchzechten Nacht folgen, durchgehen. Der nicht eben unkritische Karl Lagerfeld ernannte Marshall sogar schon zu einer seiner „Musen“ und sie selbst gilt seit Ende der Neunziger als eine der bekanntesten und prototypischsten „Slacker„-Ikonen. Und wenn sie unter ihrem Pseudonym „Cat Power“ dann doch einmal ab und an ein Album veröffentlicht – das tat sie seit 1995 bisher neun Mal -, dann werden diese nicht zu unrecht von Fans wie Kritikern gefeiert.

catpower-smoke-square-626x626Und trotzdem war der Werdegang der Charlyn Marie Marshall einer mit glanzvollen Höhen und abgründigen Tiefen, einer, der bereits weniger zart besaitete Persönchen hat fallen sehen. Und wer in der Vergangenheit das meist zweifelhafte Vergnügen hatte, sie als Journalist zum Interview zu treffen oder als Zuschauer einem ihrer Konzerte beizuwohnen, der fragte sich schon, ob das trunkene, kettenrauchende Häufchen Elend, welches er da gerade vor sich sah, noch die selbe Person war, die man von ihren grandiosen Alben kannte. Und so sagte Chan „Cat Power“ Marshall 2006 denn auch die Termine ihrer anberaumten US-Tournee zum Album „The Greatest“ ab und begab sich aufgrund von psychischen und Alkoholproblemen in Behandlung. Böse Zungen würden behaupten, dass sie im Laufe ihrer Karriere, welche Mitte der Neunziger in ihrer Heimatstadt Atlanta startete und sie bald nach New York City führte, selbst zu einer dieser traurigen, gebrochenen Gestalten, dieser von Zorn, Verzweiflung und Unstetigkeit getriebenen Hobos, geworden war…

Und doch war und ist Cat Power doch vor allem eines: abgrundtief ehrlich. Denn ganz gleich, ob sie sich gerade auf einer Konzertbühne oder in einer dieser für Interviewmarathons angemieteten Luxushotelsuiten befindet, kehrt sie ihr Innerstes stets nach Außen, trägt ihr Herz auf der Zunge, lässt den Gegenüber ohne Hintergedanken an ihrer derzeitigen seelischen Verfassung teilhaben. Dass es ihr heutzutage besser gelingt, ihre „innere Mitte“ zu finden, als noch vor zehn Jahren, ist beruhigend. Dass es ihr nach wie vor gelingt, jedes ihrer Alben neu, aufregend und spannend zu gestalten, ist mehr als erfreulich. Und die Dame hat musikalisch eine enorme Spannbreite zu bieten: vom dunklen, rohen PJ Harvey-Sound früherer Alben (etwa „Dear Sir“ oder „Myra Lee“ von 1995 beziehungsweise 1996) über „The Covers Record“ von 2000, auf welchem sie Evergreens wie „(I Can’t Get No) Satisfaction“ (Rolling Stones) oder „I Found A Reason“ (Velvet Underground) in stillen Interpretationen ihre ganze eigene Note verlieh, die Songwriter-Großtat „You Are Free„, bei welcher ihr „Fachmänner“ wie die Musiker Dave Grohl (Foo Fighters), Eddie Vedder (Pearl Jam) und Warren Ellis (Dirty Three) oder Produzent Adam Kasper zur Seite standen, oder die selbstbewussten Memphis-Sound-Alben „The Greatest“ und „Jukebox“ – nie drohte sich Marshall zu wiederholen. Und auch auf ihrem – im letzten Jahr erschienenen – neunten Album „Sun“ fängt sie nicht damit an – den Unterbau bilden oft elektronische Klänge, dazu dürfen nach wie vor Gitarren den Ton angeben, die Texte pendeln zwischen Selbstbewusstsein, Zynismus und Alterweisheit. Die Schöne hat ihr Biest gezähmt, vorerst.

Cat Power #2

Für all jene, die bisher weniger mit den Songs der bildhübschen, charismatischen und faszinierenden Indie-Ikone in Berührung gekommen sind, hat ANEWFRIEND hier eine gut zweistündige Zusammenstellung von Cat Powers besten Stücken, welche ihr euch anhand der Tracklists selbst „nachbasteln“ könnt:

 

Disc 1Cat Power - The Greatest

1.  Dark End Of The Street (von der „Dark End Of The Street EP“, 2008)

2.  Say (von „Moon Pix“, 1998)

3.  Yesterday Is Here (von „Dear Sir“, 1995)

4.  Theme From ‚New York, New York‘ (von „Jukebox“, 2008)

5.  I’ve Been Thinking (with Handsome Boy Modeling School) (von „White People“, 2004)

6.  Ruin (von „Sun“, 2012)

7.  Stuck Inside The Mobile With The Memphis Blues Again (vom „I’m Not There“ Soundtrack, 2007)

8.  Song To Bobby (von „Jukebox“, 2008)

9.  The Greatest (von „The Greatest“, 2006)

10. Metal Heart (Jukebox version) (von „Jukebox“, 2008)

11. Ice Water (von „Myra Lee“, 1996)

12. Wonderwall (Peel Session, 2000)

13. Cross Bones Style (von „Moon Pix, 1998)

14. Names (von „You Are Free“, 2003)

15. I Found A Reason (von „The Covers Record“, 2000)

16. Fool (von „You Are Free“, 2003)

17. Wild Is The Wind (von „The Covers Record“, 2000)

18. Lived In Bars (von „The Greatest“, 2006)

 

Disc 2Cat Power #4

1.  (I Can’t Get No) Satisfaction (von „The Covers Record“, 2000)

2.  Freebird (Peel Session, 2000)

3.  Good Woman (feat. Eddie Vedder) (von „You Are Free“, 2003)

4.  Silver Stallion (von „Jukebox“, 2008)

5.  Nude As The News (von „What Would The Community Think“, 1996)

6.  Love & Communication (von „The Greatest“, 2006)

7.  Silent Machine (von „Sun“, 2012)

8.  Free (von „You Are Free“, 2003)

9.  You May Know Him (von „Moon Pix“, 1998)

10. Sea Of Love (von „The Covers Record“, 2000)

11. Amazing Grace (with Dirty Delta Blues) (von der „Dark Was The Night“ Charity Compilation, 2009)

12. Evolution (feat. Eddie Vedder) (von „You Are Free“, 2003)

13. Naked, If I Want To (Jukebox version) (von der Bonus Disc zu „Jukebox“, 2008)

14. I Believe In You (von „Jukebox“, 2008)

15. Peace And Love (von „Sun“, 2012)

16. Maybe Not (von „You Are Free“, 2003)

17. Don’t Explain (von „Jukebox“, 2008)

18. I Don’t Blame You (von „You Are Free“, 2003)

19. Cherokee (von „Sun“, 2012)

20. Dream (Bonus Track der japanischen Ausgabe von „The Greatest“, 2006)

 

 

Mehr über Chan Marshall aka. Cat Power erfahrt ihr zum Beispiel in diesem kurzen Beitrag des NDR Kulturspiegels vom August 2011:

 

Und auch Cat Powers Videos sind durchaus sehenswert. So etwa das zum Song „Cross Bones Style“ von 1998:

 

…das zu „He War“ (von 2003)…

 

…das zum selbsterfüllenden Stück „Lived In Bars“ (2006)…

 

…oder das neuste Video zum Song „Cherokee“, welches Marshall mit blondierter Kurzhaarfrisur in einem Roadmovie zeigt:

 

Und dass Chan Marshall – mittlerweile – durchaus Humor besitzt und sich und ihre Biografie selbstironisch auf die Schippe zu nehmen versteht, kann man hier – in diesem Teil der Reihe „Funny or Die“ – prüfen:

 

Rock and Roll.

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