Wer an einem geschäftigen Wochenendnachmittag durch die Fußgängerzone einer beinahe x-beliebigen Großstadt schlendert, dem werden – vor allem im Sommer – eventuell all die Straßenmusiker ins Auge fallen (oder, besser: zu Ohren kommen), die sich an fast jeder Ecke für etwas Kleingeld die Seele aus dem Leib spielen. Und natürlich klingen nicht alle von ihnen beeindruckend, sodass man dem einen Nachwuchs-Dylan oder der anderen Aushilfs-Adele gern zum Besuch einer Musikschule oder zu etwas mehr Gesangsunterricht raten würde… Und doch gehört schon eine Menge Chuzpe und Selbstbewusstsein dazu, um sein Talent in aller Öffentlichkeit zu präsentieren, während die Chancen, es doch eines Tages zu etwas mehr als einem Hut voll Kleingeld zu bringen, gerade in der heutigen Zeit mehr schlecht als recht stehen…
Aber es gibt auch Beispiele von ehemaligen „Buskern“ (der englische Begriff für jene Straßenmusikanten), die es auf die großen Bühnen geschafft haben. Man denke nur an Tracy Chapman. Oder an Damien Rice, welcher wiederum einen gewissen Ed Sheeran dazu ermutigte, selbst zur Akustischen zu greifen und sein Glück als Kleingeldprinz in den Londoner Subway-Stationen zu versuchen. Hierzulande dürften AnnenMayKantereit wohl so ziemlich jeder Person mit Studentenausweis und diesseits der Dreißig ein Begriff sein – schon gewusst, dass die vier jungen Herren vor gar nicht mal so langer Zeit in den Fußgängerzonen Kölns für Schunkelstimmung gesorgt haben?
Und gerade im Fall von AnnenMayKantereit dürften wohl die sozialen Netzwerke – also Facebook, YouTube und Co. – einen guten Teil zum sich viral rasch mehrenden Bekanntheitsgrad beigetragen haben…
Nun, wenn man so will, dann ist Natasha „Tash“ Sultana – zumindest in diesem Belang – die australische Version von Henning May und seinen drei Bandkumpanen, denn auch die 22-jährige Multiinstrumentalistin spielte sich als wortwörtliche „One-Man-Band“ über Jahre hinweg in den Straßen, Clubs und Bars im sonnigen Melbourne die Finger an ihrer Elektrischen wund, um sich eine kleine Fanbase zu erarbeiten. Also schnappte sich Sultana, der das Musikmachen einst half, eine drogenbedingte Psychose zu überwinden, eine Kamera, filmte fortan einen Teil ihrer eigenen Stücke als „Live Bedroom Recordings“ in den vier Wänden ihrer kleinen Aussie-Bude ab und stellte die in stylischem Schwarz-weiß gehaltenen DIY-Ergebnisse bei YouTube ein. Kein schlechter Schachzug, denn alsbald erhielt die selbsternannte „Loopstationistin“, deren Songs scheinbar spielend zwischen Electronic Indie, Folk, verspieltem Jazz, Reggae, toughem Rock und zartem Soul changieren, eine Anfrage einer Melbourner Managementagentur für aufstrebende lokale Musiker, die Sultana gern unter Vertrag nehmen wollte. Der Rest der Geschichte liest sich zusammenfasend ebenso rasant, wie der Newcomerin die zurückliegenden Monate im Gründe vorgekommen sein dürften: die erste EP, „Notion„, erschien im September 2016, während Sultana von ihrem neuen Management auf eine erste kleinere Welttournee mit Konzerten in ganz Australien, in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Neuseeland geschickt wurde und in der Heimat, im November 2016, den „2016 Unearthed Artist J Award“ des bekannten australischen Radiosenders Triple J gewann, der auch die beiden Singles „Jungle“ und „Notion“ in den „Triple J Hottest 100, 2016“ platzierte. Dass die Musikerin, die laut eigenen Aussagen ihre Inspiration von Musikern wie Jimi Hendrix, Erykah Badu, Bob Marley, Led Zeppelin, alt-J oder Phil Collins bezieht, ihre steig wachsende Hörerschaft in diesem Jahr mit neuen Songs an der kurzen Leine hielt (lediglich die Singles „Murder To The Mind“ und „Mystik“ gab es digital auf die Lauscher), dürfte damit zusammen hängen, dass die Dame, deren zur Improvisation neigende Herangehensweise ans Musikalische dezent an Indie-Größen wie Ani DiFranco erinnert, für eine erste – ausverkaufte – US-Tour, erneute Europa-Shows, etliche Festival-Auftritte rund um den Globus jettete, um 2017 schließlich mit einigen Stadien- und Arenenkonzerten in Australien im November und Dezember – passend betitelt als „Homecoming Tour“ – zum Abschluss zu bringen.
Fortsetzung? Folgt, definitiv…
Hier kann man sich anhand der Songs von Tash Sultanas „Live Bedroom Recordings“…
…dem Musikvideo ihrer 2017er Single „Murder To The Mind“…
…einem TED-Talk, welchen die Multiinstrumentalistin im April 2016 an der University of Melbourne hielt (und freilich auch ein paar Stücke spielte)…
…sowie einer „Tiny Desk Concert“-Live-Session (vom April 2017) vom vielfältigen Können Sultanas überzeugen:
Rock and Roll.