Schlagwort-Archive: Stuart Braithwaite

Sunday Listen: Silver Moth – „Black Bay“


Foto Promo / Peter Millson

Stuart Braithwaite ist ein vielbeschäftigter Mann. Erst letztes Jahr gab er seine Memoiren mit dem schönen Titel „Spaceships Over Glasgow: Mogwai, Mayhem and Misspent Youth“ heraus, seine Hauptband, die schottischen Post-Rock-Pioniere Mogwai, veröffentlicht in beinahe uhrwerksartiger Regelmäßigkeit kopfkino’eske Alben und Soundtracks (zuletzt 2022 zum Krimi „Black Bird“) und jetzt hat er auch noch eine neue Supergroup. Und selbst damit hat der 46-jährige Gitarrist schon Erfahrung, schließlich nahm er 2016, unter anderem mit Rachel Goswell von Slowdive und Justin Lockey von den Editors, als Minor Victories ein nicht eben übles, überzeugend zwischen Shoegazing-, Noise-Pop- und Dream-Pop-Momenten changierendes Album auf.

Dieses Mal heißt das Projekt Silver Moth, außer Braithwaite sind noch seine Frau, die Musikerin Elisabeth Elektra, und fünf weitere Musiker*innen von Bands wie Abrasive Trees oder Burning House dabei. Der Titel des dabei herausgekommenen Albums, „Black Bay„, ist auch der Name des Studios auf der Isle Of Lewis auf den Äußeren Hebriden, in dem das Kollektiv, welches 2021 auf der Kurznachrichtenplattform eines berüchtigten Milliardärs zum ersten Mal den Kontakt zueinander fand, die sechs teils recht langen Stücke in nur vier Tagen aufnahm. Der stramme Zeitplan macht sich bemerkbar: Viele Songs basieren offensichtlich auf Jams, meist bildet ein einziges Gitarrenriff den Dreh- und Angelpunkt, egal ob das Lied nun fünf oder fünfzehn Minuten lang ist.

Ton gewordene Langatmigkeit also? Keineswegs, denn in ihrem besten Momenten entfalten die Songs im Zusammenspiel von ohrenbetäubendem Post Rock im Mogwai-Stil, Elisabeth Elektras und Evi Vines verhuschtem Gesang und Talk-Talk-artigen, luftigen Folkstrukturen eine hypnotische Sogwirkung. Wenn etwa das per Field Recording auf Band gebrachte Meer in „Gaelic Psalms“ an den einsamen Strand plätschert und Streicher zu den Zeilen des schottischen Dichters Gerard Rochford bedrohlich anschwellen, glaubt man sich mit der Band auf der abgelegenen schottischen Insel wiederzufinden, während der Nebel durch jede Pore kriecht. Apropos Entrücktheit: Auch im Opener “Henry” schlägt einem eine gleichsam gewaltige wie sanfte Welle an Melancholie entgegen, die sich durch die hallige, weite Instrumentierung nahezu unendlich anfühlt. Man denke an die Indie-Folker von Daughter, wenn diese den Post Rock noch mehr als ohnehin schon für sich entdecken würden. Etwas mehr der Welt da draußen wenden sich Silver Moth in „Mother Tongue“, einem Empowerment-Song für marginalisierte Gruppen, zu. Seinen Höhepunkt in Bezug auf die Intensität erreicht das Album im 15-minütigen Giganten “Hello Doom”, der mit seinem Titel ein wenig seines Inhalts vorwegnimmt und zwischen Noise Rock, Drone und eben Doom Metal eine verstörende, apokalyptische Stimmung herbeibeschwört.

Letztlich ist es jedoch vor allem der Closer “Sedna”, der mit schwirrenden Drone-Klängen und einem für diese Platte ungewohnt geradlinigen Schlagzeug im Gedächtnis bleibt. Gerade hier scheinen die vielen guten Ideen der am Projekt Beteiligten pointiert im Songformat zusammenzufließen. Alles in allem tönt „Black Bay“ ähnlich karg wie sein Entstehungsort und macht sich herzlich wenig Gedanken darüber, ob es irgendwann einmal entdeckt wird. Vieles schwillt stetig an, raunt durch Leib und Seele und verschwindet darauf wieder in die Dunkelheit. Das klingt im besten Fall interessant und besonders, im schlimmsten rauscht es an der Grenze zur Belanglosigkeit am inneren Kopfkino wieder vorbei. Das Band-Kollektiv wird wohl mit beidem leben können.

     

 
 

Rock and Roll.

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„2018“ – Mogwai verschenken zum heutigen „Bandcamp Friday“ ein neues Live-Album


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Foto: Brian Sweeney / Promo

Zum heutigen „Bandcamp Friday„, an welchem die Online-Musikplattform seit März an jedem ersten Freitag des Monats auf seine Verkaufsgebühren verzichtet und dadurch bislang Millionen von US-Dollar direkt an die – vor allem wegen ausgefallener Tourneen –  besonders von der Corona-Pandemie betroffeneren Bands und Künstler*innen vergab, zeigen sich auch die vier Schotten-Post-Rocker von Mogwai von ihrer spendabelsten Seite und hauen mit dem recht simpel „2018“ benannten Live-Album mal eben eine zwölf Stücke starke digitale Live-Compilation als „name your price“ unters Hörervolk, welches sich nach Monaten (fast) ohne jegliche Live-Shows wohl ebenso nach schwitzigen Musik-Erlebnissen und dröhnenden Ohren sehnt wie Stuart Braithwaite, Barry Burns, Dominic Aitchison und Martin Bulloch.

Super Sache von den lauten Lads aus Glasgow – zugreifen, bitte! 🤟

 

„Next month it will have been a year since we last played a live concert. I don’t think I’ve really gotten used to life without live music, both playing it and hearing it. 

I hope that this situation doesn’t last for much longer for a lot of reasons. Everyone’s health and safety being the biggest concern obviously, but also so that gigs can finally resume. It’s a cliche but you really don’t realise how much you miss something until it isn’t there.

With that in mind, we thought it’d be a good time for us to share with you a new live album recorded on our last tour in 2018. 

We realise that many people are struggling financially during the pandemic so we have made it available on Bandcamp on a pay-what-you-can basis. 

We hope you enjoy it.“

(Stuart Braithwaite, September 2020)

 

 

Rock and Roll.

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Konzerttipp: Mogwai – Live im Gothic Theatre, Denver, 2006


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Wenn es um meine liebste Post-Rock-Band aller Zeiten geht, dann liegen Mogwai seit eh und je sanft und sicher in den Top 3. Punkt.

Und da habe ich die Bonuspunkte, die das Quartett durch seine schottische Herkunft (proudly Glasgow born and raised – aye, Sir!) oder durch seine Namensgebung (benannt nach den flauschigen Horrortierchen aus „Gremlins“ – beide Filmteile gehören seit Kindheitstagen zu meinen All-Time-Favs) inne hat, noch gar nicht mit eingerechnet. Fakt ist, dass  Stuart Braithwaite (Gitarre, sporadischer Gesang), Barry Burns (Gitarre, Piano, Synthesizer, darf ab und an auch mal ans Mikro), Dominic Aitchison (Bass) und Martin Bulloch (Schlagzeug) sowohl auf Platte als auch – gerade – live und auf Bühnenbrettern ohne viele Worte eine emotionale Wucht entfesseln, dass es einem – oder zumindest: mir – nicht selten die Gedankengänge frei die Beine weg bläst.

TRR291_MOGWAI_ECS_cover_hi-res_1500x1500px_640xNoch schöner ist, dass die Die-Hard-Celtic-Glasgow-Fans vor wenigen Tagen mit ihrem nunmehr neunten Studiowerk „Every Country’s Sun“ eine Rückkehr nach Maß gefeiert haben, nachdem mich Stuart Braithwaite und Co. mit allem, was da nach dem 2008er Werk „The Hawk Is Howling“ erschien, ein wenig verloren hatten, und auch nach über zwanzig Bandjahren beweisen, dass man vornehmlich instrumentalen Post-Rock durchaus spannend und emotional mitreißend gestalten kann.

Da Mogwai auch und vor allem eine Live-Band sind, sollten sich alle Interessierten, nebst dem ersten, 2010 erschienenen Live-Album „Special Moves“ (für das die Band im Jahr zuvor eine Show in der Music Hall of Williamsburg im New Yorker Stadtteil Brooklyn mitschnitt), auch die ein oder andere Live-Show aus der langen Karriere der Glaswegians zu Gemüte führen.

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Meine persönliche Empfehlung ist – nebst einer 2001 in Dallas, TX mitgeschnittenen Show (hier zu finden) – eine Aufnahme des Gastspiels von Mogwai im Gothic Theatre von Denver, CO vom 3. Mai 2006. Der Sound: superbe Soundboard-Qualität, die auch für ein höchst offiziell veröffentlichtes Live-Album herhalten könnte – eine professioneller aufgenommen und abgemischte Live-Show findet man sonst nirgends im Netz (und zudem noch als kostenfreier Download). Die Setlist: eine bunte Mischung aus frühen Sachen bis hin zum bis dato neusten Werk Mr. Beast„. Über 90 Minuten feinster Post-Rock. Und am Ende der 23-minütigen Schlussnummer „My Father My King“ dröhnen die Ohren. So soll’s sein.

Die 2006er Show aus Denver findet man hier (via archive.org).

All jenen, die bisher weniger mit der Diskografie sowie dem Schaffen von Mogwai vertraut sein sollten, sei außerdem die immerhin 3 CDs starke, 2015 (zum 20. Bandgeburtstag) erschienene Retrospektive „Central Belters“ ans Hörerherz gelegt.

 

 

Wer zum Ton auch gern bewegte Bilder hat, der findet hier zwei relativ aktuelle Live-Show-Mitschnitte der Rock-Schotten:

 

Rock and Roll.

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