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Maastricht rockt (wenn auch selten)! – so war das „Bruis at the Docks“…


Bruis At The Docks

Da kandidiert Maastricht doch tatsächlich gemeinsam mit den umliegenden holländischen, belgischen und deutschen Regionen (zusammengefasst unter dem Terminus „Euregio Maas-Rhein“) als Europäische Kulturhauptstadt 2018! Sowas… Denn seien wir einmal ehrlich: was hat das limburgische Städtchen, das sich da so beschaulich im Dreiländereck räkelt, denn kulturell zu bieten? Okay, die etwa eintausendjährige Stadtgeschichte, der von zwei Weltkriegen nahezu verschont gebliebene historische Stadtkern, die vielen Kirchen – all das mag für Touristen recht interessant sein. Okay, die jährlich stattfindenden André Rieu-Festspiele mögen zu ziemlich jedes Rentnerherz höher schlagen lassen, denn immerhin ist der bräsig dauergrinsende Violinist, neben dem Weltklasseschwimmer Pieter van den Hoogenband, der wohl bekannteste Sohn der Stadt. Aber was hat Maastricht denn aus rein musikalischen Gesichtspunkten derzeitig für jemanden unterhalb der Rentenschwelle zu bieten? Genauer: jemandem, der eben nicht dem ansässigen internationalen Studentenmob in die zwei, drei 08/15-Diskotheken der Stadt und Region folgen mag? Gut, da gäbe es sicherlich eine handvoll Jazz-Kneipen, die ab und an zum stilvoll abgehangenen Easy Listening einladen. Aber sonst? Meist tote Hose!

Da ist es doch umso schöner, wenn der nach gehobener gitarrenlastiger Unterhaltung dürstende Musikfreund im Rahmen des derzeitig etwa halbjährlich stattfindenden „Bruis“-Festivals die Gelegenheit bekommt, wenigstens für ein paar Stunden innerhalb Maastrichts seinem „Rausch“ zu frönen, auf mehreren Bühnen Konzert um Konzert mitzunehmen und einige neue Eindrücke zu gewinnen. Und während die letzte Festivalausgabe noch an einem Sommerwochenende draußen unter freiem Himmel stattfand, gab es nun das „Bruis at the Docks“ unterm Fabrikdach sowie im Zelt. Verteilt auf zwei Tage bekamen die Besucher der örtlichen Muziekgieterij in der Timmerfabriek 18 Musikformationen geboten, welche im stündlichen Wechsel das bewusst recht schmucklose Ambiente beschallten. Und da das „Bruis“ nun eben weder das traditions- und namenhafte „Glastonbury“ noch das „Roskilde“ ist, wurden vor allem holländische und belgische Bands eingeladen, sich in diesem Rahmen vorzustellen, und das Line-up um international bekannte Bands wie I Am Kloot, Fidlar oder The Van Jets ergänzt. Dass für mich am Ende eine Band aus dem niederländischen Utrecht das wahre Samstagshighlight war (und somit gar die von mir heiß geliebten I Am Kloot ausstach), dürfte nur für die Gesamtqualität des „Bruis at the Docks“ sprechen…

Doch von Anfang an: mit einem 40-Stunden-Job im Rücken war es mir leider nicht möglich, mit dem Freitag auch den ersten Tag des „Bruis at the Docks“ mitzunehmen. Und da I Am Kloot (ich erwähnte es bereits: seit Jahren heiß geliebt) erst am darauf folgenden Samstag auf den Bühnenbrettern stehen sollten, entschied ich mich für ein relativ entspanntes Eintagesticket. Als wir um etwa 15.30 Uhr an der lediglich einen kurzen Fußmarsch von Maastrichts Stadtzentrum entfernten Timmerfabriek ankamen, war der zweite Festivaltag bereits in vollem Gange. Das erste Konzert-Bier in der Hand, sahen wir dem aus Utrecht stammenden Quartett Mister And Mississippi beim Soundcheck zu. Klingen interessant, die drei jungen Herren und eine Dame? Klingen vielversprechend! Ein Intro mit zwei Mini-Schlagzeugen, vom Geigenbogen gespielter E-Gitarre (Jimmy Page! Sigur Rós!) sowie heftig angeschlagener Akustischer! Mehrstimmiger Harmoniegesang, der mal an die Fleet Foxes gemahnte, oft an die jungen Geschwister von Mumford & Sons, und noch häufiger an die Isländer von Of Monsters And Men! Weiblich-männlicher Wechselgesang, der mich gar an Zeiten erinnerte, als Damien Rice und Lisa Hannigan noch gemeinsam Balsam um Hörerohren strichen (und das ist – aus meiner Tastatur – als großes Kompliment zu verstehen)! Mister And Mississippi – das selbstbetitelte Debütalbum ist seit wenigen Wochen auf dem Markt, den Namen sollte man sich verdammt noch eins merken!

Dass es die darauf folgenden Formationen angesichts dieser Vorlage schwer haben würden, mich noch mehr zu beeindrucken, ist durchaus verständlich. Doch nichtsdestotrotz wurde man als Zuschauer weiterhin glänzend unterhalten. Egal, ob nun von den belgischen Sir Yes Sir, die mit einer höchst affektiert agierenden Rampensau von Frontmann und Melodien à la dEUS zu glänzen wussten, oder dem an die Fleet Foxes oder Grizzly Bear erinnernden, seit 2010 bestehendem Folker-Sextett Dan San (ebenfalls aus Belgien), welches zwar musikalisch in eine ähnlich wohlige Kerbe schlug wie Mister And Mississippi, dabei jedoch etwas weniger Eindruck hinterließ. Dass Headphone (auch aus Belgien!) große Radiohead-Fans sind, dürfte außer Frage stehen. Dass ihre Songs genau dann, wenn sie Thom Yorke & Co. mit dezenten elektronischen Einschüben klanglich nacheifern (stylistisch etwa zwischen „The Bends“ und „Hail To The Thief“), dürfte ebenso klar sein. Denn bei Versuchen, sich mit Songs der zwei bereits erschienen Alben etwa in Richtung der Lederjackenrocker vom Black Rebel Motorcycle Club zu bewegen, wurde es dann doch etwas arg beliebig. A propos beliebig: BRNS aus – ja, ratet mal! – Belgien richteten sich mit zwei kompletten Schlagzeugen, einem massiven Keyboard und einer Gitarre im Halleninneren ein, begannen eindrucksvoll druckvoll, legten funky Beats über in Höhen schwingenden Gesang über Gitarrenfiguren über Elektronikloops, ließen Schlagzeugrhythmen einander doppeln – an den besten Stellen erinnerte all das an eine Fugazi-Ausgabe der Foals, meisten rauschte all das in seiner Hektik einfach nur am Ohr vorbei. Und wurde erst im letzten Song wieder großartig, als die vierköpfige Band noch einmal alles aus sich herausholte. Mein Wunsch: BRNS sollten versuchen, die live zur Schau gestellte Wucht auch auf ihre Alben zu transportieren, denn das aktuelle „Wounded“ klingt dann doch arg enttäuschend austauschbar. A propos beliebig, Teil zwei: The Van Jets sind: gitarrenorientierte Partyunterhaltung mit extrem hohem Fremdschämfaktor, einem albernen Frontmann, einem noch alberneren Bassisten. Langweilig, ereignisarm – zumindest für mich. A propos beliebig, Teil drei: Sungrazer machen mit ihrem Psycheldelic-Stoner Rock bereits seit 2009 die heimischen Niederlande unsicher. Ihr Problem, bei aller technischer Perfektion: sie kommen damit mindestens 15 Jahre zu spät… Und, zu meinem leichten Entsetzen: beliebig, Teil vier: John Bramwell und Band hätten zwar aus I Am Kloots ausgezeichnetem Sechs-Alben-Backkatalog, und damit aus den Vollen schöpfen können, doch irgendwie spielte die aus dem englischen Manchester stammende Gruppe, trotz – zumindest nach Außen – ausgezeichneter Stimmung mit ihren Pubrock-Weltumarmungshymnen tendenziell am beständig quatschenden Publikum vorbei und erreichte nur in wenigen Momenten – wie etwa bei „Hold Back The Night“ oder der Zugabe „Proof“ – wirklich die Hörerherzen. Und, welch‘ Sakrileg: mein persönliches Lieblingsstück „From Your Favourite Sky“ stand zwar auf der Setlist, klang jedoch nur bei Soundcheck kurz an! Da wäre für und von I Am Kloot deutlich mehr drin gewesen… Leider.

Da uns nach über acht Stunden Musik nicht mehr der Sinn nach dem Skateboard-Punkrock von Fidlar stand, traten wir um kurz nach Mitternacht den Heimweg an. Fazit: „Bruis at the Docks“ war eine rundum feine Sache. Und gerade in einer nicht eben als Konzerthochburg verschrieenen Stadt wie Maastricht eine gelungene Abwechslung… Gern wieder!

 

Zum Schluss noch ein Konzerttipp, denn am 30. April legen die zu recht hochgelobten Villagers, die auf ANEWFRIEND mit ihrem zweiten Album „Awayland“ unlängst das „Album der Woche“ ablieferten, einen Tourstop in den Hallen der Maastrichter Timmerfabriek ein. Unbedingt ansehen! Ich bin definitiv dabei.

 

Hier kann man sich den Song „Running“ vom kürzlich erschienenen Mister And Mississippi-Debütalbum anhören und bei Gefallen auch kostenfrei herunterladen…

 

…oder sich einen Sessions-Mitschnitt des Stückes „Northern Sky“ zu Gemüte führen…

 

…und das Video zum I Am Kloot-Song „Hold Back The Night“, welcher ein der wenigen Highlights des leider recht mittelmäßigen Festivalauftritts war, ansehen:

 

 

Natürlich hat ANEWFRIEND auch wieder die ein oder andere optische Festivalimpression für euch parat:

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(alle Fotos: ANEWFRIEND)

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Jessie Ware


Jessie WareIm Pop ist längst nichts mehr neu, alles scheint bereits da gewesen zu sein. Jeder Gitarrenakkord folgte in der Vergangenheit schon einem anderen, Schlagzeugrhythmen ähneln sich frappierend, Pianoklänge und Gesangsharmonien evozieren Erinnerungen an irgendwann einmal gehörte Stücke. Ja, selbst Geigenbögen wurden schon zum Malträtieren von Gitarrensaiten „missbraucht“!

Da ist es nur all zu verständlich, dass eine „Retro-Welle“ die nächste jagt. Dass talentierte junge Musiker sich auf Kollegen berufen, deren Blütezeit nicht selten weit, weit vor der eigenen Geburt liegt. Klar, Künstler wie die Beatles, die Rolling Stones, die Beach Boys, Bob Dylan oder Springsteen tauchen, zumindest was den gitarrenorientierten Rock-Bereich betrifft, immer wieder in den Vita unter dem Punkt „größte Inspirationsquelle“ auf. Jessie Ware, eines der aktuell gepriesensten Talente des britischen Feuilletons, zählt eher Whitney Houston, Chaka Khan, Sade oder Annie Lennox zu ihren Vorbildern und gibt an, in ihrem tendenziell zur englischen Mittelklasse gehörenden Elternhaus – der Vater ist BBC-Reporter, die Mutter Sozialarbeiterin – bereits frühzeitig mit Dusty Springfield, Stevie Wonder oder Jazz-Standards wie George Gershwin und Cole Porter beschallt worden zu sein. Dass so etwas unweigerlich prägt, steht außer Frage. Glücklicherweise bringt die 28-Jährige ausreichend Talent mit auf den Weg, um in naher Zukunft eventuell selbst als Inspirationsquelle in den Facebook-Profilen junger Mädchen aufzutauchen…

Doch der Erfolg der aus dem Süden von London stammenden Britin ist – abgesehen von ihrem durchaus angenehmen Äußeren – auch das Ergebnis einiger fruchtbarer musikalischer Zusammenarbeiten: 2010 bekommt Ware einen Anruf von Jack Peñate, seines Zeichens ebenfalls Südlondoner und mit ihr schon seit der gemeinsamen Schulzeit befreundet (was übrigens auch für eine gewisse Florence Welch von Florence and the Machine gilt), der sie gern als Backgroundsängerin für seine anstehenden Studiosessions und Tourneen engagieren möchte. Natürlich sagt Jessie Ware, die nach der Schule erst einmal – den Eltern zuliebe? – brav englische Literatur an der Sussex Univerity studierte, um Journalistin zu werden, zu und ergattert im darauf folgenden Jahr bereits den nächsten wegweisenden Nachbarschaftskontakt: sie arbeitet mit dem Dubstep-Produzenten SBTRKT zusammen und verfeinert auf dessen 2011 erscheinendem selbstbetiteltem Debütalbum zwei Tracks mit ihrer Stimme. Von da an hatte sie wohl ausreichend Selbstvertrauen im eigenen Leib – und nützliche Kontakte im Smartphone -, um karrieretechnisch auf eigenen Beinen zu stehen…

Jessie Ware

Nach einigen Vorab-Singles erschien Wares Debütalbum „Devotion“ im August 2012 und ist, insofern man um die eben genannten biografischen Eckdaten und Einflüsse weiß, ein mehr als logisches musikalisches Amalgam. Munter und geschmackssicher bedient sie sich im Soul, R’n’B und Funk, lässt aber auch Hip Hop-Roots (der Song „110%“ etwa enthält eine Hommage an den 2000 verstorbenen Rapper Big Pun) und den für den UK-Clubsound unverzichtbaren Dubstep mit einfliessen und schafft einen gelungen tanzbaren Spagat zwischen Achtziger-Jahre-Guilty-Pleasures und Radiotauglichkeit – mit gefühlt langer Halbwertzeit und dem gesunden Selbstbewusstsein einer Diva.

Ihre kraftvolle, tatsächlich nicht selten an Sade erinnernde Stimme, ihr Talent und ihr musikalisches Gespür brachten ihr bereits Nominierungen für den prestigeträchtigen Mercury Prize sowie in zwei Brit Award-Kategorien (beste brit. Künstlerin, bester brit. Newcomer) ein, ihr Album kletterte bis auf Platz 5 der UK-Charts. Ob es Jessie Ware trotz allem gelingen wird, außerhalb der britischen Inseln erfolgreich und dauerhaft Fuss zu fassen, bleibt abzuwarten, denn auch ähnlich zu Werke gehenden jungen Künstlern wie Michael Kiwanuka oder Lianne La Havas versprach die britische (Musik)Presse eine rosige internationale Zukunft – und sie befinden sich noch immer im Wartestand. Andererseits: aus einem ehemals unscheinbaren südenglischen Entlein namens Adele ist auch eine konsensfähige „Cash Cow“ für Jedermann – und nun sogar eine Oscar-Anwärterin – geworden…
(By the way, für die eigene Innovations-To-Do-Liste: mit dem Geigenbogen scratchen lernen!)

 

Hier die Videos zu den Songs „Running“…

 

…zum sommerlich leichten „110%“…

 

…zu „Night Light“…

 

…zu „Wildest Moments“…

 

…und „Devotion“ – in dieser „Rehearsal Rooms Session“-Version mein persönlicher Favorit:

 

Rock and Roll.

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