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Flimmerstunde – Teil 29


Dear Courtney“ (2013)

DC-DVD-COVER-finalDeutschlands niederrheinische Provinz, Anfang der Neunziger. Vier lange Jahre schon ist der 17-jährige Paul (Jonas Nay) in die zwei Jahre ältere Saskia (Sina Tkotsch) verliebt, das schönste – und damit zwangsläufig begehrteste – Mädchen der Schule. Leider hat sie so gar nichts für ihn übrig, interessiert sich vielmehr für Rowdies und Möchtegernrockstars – doch Paul gibt nicht auf. Er komponiert autodidaktisch Lied um Lied für seine Angebetete, um so Saskias Herz zu erobern – und eine Musikkarriere zu beginnen. Später merkt Paul, dass einer seiner Songs geklaut wurde und unter dem Namen „Smells Like Teen Spirit“ auf einem Nirvana-Album zu hören ist! Er sieht sich gleich dreifach betrogen: um seinen gerechten Lohn, den verdienten Plattenvertrag und Saskias Liebe. Also will Paul sich beim Nirvana-Frontmann Kurt Cobain beschweren und folgt der Band, die sich 1991 auf Deutschlandtournee befindet, von Konzert zu Konzert, von Berlin über Hamburg und Frankfurt bis nach München. Gemeinsam mit Michael (Fjodor Olev), einem selbsternannten, recht enthusiastischen Musikjournalisten, der soeben ein eigenes Musikmagazin namens „VISIONS“ auf die Beine gestellt hat, will er Cobain dazu bringen, seine Rechte an „Smells Like Teen Spirit“ abzutreten – doch das ist gar nicht mal so einfach. Und als Paul schließlich der verrückten Hamburgerin Tolle (Lore Richter) begegnet, realisiert er langsam, dass es Schöneres und Wichtigeres gibt als Ruhm und Ehre…

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Dear Courtney“ ist so vieles: jugendlich-humoriges deutsches Roadmovie, ein kleines Stück alternative Musikgeschichte, augenzwinkernd-charmate Coming-of-Age-Liebeskomödie. Vor allem jedoch ist das Langfilmdebüt von Regisseur Rolf Roring, das von der ersten Idee bis zur Fertigstellung ganze zehn Jahre benötigte, ein kurzweilig-sentimentaler Rückblick darauf, wie das denn so war, in den frühen Neunzigerjahren erwachsen zu werden, als Grunge – von Nirvana über Soundgarden bis hin zu Pearl Jam – plötzlich der „heißeste Scheiß“ in Punkto Musiktrends war, MTV kaum ein anderes Musikvideo in die Heavy Rotation nahm außer „Smells Like Teen Spirit“, „Black Hole Sun“ oder „Alive“, die Jugend auf einmal zerrissene Jeans, klobige Boots oder Holzfällerhemden für sich entdeckte und man Musik noch ganz legal im Plattenladen des Vertrauens kaufen musste (oder man überspielte sie sich von Kassettentape von Kassettentape, um dem neusten Lieblingslied im Walkman auf dem Schulweg zu lauschen). Einer der großen Sympathiepunkte des Films, der an manchen Stellen an ganz ähnliche deutsche Produktionen wie „Dorfpunks“ oder Hendrik Handloegtens sentimentales „Liegen lernen“ erinnert, ist wohl am Ende dem (fehlenden) Budget geschuldet, denn ausgerechnet „Smells Like Teen Spirit“ – das Lied, um welches sich die kompletten 90 Minuten mehr oder minder drehen – bekommt der Zuschauer nicht ein einziges Mal zu hören. Dafür haben bekannte Gesichter wie Klaas Heufer-Umlauf, Joko Winterscheidt (ja, genau die Pro Sieben-Chefkomiker vom Dienst!) oder der echte „VISIONS“-Gründer Michael Lohrmann recht charmante Gastauftritte. Und wenn am Ende tatsächlich Kurt Cobain (freilich nicht der echte, denn der singt längst mit den Engeln) in Paul rostigem VW sitzt, dann… naja, seht selbst.

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Rock and Roll.

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