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Song des Tages: Bartees Strange – „Heavy Heart“


Die große Frage, die sich mit dem zweiten Album von Bartees Strange, der im sogenannten richtigen Leben zwar tatsächlich Bartees mit Vornamen, jedoch nicht Strange mit Nachnamen heißt, die große Frage also, die sich im Zuge der unlängst erschienenen neuen Platte stellt, lautet: Wird das nun was mit dem großen Durchbruch? Das Zeug dazu hat der 33-jährige US-Musiker allemal. Seine Songs sind so volatil wie abwechslungsreich, pendeln zwischen fiebrigen Clubnummern und akustischen Halbballaden. Und diese Vielseitigkeit hat durchaus Gründe: Als Sohn einer Opernsängerin und eines Armeeangehörigen wurden Bartees die Musik und das Unterwegssein quasi in die Wiege gelegt. Geboren in England, lebte er einige Jahre in Deutschland oder Grönland und ist seit seinem 12. Geburtstag in Oklahoma zu Hause. Dort wurde er mit Midwest Emo und Hardcore sozialisiert, hörte Bands wie At The Drive-In oder American Football und spielte zwei Jahre lang in der Post-Hardcore-Band Stay Inside. Als er den Kontakt mit früheren Freunden aus England suchte, machten diese ihn zudem mit der britischen Alternative-Musikszene bekannt und Bartees verliebte sich in Bands wie Mount Kimbie oder King Krule. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass sich auch „Farm To Table„, der hier zur Diskussion stehende Nachfolger des 2020 erschienenen Debüts „Live Forever„, weder festlegen kann noch will. Ein Album wie eine bunte Tüte Süßigkeiten im übervollen Freibad: Es gibt die vollmundigen Kalorienbomben, die sauren Center Shocks und zwischendrin die vielleicht für die bunten Tüten dann doch nicht sehr typischen bitteren Pillen. Im Großen und Ganzen sollte also bei diesem recht einzigartigen Mix aus Indie Rock, R’n’B, Emo, introvertiertem Folk, Dreampop und etwas Autotune für nahezu jede(n) etwas dabei sein. Ob man dieser Album gewordenen Melange nun das Label des trap-rockigen Emo-Indie, oder Indie Rock mit Emo-Trap überzieht, ist am Ende völlig schnurzpiepegal.

Da ist zu Beginn der kurzweiligen Platte gleich das Funken sprühende Melancholie-Feuerwerk „Heavy Heart„. Mit welcher nonchalanten Fahrlässigkeit Strange den vermutlich größten Song seiner bisherigen Karriere ganz an den Albumanfang stellt, ist schon ebenso bemerkenswert wie respektabel, schließlich geht selbiger direkt ans Eingemachte: Zu einer Bloc-Party-Gedächtnismelodie schmachtet Strange über die vielfältigen Gründe, deretwegen man ein schwermütig pochendes Herz haben könnte. Im Verlauf entwickelt sich die Nummer jedoch nicht zur drögen Herzschmerzballade, sondern wagt sich mit kraftvollem Rhythmus, jazzigen Bläserbreaks und massig Ohrwurm-Potential aus der wohlig-weichen Komfortzone. Nur um im nächsten Song, „Mulholland Dr.„, den gleichen Hütchenspielertrick noch einmal zu versuchen: Sehnsuchtsvoll klingende Gitarren, mit denen sich Strange die Schwermut von der Seele spielen möchte, stehen hier im Fokus, die Arrangements klingen kristallklar und nach tiefblauem Nachthimmel. Dass er aber auch einen ganz anderen Sound im Tank hat, zeigt er mit der minimalischen Alternative-HipHop-Nummer „Cosigns„, die recht lässig und unter Zuhilfenahme von Autotune-Effekten sowie dunkel schimmernden Beats mit dem angestammten Sounddesign bricht und einen derben Keil in den Fluss des Albums schlägt, während textlich ein namedroppender Knicks vor Künstlerinnen wie Phoebe Bridgers, Lucy Dacus oder Courtney Barnett (mit denen Bartees Strange auch jeweils bereits auf Tournee war) gemacht wird. Muss man mit klarkommen, kann man auch.

Es lässt sich schwerlich überhören, dass Bartees Leon Cox Jr. auf „Farm To Table“ eine ganze Bandbreiter seiner Facetten zeigt – und das ist natürlich Segen und, wenn man so will, „Fluch“ zugleich, denn eine kohärente Albumerzählung stellt sich so während der knapp 35 Minuten mitnichten ein. Die Platte wirkt eher wie ein Mixtape, ein Neo-Crossover-Portfolio, das als recht kühne Verschmelzung von R’n’B und Zu-groß-für-den-Club-zu-klein-fürs-Stadion-Indie die Möglichkeiten des Künstlers aufzeigen soll. „Wretched“ zum Beispiel befolgt ohne jede Ironie die aktuelle Popformel und reißt mit seinem stampfenden Elektro-Beat die Hütte ab. Hier liefert der US-Amerikaner eine astreine Club-Nummer, die selbst nach, sagen wir mal, einem Macklemore-Track nicht sonderlich aus der Reihe fallen würde. Das für George Floyds Tochter gesungene „Hold The Line“ hingegen gefällt sich in der Rolle als atmosphärischer Soul-Song, der das Tempo in ähnlicher Manier rausnimmt wie die Stripped-Down-Akustiknummer „Tours„, in welcher der Musiker feststellt, dass sich sein Leben und das seines Soldatenvaters gar nicht mal so sehr unterscheiden, oder das abschließende soulige „Hennessy„, in dem er zu Nylon-Gitarre, leisem Drumming und verschleppten Klavierakkorden das Zusammengehörigkeitsgefühl der afroamerikanischen Community beschwört – Politisches und Persönliches wird hier sowieso in nahezu jedem Moment miteinander vermengt. Da wünscht man sich schon, dass Bartees Strange, der vor zwei Jahren mit einer EP voller Coverversionen seiner erklärten Lieblingsband The National für ein erstes Ausrufezeichen sorgte, den R’n’B-Lowrider irgendwo in einem Vorort von Los Angeles stehen ließe und sich mehr auf die Indie-Rock-meets-Folk-Schiene konzentrieren würde. Und auch wenn er sich nun für eine der diversen Richtungen entscheiden würde, bekäme man wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein deutlich kohärenteres Gesamtwerk, das in der jeweiligen Sparte den Durchbruch für ihn als Musiker bedeuten könnte. Denn mit „Farm To Table“, diesem als Album getarnten Tanz-zwischen-den-Stilen-Mixtape, stellt er unter Beweis, was er nahezu alles beherrscht – einem Ohr für Hooks und Angstfreiheit vor den Charts inklusive. Doch möglicherweise würde man letzten Endes dann genau das vermissen, was man jetzt noch „Durcheinander“ nennt… Schon strange, dieser Bartees.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Veronica Swift – „Sing“


Bereits im zarten Alter von neun Jahren nahm die in ein musikalisches Elternhaus hineingeborene Sängerin Veronica Swift das Album „Veronica’s House Of Jazz“ auf. Es folgten im Laufe der Jahre ein paar weitere vielversprechende Platten (zuletzt 2019 „Confessions„), später trat sie zudem mit Weichspülern wie dem Jazz-Trompeter Chris Botti oder Traditionalisten wie dem Pianisten Benny Green auf. Wer hört, wie sie gemeinsam mit Wynton Marsalis ein minutenlanges Live-Scat-Solo über „Cherokee“ hinlegt, für den scheint die Sache klar: Die 1994 geborene New Yorker Sängerin gehört zu jener Kategorie von Wunderkindern, die zwar technisch virtuos, aber sonst eher unoriginell tönen. You may call it „Hintergrundberieselung“…

Nun, von diesem möglicherweise etwas vorschnell gefällten Vorurteil kann man sich spätestens mit ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Album „This Bitter Earth“ getrost verabschieden. Sicher: Auch dort singt Swift gewohnt intonationssicher und solistisch versiert einiges an Standard- und Mainstreamware, wie etwa George Gershwins „The Man I Love“ oder ein schmissig-flottes „Youʼre The Dangerous Type”, bei dem sich eine ganze Heerschar anderer Vokalistinnen wohl die Zunge verknoten würde. 

Doch nicht nur wie sie singt, sondern vor allem was sie singt, überzeugt. Denn die 27-jährige US-Jazz- und Bebop-Musikerin zeigt bei der Stückauswahl großes Geschick und löst ein, was das von Dinah Washington entliehene Titelstück verspricht: Hier stellt sich jemand sehr erwachsen und frei von großen Illusionen den Widrigkeiten der Gegenwart, erstellt einen dreizehnteiligen Liederzyklus, der sich mit Sexismus, häuslicher Gewalt, Umweltproblemen, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder den Gefahren von Fake News befasst und somit Merkmale von wegweisenden Klassikern wie Marvin Gayes „What’s Going On“, Kate Bushs „Hounds Of Love“ oder Mary J. Bliges „My Life“ aufnimmt. Und auch wenn bei den zum Großteil bereits 2019 – und somit bevor die Coronavirus-Pandemie die Welt fast völlig zum Stillstand brachte – aufgenommenen Songs gelegentlich Streicher watteweiche Teppiche auslegen und die musikalische Begleitung von einem blitzsauber swingenden Piano-Trio unter der Leitung Emmet Cohens kommt, so fehlt von dem unschuldig-nostalgischen Eskapismus der Vorgänger-Jazzgesangsgeneration um Jane Monheit und anderen doch jede Spur.

„Ich habe seit Jahren darauf gewartet, dieses Album zu machen und wollte, dass es zwei verschiedene Ansätze hat. Ich habe mit der Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft begonnen und wie sie sich verändert. In der zweiten Hälfte wollte ich andere Missstände in der Welt ansprechen, sei es Rassismus oder Fake News. Aber ich beziehe keine politische Position. Ich bin mir mit meinem Publikum sehr darüber im Klaren, dass ich als Künstler bestimmte Themen als Außenstehender anspreche, der hineinschaut.“ (Veronica Swift)

Ganz im Gegenteil: Mit an Zynismus grenzender Schärfe interpretiert Swift mithilfe von energischen Scat-Vocals etwa die Rodgers- und Hammerstein-Nummer „Youʼve Got To Be Carefully Taught“ aus dem Jahr 1949 und dem Musical „South Pacific“, die davon handelt, dass man Kinder früh zu Angst und Hass erziehen sollte, damit sie brav die rassistischen oder religiösen Vorurteile ihres Umfeldes übernehmen. Ganz sanft und naiv wiederum intoniert sie zu akustischer Gitarre den durch die Vokalgruppe The Crystals bekannt gewordenen Carole King-Song „He Hit Me (And It Felt Like A Kiss)“, welcher unverblümt von häuslicher Gewalt handelt. Nur von Armand Hirsch auf der akustischen Gitarre begleitet, setzt Swift mit ihrem Gesang einen Kontrast zu dem bombastisch instrumentierten Original und entlarvt den im Titel angedeuteten Sexismus mit sanften Tönen Auch toll: das gleichermaßen großartige wie unbekannte „The Sports Page“ von 1971 aus der Feder des Jazz-Pianisten und Journalisten Dave Frishberg, welches sich nun wie ein genialer Kommentar zur Donald Trump’schen Fake-News-Pest, vielsagend-hohlem Verschwörungsgeschwurbel und der US-Wahl 2020 anhört. Andere Stücke stammen aus Musicals wie „Bye Bye Birdie“ (1960), „The King And I“ (1951) oder „The Jungle Book“ (1967) – alle möglicherweise durchaus betagt im Alter, jedoch dennoch auch im 21. Jahrhundert mit deutlichem Zeitgeist-Wert. Wenn Swift nach allerlei hervorragendem Changieren zwischen Jazz, R&B, Rock und einer Prise Blues den krönenden Abschluss „Sing“ (im Original vom US-Punkrock-Cabaret-Duo The Dresden Dolls) mitsamt angejazzrockter E-Gitarre als fragilen Aufruf zur Versöhnung mit dem eigentlich Unversöhnlichen intoniert, wird klar: Die USA haben neben Cécile McLorin Salvant nun eine weitere kraftvolle Jazz-Stimme mit einem brillanten Gespür für Subtexte. Ein superbes Konzeptalbum, zu gleichen Teilen beeindruckend, brillant, virtuos, sentimental, verführerisch, voller Emotionen und schlussendlich hochgradig überzeugend. You may not call it „Hintergrundberieselung“.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Luwten – „Standstill“


Ein bisschen ironisch mutet es schon an, dass Luwten ihr im April erschienenes zweites Album ausgerechnet „Draft“ genannt hat, schließlich bedeutet der Künstlername der im niederländischen Amsterdam beheimateten Musikerin Tessa Douwstra wörtlich „Ort ohne Wind“. 

Dennoch ergibt der Titel Sinn, denn es ging Luwten, die ihr selbstbetiteltes 2017er Debütwerk beinahe buchstäblich in einem solchen stillen Vacuum – ganz allein mit sich selbst und ihren Gedanken – aufnahm, darum, ein bisschen mehr Luft, ein bisschen mehr Input von draußen zuzulassen. „Wie viel Alleinsein kommt daher, dass es hilft?“, fragte sich die Künstlerin. „Wieviel kommt daher, dass man Angst hat? Hilft Alleinsein dabei, authentisch zu sein? Oder ist Authentizität etwas, nach dem man auch mit anderen suchen könnte oder gar sollte? Mir ist aufgefallen, dass ich viel über Denken versus Fühlen und Alleinsein versus Zusammensein schreibe. Ich liebe die Idee von Musik als Selbsterfahrung. Für die Macherin wie für die Zuhörer*innen.“ Zudem erforscht Douwstra die Ideen von Handlungsfähigkeit, Kontrolle und Freiheit, die im verwirrenden, von Pandemien und Restriktionen bestimmten Klima der letzten zwei Jahre zunehmend an Bedeutung gewinnen. 

Soundmäßig hat sich Tessa „Luwten“ Douwstra für die elf neuen Songs Inspiration aus sehr verschiedenen Richtungen geholt. So beruft sie sich musikalisch für ihre Pop-Entwürfe auf Komponisten wie Steve Reich und Künstler wie Ólafur Eliasson, während sie sich für ihren Gesang wiederum von Neosoul-Künstler*innen wie Solange, D’Angelo oder Frank Ocean beeinflussen ließ.

„Abstrakt Pop“ nennt die Niederländerin ihren aus dieser Melange heraus entstandenen, recht eigenen Stilmix. Das überrascht ein wenig, denn insbesondere auf der emotionalen Ebene – die ja ein nicht unwesentlicher Bestandteil jedes ernstgemeinten Musikprojektes sein sollte – wird Douwstra im Grunde sehr konkret. Auch sind die zwar sparsamen Arrangements ihrer halborganisch organisierten Stücke keineswegs so artifiziell, wie es das Attribut „abstrakt“ vermuten ließe. Popmusik gibt es tatsächlich auch – aber nicht als abstraktes Konzept, sondern stets eingebettet in eine erzählerisch ausgerichtete Songstruktur, die Luwten zwischen den Zeilen und Tönen als Songwriterin im Pop-Pelz im Stile einer Leslie Feist entlarvt. Und: jener Pop-Aspekt manifestiert sich vor allem durch ihre ungebundene stilistische Offenheit. Seien es Art Pop, Krautrock, alternativer R’n’B, Folk Pop oder New Wave – nie geht es um den eigentlich zitierten Stil, und schon gar nicht um die im heimischen Studio kunstvoll verwobenen Bestandteile aus Live-Instrumenten, Samples, programmierten Beats, getweakten Field-Recordings oder elektronischen Elementen, sondern immer um den Song und die Gedanken, die Tessa Douwstra hier – meist durch innere Dialogen und dezidiert lakonisch – präsentiert. „Luwten“ mag zwar der niederländische Begriff sein, der einen windstillen Ort bezeichnet und für die selbstgewählte Isolation steht, die sich die Musikerin in kreativer Hinsicht auferlegt hat. „Draft“ ist nun jedoch jene Art von frischem Luftzug, den sie zulässt, um sich allmählich der Welt gegenüber zu öffnen und Einflüsse von außen zuzulassen. Kurzum: Austarierte kommerzielle Popmusik tönt heutzutage deutlich seelenloser und abstrakter daher als das, was Luwten selbst als „abstrakt“ bezeichnet, denn hier gerät vieles vor allem verdammt einnehmend.

Noch toller als die Studio-Versionen geraten im Falle von Luwten die Live Sessions, in welchen sie und ihre Band die Songs in deutlich seelenvollerem organischem Gewand präsentieren:

Rock and Roll.

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Song des Tages: Bahamas – „No Depression“


Im Song „No Depression“ nähert sich Afie Jurvanen aka Bahamas dem derben Stimmungskiller Schwermut mit entspanntem Soul- und Gospel-basiertem R’n’B. Was die leicht anzuhörende Akustiknummer vom vierten, 2018 erschienenen Album „Earthtones“ vermeintlich an Tiefgang vermissen lässt (Hey, ist halt immer noch Popmusik!), das macht das dazugehörige Musikvideo von Regisseur Ali J Eisner in seiner durch und durch sehenswerten Umsetzung wett…

Selbiges spielt am Ufer eines Sees im Norden Ontarios, der Heimat des kanadischen Musikers mit finnischen Vorfahren. Doch Afie Jurvanen selbst ist zunächst gar nicht zu sehen und wird von einer Puppe dargestellt. Jene Puppenpersönlichkeit darf seiner statt mit der Natur um ihn herum interagieren: auf einem Steg sitzen und aufs Wasser hinaus starren, Holz im Wald hacken oder Vögel beobachten. Heile Welt also? Denkste. Angesichts des Titels und des Themas des Songs, welcher sowohl melancholische Momentaufnahme als auch Mutmacher ist, fällt es nicht schwer, sich Jurvanens Puppe als Metapher für Afie selbst vorzustellen, der sich fühlt, als sei er nur ein Platzhalter in seinem eigenen Leben und keine echte Person – jedes Mal, wenn seine Depressionen einmal mehr unvermittelt zuschlagen.

Schön auch, dass das preisgekrönte Musikvideo (in Kanada gab’s 2019 hierfür verdientermaßen den Juno Award fürs „Video of the Year„) trotz des nicht eben leichtfüßigen Themas und Textes dennoch versöhnlich endet, da Puppen-Jurvanen langsam beginnt, die kleinen Freuden im Leben wiederzuentdecken – wohl nicht zuletzt dank jenes Puppen-Eichhörnchens, das da im Wald neben seiner Hütte lebt. Und: In der Schlussszene bekommt man den 40-jährigen Indie-Folk-Musiker endlich in natura zu sehen, als er und sein Puppen-Ich in passenden Trainingsanzügen Seite an Seite sitzen, während sie gemeinsam Hot Dogs über einem offenen Feuer rösten…

(via Vimeo schauen…)

„I feel it through my shoes
They used to call that the blues
Now they call it depression

Everywhere I go
Yes, I get to feel so low
If I got depression

My wife don’t want no part of me
And yes, that fact is hard on me
That’s true
I give the doctor a description
And he just writes a prescription
Or two

Peace and quiet were here before
But they both walked out the door
And left me with depression

I hardly leave my room
Most days I sleep ‚till noon
If I got depression

Most folks think I’m fine
But the truth is I’m suprised
I’ve got depression

To all those girls I’ve loved before
I’m sorry I love this one more
That’s true
If she would just stay with me
Her presence can only lift me
And get me through

I start to come around
And stop putting myself down
That’s called progression“

Rock and Roll.

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Song des Tages: KennyHoopla – „how will i rest in peace if i’m buried by a highway?//“


Ja sicher, alle ach so trendbewussten Radio-Hörer, die in ihren Träumen gern mal gegen den Mainstream-Strom schwimmen mögen, feiern jeden neuen Track von Billie Eilish und Co. ab, als gäbe es kein Morgen im Pop (und obwohl die Musikszene sich in einer Zeit fast ohne Live-Konzerte in einer recht schwierigen Situation befindet, ist das natürlich Quatsch). Dabei gibt es doch noch weitaus interessantere Acts zu entdecken – KennyHoopla zum Beispiel.

Kenny….who? Genau. Auch bei mir lief der Newcomer bislang unter dem Radar.

Heißt das was? In diesem Fall wohl kaum, denn fresher, aufregender als die Songs, die der 23-Jährige, der als Kenneth La’ron in Cleveland, Ohio aufwuchs, zustande bringt, dürfte es 2020 kaum werden. Wenig verwunderlich also, dass es ihn, wie so viele seiner Musikerkollegen, mittlerweile ins wuselige Los Angeles verschlagen hat, wo er Typen wie blink-182-Schlagzeuger Travis Barker zu seinen neuen Best Buddies zählt.

Und die Musik? Nun, auch die wandelt sich bei KennyHoopla nahezu ständig. War die 2016er Debüt-EP „Beneath The Willow Tree“ noch ein Amalgam aus hypnotisch-tightem Trap und düsterem HipHop, machten sich schon bei der im vergangenen Jahr veröffentlichten Single „lost cause//“ ganz andere Sounds breit: etwas, das Kenneth „Kenny“ La’ron selbst als „new wave nostalgia“ beschreibt, und Inspirationen von The Drums über Passion Pit bis hin zu American Pleasure Club (formerly known as Teen Suicide) zitiert. Ins kreative Mischwerk darf längst alles, was ihm irgendwie grad unter die Griffel kommt – mal scheint etwas von der emotionalen Strahlkraft des Indierocks der Achtziger und Neunziger durch, mal sensibel-verpennter Bedroom-Anti-Pop, mal Alternative-R’n’B.

Wen wundert’s – das ist bei „how will i rest in peace if i’m buried by a highway?//“ keineswegs anders. Der Titelsong seiner im Februar erschienenen zweiten EP ist dabei weitaus mehr als ein Tropfen auf den musikalischen heißen Stein oder ein schnell vorübergehendes philosophische Statement über den Begriff der „ewigen Ruhe“ im Kontext einer kapitalistischen Gesellschaft, die sich bis zu ihrem eigenen Untergang mehr und mehr selbst (aus)dehnt und (ver)biegt. Der Song ist eine kathartische Explosion aus Klang, Inspiration und Juvenilität.

Im allerersten Moment mag „how will i rest in peace if i’m buried by a highway?//“ noch an die Gitarren- und Synthesizer-getriebene Euphorie der New Wave der frühen Achtziger erinnern, an den tiefen Schmerz und die raue Schönheit von Bands wie Joy Division. Doch sobald KennyHooplas fast schon von Seelenpein getriebener Gesang in den Mittelpunkt rückt, muss man wohl beinahe unweigerlich an den dance-punkigen Nullerjahre-Indie Rock der frühen Bloc Party zu Zeiten von deren famosem, hubbelig-innovativem Debüt „Silent Alarm“ denken.

Dabei sind die sechs Stücke der EP weit davon entfernt, liebevolle BritRock-Plagiate eines musikalischen Jung-Nostalgikers zu sein. Vielmehr fängt KennyHoopla, der in einem Interview mit dem NME zugab, „gar nicht richtig Gitarre spielen“ zu können (andererseits ebenjenen Song zustande brachte, nachdem er zum ersten Mal ein Sechs-Saiten-Instrument in der Hand hatte), all die Freude und Hoffnungslosigkeit seiner Vorgänger ein und bastelt aus den einzelnen Teilen ein ebenso interessant wie innovativ tönendes Gesamtpaket – die Inspirationen mögen an mancher Stelle offensichtlich scheinen, die Ausführung jedoch gerät umso hörenswerter. So könnte KennyHoopla tatsächlich der „nächste heiße Scheiß“ für alle jene sein, denen Billie Elish und Co. längst nur ein müdes Gähnen entlocken…

Rock and Roll.

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Monday Listen: A Girl Named Mo – „Live at Bats (Platonic\Romantic)“


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Jedes Land hat wohl mindestens diese eine Band, von der jede neue Single, jedes neue Album von den Einheimischen mit Spannung und Vorfreude (und nicht selten der ein oder anderen Diskussion im Nachhinein) aufgenommen wird und nahezu jede Show ausverkauft ist. Das Fandom erstreckt sich denn auch über Generationen, da die Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln zu den Auftritten kommen. In Deutschland wären wohl Rammstein – Kontroversen hin oder her – diese Band (oder bringen sich mit ihren Erfolgen zumindest für diesen Titel in Stellung). In Kanada etwa The Tragically Hip. In Australien würden sich The Jezabels oder Cold Chisel diese Krone(n) aufsetzen. Und im vergleichsweise beschaulichen Neuseeland gehört, wie man liest, der Titel Fly My Pretties.

Ein Teil des Erfolgs des 2004 im neuseeländischen Wellington gegründeten Kollektivs besteht wohl darin, dass es sich wirklich um eine recht lose, beständig wechselnden Gemeinschaft von etwa 50 Künstlern handelt. Jeder und jede von ihnen bringt seinen eigenen, einzigartigen Ansatz in das Projekt ein, aber erst zusammen setzen sie eine Idee in fertige Songs irgendwo im Spannungsfeld zwischen Folk Rock, Roots Rock oder R’n’B um.

Ein Teil von Fly My Pretties ist Moana Ete. Die vielseitige Künstlerin, welche ebenfalls aus Wellington stammt, ist als Absolventin der renommierten Toi Whakaari Drama School nicht nur Schauspielerin, Autorin und Regisseurin, sondern wandelt unter dem Alias A Girl Named Mo auch (quasi) solo auf musikalischen Pfaden.

„Beim Schauspielen kann man sich immer hinter einer Figur verstecken, während Singen bedeutet, aufzustehen und zu sagen: ‚Das ist alles an mir. Das ist, wer ich bin. Es ist sehr persönlich“, sagt sie. „Ich werde nur dann wirklich nervös, wenn ich auf die Bühne gehe, um zu singen… all das macht mich viel verletzlicher.“

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Wohl auch deshalb hat sich Moana Ete, die ihre Liebe zur Musik recht früh im Kirchenchor fand, während Künstler wie Boyz II Men, Mary J Blige, TLC oder Missy Elliot ihren Geschmack prägten, denn doch musikalische Kompagnons gesucht: Slade Butler und Marcus Gurtner unterstreichen bei A Girl Named Mo als taktgebende Rhythmusgruppe und mit allerhand gefühlvoller Elektronica die erstaunlichen Gesangstalente ihrer Frontfrau. Zusammen kombiniert das Trio Elemente der Electronica mit dem ausgeprägten R’n’B-Trimbre von Moanas Stimme. Die ersten Ergebnisse des kreativen Trios sind etwa die Neo-Soul-Debütsingle „Who They Say You Are“ sowie das bei sechs ausverkauften Vorstellungen im Wellingtoner Bats Theatre aufgenommene Album „Live at Bats (Platonic\Romantic)“.

A Girl Named Mo sehen darin ein sich stetig weiterentwickelndes Werk, das nicht nur die ihre gemeinsame Idee von elektronischem R’n’B präsentiert, sondern auch die Live-Skizzen, die ihr irgendwann in der (nahen) Zukunft erscheinendes Debütalbum ausmachen werden.

In zwölf Song-Teilen untersucht „Platonic\Romantic“ zwischenmenschliche Beziehungen durch musikalisches Geschichtenerzählen. Unter der Führung von Moana Ete haben sich A Girl Named Mo seit 2016 einen Namen in der Musikszene von Wellington gemacht, und diese Momentaufnahme ist Zeugnis eines Projektes, das vor neuen, kreativen Ansätzen nur so überbordet. Elektronische Beats, Vocal-Samples und hämmernde Bässe verbinden sich mit dem zweifellos großen Talent von Ete zu einer ebenso abwechslungsreichen wie klugen Sammlung von Songs.

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Moana Ete hat Folgendes über „Live at Bats (Platonic\Romantic)“ zu sagen:

„Es ist ein elektronisches Live-Album, das ein wenig einem Oxymoron gleichkommt. Ich erinnerte mich daran, dass ich mir während der Aufnahmen Erykah Badus Live-Album anhörte. Ich liebe ihre Beziehung zum Publikum über alle Maßen. Sie geht ganz entspannt mit ihm um, und auch ich höre ich ihr zu und hänge an jedem ihrer Worte. Ich liebe dieses Album, und auch ich wollte ebenso entspannt mit meinem Publikum umgehen, so wie sie es tat.

In Liebesliedern geht es fast immer um romantische Liebe. Es geht um Herzschmerz, Betrug und ums Heiraten, und es ist nur dann echte Liebe, wenn es ums Körperliche, ums große Ganze geht. Und darum geht’s mir einfach nicht immer. Einige der erfüllendsten und wichtigsten Liebesgeschichten sind für mich solche, die nichts davon enthalten, sondern einfach nur reine, platonische Liebe. Ich schätze, die wirkliche Idee ist, was wäre, wenn das Platonische und Romantische einfach eine Einheit wären.“

 

 

Via Bandcamp gibt’s „Live at Bats (Platonic\Romantic)“ im Stream (oder eben als wahlweise kostenlosen Download)…

 

…und hier bewegte Bilder zum Song „Platonic“:

 

Rock and Roll.

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