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Song des Tages: Frank Turner – „The Gathering“


„The first time that the beat drops in the bar, it’s going to be biblical!“ – Schon ab der ersten Zeile formuliert Frank Turner in „The Gathering“ jene Gedanken, die sich viele Konzertgänger*innen wohl auch schon mal gemacht haben dürften, die seit über einem Jahr jenen Moment herbeisehnen, wenn sie endlich wieder mit ihrer Clique zusammen in Bar, Club oder Arena zu Livemusik feiern können. Diesem Gefühl leiht Turner auch im Verlauf des Songs immer weiter das Wort, „I’ve been missing the feeling when we close the gaps between us“, singt er im Refrain über die Intimität, die zwischen Musiker*innen und Publikum entstehen kann. Später ruft er noch einmal das Gefühl von Isolation und Pflichterfüllung der vergangenen zwölf Monate wach, um dann nur umso stärker zu betonen, wie wundervoll dieser Moment werde, wenn alle wieder zusammenkommen – und lässt den Song in einer dramatischen Beschwörung des Szenegefühls von Fans und und Musiker*innen mit Groupshouts gipfeln.

Die Botschaft des von Rich Costey produzierten neuen Songs unterstreichen im Lyric-Video nicht nur schwitzige Live-Szenen aus Turners Archiv, sondern auch knackiger, treibender Singer/Songwriter-Punk, in den Turner mit seinem aufgekratzten Gesang einmal mehr jede Menge Herzblut legt. Sein Kollege Jason Isbell verleiht dem ganzen gegen Ende dann noch etwas Extra-Punch mit einem hochoktanigen Gitarrensolo, während Muse-Schlagzeuger Dominic Howard an seiner musikalischen Wirkungsstätte ordentlich reinhaut.

„Es geht um den Moment, wenn du in einem Raum mit lauter Menschen zusammenkommst, dich an jemand Fremdes anlehnst, laut den Refrain mitsingst und den Text durcheinanderbringst“, so Turner über den neuen Song, der für ihn auch einen sehr persönlichen Bezug hat: „Das größte Ding an dieser Lockdown-Erfahrung war für mich die Identitätsfrage. Ich der Typ, der auf Tour geht, der war ich, seit ich 16 Jahre alt war. Ich habe nicht mehr so oft Nacht für Nacht im selben Bett geschlafen, seit ich sieben war.“

Das vergangene Pandemie-Jahr hatte sich der britische Musiker mit zwei Split-Releases vertrieben: „West Coast Vs. Wessex“ mit NOFX und kürzlich „Buddies II: Still Buddies“ mit Jon Snodgrass. Außerdem spielte er zu seinem Geburtstag im Dezember ein Livestream-Konzert. Nun wird es wohl im Laufe diesen Jahres ein neues Album (sein neuntes) geben, wie Frank Turner vor ein paar Tagen in einem kurzen Live-Stream-Video wissen ließ. Besser noch: auf dem Nachfolger zum im Spätsommer 2019 erschienenen „No Man’s Land„, auf dem er fast ausschließlich Songs über bedeutende Frauen der Weltgeschichte gesungen hatte, werden wohl noch weitere hochkarätige Gäste am Start sein, wie zum Beispiel Nine Inch Nails-Drummer Ilan Rubin. Bis dahin lässt „The Gathering“ als punkige Hymne alle von jenem hoffentlich bald bevorstehenden Moment träumen, an dem endlich wieder Menschenmengen auf Konzerten dicht an dicht miteinander feiern und schwitzen (dürfen)… 

„The first time that the beat drops in the bar, it’s gonna be biblical
The second that the sing-along starts, it’ll be sensational
So sound the alarms and the sirens, the bells in the churches
Bring your parents and your kids into the street, throw open the hatches

I’ve been missing the feeling when we close up the gaps between us
It’s better than the best, benediction, more bracing than blood-lust
‚Cause we’ve been waiting and wandering, practicing and praying
Saving and slavering, gathering ourselves for the gathering

We’ve been huddled in our houses for however many days like survivors
And we’ve been dutifully paying our dues and paying heed to our advisors
Yeah, but we’re pent-up and we’re pissed off and we’re perilously close to the precipice
We’re butterflies in ballet shoes and Brothel Creepers coming out of our chrysalis
It comes down to this:

I’m missing the feeling when we close up the gaps between us
It’s better than the best, benediction, more bracing than blood-lust
‚Cause we’ve been waiting and wandering, practicing and praying
Saving and slavering, gathering ourselves for the gathering

All together now

This is our mantra: we gather together
We look out for each other, because we’ve got strength in our numbers
This is our mantra: we gather together
We look out for each other, ‚cause we’ve got strength in our numbers
And I’ll be the preacher and this is the scripture:
Once more with feeling, this is a gathering

This is a gathering
Gather together
Gather together
Gather together
This is a gathering
Gather together
Gather together
Gather together
This is a gathering“

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Song des Tages: Biffy Clyro – „Cop Syrup“


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Klar, es wäre wohl nur allzu leicht, Biffy Clyro nach dem überaus mediokren, vor vier Jahren erschienenen „Ellipsis“ abzuschreiben und das schottische Alternative-Rock-Trio namentlich dem Kommerz preiszugeben. Aber: Mit „A Celebration Of Endings“ darf selbst ein Großteil der voreiligen Kritiker getrost wieder umdenken und die bereits feinsäuberlich formulierten spitzen Worte gen Papierkorb befördern…

0190295273361Was wohl bereits beim allerersten Durchlauf des neuen, mittlerweile neunten Albums, dessen Veröffentlichung aufgrund von Corona und Co. von Mai auf August verschoben wurde, auffällt, ist die Tatsache, dass sich die Band mittlerweile etwas vom Korsett ihrer Drei-Album-Zyklen gelöst hat. Da wäre zunächst das Frühwerk um „Blackened Sky„, „The Vertigo Of Bliss“ und „Infinity Land„: Die aus dem beschaulichen Kilmarnock stammenden Schotten bespielten damals, kurz nach der Jahrtausendwende, noch deutlich kleinere Bühnen und die Outfits, welche vor allem zu Zeiten von „Infinity Land“ glatt aus der psychiatrischen Klinik hätten stammen können, waren noch so präsent wie die nackten, stylisch tätowierten Oberkörper, die später – vor allem bei Frontmann Simon Neil – dominierten. Obendrein gerieten die Singles ihrer Platten zu magisch-bombastischen, nicht selten math-rockigen Aushängeschildern einer infektiösen Alternative-Rock-Band, die zu dritt lauter und knackiger klang als ihre meist doppelt so umfangreiche Konkurrenz. Das änderte sich so langsam aber sicher mit dem weitaus weiter, weitaus opulenter gedachten Dreierwurf aus „Puzzle„, „Only Revolutions“ und „Opposites“ (letzteres sogar als Doppel-Album), dessen Hymnen wie „Folding Stars„, „Mountains“ oder „Black Chandelier“ den drei Biffy-Buddies eine immer größere Fanschar bescherten. Der hinterrücks zupackende Wahnsinn wich poppigeren, nicht selten zahmeren – und manchmal auch durchschaubareren – Strukturen, die den headbangenden Rocksong ebenso beherrschten wie die Feuerzeug-meets-Handyleuchten-Balladen. Die Singles zielten vor allem auf Allgemeinverträglichkeit ab, während die Experimente in die Zwischentöne und B-Seiten verschwanden. Vor vier Jahren sollte das doch sehr ziellose jüngste Werk „Ellipsis“ (lässt man einmal den im vergangenen Jahr erschienenen Quasi-Soundtrack „Balance, Not Symmetry“ außen vor) den Auftakt eines neuen Zyklus (noch) größerer Pop-Entwürfe darstellen. Doch diesen Weg beschreitet „A Celebration Of Endings“ nun entgegen der ursprünglichen Pläne – zum Glück! – nicht weiter.

Und: Wer aufmerksam auf Simon Neils Texte achtet, der wird schnell bemerken, woran das liegen mag. Recht offensichtlich, dass abseits der Bühne so einiges im Argen lag im Leben des sympathischen Trios, so wütend sind die Lyrics an mancher Stelle geraten. Die Enden, die hier zelebriert werden, gehören ganz klar zu langjährigen, wichtigen Beziehungen. So schwebt der Brexit noch über dem Gemüt der Schotten, die wissen: Angst ist ein verdammt schlechter Ratgeber. So traf die drei Biffys der Tod von Frightened Rabbit-Frontmann Scott Hutchison vor zwei Jahren ebenso hart wie den Rest der schottischen Musikszene, und schlägt sich nun ebenso auf die Grundstimmung des neuen Langspielers nieder. Oder man höre die opulente Akustik-Ballade „Opaque„, in der Simon Neil und die Johnston-Zwillinge Ben und James mit ihrem ehemaligen Manager abrechnen: „Take the fucking money and run!“. Auch „End Of“ basiert auf einer langjährigen Freundschaft, die wohl keineswegs im Guten endete – nur diesmal nicht balladesk vertont, sondern als recht old-schooliger Biffy Clyro-Song, der mit einem völlig unvermittelten Piano-Break und einer abschließenden Ansammlung randalierender Riffs daher kommt. Obendrein darf James Johnston mit seinem Bass zu Beginn im Mittelpunkt stehen, bevor die Nummer richtig Fahrt aufnimmt. Wie so oft bei „Mon the Biff“ besitzt all das einen ordentlichen Drive, dazu punktet das Stück mit einem Refrain, der sich sehr schnell im Ohr festsetzt.

„Dieses Album hat den Blick nach vorn gerichtet, sowohl aus persönlicher als auch gesellschaftlicher Perspektive. Der Titel handelt davon, die Schönheit an Veränderungen zu sehen anstatt das Traurige. Veränderung bedeutet Wachstum und Entwicklung. Du kannst alles bewahren, was du zuvor geliebt hast, aber lass‘ uns einiges von dem negativen Scheiß loswerden. Es geht um den Versuch, die Kontrolle zurückzuerlangen.“ (Simon Neil)

Bereits diese zwei Songs zeigen das breite Spektrum, das Biffy Clyro auf „A Celebration Of Endings“ auffahren, wobei die extremen Pole dieses Mal vor allem auf der zarteren Seite abgedeckt sind, denn insgesamt ist das neue, von Rich Costey produzierte Werk nämlich nicht nur sehr abwechslungsreich, sondern vor allem – vor allem unter Betrachtung der letzten Albums sowie der Tatsache, dass die Band sich vor zwei Jahren auch ihr eigenes „MTV Unplugged“ gönnte – erstaunlich hart ausgefallen. Natürlich gibt es mit „Space“ noch eine – bei allem Kitsch – gelungene, von enormen Streicher-Arrangements unterlegte Ballade, die zudem einen zu sehr Herzen gehenden Text hat, und mit dem EDM-geschwängerten „Instant History“ ein Breitwand-Pop-Epos, das als erste Single einige zurecht verwunderte Fans bereits vor dem Kopf gestoßen haben dürfte. Im Albumkontext funktioniert die Nummer, ebenso wie „The Champ„, das zwar mit den Eighties-infizierten Pop-Hits von Muse flirten mag, jedoch neben dem kleinen Drama nicht mit Melodie und packender Bridge geizt, aber hervorragend.

So weit, so gelungen. Dennoch setzt dem Gesamtwerk ausgerechnet der Abschluss „Cop Syrup“ die Krone auf, der auf über sechs Minuten gleich mehrfach zu überraschen weiß. Hier kumuliert alles, was Biffy Clyro über die vergangenen beiden Jahrzehnte stark gemacht hat: rhythmisch perkussive Prog-Haken, Impulsivität, Energie und Streicher, die schier endlos ihre Tonhöhe verändern. Hier treffen die aggressivsten Momente der Bandgeschichte auf einen recht abrupt einsetzenden Mittelteil, der den Hörer mit einem feinen, harmonisch-verträumten Streicherpart in Sicherheit wähnt, bevor die Biffys für Momente erneut loslegen und Simon Neil mit einem abschließenden „Fuck everybody! Woo!“ allen Weltschmerz fahren lässt. Dazu werden mehrstimmig vorgetragene Melodien, ein wie ein Berserker schreiender Frontmann und Akustikgitarren serviert. Klingt etwas irre? Ist es auch, funktioniert jedoch großartig. Und auf einmal passen sogar die Outfits aus der Klapse wieder wie angegossen…

Ja, der groß angelegte Pomp, der ums Eck gedachte Pop, die mächtigen Powerchords – das alles gehört zu Schottlands fraglos sympathischster Stadionrockband. Nein, Biffy Clyro klingen nicht wie anno 2004 (und werden das wohl auch in Zukunft nicht mehr tun), wenngleich manch ein Stück – wie eben „Cop Syrup“ – durchaus Elemente des Sounds von einst, zu Zeiten von „Infinity Land“, in sich trägt. Pures Erfolgsstreben kann man den Schotten aber selbst mit böswilligster Absicht kaum unterstellen. Wer während der Shutdown-Wochen mitbekommen hat, wie hingabevoll Simon Neil beinahe jede Woche mit Gitarre vor der Kamera in seinem Haus saß und für die pandemisch Vereinsamten via Social Media einen Wunsch-Song nach dem anderen klampfte, lauschte einem Musiker – und keiner bloßen Rockstar-Hülle. An der mitunter hitzigen Diskussion, ob Biffy Clyro nach einem Vierteljahrhundert Bandhistorie nur noch Füller fürs Zwischendrin liefern oder noch immer die Erfüllung fürs Ohr sind, wird „A Celebration Of Endings“ zwar eher wenig ändern, kann jedoch so einige amtliche Argumente auf der positiven Seite verbuchen.

 

 

„I’ve been punching rainbows since ’79
It’s self preservation

Baby, I’m scorched earth
You’re hearts and minds
Fuck everybody! Woo!

I’m not dumb, and I’m not blind
You don’t have to be cruel to be kind

Scream, everybody
Scream, everybody
Scream, everybody

I’ve been saved from the darkest place
I’ve embraced the need to live

You’ve been hanging out for twenty years
It’s self preservation
I cannot ignore my burning ears
Could anybody? Woo!

I’m not dumb, and I’m not blind
Turns out you’re the lying kind

Scream, everybody
Scream, everybody
Scream, everybody
Go, go, go!

I’ve been saved from the darkest place
I’ve embraced the need to live
We’ve lived before and we’ll live again

I’ve been punching rainbows since ’79
It’s self preservation
Baby, I’m scorched earth
You’re hearts and minds
Fuck everybody! Woo!“

 

Rock and Roll.

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