
(Oscar Wilde, 1854-1900, irischer Schriftsteller)
Rock and Roll.
(gefunden bei Facebook)
(Douglas Noël Adams, 1952-2001, britischer Schriftsteller, der vor allem mit der satirischen Science-Fiction-Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ bekannt wurde)
Rock and Roll.
Eines steht fest: Levi Robin ist ein Suchender – und das definitiv nicht nur in musikalischem Sinne. Dem Nachspüren neuer Klänge ist der in einem jüdischen Haushalt im kalifornischen Huntington Beach aufgewachsene Singer/Songwriter jedoch bereits früh verfallen, wie der heute 28-Jährige vor knapp zwei Jahren in einem Interview erzählte. Im Alter von 13 Jahren bekam er seine erste Gitarre geschenkt, auf der der talentierte Autodidakt sich schnell den ein oder anderen Akkord beibrachte, eine Band gründete und mit dieser erste Bühnengehversuche in kleinen Clubs rund um Hollywood und Venice Beach wagte. Wohl zum Ausgleich zur oberflächlich schönen (Schein)Fassade der „Traumfabrik“ begann Yaakov Levi Robin außerdem, immer tiefer in die verschiedensten Strömungen des Judentums einzutauchen, entdeckte den Chassidismus und die Chabad-Philosophie für sich, studierte viele Schriftwerke und beschloss nach dem Tod seines Vaters, regelmäßig die Synagoge zu besuchen und an der Jeschiwa, einer jüdischen Hochschule, zu studieren.
Die religiöse Frömmigkeit hielt Robin jedoch keineswegs davon ab, weiterhin musikalisch kreativ zu sein. So erschien 2013 seine selbstbetitelte Debüt-EP, auf die recht schnell auch ein gewisser Matisyahu stieß. Der vor allem in den USA sowie in der jüdischen Popkultur enorm erfolgreiche Reggae-Beatbox-Musiker lud Robin nicht nur als Opening Act zu sich auf die größeren Bühnen ein, sondern auch ins heimische New York City, wo der Newcomer dank „Matis“ schnell weitere Kontakte knüpfen konnte.
Und auch seinen Musikstil weiter formte. Denn wo die sechs Songs seiner Debüt-EP noch mit seiner Akustischen und mal ein paar Streichern, mal einem Tambourine vornehmlich spartanisch ums Americana-Folker-Eck lugten, klingen nun auf dem vor wenigen Tagen erschienenen Debütalbum „Where Night Meets Day
“ deutlich vielfältigere, deutlich ausladendere Klangwelten an. Im Zentrum der zwölf Stücke steht freilich Robins mal an andere meist stille Folk-Troubadoure wie Scott Matthew, Ray Lamontagne, Keaton Henson oder Sam „Iron & Wine“ Beam gemahnende, mal ähnlich markdurchdringend wie weiland Jeff Buckley vor Emphase nur so zitternde Stimme, sodass man sich diese ganz Ton gewordenen spirituellen Zwiegespräche mit höheren Mächten nur allzu gut bei einem andächtigen Konzert in einem Gotteshaus vorstellen kann.
Dass sich alles viel weltferner lesen mag als es schlussendlich klingt, beweisen etwa die Single-Auskopplung „No Other“ sowie das dazugehörige animierte Musikvideo. Für selbiges zeichnen sich die Künstlerin Abbey Luck sowie Produzent Brian Savelson verantwortlich, die in ihren Bildern die Reise eines alten, von der Zeit gezeichneten Mannes schildern, der, ähnlich wie Levi Robin, auf der Suche nach einem Sinn, nach Antworten ist. Während dieser Reise wird der Greis von einer Oase der Eitelkeiten und des Genusses angelockt, entscheidet sich jedoch stattdessen dafür, einen tieferen Sinn in seinem Leben zu finden.
Wie bereits erwähnt ziehen die Stücke von Robins erstem Album ihre Inspirationen vor allem aus seinem jüdischen Glauben und seiner Erziehung, was es als Ganzes wohl noch fragiler, noch einzigartiger strahlen lässt. „Ein Großteil des Albums ist von meiner Faszination und meiner Hingabe zu den kabbalistischen Lehren der Thora beeinflusst, auch wenn es vielleicht nicht so rübergebracht wird, wie es der Hörer erwartet oder dass er es gleich erkennt. Zum einen ist fast alles in Parabeln geschrieben. Außerdem könnte man erwarten, dass Spiritualität mit einer Art losgelöster Erleuchtung, himmlischer Zufriedenheit und grenzenlosem Idealismus einhergeht, und das wäre wahr, wenn die Seele sich gerade in einer himmlischen Welt befände, aber in Wahrheit sind wir Seelen, die in einer materiellen Welt gefangen und dort Herausforderungen und Unoffensichtlichkeiten, Prüfungen und Drangsalen ausgesetzt sind.“
Ganz gleich, auf welcher Seite des Tages – am juvenilen Anfang, am weidwunden Ende – oder spirituellen Ufers man selbst gerade stehen mag, ganz gleich, welche Musik man sonst mögen mag – Levi Robin möchte, dass der Hörer sich mit seiner Musik auf eine Weise identifiziert, in der es sich beinahe anfühlt, als würde sie, die Musik, tief aus dem eigenen Innersten kommen. „Es gibt mehr als nur den Sound, den ich versuche, zu vermitteln“, sagt er. „Diese Schwingungen tragen eine Botschaft nur für dich mit sich. Wenn du diese Lieder hörst, dann hoffe ich, dass du sie nicht als die meinigen hörst. Ich hoffe, du hörst sie als deine eigenen.“
Und ganz gleich, wie sehr man sich seine irgendwo zwischen das Experiment wagendem Singer/Songwritertum, spirituellem Folk und feingliedriger Americana tönenden Songs wirklich einverleibt – Levi Robin hat auf „Where Night Meets Day“ Musik geschaffen, die mal somnambul stillstehen mag, mal im hellsten Sonnenlicht zu erstrahlen scheint. Und einen bestenfalls ein stückweit auf dem Weg der eigenen Suche begleitet. Wasauchimmer man am Ende suchen mag…
Rock and Roll.
Ja sicher, man kann natürlich auch seine Vorurteile pflegen und bis in alle Ewigkeit glauben wollen, dass religiöse Musik ohne Wenn und Aber nach „Kumbaya, My Lord“-Gospel klingt, der tagein, tagaus von zugeknöpften weltfremden Anzugträgern in Gotteshäusern und Einkaufspassagen geschmettert wird. Wer aber ein bisschen über den kleinkarierten Tellerrand schaut, stieß bereits vor einigen Jahren etwa auf P.O.D., eine Nu Metal-Band aus San Diego, Kalifornien, die mit Songs wie „Alive“ oder „Youth Of The Nation“ nicht nur den ein oder anderen rockenden Radio-Hit ablieferte, sondern eben auch „vom „Wort des Lebens“, vom „höchsten Herrn“ oder auch „der Stadt Zion“ sang, während die vier Köpfe dahinter ausschauten wie jene krachmachenden Street-Gang-Rüpel, vor denen christlich-frömmelige Eltern ihren Nachwuchs in der Regel gern beschützen woll(t)en. In der Tat merkt jeder, der mal einen Blick über den „großen Teich“ wirft: Ganz besonders vielfältig ist religiöse Musik in den US of A, in denen eine Pop-Sängerin wie etwa Lauren Daigle aktuell ein Massenpublikum zieht, der große Country-„Man In Black“ Johnny Cash zum Ende seiner Tage auch musikalisch sehr nah zu Gott fand und selbst der allerorts seit eh und je viel gepriesene Sufjan Stevens bereits sakrale Ehrfürchtigkeit Einzug in seine Werke halten ließ. Uns Europäern, die wir mit dem eigenen Glauben doch per se etwas hinterm privaten Berg halten, mag all dies befremdlich erscheinen, „da drüben“ ist’s mal völlig normal, mal – so zischen’s zumindest böse Schlangenzungen – lediglich ein gern genommener Ansatz für klingelnde Kassen…
Auch John Van Deusen verblüffte wohl nicht wenige seiner Fans, als der ehemalige Sänger der Indie Rock-Band The Lonely Forest 2017 mit „(I Am) Origami Pt. 2 – Every Power Wide Awake“ (sowie dem EP-Nachtrag „D-Sides„) ein nahezu meditatives Album herausbrachte, das mit 14 überwiegend religiösen Song-Motiven aufwartete und mit seiner pastoralen Atmosphäre eine nahezu komplette Abkehr von dem von Van Deusen bisher – der Vorgänger „(I Am) Origami Pt. 1 – The Universal Sigh“ erschien nur wenige Monate zuvor – gekanntem Liedgut darstellte, die sich mal in feinsten Weezer-Powerpop, mal in tränenreiche Singer/Songwriter-Wollpullover-Melancholie hüllten und in denen es vornehmlich um gescheiterte Beziehungen und die immer für einen Song gute Ich-Findung ging.
Die Reaktionen auf Zeilen wie „I will praise your name, Jahwe“ waren demnach vielleicht nicht durchweg enthusiastisch, aber die Zustimmungen zu so viel Mut, Offenheit und Wagnis überwogen klar. Und auch Van Deusen selbst steht zu seinen Songs. Warum? Das erklärte der Indie-Musiker in einem Interview: „In einer Zeit, in der Religion derart politisiert wird, darf man diese Themen nicht nur nationalistischen Republikanern überlassen.“
Im Juli 2019 ist mit dem konsequent „(I Am) Origami Pt. 3 – A Catacomb Hymn
“ betitelten Werk sein drittes Solo-Album erschienen, auf dem der Musiker aus Anacortes, Washington erneut einen stilistischen Haken schlug: hin (oder eben zurück) zu melancholischem Power-Pop mit schimmerndem Retro-Sound-Anstrich. Der schwelgerische Gitarrensound kommt, da ist einschlägigen Ankündigungen zuzustimmen, „eingängig und bisweilen sogar leicht“ daher – und das, obwohl sich die Songs um durchaus düster-heikle Themen wie Angst, Verzweiflung und Depression drehen. „It’s okay to not be okay“ ist Van Deusens „irgendwie ja auch aufbauendes Motto“.
Der „Eingängigkeit ein paar Schrullen unterzujubeln“ – diesen Ansatz verfolgt John Van Deusen, der vom ‚Seattle Weekly‘ – wohl nicht ohne Grund – einst zum „best male vocalist“ in Seattle gekürt wurde und nebenbei noch Bass bei der Hardcore-Band Buffet spielt, nach wie vor hier und da. Denn auch wenn „Steal From Myself (It’s All About Me)“ völlig schamlos The Lemmonheads mit R.E.M. kreuzt, „Let Me Let You Use My Power“ daran erinnert, wie gut es sich anfühlte, kurz nach der Jahrtausendwende von einer Band wie The Fire Theft überrumpelt zu werden, sind die Novitäten im Deusen-Duktus mit so großzügigem Händchen verteilt, dass ihm der Spagat zwischen Referenz und Eigenständigkeit, diese Klang-Rekonstruktion musikalischer Jugendlieben mühelos gelingt. Dafür sorgen auch immer wieder eingestreute Überrumplungsattacken, etwa der verhuschte Hippie-Prog von „Fly Away“ oder das angezogene Tempo des dezent an Hüsker Dü erinnernden Garagenrockers „You Don’t Know What You’re Asking“. „If All Is Nothing/Nothing Must End“ entzückt mit schönen Folkpassagen und Chorgesängen, denen dann von einem wahren Schlagzeug-Feuerwerk der Garaus gemacht wird. Neunziger-Power-Pop, Emo oder Indie-Rock? Die Grenzen verschwimmen bei nahezu jedem Song, und doch landet der Musiker trotz häufig düsterem Text und gelegentlicher Aufschreie dann meistens bei einer alles und jeden umarmenden Melodie. Mit der abschießenden sphärisch-psychodelischen Klaviernummer „Numb“ schließlich lässt Van Deusen es, wie von einer Raumstation aus Richtung Erde gesungen, leise austrudeln. Stille. Durchatmen. Und nochmal von vorn.
Besonders schön geraten: „The Bitter End“, im Original von „(I Am) Origami Pt. 1 – The Universal Sigh„, in der reduziert-fragilen „LaMosiqa.com Oneshotsession“…
Ebenso fein für den Einstieg in den Soundkosmos des Indie-Musikers: John Van Deusens KEXP-Live Session von 2017, bei dem er außerdem eine tolle Version des Non-Album-Tracks „Marathon Daze“ sowie (s)eine Variante des John Denver-Klassikers „Leaving On A Jet Plane“ zum Besten gab…
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(Martin Luther King Jr., 1929-1968, US-amerikanischer Baptistenpastor und Bürgerrechtler)
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