Ein als frommer Wunsch gemünzter Slogan wie dieser würde sich auch prima als Wandtapete in den heimischen vier Wänden machen, oder? Dahinter versteckt sich jedoch auch ein Netzwerk von landesweit tätigen Organisationen, lokalen Bündnissen und Persönlichkeiten des Landes Brandenburg, die gemeinsam für eine zivilgesellschaftliche Mobilisierung gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eintreten. Und solange es politische Anti-Alternativen (die sich ausgerechnet in sanftmütiges Blau, das ja sonst eher für Besonnenheit, Objektivität, Neutralität und Klarheit steht, hüllen), hasserfüllt-populistische Hetzer und ewig gestrige Rassistenarschgeigen gibt, sind Organisationen wie diese in ihrem manches Mal gefühlten Windmühlenkampf gegen die Unwissenheit und Dummheit da draußen zwar nicht zu beneiden, jedoch einiges an Gold wert. ✊
Es sind nur etwa zehn Minuten Spielzeit – mehr jedoch brauchen Riz Ahmed und sein Team (zu dem unter anderem auch Regisseur Aneil Karia zählt) auch nicht, um dem Publikum einen mittelschweren Schock zu versetzen. Beim wie in jedem Jahr sehr gut kuratierten Berliner Kurzfilmfestival „British Shorts“ war es vor allem sein Film „The Long Goodbye„, der wohl noch lange nachhallte. Ahmed, der 2010 durch den Film „Four Lions“ bekannt wurde und zuletzt im Oscar-nominierten (und übrigens unbedingt sehenswerten!) Drama „Sound of Metal“ die Hauptrolle übernahm, ist Brite mit pakistanischen Wurzeln und erzählt hier eine im Grunde grimmige Dystopie, die jedoch erschreckend jetztzeitig wirkt. Man sieht dabei zunächst eine harmonische, lebhafte pakistanisch-britische Familie an einem ganz normalen Nachmittag. Bis plötzlich lautes Brüllen ertönt. Und jemand ruft: „They’re rounding people up! It’s happening!“.
Was dann kommt, ist eine schonungslose Darstellung von ausgelebtem und ungezügeltem Rassismus. Eine nationalistische, britische Skinhead-Gang stürmt das Haus, verfrachtet Frauen und Kinder in einen Lieferwagen und lässt die Männer auf der Straße knien, wo sie am Ende liquidiert werden. Die Nachbarn? Gaffen nur starr – und bleiben stillschweigend in ihren Häusern. Die Polizei? Steht untätig daneben und plaudert derweil entspannt mit den nur teilweise vermummten Rassisten. Am Ende teilt Riz Ahmed seine Gedanken in einer Art gerapptem Monolog, der um die Frage kreist: „Where are you really from?“. Darin gibt es grimmige, starke Zeilen wie diese: „My people built the west, we even gave the skinheads swastikas“…
Natürlich zeigt der elfminütige Kurzfilm hier eine Dystopie – die allerdings weder allzu fern, noch – leider – allzu undenkbar erscheint (wie es die meisten Dystopien eben so an sich haben). Weil sie zum einen all den Schicksalen ähnelt, an die auch wir in Deutschland durch die zahlreichen Stolpersteine und die nahezu täglich durch die Nachrichten geisternden Fälle von Rassismus erinnert werden. Und weil sie zum anderen die oft rassistische Polemik der britischen Tabloids und auch die der britischen Regierung weiterdenkt. Traurigerweise berichten Menschen mit Migrationshintergrund häufig davon, dass die rassistischen Übergriffe in Post-Brexit-England häufiger geworden sind in den letzten Jahren, während auch außerhalb der britischen Inseln der Hass auf alles Fremde und Unbekannte – und das nicht nur anhand von Wahlergebnissen – kaum weniger wird. All das mögen lediglich Symptome für weitaus tiefergreifende Probleme sein, aber sie sollten uns allen zu denken geben…
Begleitend zum Kurzfilm erschien im vergangenen Jahr Ahmeds ebenfalls „The Long Goodbye“ betiteltes Album, das ähnliche Themen aufgreift.
Heute jährt sich der rassistische Anschlag von Hanau zum ersten Mal. Am 19. Februar 2020 erschießt ein Rechtsterrorist neun junge Menschen – nur, weil sie keine deutschen Wurzeln hatten: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Namen, hinter denen Menschen und ihre Leben, ihre Lieben und Familien, die von einer Minute zur nächsten aus ihrem Alltag gerissen wurden, standen. Mehr zu ihnen erfährt man hinter diesem Spotify-Beitrag.
Ebenfalls empfehlenswert ist dieser 47-minütige Film in der ARD-Mediathek, in welchem Überlebende und Angehörige berichten, wie sie die Tatnacht und die Monate danach erlebt haben und wie sie sich gegen die Logik des Täters wehren, der sie zu Fremden in ihrer eigenen Heimat machen wollte. Seit jener Februarnacht kämpfen sie um das Andenken der Opfer und um die Aufklärung des Geschehenen.
Ähnlich nachdenklich sollten einen jene Worte stimmen, die Komiker, Kabarettist und Fernsehmoderator Abdelkarim Zemhoute aus gegebenem Anlass via Facebook schrieb:
Keinen Millimeter radikalen Idioten. Keinen Millimeter dem Hass. Für mehr Mitmenschlichkeit. Wehret den Anfängen! In Gedenken an die Opfer. #SayTheirNames
Die Hooligans gegen Satzbau (#HoGeSatzbau) sind eigentlich als Netz-Aktivist(innen) bekannt, die sich seit einigen Jahren in den sozialen Medien gegen rechte und andere (Cov)Idioten einsetzen – man denke etwa an ihren humorig-augenzwinkernden Brief an Reichsschwurbler Attila Hit… ähm Hildmann. Jetzt macht die Anti-Nazi-Satire-Bande, deren oberstes Motto seit eh und je „Stets politisch, nie parteiisch.“ ist, auch Musik – und bekommt dabei nicht von ungefähr eine ganze Menge prominente Unterstützung.
Der vordergründige Zweck wird schnell klar: Anlässlich eines vollkommen irren Jahres 2020, das so ziemlich jede(n) von uns bereits in irgendeiner Weise bis an den Rand der Verzweiflung und Angst gebracht haben dürfte, möchten die „Hools“ den Menschen wieder etwas Mut zusprechen. Und haben sich dazu einiges an bemerkenswerter Unterstützung an Bord geholt.
In dem von Olli Bockmist (Band ohne Anspruch) produzierten „Power-Pop-Rock-Song“ der „Hools“ geben sich so einige aus Deutschrock- und Deutschpunk-Gefilden bekannte Künstler die musikalische Klinke in die Hand. Mit dabei sind: Jan Plewka (Selig), Vito C. (J.B.O.), Tiger Lilly Marleen (Bonsai Kitten), Max Buskohl, Band ohne Anspruch, Julia Gámez Martín (Suchtpotenzial), Eugen Balanskat (Die Skeptiker), Kai Lüftner, Bluthund, Banda Internationale und die älteste Newcomerband Deutschlands – Elfmorgen.
Zusätzlichen Support erhält der stilistisch recht breit aufgestellte Gute-Laune-Mutmache-Vierminüter im dazugehörigem Musikvideo unter anderem durch über 120 Fans der „Hools“: Farin Urlaub und Bela B. von Die Ärzte (Aus Berlin! Auuuus Berlin!), Klaas Heufer-Umlauf, Ole Plogstedt, Radikale Töchter, Uli Sailor (Tusq, Terrorgruppe), Stephan Anpalagan, Tom Laschyk (Volksverpetzer), Giulia Silberberger (Goldener Aluhut), Ali Can, u.v.a.
„Wir freuen uns wahnsinnig darüber, dass wir so viele tolle Leute, prominent oder unbekannt, für unsere Idee begeistern konnten, die uns dabei helfen, zu kaschieren, dass wir selbst gar nicht singen können“, feixen sich die „Hools“ ins Fäustchen. Am Ende – und da ist’s plötzlich recht egal, ob einem das entstandene Stück wirklich zu 100 Prozent zusagt – geht es nämlich um eine wirklich gute Sache: Der komplette Gewinn des Songs kommt „EXIT-Deutschland„, einem Aussteigerprogramm für Neonazis, zugute.
Veröffentlicht wurde das Stück über das Label Bockmist Räcordz und ist auf allen gängigen Musikportalen sowie exklusiv über die HoGeSatzbau (www.hogesatzbau.de/keineangst) und den Labelshop zu beziehen.
ANEWFRIEND war am gestrigen Abend mit der besten Freundin im Kino und hat euch einen Filmtipp mitgebracht…
Kriegerin (2011)
La tristesse durera. Keine Hoffnung, nirgends…
Eine Landjugend in der ostdeutschen Provinz: Arbeit ist rar, die Abneigung gegen die Asylbewerber im Ort, zusätzlich unterfüttert von lokalen rechtspopulistischen Politikern auf Dummfang, dementsprechend hoch. Marisa (Alina Levshin) ist Anfang Zwanzig, trägt ihre Gesinnung mit Tätowierungen wie „Skingirl“, „14 Words“ (ein dem US-Faschisten David Eden Lane zugeschriebener Glaubenssatz, welcher verklausuliert ausdrücken soll, dass die sogenannte „arische Rasse“ allen anderen Rassen überlegen ist) oder dem Hakenkreuz über der Brust offen zur Schau, „Nazibraut“ steht auf ihrem Shirt, ihre blonden, langen, strähnigen Haare sind teils geschoren. Zusammen mit ihrer Skinhead-Gang läuft sie breiten Schrittes und mit grimmiger Miene durch die S-Bahn, pöbelt Fahrgäste an, zeigt den Hitlergruss, schließlich schlagen sie einen asiatischen Jugendlichen zusammen. Bald darauf wird ihr Freund Sandro (Gerdy Zint) von einer Polizeieinheit im Haus von Marisas Mutter festgenommen. Nun wartet sie auf dessen Freilassung, fristet ihr tristes Dasein als Kassiererin in dem kleinen Dorf-Supermarkt, säuft, fährt durch die Gegend, hängt mit ihrer Clique am Baggersee herum, steht ständig unter Strom. Gelöst sieht man Marisa nur, wenn sie den kranken Großvater, welcher sie zwar schon früh zu Härte, Stärke und Vorsicht „vor den Juden“ erzogen hat, zu dem sie aber als einzigen Menschen eine liebevolle Beziehung hat, im Krankenhaus besucht. Am emotionalen Wendepunkt des Films drängt sie, aus Wut und im Affekt, zwei afghanische Jugendliche, welche mit dem Moped unterwegs sind, mit ihrem Auto von der Straße. Getrieben von Schuld freundet sich sich zögerlich und Stück für Stück mit einem der beiden, Rasul (Sayed Ahmad), an, hinterfragt ihre so sicher geglaubten Wertvorstellungen und entfernt sich damit unbemerkt auch von ihren „alten“ Freunden.
Parallel dazu stößt die 15-jährige Svenja (Jella Haase) zur Gruppe, die, von Neugier, Hormonen und der Rebellion gegen ihren kontrollsüchtigen Vater getrieben, unbedarft und naiv nach Anschluss sucht. Während sich das eine Mädchen von der Gruppe löst und ihren Horizont erweitert, drängt das andere mit aller Macht hinein. Als beide aufeinander treffen, setzt das eine folgenreich-tragische Kettenreaktion in Gang, an deren Ende, wie meine Begleitung treffend richtig feststellte, das wohl einzig positiv mögliche Ende steht…
Der Debüt- und Diplomfilm (!) von Regisseur David Wnendt zeichnet mit rasanter Erzählweise und dokumentarischer Härte ein plastisches Bild der hängengebliebenen, desillusionierten Jugend in der (ost)deutschen Provinz. Umgang und Tonfall sind rau, die Augen traurig, das Weltbild beschränkt-alkoholverhangen, der Sex hart, schnell und frei von Liebe. 19 Jahre nach „Romper Stomper“, 13 Jahre nach „American History X“ gibt es mit „Kriegerin“ nun einen gleichwertigen deutschen Film. Alina Levshin spielt die Hauptrolle grandios und mit aller ihr möglichen Eindringlichkeit und Glaubwürdigkeit. Und trotz der Tatsache, dass hier (zutreffende) Klischees bedient werden und, zwischen den Zeilen, der Zeigefinger erhoben wird, ist „Kriegerin“ uneingeschränkt zu empfehlen und einer der besten deutschen Debütfilme seit langem.