OK Kid scheint die aktuelle politische wie gesellschaftliche Situation – nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit – verdammt sauer zu machen. Zumindest lässt das der neue Song „Warten auf den starken Mann“ vermuten, den Jonas Schubert, Moritz Rech und Raffael „Raffi“ Kühle vor zwei Tagen ohne Albumkontext online stellen („weil er raus muss, weil wichtig“) und in dem die Band so schonungslos austeilt wie noch nie zuvor.
Wer sich Songs wie „Gute Menschen“ (vom 2016 erschienenen Album „Zwei
„) in Erinnerung ruft, der weiß, dass OK Kid auch bisher nicht gerade die Sorte Band waren, die die Klappe hält, wenn sie mit Themen wie Rassismus konfrontiert wurden. Und kurz vor der Bundestagswahl hatten die drei Kölner nochmal einiges zu sagen. Anlass ist – logisch – der leider stattgefundene Einzug der AfD in den Bundestag. Zum ersten Mal nach Ende des zweiten Weltkriegs vor siebzig Jahren werden wieder Vertreter einer Partei im deutschen Parlament sitzen, die klar rassistische und nationalsozialistische Ansichten vertreten (oder sich zumindest nicht von diesen distanzieren). Zeilen wie „Es fing an mit Montagsdemo, dann kam Petry, danach ‚Heil!'“ zeigen deutlich, wer sich von „Warten auf den starken Mann“ angesprochen fühlen darf (und sollte). OK Kid berufen sich außerdem noch auf „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten, sind aber noch ein bisschen radikaler als die Berliner Vorbilder, wenn sie singen: „Meine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Hieben.“ Schlimm genug, dass selbst das Lied der Ärzte, welches aus dem Jahr 1993 stammt, mit seinen Botschaften auch 2017 noch zeitgemäß erscheint…
Musikalisch steht „Warten auf den starken Mann“ dabei in guter OK Kid-Tradition: Kantiger Pop, der dabei aber immer eingängig bleibt. Die bewusste, weil nötige Härte des Textes spiegelt sich umso mehr im Musikvideo wider. In diesem werden junge Menschen, die sich einer menschenverachtenden Ideologie hingeben, nämlich wortwörtlich blind vor Hass, während sie vom einzig Sehenden geführt werden – „Das Dorf der Verdammten“ meets „Invasion der Körperfresser“ meets „Napoli – Elite für den Führer“, dezente Riefenstahl-Ästhetik inklusive. Die Location des Clips ist nicht weniger bedrückend gewählt, begleitet man doch den Einzug eines namenlosen Jungen in die scheinheilige Idylle einer Art völkischem Ferienlager, wie sie die NPD-nahe „Heimattreue Deutsche Jugend“ bis zu ihrem Verbot 2009 regelmäßig organisierte. Am Ende schreit Jonas von OK Kid immer wieder verzweifelt „Nein, ich bin kein Verlierer, ich bin dein“, im Video verliert auch der Letzte sein Augenlicht und der Zuschauer starrt mit einem verflucht miesen Gefühl auf den Bildschirm.
„Warten auf den starken Mann“ ist – sowohl im Bild als auch im Ton – Gesellschaftskritik mit dem Vorschlaghammer. Über die Moral darf sich jeder seine eigene Meinung bilden…
"Vielleicht denkt hier auch jemand mal an mich Das Dorf in dem ich wohne ist zwar malerisch Doch nicht wenn man die Farben mischt Sowas wird man wohl doch nochmal sagen dürfen Ich fürchte mich, dass ein Minarett bald höher als die Kirche ist Du hast mir doch gesagt, zu was das führt Heute noch im Fernsehen Morgen schon vor meiner Tür Ich bin nicht die hellste Kerze auf dem Baum, doch hab' erkannt Meine weichen Knie brauchen eine harte Hand Hier spiel'n die Kinder immer noch Angst vor dem schwarzen Mann Meine Angst hat schwarz-rot-goldene Farben an Ich steh' stramm für dich Steh mein' Mann für dich Irgendwann stell' ich die Lügner an die Wand für dich Warten auf den starken Mann Ich liefer' mich aus Du lässt meinen Sorgen freien Lauf Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir einfach irgendeins Auch wenn du mich belügst Glaub ich dir jedes Wort, denn du hast meins Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir einfach irgendeins Nur nicht das Gefühl (nein, nein, nein) Ein Verlierer zu sein Wie schön, du hast uns etwas mitgebracht Hass, Hass - hast du extra schön verpackt Endlich hab' ich auch mal was Endlich auch mal stark Du fackelst nicht lang Du fackelst nur ab! Raus auf die Straße, Junge - heute wird gekehrt Einer muss ja dafür sorgen, dass sich Unkraut nicht vermehrt Ich glaube nur noch was ich fühle Meine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Hieben! Es fing an mit Montagsdemo Dann kam Petry, danach 'Heil!' All das hab ich nie gesagt Nein, das redet ihr euch ein Warten auf den starken Mann Ich liefer' mich aus Du lässt meinen Sorgen freien Lauf Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir einfach irgendeins Auch wenn du mich belügst Glaub ich dir jedes Wort, denn du hast meins Gib mir bitte ein Gefühl, ja Gib mir einfach irgendeins Nur nicht das Gefühl (nein, nein, nein) Ein Verlierer zu sein Ich bin kein Ich bin kein Verlierer Nein ich bin kein Verlierer (nein, nein) Nein ich bin kein Verlierer (nein) Nein ich bin kein Verlierer (nein, nein, nein) Ich bin kein Verlierer nein, nein (nein) Ich bin kein Verlierer nein, nein Ich bin kein Verlierer nein, nein Ich bin kein Verlierer Ich bin dein Ich bin kein Verlierer, ich bin dein Ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, ich bin dein Nein ich bin kein Verlierer, nein, nein"
Rock and Roll.