
Wie viele andere auch haben Coldplay auf ihrer aktuellen Welttournee ein Zeichen der Solidarität mit den aktuellen Protesten im Iran gesetzt. Bei zwei Konzerten in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires Anfang des Monats, von denen eines live in Kinos in 81 Ländern übertragen wurde, spielte die britische Band den Song „Baraye“, der sich zu einem Musik gewordenen Symbol der Proteste gegen das Regime der Islamischen Republik entwickelt hat.
„Es gibt so viele Orte, an denen sich Menschen nicht treffen können, und nicht frei sein können, sie selbst zu sein. Egal, ob es darum geht, die Musik zu hören, die sie hören wollen, die Kleidung zu tragen, die sie tragen wollen, zu denken, was sie denken wollen, zu lieben, wen sie lieben wollen“, sagte Coldplay-Frontmann Chris Martin. Im Moment sei dies im Iran besonders deutlich. Deshalb wolle die Band ein Zeichen dafür setzen, dass sie die iranischen Frauen und alle, die für Freiheit kämpfen, unterstütze.
Der Song stammt vom iranischen Singer/Songwriter Shervin Hajipour. Zu Beginn der Performance wurde Hajipours Musikvideo zum Song gezeigt, dann übernahm die Schauspielerin Golshifteh Farahani den persischsprachigen Gesang. Farahani wurde unter anderem mit ihrem Auftritt im US-Thriller „Der Mann, der niemals lebte“ (2008) auch international bekannt, geriet aber auch ins Visier des iranischen Regimes und darf seit 2009 nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren.
Und obwohl man dem aktuellen Coldplay’schen Output (welchen ich nur schwerlich als „Musik“ definieren mag) durchaus kritisch gegenüberstehen dürfte – dieser Zug und diese Version des Proteststücks sprechen im positivsten Sinne für sich.
Shervin Hajipour hatte den Song ursprünglich im September veröffentlicht, er entwickelte sich im Iran schnell zum viralen Hit und einer Hymne der Proteste. Der 25-jährige Musiker wurde nach der Veröffentlichung festgenommen, derzeit ist er nach Zahlung einer Kaution wieder frei. Mittlerweile gibt es zahlreiche Coverversionen von „Baraye“, ob nun auf Deutsch, Englisch oder auf Französisch. Zudem spielte etwa Maryam.fyi, eine deutsche Musikerin und Medizinstudentin mit iranischen Wurzeln, ihre Version des Songs bei einem Konzert von Kraftklub in Hamburg, nachdem sie eine bewegende Rede gehalten hatte – die Chemnitzer Band hatte ihr dafür die Bühne überlassen. Außerdem lief das bewegende Stück unlängst gegen Ende der – übrigens sehr empfehlenswerten – aktuellen Ausgabe von „Die Anstalt“, welche sich ganz den Protesten im Iran widmete und aus gegebenem Anlass von den iranischstämmigen Comediennes Enissa Amani und Negah Amiri geleitet wurde. Warum das iranische Regime so viel Angst vor diesem Lied zu haben scheint? Das erfährt man etwa in diesem ausführlichen Artikel.
Die Proteste im Iran begannen im September nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie wurde zuvor verhaftet, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß trug, die Demonstrant*innen geben der Sittenpolizei die Schuld an ihrem Tod. Daraus wuchs eine nahezu weltweite Protestbewegung gegen die Unterdrückung von Frauen durch die Sittenpolizei und das theokratische Mullah-Regime. Das jüngste Beispiel des Protests ereignete sich ausgerechnet bei der ohnehin umstrittenen Fussball-WM in Katar, bei der sich die Nationalmannschaft weigerte, die eigene Nationalhymne mitzusingen.
✊
„Für das Tanzen auf der Straße
Für die Angst sich zu küssen
Für meine Schwester, deine Schwester und unseren Schwestern
Für den Wechsel alter Werte
Für die Scham, für die Armut
Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben
Für ein Kind, das im Müll wühlt und seine Träume
Für die korrupte Wirtschaft
Für die Luftverschmutzung
Für ‚ValiAsr‘ und alle trockenen Bäume
Für den Pirouz und sein mögliches Aussterben
Für die unschuldigen verbotenen Hunde
Für das Weinen ohne Ende
Für die Wiederholung solcher Momente und Bilder
Für ein lachendes Gesicht
Für die Studierenden, für die Zukunft
Für das aufgezwungene Paradies
Für diejenigen, die im Gefängnis sind
Für die afghanischen Kinder
Für all diese ‚Für‘, die sich nicht wiederholen lassen
Für alle leeren Paroli
Für den Schutt der billig gebauten Häuser
Für den Seelenfrieden
Für die Sonne nach langen Nächten
Für Beruhigungspillen und Schlaflosigkeit
Für den Mensch, das Heimatland und die Ortschaft
Für das Mädchen, das sich wünschte ein Junge zu sein
Für die Frau, das Leben, die Freiheit
Für Freiheit
Für Freiheit
Für Freiheit“
Rock and Roll.