Adele Laurie Blue Adkins anno 1998 in ihrem Kinderzimmer in Tottenham, Nordlondon. Damals wusste die Zehnjährige freilich weder, dass sie selbst mal ein weitaus größerer Pop-Star werden noch dass sie ihre Idole etwa zwanzig Jahre später höchstpersönlich treffen würde – und Scary, Baby, Ginger, Sporty sowie Posh Spice mittlerweile ihrerseits große Fans ihrer Musik sein würden. Manchmal werden Superfan-Träume eben doch wahr… So oder so: eine wunderbare Momentaufnahme, die rückblickend voller Female Empowerment steckt.
(Joe Strummer, 1952-2002, eigentlich John Graham Mellor, britischer Punk-Rock-Musiker, der als Mitbegründer, Sänger und Gitarrist der britischen Punk-Band The Clash bekannt wurde)
Überhaupt verbindet Uhlmann und Stuckrad-Barre so einiges, sodass es schon verwundert, dass sich ihre künstlerischen Wege – mal abgesehen von einem gemeinsamen Interview mit dem „Musikexpress“ vor ein paar Jahren – nicht eher gekreuzt haben: beide sind 46 Jahre jung, beide stammen aus Norddeutschland und leben seit einiger Zeit im wuseligen Berlin. Beide verbindet ein gemeinsames Interesse für Musik (etwa der von Oasis, Udo Lindenberg oder Die Toten Hosen), welches das bewahrte Kind im Manne manches Mal zu Lobeshymnen hinreißen mag. Und da der ehemalige Tomte-Frontmann Uhlmann – abseits seiner feinen Solo-Alben (zuletzt 2019 „Junkies und Scientologen„) – seit 2015 und seinem erfolgreichen Roman-Debüt „Sophia, der Tod und ich“ nun immer öfter unter Literaten unterwegs ist, besteht mittlerweile auch beruflich eine Schnittmenge zu dem sich seit den späten Neunzigern in aller Feuilleton-Munde befindlichen Schriftsteller, Journalisten und Moderator Stuckrad-Barre („Soloalbum“, „Panikherz“, zuletzt „Alle sind so ernst geworden“ mit dem Schweizer Erfolgsautor Martin Suter).
Nun erscheint heute – wohl nicht ganz zufällig am 27. Todestag von Kurt Cobain – der gemeinsame Song „Club 27“ als digitale Uhlmann-Single, deren Text aus der Feder von Stuckrad-Barre stammt und die mit einer guten Messerspitze an Ironie im Gitarrenkoffer ein traurig-makabres Phänomen behandelt: den frühen Drogentod von Musik-Ikonen. Und während prominente Mitglieder des sogenannten „Club 27“ wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Brian Jones, Amy Winehouse oder eben Kurt Cobain, die alle mit nur 27 Jahren starben, in dem Stück nicht namentlich genannt werden, weiß wohl jeder Musikfreund, wer gemeint sein wird.
„Ein Musikvideo mit den beiden wird auch demnächst erscheinen“, wie das Label mitteilt.
Toll sind auch die Zeilen, welche „Rolling Stone“-Autor Arne Willander zur Veröffentlichung verfasst hat:
Es ist ein ziemlich exklusives und ziemlich makabres Etablissement, dieser „Club 27“. Zu den Mitgliedern gehören Jim Morrison, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Brian Jones und Amy Winehouse. Und, natürlich, Kurt Cobain, der sich vor 27 Jahren im Alter von 27 Jahren erschoss: Der alte Junge in der struppigen Strickjacke, der beim „Unplugged“-Konzert von Nirvana 1993 zwischen Blumen und Kandelabern seine eigene Totenmesse las: „Jesus Doesn’t Want Me For A Sunbeam“.
„In der Bar jenseits der Schmerzen / brennen 27 Kerzen“, heißt es nun in „Club 27“, einem Song darüber, wie es ist, wenn man nicht hineinkommt in diesen Club, weil man überlebt hat – denn „da kommst du nur rein / wenn du zu früh gehst“.
Nicht rein-, also noch einmal davongekommen: Der Musiker Robin Grubert und sein Freund Benjamin von Stuckrad-Barre haben dieses Lied vor einigen Jahren geschrieben, im Garten des Hotels Sunset Marquis; tagsüber, wohlgemerkt. Ist doch das Sunset Marquis eher berühmt für dort verbrachte Nächte, in jedem Fall für das Dunkle. Es ist eines jener Hotels in Los Angeles, aus denen man jederzeit auschecken, die man aber nicht verlassen kann. Dave Gahan erlitt dort einen zweiminütigen Herzstillstand, als er 34 war – mithin zu alt für den Club 27.
Doch als Grubert und Stuckrad-Barre nun dieses Lied schrieben, war es ganz hell, der Pool war hellblau, die Blumen bunt, der Himmel eine gleißende Unverschämtheit. Ein paar Tage später zog Stuckrad-Barre in ein anderes legendäres Hotel, das Chateau Marmont, nur ein paar hundert Meter den Sonnenuntergangsboulevard hinauf, und begann mit dem Schreiben von „Panikherz“, dem Buch, das seine beharrlichen Bewerbungsversuche auf Clubmitgliedschaft verhandelt.
„Too old to die young / sprach der Sensenmann“ – ja, es gab Zeiten, da Robin Grubert und Benjamin von Stuckrad-Barre nah dran waren, in den Club 27 (oder wenigstens 28, 29, 30 ff.) aufgenommen zu werden. Obwohl sie natürlich keinem Club beitreten würden, der sie akzeptiert. Aber sie haben überlebt – und folglich manches zu erzählen: „Ich sag, ok, da komm‘ ich wohl zu spät“.
Sänger des Songs ist Thees Uhlmann, bei dem man nicht weiß, ob seine heitere Traurigkeit noch Hedonismus oder schon Fatalismus ist. Er singt dieses Lied zum Gitarren-Twang mit Bruce Springsteens Bravado und Udo Lindenbergs Schnoddrigkeit: „Manchmal dachte ich, jetzt ist bald Schluss / Und dann sitze ich im letzten Bus / Zum Club 27 / in die Bar, die niemals schläft / In die Jukebox wirft man Träume / und der ganze Laden schwebt“. Thees Uhlmann, Rock‘n‘Roller und Erzähler, der Mann für gewisse Blaue Stunden kurz vorm Morgengrauen. Man hört ihn dieses Lied singen und begreift: Es ist (auch) seins.
„Club 27“ handelt von dem, nun: Mythos – und von einem realen Ort. Von vielen realen Orten. Denn mit Clubs und wie man hineinkommt kennen sich Uhlmann, Grubert und Stuckrad-Barre aus.Und manchmal ist es gut, wenn es eine geschlossene Gesellschaft ist: „Tränen, Mythos und Musik / ist das, was irdisch übrig blieb“.
Regelmäßige Leser von ANEWFRIEND wissen bereits: Ich mag kaum etwas weniger als vorhersehbare – vor allem deutsche – Pop-Musik ohne Sinn, Verstand, Botschaft, dafür aber mit einer Extraladung „Schema F“. Von daher käme ich schon – zumindest freiwillig, irgendwo dudelt ja meist ein Formatradio die immergleichen zehn Songs – gar nicht auf den Gedanken, mir auch nur ein Stück von Mark Foster, Max Giesinger oder wiesiealleheißen anzutun. Nervt einfach nur. Da finde ich selbst Rammstein lustiger…
Ins selbe Horn stoßen auch Ich + Ich. Da mag das männliche Ich des Duos, Adel Tawil, noch so viele Sympathiepunkte als Patrick Owomoyela-Lookalike sammeln (für alle Unkundigen: ein ehemaliger deutscher Fussballspieler mit BVB-Vergangenheit in der Vita), ungeknebelt würde jeder Song des 40-jährigen Musikers mit Boygroup-Hintergrund von mir sträflichst desinteressiert mißachtet werden. Isso.
Dennoch gebe ich gern zu, dass der Mann zumindest ein brauchbares Stück in der Diskografie besitzt – auch wenn mich kürzlich erst meine Freundin darauf hinweisen musste (danke also dafür!). „Lieder“ heißt’s und stammt von Tawils gleichnamigem, bereits 2013 erschienenem Solo-Debütalbum. Klar ist das Stück – verflucht eingängige Melodie hin oder her – fürs Formatradio zurecht gemischt. Das Besondere fällt einem jedoch schnell ins Ohr: Jede Zeile der knapp vier Minuten, an denen auch Indie-Musiker und -Produzent Tobias Kuhn mitgeschrieben hat, nimmt in irgendeiner Form Bezug zu Songs, Alben oder Künstlern, die Adel Tawil in seinem Leben sowie musikalischer Sozialisation wichtig waren – von Bob Dylan über Grönemeyer, Nirvana, Rage Against The Machine, Prince oder Rio Reiser geht der musikalische Geschichtstrip und spart selbst Tawils ehemalige Boygroup, „The Boyz“ nicht aus. Popmusik? Sicher. Aber ebenso recht persönlich. Und wenn man wie ich selbst in den Neunzigern aufgewachsen ist, wird aus Adel Tawils „Lieder“ schnell eine Reise in die eigene musikalische Vergangenheit…
(Wer übrigens, wie meine Freundin und ich, ein Ratespiel nach Tawils musikalischen Bezugnahmen im Text veranstaltet, jedoch nicht alle Lösungen ad hoc gefunden hat, findet etwa hier die Auflösungen…)
„Ich ging wie ein Ägypter Hab‘ mit Tauben geweint War ein Voodoo-Kind Wie ein rollender Stein
Im Dornenwald sang Maria für mich Ich starb in deinen Armen, Bochum ’84
Ich ließ die Sonne nie untergehen In meiner wundervollen Welt
Und ich singe diese Lieder Tanz‘ mit Tränen in den Augen Bowie war für’n Tag mein Held Und EMF kann es nich‘ glauben Und ich steh‘ im lila Regen Ich will ein Feuerstarter sein Whitney wird mich immer lieben Und Michael lässt mich nich‘ allein
Ich war willkommen im Dschungel Und fremd im eigenen Land Mein persönlicher Jesus Und im Gehirn total krank Und ich frage mich, wann Werd‘ ich, werd‘ ich berühmt sein So wie Rio, mein König für die Ewigkeit
Ich war am Ende der Straße angelangt War ein Verlierer, Baby, doch dann Hielt ich ein Cover in der Hand Darauf ein Mensch, der in Flammen stand Kurt Cobain sagte mir, ich soll kommen wie ich bin
Und ich singe diese Lieder Tanz‘ mit Tränen in den Augen Bowie war für’n Tag mein Held Und EMF kann es nich‘ glauben Und ich steh‘ im lila Regen Ich will ein Feuerstarter sein Whitney wird mich immer lieben Und Michael lässt mich nich‘ allein
Ich war einer von fünf Jungs ‚One Minute‘, aus, dann war’s vorbei Ich sang nur noch für mich, für ne unendlich lange Zeit Und dann traf ich auf sie Und sie erinnerte mich Wir waren Welten entfernt Und doch vom selbem Stern
Ich ging wie ein Ägypter Hab‘ mit Tauben geweint War ein Voodoo-Kind Wie ein rollender Stein
Ich ließ die Sonne nie untergehen In meiner wundervollen Welt
Und jetzt singe ich meine Lieder Tanz‘ mit Tränen in den Augen Bowie war für’n Tag mein Held Und EMF kann es nich‘ glauben Und ich steh‘ im lila Regen Ich will ein Feuerstarter sein Whitney wird mich immer lieben Und Michael lässt uns nich‘ allein
Denn wir singen diese Lieder Tanzen mit Tränen in den Augen Bowie war für’n Tag ein Held Und EMF kann es nich‘ glauben Und wir stehen im lila Regen Wir wollen Feuerstarter sein Whitney wird uns immer lieben Und Michael lässt uns nich‘ allein“