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Sunday Listen: Caspian Sea Monster


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Fotos: Facebook

„Bereits vor mehr als fünf Jahren schmiedeten Musiker von Playfellow, Calaveras und Might Sink Ships Pläne eines neuen Bandprojektes, das auf den Namen Caspian Sea Monster hört und lange Zeit nur im Proberaum existierte. Nun endlich veröffentlicht das Quartett sein selbstbetiteltes Debütalbum. Sieben wundervoll atmosphärische Postrocknummern auf CD und LP gepresst und über Stargazer Records veröffentlicht. Nicht erst vor fünf Jahren, als sich die Musiker von Caspian Sea Monster zum ersten Mal zusammen rotteten, gab es schon so eine kleine Chemnitzer Bandkommune: Playfellow, Calaveras, Radar, Neon Blocks, Dollys Meat, Suralin, Might Sink Ships, Volt usw. Chemnitz ist nicht groß und man lief sich ständig über den Weg, teilte sich Proberäume oder spielte gemeinsam Konzerte. Jeder verstand sich mit jedem, man tauschte sich aus und es entstanden einige Nebenprojekte. Dass es bei Caspian Sea Monster ganze fünf Jahre dauerte, bis das selbstbetitelte Debütalbum fertig gestellt wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass man zunächst erstmal sporadisch Musik machte. Schließlich galt die Band ja noch als Nebenprojekt von Toni Niemeier (Gitarre und Gesang – Playfellow), André Dettmann (Bass, Keys – Playfellow), Marc Ebert (Gitarre, Bass und Gesang – Might Sink Ships) und Tom Müller (Drums – Calaveras). Erst nach und nach festigten sich die sieben mindestens 5-minütigen Songs ihres Debütalbums, die zum Teil erst im Studio fertig geschrieben wurden. Caspian Sea Monster kreieren epischen Postrock mit Gesang und bieten genug Fläche, um sich komplett fallen zu lassen und in den Klangteppichen zu versinken. Tolles Debüt und große Empfehlung für Postrock-Fans.“

Soweit der offizielle, durchaus informative Pressetext.

Und der regelmäßige Vorbeisurfer auf diesen digitalen Seiten mag sich – zurecht – fragen: Chemnitz, die x-te? Karl-Marx-Stadt, echt – schon wieder? Japp. Denn obwohl das beschauliche sächsische Städtchen von einer internationalen Kulturmetropole á la New York City, London, Paris oder meinetwegen Berlin in etwa so weit entfernt ist wie Frauke Petry vom Bau eines Flüchtlingsheims, weist Chemnitz eine beachtliche Dichte an durchaus interessanten neuen Bands auf – und das nicht erst seit gestern…

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Neues Beispiel: Caspian Sea Monster. Allein schon der Name, den die vier Herren, welche in etwa eine All-Star-Truppe von Chemnitz‘ Finest darstellen (Might Sink Ships! Playfellow! Da fehlen eigentlich nur noch Kraftklub…), ihrem neusten musikalischen Baby gegeben haben: benannt nach einem russischen Fluggerät, das erstmals über dem kaspischen Meer gesichtet wurde – technoide Null-Aussage, die zur Mystik verführt. Oder Caspian: eine amerikanische Post-Rock-Band, die 2003 in Beverly, Massachusetts gegründet wurde, und sich, mit nunmehr vier Alben im Gepäck, auch diesseits des Atlantiks einen Namen erspielt hat – der klangliche Verweis bis nach Sachsen könnte ferner liegen. Und trotzdem klingt das, was Caspian Sea Monster da in knapp 55 Minuten fabrizieren, verdammt eigen.

4250137215037Das fängt bereits bei Toni Niemeiers Gesang an, welcher dem ein oder anderen Freund deutschen Indierocks bereits von Playfellow bekannt vorkommen dürfte. Eine sehr eigene Stimme hat der Mann, der im „wahren Leben“ – das mag kein Punkrock sein, aber irgendwo müssen die Brötchen ja herkommen – einem Job an der TU Chemnitz nachgeht (das Internet vergisst nichts). Klar. Ein Gesangsorgan, das vor allem bei seiner Hauptband an manch einer Stelle an einen wie Radioheads Thom Yorke mit angenehmem Tremolo und mächtig Emphase und Drama erinnert. Nicht die schlechteste Referenz? Sicher. Aber eben auch: mächtig Geschmacksache. Und die Gitarren: Lassen sich massig Zeit, bis die Schlagzeug-Bass-Rhythmusfraktion gemeinsam mit dem Keyboard das musikalisch-atmosphärische Fundament errichtet hat (nur eines der sieben Stücke des Debütalbums bleibt knapp unterhalb der Fünf-Minuten-Marke), um schlussendlich mit gekonnten Licks um Berge aus Effektgeräten zu flirren, brettern und steigen. Post-Rock, Baby! Damit der Hörer bei all der klanglichen Reizüberflutung nicht gleich vom Stuhl kippt, baut die Band jedoch immer wieder melancholische Ruhephasen in ihre Songs ein: hier mal eine Akustische („Spinning Wheel“), da eine weite Synthie-Fläche, dort ein paar elektronische Experimente („Parts“). Im feinen „The Trembling“ meint man gar ein Banjo zu hören! So ganz mögen sich Caspian Sea Monster nie festlegen, wählen im finalen „Into Dust“ etwa einen beinahe klassisch nervösen Alternative-Rock-Abgang.

Als Ganzes lassen sich, bei all dem Geplucker, den Soundwänden und dem Gitarrengegniedel, die unvermeidlichen Pink Floyd zwar nie so ganz von der Hand weisen (und die ein oder andere Platte der britischen Progrock-Götter hat sicher jeder der vier Chemnitzer im heimischen Plattenschrank stehen), jedoch haben an vielen Stellen auch andere Brüder im Geiste, wie Mogwai, Maybeshewill, Jeniferever, Steaming Satellites oder iLiKETRAiNS, den Fuss auf dem mentalen Effektpedal. Zwar mag nicht jede Minute des Debütalbums fesseln, aber wer bitte hätte ein Werk, das durchaus internationale Reife besitzt und fast wie aus einem geproggten Post-Rock-Guss daher schwebt, im piefigen Chemnitz verortet? Bedrohlich, schräg, entspannt, klassisch – aber auch: irgendwie anders und mit viel Dynamik, Facettenreichtum und Spielfreude im Schlepptau. Chapeau.

 

 

Via Bandcamp kann das Album gestreamt und erstanden werden…

 

…während man via YouTube den ein oder anderen Live-Mitschnitt…

 

oder ein Interview mit Teilen der Band findet:

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Playfellow – „Stripped“


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Ich glaube, es ist mal wieder Zeit, eine Lanze für meine sächsischen Landleute zu brechen – um musikalischen Sinn. Genauer: für Playfellow.

Klar, mittlerweile habe nicht nur ich die 2003 gegründete Band aus dem beschaulichen Chemnitz auf dem Schirm. Chemnitz? Chemnitz?!? Ja, die 250.000-Einwohner-Stadt – nach Leipzig und Dresden die drittgrößte Sachsens – kann durchaus mehr vorzeigen als Kraftclub, den „Nischel“ und den breitesten sächsischen Dialekt, den man sich nur vorstellen kann – wer’s nicht glaubt, der darf sich gern das ein oder andere Interview mit Playfellow zu Gemüte führen…

unnamedAnyways. Mit ihren 2010 und 2015 veröffentlichten letzten Alben „Carnival Off“ und „Ephraim’s House“ haben die Chemnitzer auch außerhalb ihren provinziellen Heimat längst für aufgestellte Ohren gesorgt. Zu recht? „Ohne anmaßend klingen zu wollen, ist es eine echte Überraschung, dass diese glasklare Rockmusik mit, ja, Post-Rock-Anleihen und mit den lupenreinen englischen Texten nicht etwa aus Chicago oder Montreal, sondern aus Chemnitz kommt.“ schrieb plattentests.de etwa bereits 2010, „Träumerischer Postrock mit Ambient-Momenten plus Bock, Verzweiflung und die Kreativität einer ganzen Dekade.“ intro.de fünf Jahre später zu und über „Ephraim’s House“. Klar, die Mischung aus Indie-Rock-, Folk- und vor allem auch Noise- oder cinematoskopischen Post-Rock-Elementen hat schon etwas ganz Spezielles an sich, das zwar in seiner – bei genauerem Hinhören – strengen Art doch schon irgendwie deutsch klingt, andererseits so auch aus Hamburg, Köln, Weilheim, Münster oder München stammen könnte. Und obwohl mich selbst weder „Carnival Off“ noch „Ephraim’s House“ – aller Verweise auf geliebte Bands von Radiohead über Sigur Rós bis Kashmir zum Trotz – auf Albumlänge gänzlich überzeugen konnten, bleibt die fünfköpfige Band aus Ex-Karl-Marx-Stadt eine, die man durchaus auf dem Schirm haben sollte.

Beweisstück No. 2.546 hierfür: die Coverversion des Depeche-Mode-Evergreens „Stripped“ (jaja, den Song haben sich auch die Ur-Teutonier von Rammstein bereits zur kruppstählernen Brrrrust genommen), welche Playfellow bereits im März 2016 online stellten. Sechseinhalb Minuten internationales musikalisches Niveau – die Chemnitzer Antithese.

 

 

Rock and Roll.

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