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Song des Tages: Danielle Durack – „Broken Wings“


Wer’s pauschal angeht, der wird bei Danielle Duracks drittem, im Januar erschienenen Langspieler „No Place“ schnell den ein oder anderen Vergleich zu den Werken der Mitglieder von boygenius ziehen können. Fair enough, denn wie Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus auch beschäftigen sich Duracks Songs in bester Singer/Songwriter-Manier nicht selten mit dem liebsten Thema aller Troubadoure und Trobairitzen: dem Herzschmerz. Obendrein bezeichnet sie boygenius sogar selbst als einen ihrer prägenden Einflüsse. Wer jedoch etwas tiefer gräbt, der wird feststellen, dass die zehn Stücke von „No Place“ genug besitzen, um frei von jeglichem Fangirltum zu überzeugen.

Obwohl… zehn Stücke? So richtig startet der Nachfolger zum 2019 veröffentlichten „Bashful“ erst mit Song Nummer zwei, schließlich stellt der Akustikgitarren-Minimalismus „Mistakes“ vielmehr so etwas wie ein Vorspiel für das folgende „By Now“ dar, bei dem sich Duracks Stimme ähnlich sanft zur Akustischen wiegt. Ein wenig Schwermut macht sich breit, bevor nach eineinhalb Minuten das Schlagzeug des sonst bei Pedro The Lion trommelnden Sean Lane einsetzt und dem Song eine gewisse Struktur verleiht. Mit etwas Rhythmus im Schlepptau baut das Stück eine leicht süßliche Folk-Rock-Bridge auf, bevor es plötzlich wieder abebbt. Ein minimalistischer Popsong wie dieser hätte in einer Zeit vor all dem Autotune’schen Flachsinn wohlmöglich prima im Nachmittagsprogramm eines gut kuratierten Radiosenders funktioniert.

Überhaupt: Radio, Geschmäcker, Allgemeingültigkeit. Im Grunde geben sich auf „No Place“ wehmütige Herzeleid-Balladen und sanfte Popsongs die tönende Klinke in die Hand – in ihren besten Momenten kombiniert Durack sogar beides. Das auf „By Now“ folgende „Broken Wings“ ist ein recht gutes Beispiel hierfür, immerhin zeigt der Song in seinen knapp vier Minuten Duracks ganze Bandbreite auf. Beginnt die erste Strophe nur mit einer Gitarre und ihrer Stimme, stößt in der zweiten Strophe der Rest der Banking-Band hinzu, bevor sich das Stück im Refrain als beinahe geradliniger Rocksong entpuppt, bei welchem Danielle Durack eine der beeindruckendsten Gesangsleistungen des Albums abliefert. Klarer Anspieltipp. Der einzige Song der Platte, der da an die Intensität von „Broken Wings“ heranreicht, ist „Don’t Know If I’ll Stick Around“. Hier kommt, anhand einer einprägsamen Hook und einer Drum-Machine, die den Song antreibt, Duracks Pop-Sensibilität zum Vorschein. Am anderen Ende des Spektrums stehen aufs Piano fokussierte Songs wie „Billy“ und „There Goes My Heart“, bei denen das hier an Künstlerinnen wie Sara Bareilles erinnernde Songwriting der 26-jährigen Musikerin aus Phoenix, Arizona und ihr herzzerreißender Vortrag im Vordergrund stehen.

Und so zurückhaltend vor allem „There Goes My Heart“ mit seiner spärlichen Instrumentierung durch die weißen und schwarzen Tasten auch sein mag, es rückt Duracks Texte in den Vordergrund. Zeilen wie „You’re calling me crying to tell me you’re sorry / To tug on my heartstrings and call me your darling / And that’s what I wanted but not what I asked for“ stehen so ehrlich und unverblümt im Raum wie die Musik dahinter. Klares Ding: „No Place“ ist, wie Textzeilen wie diese bereits vermuten lassen, eine Trennungsplatte. So weit, so banal? Nun, Duracks Texte langen zum Glück recht selten in typische Trennungs-Tropen oder Standard-Herzschmerz-Kost-Schubladen, was vor allem an ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Sinn fürs Humorige liegen mag. Während „There Goes My Heart“ ihre geradlinige, zu Herzen gehende Lyrik zeigt, vermitteln andere Songs einen anderen Eindruck von Durack als Songschreiberin. „Now That I’m Alone“ etwa offenbart das Eingeständnis, dass sie ihren Hund vermisse – eine leicht augenzwinkernde, jedoch völlig nachvollziehbare Erinnerung an den Umfang mit all dem, was so oft am Ende einer Beziehung verloren geht. Und auch wenn Zeilen wie “You’re a special kind of tragic / So naturally I’m attracted to you” oder „Don’t take this the wrong way / But some days you’re just dead weight“ im ersten Moment wie Seitenhiebe auf den Ex-Geliebten wirken mögen, so zielt Durack am Ende doch vielmehr auf sich selbst ab. Verwählt, kein Anschluss in dieser Beziehung. Beim letzten Stück des Albums, „Eggshells„, scheint es, als ob sie den Weg hinaus aus dem herzwunden Jammertal gefunden habe – auch wenn das pochende Etwas in ihre Brust in manchem Moment noch immer wehtun mag und Fragen offen bleiben. Am Ende kann man ja selbst aus dem Scheitern einer Liebe wichtige Lehren ziehen, bevor man mit erhobenem Haupt – und etwas härter und bewusster als zuvor vielleicht – wieder in die Welt hinaus tritt. In diesem Sinne: Nur nie die Hoffnung verlieren.

Und Durack? Die wird auch mit diesem Album natürlich nicht „die nächste Julien Baker, Phoebe Bridgers oder Lucy Dacus“ – weder, was das Musikalische angeht, und schon gar nicht, was deren Erfolge betrifft. „Die erste Danielle Durack“ reicht wohlmöglich auch. Und mit „No Place“ liefert sie eine weitere gelungene Bewerbung dafür ab, eines Tages genauso einflussreich zu sein wie die drei Damen von boygenius.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Lo Tom – „Overboard“


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Eigentlich darf es schon als mittelschwere Sensation gewertet werden, dass sich die Sadcore-Indierocker von Pedro The Lion gut 14 Lenze nach dem letzten Album „Achilles‘ Heel“ in wenigen Tagen mit „Phoenix“ nun tatsächlich mit einem neuen Langspieler zurück melden. Wie der – Pardon für’s Wortspiel, aber es passt ja – sprichwörtliche Phönix aus der Asche also? Nun, die ersten Songs „Yellow Bike“ und „Model Homes“ versprechen in der Tat ein erstes unerwartetes Highlight im noch jungen Musikjahr 2019…

Nicht ganz unschuldig an der Reunion der Band aus dem US-amerikanischen Seattle, Washington dürfte ein Bandprojekt namens Lo Tom gewesen sein. Zu diesem gehör(t)en – freilich nebst Pedro-The-Lion-Frontmann David Bazan – auch Trey Many (Velour 100, Starflyer 59), Jason Martin (Starflyer 59) – und eben Pedro-The-Lion-Schlagzeuger TW Walsh. Gut möglich also, dass die gemeinsamen Jam-Sessions Jahre nach nach (vorübergehenden) Ende von Pedro The Lion 2006 zur Comeback-Idee beigetragen haben…

416lksbjncl._ss500Ein weiteres Indiz hierfür dürfte sein, dass die acht Songs des selbstgetitelten, im Juli 2017 veröffentlichen Debütalbums von Lo Tom so ganz anders als Vieles von dem klingen, was David Bazan auf den zahlreichen Solo-Werken seit der Pedro-The-Lion-Pause präsentierte: nicht selten ziellose Songwriter-Electronica-LoFi-Künstlichkeit vs. Bock auf Rock. So stellen bereits „Covered Wagon„, „Overboard“ und „Bubblegum„, die ersten drei Songs des Lo-Tom-Albums, klar, wohin die Reise geht: hin zum schnörkellos riffendem Indierock, manchmal garniert mit einer Prise handfestem Americana sowie Bazans recht oft ins Klagen neigendem, melancholischem Gesang. Klar, dass so eine Platte, die Gniedelgott-Bands wie Built To Spill oder Buffalo Tom im Geiste mit trägt, die Musikwelt kaum aus den Angeln heben würde (und 2017 etwas zu unrecht untergegangen ist). Aber allein die begründete Vermutung, dass aus Lo Tom nun die erfreuliche Rückkehr von Pedro The Lion erfolgt, macht jede der gerade einmal 29 Albumminuten zu einem Fest für Freunde des relaxt-tighten Fuzzpedal-Gitarrenrocks…

 

Hier gibt es das bereits erwähnte, sehr feine „Overboard“, welches wiederum mit Zeilen wie „It just takes a while / For me to un-feel a thing / And the opposite of what you think / For that bell to un-ring“ aufwartet – live performt von David Bazan und seinen drei Lo-Tom-Kumpels während einer Session für KEXP:

 

„You really messed me up
When you couldn’t see me
But I finally understood my place
In that sycamore tree

Don’t stop on account of me
I’m not living there anymore
Weak spot that I don’t need
But don’t let me go overboard

It just takes a while
For me to un-feel a thing
And the opposite of what you think
For that bell to un-ring

Don’t stop on account of me
I’m not living there anymore
Weak spot that I don’t need
But don’t let me go overboard

Sing that song at the top of your lungs
Don’t listen to the static, just listen to the drums

Don’t stop on account of me
I’m not living there anymore
Some weak shit that I don’t need
I don’t wanna go overboard“

 

Rock and Roll.

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Lisztomania…


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(gefunden bei Facebook)

 

Freilich ist „Lisztomania“ ein schöner Begriff, der einst von Heinrich Heine für die extreme Verehrung des Komponisten und Pianisten Franz Liszt durch sein Publikum erfunden wurde. Und obwohl es sogar einen reichlich weirden Kinofilm selben Titels aus dem Jahr 1975 (mit The Who-Frontmann Roger Daltrey als Franz Liszt, Beatles-Schlagzeuger Ringo Starr als Papst oder Yes-Keyboarder Rick Wakeman als Thor) sowie einen alles andere als ohrwurmfreien Song der französischen Popper Phoenix gibt, bezeichnet „Lisztomania“ – zumindest offiziell, und obwohl es der Klang der Wortschöpfung nahe legen könnte – keineswegs das Bedürfnis, immer und jederzeit Musik hören zu wollen. Fake News? Sieht ganz so aus…

 

Rock and Roll.

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Aus Obst wird Rock – Dinosaur Jr. covern Phoenix


Dinosaur_Jr_Phoenix

Bitte?!? Dinosaur Jr., dieses Dreiergespann aus grauhaarigen Neunziger-Jahre-Indierock-Puristen remixt die aktuelle Phoenix-Single?

Nun, zuallererst: um einen „Remix“ handelt es sich bei der Dinosaur Jr.-Version von „Entertainment“ keinesfalls, vielmehr haben J Mascis und Co. dem Song geglichen Diskokugel-Kitsch entzogen und ihn so in eine fein sehnsüchtige Indierock-Gniedelhymne verwandelt, der natürlich auch das gewohnte Gitarrensolo nicht fehlt. „Speck“ setzt hier höchstens das selige Gefühl nie endender Sommer an… Mir gefällt’s. (Auch viel besser als das Phoenix-Original – und auch als der Rest des neuen Albums „Bankrupt!„, welches ich bereits hören könnte, und dass sich mit seinem dämlich minimalistischen Obst-Cover für die hässlichste Albumfront des Jahres bewirbt…)

Dinosaur Jr.

 

Hier gibt’s die Dinosaur Jr.-Variante von „Entertainment“ zum Hören und kostenlosen Laden…

 

…und hier zum Vergleich das Original von Phoenix:

 

Rock and Roll.

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