Das Cover von Johanna Warrens fünftem Studioalbum „Chaotic Good“ zeigt die US-amerikanische Singer/Songwriterin in Fötushaltung gehockt, ihr verschwommenes Selbstbild aus Gram und Andacht spiegelt sich in den glänzenden Dielen. In seiner Vieldeutigkeit mag dies wohl die nahezu perfekt verbildlichte Darstellung des Albums als Ganzes und ein Hinweis auf das, was in den darauf enthaltenen zehn Songs noch folgen mag – ein Werk der Innenschau, übers Introspektive und Alleinsein. Warren selbst sagt, dass es bei „Chaotic Good“ darum ginge, zu lernen, wie man nach vielen semi-abhängigen Beziehungen zu sich selbst findet, mit sich selbst zusammen sein könne, und beschreibt jene Erkenntnis als ihren „Phönix-Moment“. Aus rein klanglichen Aspekten stellt das Werk eine zwar nicht radikale, jedoch hörbare Abkehr von Warrens früherem, mit weicher Stimme gesungenem Folk dar, und während einige Spuren dieses Sounds durchaus noch vorhanden sein mögen, ist „Chaotic Good“ oft schon in ganze andere Richtungen unterwegs…
Ein großes Plus ist dabei Johanna Warrens Fähigkeit, ihre Wut und ihre Unruhe so zu lenken, dass diese bei langsameren, leiseren Songs lediglich dezent an der Oberfläche brodeln, um schon bald darauf, bei etwas schnelleren, lauteren Songs, über den Rand schwappen. So besitzt etwa „Part Of It„, passend zum Text, welcher von einer Trennung berichtet, einen eingängigen, gemächlich voran trabenden Rhythmus. Im Gegensatz dazu schaukelt sich Warrens Gesang bei „Twisted“ zu einem vor Schmerz nur so triefenden Kreischen herauf, und lässt das grungy Endergebnis wie ein recht unentspanntes Neunzigerjahre-Alanis-Morissette-Stück klingen – muss man mögen, sowas. Am besten gelingen der vielseitigen Künstlerin aus dem US-Hipster-Mekka Portland, die ab und an auch schonmal in kleineren Indie-Produktionen vor der Kamera steht, noch immer die Balladen. Vielschichtig tönender Gesang, Gitarren und Klavier schweben in meditativer Versunkenheit wie Morgennebelschwaden durch „Rose Portion“, „Only The Truth“ und „Bed Of Nails„, wo Warrens Gesangsorgan und -muster an eine moderne Joan Baez oder Joni Mitchell, machmal gar an ewig große Feen-Sängerinnen wie Tori Amos oder Amanda Rogers erinnern. Auch mit „Every Death“ ist Warren ein herausragender Song, eine eindringliche Ballade, gelungen, die sich auf ihrem unheimlichen melodischen Weg ein ums andere Mal biegt und windet.
„Chaotic Good“, der Nachfolger zum 2018 erschienenen „Gemini II„, mag sicherlich zu Johanna Warrens bisher rohesten Werken zählen, und ihre präzise Melange aus Zart- und Wildheit lässt die schnöde Menschlichkeit eines gebrochenen Herzens ebenso zu Tönen werden wie das Lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. (Wer mehr wissen mag, findet auf gaesteliste.de ein ausführliches mit der Indie-Singer/Songwriterin…)
„Das Video handelt von einer zeitreisenden Zaubererin, die sich für Hunderte von Jahren schlafen legte, um in die Zukunft zu blicken.“ (Johanna Warren über das von V Haddad gedrehte Musikvideo zu „Only The Truth“)
„The wound in me picked out the knife in you
Shadows find where shadows meet, like shadows do
The edge that lacerates all lovely things
And perforates the loftiest of dreams
Before they get a chance at coming true
They punctuate our sighs of pleasure with their shadow screams
I’d been told, but to believe it
I had to see it with my own two eyes
I see love everywhere I go
I see the light inside of all of you
What more can I do?
All my words are little incantations
And I wish to invoke only the truth
Though it may ring false at first inside the echo chambers
Of my past, the labyrinth that holds the remnants of the embers,
The sacred well of pain
That I’ve returned to time and time again
To fill my vessels with the nectar-torture-poison
That my thirsty muse took a liking to
I’d been told, but to believe it
I had to see it with my own two eyes
I see love everywhere I go
I see the light inside of all of you
What more can I do?“
Rock and Roll.