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Song des Tages: Frightened Rabbit – „No Real Life“


Alan MacGregor Ewing - The Sun Glasgow

Foto: Alan MacGregor Ewing / The Sun Glasgow

Nachdem Frightened Rabbit im September vergangenen Jahres ihrem 2016 erschienenen letzten Album „Painting Of A Panic Attack“ mit „Recorded Songs“ noch eine EP mit drei neuen Stücken nachschoben (unter anderem, mit „How It Gets In„, ein tolles Duett zwischen Scott Hutchison und Julien Baker), legte das Indierock-Quintett aus dem schottischen Glasgow im Dezember 2017 noch ein letztes Mal nach und veröffentlichte mit „No Real Life“ einen Song, in dessen beigelegter Twitter-Nachricht die Band ihre Fans dazu aufrief, für die schottische Alzheimer-Stiftung zu spenden: „With your help, their aim is to make sure that nobody in this country faces dementia alone.“

Auch thematisch beschäftigt sich „No Real Life“ anhand von Textzeilen wie „There’s a hole at the back of the wardrobe / There’s another at the base of my brain“ mit der traumatischen Erfahrung, Stück für Stück all seine Erinnerungen zu verlieren, während der Song mit einer dezenten Akustikgitarre beginnt und sich langsam aber sicher – mit allerlei Band-Feedback und Streichern – majestätisch steigert. Ein gut vierminütiger Schwanengesang von und für Scott Hutchison und Frightened Rabbit, wie er kaum besser gewählt sein könnte: melancholisch, traurigen Herzens, kämpferisch, groß.

 

 

„There’s a hole at the back of the wardrobe
There’s another at the base of my brain
There’s a code word and does he answer it
I can make my swift escape

I see light in the crack of the door way
That extra-terrestrial glow
So cocoon my body, transport me
I don’t care to live in this world anymore

Soaking the midnight songs in the half light or real life
I just want to make believe
Given hope in the form of a Christmas light, no real life
I just want to make believe…“

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Frightened Rabbit feat. Rogue Orchestra – „Death Dream“ (The Quay Sessions)


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Auch wenn einem die Textzeilen der Eröffnungsnummer vom letzten, vor etwas mehr als zwei Jahren erschienenen Frightened-Rabbit-Werk „Painting Of A Panic Attack“ – gerade angesichts des kürzlichen, zu frühen Todes von Frontmann Scott Hutchison – ungute Schauer durchs Rückgrat jagen (sowie das Kopfkino zu allerhand „Hätte… Könnte… Würde…“ verleiten), sollte man vor allem diese Version, welche die Band im November 2016 gemeinsam mit einem Streicherensemble für die „Quay Sessions“  von BBC Radio Scotland aufnahm, als das sehen, was sie ist: abgrundtief ehrlich und wunderschön. Ebenso übrigens wie das dazugehörige Album, welches zwar selten an die Größe seines Vorgängers heran reichen mag, im Großen und Ganzen jedoch – im Frightened-Rabbit-Kontext – ein letztes Mal Hutchisons herausragende Qualitäten als einer der ebenso offenherzigsten wie besten schottischen Songwriter präsentiert… Danke dafür, Scott!

 

 

„It was dawn and the kitchen light was still on
I stepped in, found the suicide asleep on the floor
An open mouth screams and makes no sound
Apart from the ring of the tinnitus of silence
You had your ear to the ground

White noise
I don’t know if there’s breathing or not
Butterflied arms tell me that this one has flown
Blood seems black against the skin of your porcelain back
A still life is the last I will see of you
A painting of a panic attack

He died in his sleep last night
He died in his sleep last night
He died in his sleep last night
He died in his sleep last night
You died in his sleep last night
You died in his sleep last night
You died in his sleep last night
You died in his sleep last night
You died in his sleep last night
You died in his sleep last night

Death dreams you don’t forget
It’s been a while since I dreamed this but
Even now, when asleep, I’ll tread with care
Death dreams you don’t forget
It’s been a while since I dreamed this but
Even now, when asleep, I’ll tread with care
Death dreams I don’t forget
It’s been a while since I dreamed this but
Even now, when asleep, I’ll tread with care
Death dreams I don’t forget
It’s been a while since I dreamed this but
Even now, when asleep, I’ll tread with care“

 

Rock and Roll.

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Angst essen Hase auf – Scott Hutchison ist tot.


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Foto: REX/Shutterstock

Was macht man, wenn Worte fehlen? Wenn einen manche Tage – Sonnenschein hin, Regen her – einfach nur traurig machen? Ich für meinen Teil würde raten: Setzt Kopfhörer auf und lasst Musik eure Sprache sein! Und ebenjene „Sprache“ tönte in den letzten knapp zehn Jahren immer wieder von Songs aus der Feder von Scott Hutchison – ausgestattet mit massig herzwarm-bitterem Sarkasmus sowie breitestem schottischem Akzent.

 

 

Im Rückblick ist es kaum zu glauben, dass mich die Stücke von Frightened Rabbit (Scotts 2003 ins Leben gerufene Hauptband), Owl John (sein Solo-Pseudonym, unter dem er 2014 einen Alleingang wagte) sowie jüngst Mastersystem (der famos lärmende Versuch einer schottischen „Supergroup“ gemeinsam mit seinem Bruder Grant, der auch bei Frightened Rabbit am Schlagzeug sitzt, sowie Justin Lockey von den Editors und dessen Bruder James von Minor Victories) bereits seit einer Dekade treu begleiten und immer wieder aufs Neue begeistern… Und: Ja, das lag (und liegt) vor allem an Scott Hutchisons feinem Gespür für kleine wie große Melodien, über welche er Zeilen über das Leben legte, die vom Rinnsal der Gosse erzählen, jedoch nie den Hymnus vergessen, der einen beim Blick in den blauen Himmel befällt. Ich kann kaum die Male zählen, die mir Frightened Rabbit’sche Alben wie das just zehn Jahre jung gewordene „The Midnight Organ Fight„, „Pedestrian Verse“ (anno 2013 ANEWFRIENDs „Album des Jahres“ und auch nach gefühlt 12.456 Durchlaufen in der Heavy Rotation noch immer so großartig wie an Tag eins, und noch tiefer ins Hörerherz gegraben) oder zuletzt das im vergangenen Jahr erschienene „Painting Of A Panic Attack“ bereits den mentalen Allerwertesten gerettet haben. Wie sehr mich Songs wie „Holy„, „My Backwards Walk„, „I Wish I Was Sober„, „Swim Until You Can’t See Land„, „Keep Yourself Warm„, „State Hospital“  oder „Good Arms vs. Bad Arms“ noch heute begeistern, während ich bei anderen (ungleich leiseren) Vertretern wie „If You Were Me“ oder „Die Like A Rich Boy“ nie ohne Träne im Anschuss hindurch komme. Dass Scott Hutchison im Verbund auch durchaus mit hochgezogener Lautstärke zu überzeugen wusste, durfte ich anhand des erst vor wenigen Wochen erschienenen Mastersystem-Debütwerks „Dance Music“ feststellen, welches drauf und dran ist, (s)einen berechtigten Platz in der diesjährigen ANEWFRIEND’schen Jahresbestenliste zu finden…

Scott Hutchisons Texte haben eine Qualität, eine bittersüße Direktheit, welche den geneigten Hörer bis tief ins Mark treffen können. Wer gerade frisch getrennt ist, wird bei Zeilen wie „I am armed with the past, and the will, and a brick / I might not want you back, but I want to kill him“ (aus „Good Arms vs. Bad Arms“) unweigerlich und überschwänglich die Faust ballen, bevor einen eine trotzig-lakonische Frage wie „Are you a man or are you a bag of sand?“ (aus „Swim Until You Can’t See Land“) wieder in die Zukunft blicken lässt. Mit diesen Trademarks stechen Hutchisons Stücke selbst aus der nicht schwachen schottischen Indierock-„Konkurrenz“ (The Twilight Sad, There Will Be Fireworks, We Were Promsied Jetpacks, Aereogramme, Campfires In Winter etc. pp.) heraus. Zumindest für mich und mein Hörerherz.

RABBIT

Da Scott Hutchison – aller spröden Herzlichkeit und schottischen Bodenständigkeit zum Trotz – in der Vergangenheit nie als Ballermann’sche Frohnatur bekannt war, war die Nachricht, als ihn Familie und Bandmitglieder vor zwei Tagen als vermisst meldeten, keine gute, sondern eine durchaus besorgniserregende – gerade in Verbindung mit ebenjenen (nun letzten) Zeilen, die Hutchison wenig vorher via Twitter postete: „Be so good to everyone you love. It’s not a given. I’m so annoyed that it’s not. I didn’t live by that standard and it kills me. Please, hug your loved ones.“ („Seid gut zu allen, die ihr liebt. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, und das widert mich an. Nach diesem Standard habe ich selbst nie gelebt, und das bringt mich um. Bitte umarmt eure Liebsten.“). Kurz darauf schob er noch ein „I’m away now. Thanks“ nach, verließ nachts sein Hotel in Edinburgh – und verschwand…

Wie heute bekannt wurde, handelt es sich bei der Leiche, die die schottische Polizei bei der Suche nach Scott Hutchison am gestrigen Donnerstagabend an einem Küstenabschnitt in der Umgebung von South Queensferry fand, um den schottischen Musiker. Die Todesumstände sind (zumindest noch) genauso unklar wie die Antwort auf die Frage, welche Rolle Hutchisons Depressionen, mit denen er zeitlebens zu kämpfen hatte, dabei spielten. Dass ebenjene Zeilen, die er vor zehn Jahren in „Floating In The Forth„, dem Quasi-Abschluss von „The Midnight Organ Fight“, sang, jetzt auf geradezu gruselige Art und Weise Realität wurden, wird einen das Album nie mehr ohne Gänsehaut hören lassen… Und am Ende steht nur eines fest: Scott Hutchison ist tot. Und hat im Alter von 36 Jahren viel, viel zu früh die gesellige Bierseligkeit des kleinen Pubs um die Ecke verlassen. Mit ihm verliert die schottische Musikszene einen ihrer besten Songschreiber.

 

„And fully clothed, I float away
(I’ll float away)
Down the Forth, into the sea
I think I’ll save suicide for another day…“

(aus „Floating In The Forth“)

 

Wenn mir – auch in Zukunft – die Worte fehlen, dann werde ich meine Kopfhörer aufsetzen – und deine Songs haben. Danke dafür, von Herzen. Mach’s gut, Scott! Fuck it. Aye… cheers, mate!

 

 

„If I leave this world in a loaded daze
I can finally have and eat my cake…“

 

(Durchaus treffend formulierte Nachrufe haben auch der britische „The Guardian“ oder „The New Yorker“ zu bieten, während der „Mirror“ – natürlich – das Augenmerk auf die Ereignisse als solches legt…)

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Menschen, die unter Depressionen leiden und Suizidgedanken haben, finden bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den kostenlosen Hotlines 0800-1110111 und 0800-1110222 Telefonseelsorge rund um die Uhr Hilfe. Die Beratungsgespräche finden selbstredend anonym und vertraulich statt.

Angehörige, die eine nahestehende Person durch Suizid verloren haben, können sich an den AGUS-Verein wenden. Der Verein bietet Beratung und Informationen an und organisiert bundesweite Selbsthilfegruppen.

Leute, passt bitte auf euch und eure Mitmenschen auf! Gebt Liebe, wannimmer ihr Liebe geben könnt. Alles, was uns bleibt, ist das Jetzt…

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Rock and Roll.

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Song des Tages: Frightened Rabbit – „Fields Of Wheat“


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Die Frage, wo Frightened Rabbit politisch anzusiedeln sind, dürfte nicht schwer zu beantworten sein, immerhin stammt die Band aus der schottischen Arbeiterklasse. Von daher dürften Scott Hutchison und Co. nicht eben die größten Anhänger der britischen (Noch-)Premierministerin Theresa May sein…

Kaum verwunderlich ist auch, dass der Fünfer aus dem schottischen Selkirk, dessen aktuelles Album „Painting Of A Panic Attack“ im April letzten Jahres erschien, mit einem neuen Song (s)einen ganz eigenen Kommentar zur Großbritannien-Wahl vor ein paar Tagen abgibt, getagged mit #fuckthetories.

Der Titel des neuen Stücks, welches Frontmann Hutchison größtenteils allein an der Akustischen zum Besten gibt, hat die Band einer der vielen heuchlerischen Äußerungen Mays entnommen, welche diese in den Tagen vor der Wahl in die britischen Mikrofone palaverte: „Well, nobody is ever perfectly behaved, are they? I mean, you know, there are times when… I have to confess, when me and my friend, sort of, used to run through the fields of wheat. The farmers weren’t too pleased about that.“

Frightened Rabbit selbst gaben „Fields Of Wheat“ vor wenigen Tagen, als sie den Song via SoundCloud ins weltweite Netz stellten, folgende Worte mit auf den Weg:

„We made this today. It felt like the song should go out now, because it’s about what’s happening now, it’s about where we live and if we waited too long the sentiment could go stale. We don’t want to be too descriptive or conclusive here, our only hope is that you listen, enjoy and share it.

Thank you
FR“

 

 

 

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Rock and Roll.

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Der Jahresrückblick – Teil 1


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Dem regelmäßigen Besucher von ANEWFRIEND mag eventuell nicht entgangen sein, dass es in den letzten zwölf Monaten – gerade im Vergleich zu den Vorjahren – recht wenige „Alben der Woche“ gab. Doch keine Angst, natürlich – und auch das dürfte wohl aufgefallen sein – habe ich nicht plötzlich aufgehört, (neue) Musik wie ein nach Tönen verrückter Schwamm in mich aufzusaugen. Nein, 2016 ließ mir einfach, bei all den Nebenschauplätzen im Privaten und Beruflichen, zu wenig Raum und Energie, um mich hier in längeren Artikeln mit all den tollen, (für mich) neuen Alben und Künstlern zu beschäftigen. Stattdessen wurde so manches Werk – ob nun verdient oder nicht – im Zuge des ein oder anderen „Song des Tages“ *hust* „abgefrühstückt“.

Auch werden im diesjährigen Jahresrückblick Besprechungen zu meinen persönlichen „Filmen des Jahres“ und „Serien des Jahres“ fehlen. Und obwohl ich auch da das ein oder andere in Erinnerung bleibende Beispiel erwähnen könnte (etwa „Money Monster„, „Eye In The Sky„, „The Lobster“ oder „Miss Peregrine’s Home For Peculiar Children“ bei den Filmen sowie die Dauerkandidaten „The Walking Dead“ oder „Shameless“ bei den Serien, da jedoch auch die tolle britische Sci-Fi-Miniserie „Black Mirror„), fehlt mir in diesen letzten Tagen von 2016 einfach die Energie, um hier länger darauf einzugehen… Ich hoffe, ihr versteht das.

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Zeichnung: Oli Hilbring / Facebook

Doch zurück zur Königsdisziplin, den „Alben des Jahres“ von und auf ANEWFRIEND! Oder: zum Musikjahr insgesamt. War grässlich, oder? Klar, auch in den vergangen zwölf Monaten erschienen so einige tolle Alben von neuen wie bewährten Künstlern, aber was hat sich diese kleine Schlampe namens „2016“ für eine Mühe gegeben, nicht wenige unserer Lieblingskünstler nur ja nicht mit ins neue Jahr (aka. 2017) zu lassen? David Bowie, Prince, Leonard Cohen – alle drei Jahrhundertgenies und Musiker von Weltformat, die zwar nicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere unfehlbar waren (welcher Künstler ist das schon?), aber irgendwie immer da waren, immer verlässlich Neues und absolut Eigenständiges ablieferten. Außerdem für immer verstummt: Keith Emerson, Greg Lake, Alan Vega, Sharon Jones, Merle Haggard, Glenn Frey, Manfred Krug, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Guido Westerwelle, Fidel Castro, Bud Spencer, Götz George, Muhammad Ali, Roger Cicero, Peter Lustig, Roger Willemsen, Miriam Pielhau, Achim Mentzel, Alan Rickman, Anton Yelchin, und jetzt auch noch George Michael – um nur einige Wenige zu erwähnen. Ohne sie wird diese Welt keine andere sein („The show must go on“, um es mit Freddie Mercury zu sagen), jedoch eine weitaus weniger bunte. Ein Scheißjahr, was die Verluste für Kultur und Zeitgeschehen betrifft…

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(gefunden bei Facebook)

Hoffen wir also, dass sich 2017 milder zeigt als die vergangenen zwölf Monate. Denn wie unausstehlich wäre eine Welt, in der wir nur zwischen Helene Fischer, Frei.Wild und den sowieso unkaputtbaren Rolling Stones wählen könnten? Eben. Bleibt alles anders…

 

  

conor-oberst-ruminations1.  Conor Oberst – Ruminations

Wie ich bereits vor einigen Wochen schrieb: „‚Ruminations‘ ist ein großes, ernsthaftes Werk, an dem man sich kaum satt hören möchte. […] So gut, so nah, so ergreifend war Conor Oberst schon lange, lange Zeit nicht. Vielleicht sogar: noch nie.“ Dem habe ich auch heute kaum etwas hinzuzufügen, außer der erneuten Bitte, diesem grandiosen Singer/Songwriter-Werk euer Ohr zu leihen. Mit dieser Rückkehr zu alter Größe habe ich bei Conor Oberst – ganz ehrlich zugegeben – nicht gerechnet (jedoch immer gehofft). Umso schöner, dass dieser Mann – immerhin einer meiner Allzeit-Lieblingskünstler – es trotzdem geschafft hat, mich nach Jahren noch einmal komplett aus den musikalischen Socken zu hauen.

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will-varley2.  Will Varley – Postcards From Ursa Minor

Und auch auf dem Silber-Platz hohe Singer/Songwriter-Kunst – nur diesmal nicht aus dem US-amerikanischen Omaha, Nebraska, sondern aus good ol‘ England. Und obwohl „Postcards From Ursa Minor“ bereits im Oktober 2015 erschien, hat mich Will Varleys drittes Album wie kaum ein anderes durchs komplette Jahr 2016 getragen, denn auch zwischen Januar und Dezember brachte kein anderer Akustikgitarrenbarde einen derartigen – geglückten – Spagat zwischen intim angelegter Nachtmelancholie („The Man Who Fell To Earth“) und absolut hintersinniger Witznummer („Talking Cat Blues“) zustande, dessen Spektrum mal eben so ziemlich jedes menschliche Gefühl in Nylonsaiten gießt. Unterhaltsam, großartig, bewegend, lustig, traurig, niederschmetternd, hoffnungsvoll – durch jede Regung wird der Hörer in den 50 Minuten von „Postcards…“ gezogen. Und kaum jemals war all das schöner anzuhören. Da konnte der Nachfolger ja nur gegen anstinken (und tat das auch, wie weiter unten zu lesen ist)…

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julien-baker3.  Julien Baker – Sprained Ankle

Ebenfalls eigentlich im Oktober 2015 erschienen, ist das Debüt der 21-jährigen Musikerin aus Memphis, Tennessee meine persönliche Entdeckung des Jahres, dessen lediglich neun Songs tief ins von Melancholie getränkte Fleisch schneiden. PJ Harvey meets Elliott Smith, gepaart mit jugendlicher Naivität. Bewegend, ehrlich.

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daughter-not-to-disappear4.  Daughter – Not To Disappear

Ach, Elena Tonra muss eigentlich nur die Lippen bewegen, und schon hat sie mich. Dass die zehn neuen Stücke des zweiten Daughter-Albums auch das klangliche Spektrum der dreiköpfigen Band aus London um Songs mit dezent elektronischer Grundlage oder Klangkathedralen von Sigur Rós’scher Größe erweitern, ist dabei natürlich nicht von Nachteil. Aber, hey: Melancholie nimmt eben keine Gefangenen.

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summering5.  Summering – Summering

Dass diese kanadische Band noch immer (scheinbar) keine Sau kennt, ist – gelinde gesagt – eine riesige Sauerei. Ich verspreche: Wer die älteren Alben von Wintersleep mag und mochte, wird auch mit dem selbstbetitelten Debüt von Summering (ebenfalls im Oktober 2015 erschienen, ebenfalls erst 2016 bei mir angekommen) glücklich süchtig. Noch dazu gibt’s das Ganze als „Name your price“ via Bandcamp zum Download. Ausreden gibt’s also keine!

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frightened-rabbit-painting-of-a-panic-attack6.  Frightened Rabbit – Painting Of A Panic Attack

Dass Scott Hutchison und seine Lads von Frightened Rabbit nach drei Jahren ein neues Album veröffentlichen und dieses es dann nicht ANEWFRIENDs Top 3 des Musikjahres schafft (immerhin war der Vorgänger „Pedestrian Verse“ anno 2013 mit Abstand und Ansage mein „Album des Jahres„), dürfte eigentlich schon als Schlappe für die fünf Schotten gelten. Aber keine Angst, trotz der Tatsache, dass sich auf „Painting Of A Panic Attack“ weniger Songs befinden, die das Hörerherz sofort einkassieren und nicht mehr hergeben (oder war’s umgekehrt?), ist auch das mittlerweile fünfte Studioalbum des stets eigenwilligen schottischen Quintetts kein schlechtes.

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the-hotelier7.  The Hotelier – Goodness

Zig Mal gehört, und noch immer kann ich „Goodness“, das dritte Album von The Hotelier nicht so ganz einordnen. Ist das noch Indierock oder schon Naturstudie? Ist das noch Emo oder längst zu erwachsen dafür? Sind das noch eigenständige Songs oder ein 45-minütiges Konzeptalbum? Steht die Band aus dem US-amerikanische Worcester, Massachusetts nun die großen Band New oder doch eher den seligen Sunny Day Real Estate näher? Fragen, Fragen, Fragen – aber sind die spannendsten Alben nicht immer jene, die man eben nicht auf Anhieb versteht? Was „Dealer“ von Foxing im vergangenen Jahr war, ist dieses Album 2016 für mich gewesen: ein faszinierendes Kuriosum mit Repeat-Garantie. Und die acht Naturnudisten vom Cover machen meine Verwirrung nur noch runder…

 

tigeryouth8.  Tigeryouth – Tigeryouth

Tilman Benning ist ein korrekter Typ, der vor allem 2016 mit seiner Akustischen und (s)einer dezent zerschossenen Tom-Waits-Reibeisenstimme im Gepäck kreuz und quer durch die Bundesrepublik (und manchmal sogar darüber hinaus) gereist ist, um den Punks, Pennern und Penunzeneigentümern in all den kleinen Clubs und AJZs die Songs seines neusten, selbstbetitelten Albums näher zu bringen, welche Tigeryouth-Benning als torkelnden Troubadour mit Hang zum Geschehen am Tresen und dem Herzen nah an Leben und Scheitern präsentieren – opulenter manchmal gar, als noch auf dem 2014 erschienenen Debüt „Leere Gläser“.

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tiger-lou9.  Tiger Lou – The Wound Dresser

Tiger Lou sind zurück, acht lange Jahre nach dem letzten Album „A Partial Print“. Und obwohl „The Wound Dresser“ manchmal zu viel von allem will (und freilich auch all die kreative Energie der langen Auszeit kanalisieren muss) und am Ende zu selten wirklich große Songs dabei herausspringen (die vorab veröffentlichten Stücke „Homecoming #2“ und „California Hauling“ einmal ausgenommen), haben Frontmann Rasmus Kellerman und seine nicht mehr ganz so blutjungen Kumpels freilich immer ’nen festen Fleck für sich reserviert, der „The Wound Dresser“ in diesem Jahr eine Ecke in den Jahren-Top-Ten sichert…


 
touche-amore-stage-four10. Touché Amoré – Stage Four

Ein großes, ein lautes, ein wütendes Album ist Jeremy Bolm, seines Zeichens Stimme und somit Frontschreihals von Touché Amoré, da gelungen. Ein musikalischer Abschiedsbrief an seine Ende 2014 an Krebs verstorbene Mutter. Die Band steht damit – sowohl, was das Musikalische als auch, was das Lyrische betrifft – in einer Reihe mit persönlichen Herzwärmern wie La Dispute oder Pianos Become The Teeth, deren letzte Alben in den vergangenen Jahren lauthals in mein Hörerherz gepoltert sind. Und obwohl mir das auf Dauer eine Spur zu – ich geb’s offen zu – heavy ist, hat das im September erschienene vierte Album der Post-Hardcore-Band aus Los Angeles, „Stage Four“, auch mich bewegt und innerlich aufgewühlt. Ja klar, Touché Amoré lassen dem Indierock etwas mehr Raum als noch auf den Vorgängern, richten manch ein Stück geradezu spartanisch ein (was den Texten nur noch mehr Gewicht verleiht), haben mit dem abschließenden „Skyscraper“ gar ein Gänsehaut-Duett mit Julien Baker (ja richtig, der jungen Dame vom Bronzeplatz) an Bord. Vergleiche mit The National verbieten sich trotzdem. Alle in allem: Wer Screamo-Schreihälsen und laut polternden Gitarren nicht komplett abgeneigt ist, den können diese elf Songs gar nicht kalt lassen. Isso.

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…und auf den weiteren Plätzen:

Savages – Adore Life

Kevin Devine – Instigator

Die Höchste Eisenbahn – Wer bringt mich jetzt zu den Anderen

 

  

Geheimtipp 2016:

drawing-circlesDrawing Circles – Sinister Shores

Alternativer, melancholischer Ambient könnte man das Ganze nennen, was das Trio aus Bonn das auf dem Erstling „Sinister Shores“ (deutsch, in etwa: unheilvolle Ufer) da fabriziert. Dabei flüstert und schreit Sänger Vincent, er singt und presst sich seine Gefühle von der leidwunden Seele, mal still und in sich gekehrt, dann wieder mit sich fast überschlagender Stimme und rauchig-laut anklagend. Mit Worten unterlegte Postrock-Schlummermusik aus deutschen Gefilden und auf (fast) internationalem Niveau? Ist genommen.


 
Enttäuschungen 2016:

wintersleep-the-great-detachment-500x500Wintersleep – The Great Detachment

Drei verdammt großartige Alben haben Wintersleep bis zum 2007 erschienenen „Welcome To The Night Sky“ hinbekommen. Mittlerweile jedoch – und auch diese Serie hält nun schon drei Werke an – lassen mich die Alben der Band aus dem kanadischen  Halifax, Nova Scotia von Mal zu Mal mehr kalt. Daran ändert leider auch das neue „The Great Detachment“ nichts. Hoffen wir, dass Paul Murphy und Co. den Hebel irgendwann wieder in die andere Richtung umlegen können…

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wvlplargeWill Varley – Kingsdown Sundown

„These are the most honest songs I’ve ever written and they represent new ground for me creatively. They may not be radio friendly, or even ‚friendly‘ at all, but I’ve been wanting to make a record like this for a long time.“ Stimmt, die elf Stücke von „Kingsdown Sundown“ sind – gerade mit den Vorgängern verglichen – ein recht radikaler Schritt des britischen Singer/Songwriters hin zu mehr Trostlosigkeit und zur düsteren Seite der Melancholie – Radiofreundlichkeit hört sich logischerweise anders an. Radikal nicht der Musik selbst wegen, denn auch die Vorgänger kamen oft als Wanderbarden-Nummern ganz auf der Akustischen aus. Vielmehr sind die Themen, die Varley anstimmt, die einer Zeit, die wenig Licht ins Dunkel lässt. Auf den vorangegangenen Werken – gerade dem großen „Postcards From Ursa Minor“ (siehe Platz 2 ) – wurde den dunklen Thematiken noch zumeist eine Prise Ironie entgegengestellt. Da diese hier fast gänzlich fehlt, legt sich einem „Kingsdown Sundown“ schnell aufs Gemüt. Repeat? Gern, aber wohl dosiert…

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radiohead-coverRadiohead – A Moon Shaped Pool

Die unfehlbaren Radiohead. Die Meister, wenn es darum geht, den dunklen Zeiten von Technologiewahn und Kapitalismus den entsprechenden Soundtrack zu liefern. Klar, ich liebe die Alben von „OK Computer“ über „Kid A“, „Amnesiac“ bis zu „In Rainbows“ aus so vielen Gründen (die wichtigsten, logischerweise: die Songs sind einfach großartig, die Werke wirken als Ganzes intensiv nach). Das größte Plus von Thom Yorke und Co. ist freilich, dass ihrem Konzept noch niemand so ganz auf die Schliche gekommen ist und sie durch so einige kluge Schachzüge der Vergangenheit mittlerweile absolute kreative Narrenfreiheit besitzen – und diese nutzen sie auch auf „A Moon Shaped Pool“, Studioalbum Nummer neun seit 1993, genüsslich aus. Das Ergebnis ist stiller, intimer als noch das vor fünf Jahren erschienene „The King Of Limbs“, das vor technoiden Experimenten ganz wirr war. Die elf zumeist neuen Stücke (einzig das abschließende „True Love Waits“ kennen Fans bereits längst als Live-Version) baden oft knietief in den Orchesterarrangements von Jonny Greenwood, hat doch der sonst als Gitarrist tätige Tausendsassa durch so einige Soundtrack-Arbeiten längst sein Faible für raumfüllende Musik entdeckt. Hinten hinaus hockt natürlich dann Chefgreiner Thom Yorke und verbreitet seine finsteren Gedanken zur Welt als solche und verarbeitet obendrein noch die „total einvernehmliche“ Trennung von Lebenspartnerin Rachel Owen, mit der er 23 Jahre liiert war und zwei gemeinsame Kinder hat (zum verdammten 2016 passt dann wieder, dass Owen vor wenigen Tagen im Alter von 48 Jahren starb). Ist alles nicht wirklich schlecht anzuhören, lässt mich jedoch ebenso kalt wie die Stimmung, welche Radiohead wohl stets im Sinn haben… Schade.

 
Rock and Roll.

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Song des Tages: Frightened Rabbit – „I Wish I Was Sober“


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Ich gebe es offen zu: Ich habe so meine Probleme, mit „Painting Of A Panic Attack„, dem aktuellen, fünften, im April diesen Jahres erschienenen Album des Schotten-Quintetts von Frightened Rabbit warm zu werden. Schon komisch, oder?

Dabei will ich gar nicht einmal sagen, dass die 12 (normale Version) beziehungsweise 15 Songs (Deluxe Edition) schlecht sind. Ganz im Gegenteil sogar. Das Album bringt viele der Trademarks mit, die bereits den vor drei Jahren erschienenen Vorgänger „Pedestrian Verse“ zu ANEWFRIENDs „Album des Jahres“ gemacht haben: der gen Firmament taumelnde gebrochene Hymnus des großartigen „Get Out“ etwa, während Frontmann Scott Hutchison singend darum fleht, dass eine bestimmte Person doch bitte, bitte aus den Kammern seines Herzens weichen möge, bevor diese ihrem Flimmern erliegen: „And now I know she won’t get out of my heart / She won’t“ – das ist schon fast ganz zum Anfang klassischer Songstoff der bereits seit 13 Jahren gemeinsame Sache machenden „Angsthasen“. Auch der ähnlich gelagerte Stampfer „Woke Up Hurting“ („Daylight / Woke up hurting / With tarmac to my side / I woke up with dirty knees / Not for the first time / I woke up hurting / Though I can’t quite say why“) oder „I Wish I Was Sober“, welchem zum gefühlt x-ten Mal ebenso schotten- wie FR-typische Themen wie den Alkoholrausch, Sucht, Zweifel und Bereuen zugrunde liegen, sind klare Highlights des Albums, die durchaus Ohrwurmcharakter besitzen.

3f7c802d8c8765a8301b1528b2354ec66d21f83cVielmehr macht „Painting Of A Panic Attack“ wohl das überaus großartig geratene vorherige Album zu schaffen, bei dem – zumindest für mich – so ziemlich jedes Stück ein Treffer mitten in mein kleines, ohnehin bereits vor allem schottischen Indie-Bands zugetanes Hörerherz war. Das will dem neuen Werk, welches vor allem von Hutchisons mit „ambivalent“ wohl noch milde umschriebenen Haltung zu Los Angeles, wohin er nach der Veröffentlichung von „Pedestrian Verse“ gemeinsam mit seiner Freundin zog (Ein Schotte! In Los Angeles! Aus dem düsteren Glasgow in die Sonne! Warum? – Das kann ja kaum gut gehen!), handelt: Mürbheit, Entfremdung, Depressionen, Lustlosigkeit, Flucht in die liquide Betäubung, ein stetes Stechen, welches diebisch grinsend zwischen Herz, Hirn und Brust hin und her wandert – an einigen Stellen weist Hutchisons Gefühlschaos gar kafkaeske Züge auf. Die Stadt der Engel scheint kein gutes Heim für die schottische Seele zu sein…

Jaja, Frightened Rabbit sind auch 2016 nicht der zweitliebste Spotify-Klickposten der tumben, partyverliebten David-Guetta-Fanschar, ist schon klar. Dass Scott Hutchison und seine Jungs aber bei genauerem Hinhören nie ins allzu Depressive abrutschen und sich und uns immer noch einen klitzekleinen Silberstreif am Horizont anbieten, sollte man ihnen auch auf „Painting Of A Panic Attack“, das seinen Albumtitel, eine Zeile aus dem Opener „Death Dream„, völlig zurecht trägt, zugute halten.

Trotzdem will ich auch nach vielen Durchläufen nie so warm mit dem aktuellen Werk, welches gar von The-National-Mastermind Aaron Dessner produziert wurde, werden wie noch mit „Pedestrian Verse“. Irgendwie fühlt sich’s nur halb toll an, bisher. Irgendwie gehen mir zwar viele der neuen Songs tagelang nicht aus dem Kopf, jedoch nicht mehr so nah ans Herz. Aber eventuell liegt das ja gar nicht an „Painting Of A Panic Attack“ selbst. Vielleicht liegt’s ja an mir. Oder an dem richtigen Moment, an dem es normalerweise „Klick!“ macht und man Hals über Kopf drin ist in diesem Album, und den es bislang noch nicht gegeben hat. Vielleicht liegt’s auch an Aaron Dessners Produktion, welche – gerade im Vergleich mit dem direkten Vorgänger – weniger kantig und zerbrechlich, dafür eine Spur glatter, kompakter und (zu Teilen) epischer ausgefallen ist – kein klares Manko, jedoch gewöhnungsbedürftig. Wasimmer es auch ist, alles in allem ist das noch immer Jammern auf ganz hohem Niveau.

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„Fall prey to the blizzard head
Wrapped my hand around the glass again
We all thought that I might change as I got older
Fell down and nothing bled
Wrapped in cotton alcohol again
To the hill hear from the prick upon my shoulder
Free pour the fruitless thoughts
It’s far too late to talk so much but
Still not giving up though
I wish that I was sober

Forgive me I can’t speak straight
Forgive me I can’t
Forgive me it’s far too late

Choke down the gateway drug
Opened the gates, in came the flood, it comes
Like a blush of love, it hits me without warning
Long nights of getting lost
Iwalk beneath the bridge I don’t know
I need black suit for tomorrow, I’m in mourning

My love you should know
The best of me left hours ago so
Shove it right into my mouth and let me smolder
Fallout and the damage done
I can’t un-sing the things I’ve sung
Still not giving up though
I wish that i was sober

Forgive me I can’t speak straight
Forgive me I can’t
Forgive me it’s far too late

Oh come and shake me till I’m dry
Oh I wish that I was sober
Oh come to me and kill the night off
I wish that I was sober…“

 

Auch toll: die bereits erwähnten Songs „Get Out“ und „Woke Up Hurting“ in Bild und Ton:

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,
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