Heute hätte Eunice Kathleen Waymon, die vielen wohl als Nina Simone bekannt war, ihren 90. Geburtstag gefeiert. Leider sorgt die legendäre US-amerikanische Jazz- und Blues-Sängerin, Pianistin, Songschreiberin und Bürgerrechtsaktivistin mittlerweile für Standing Ovations im Musikerhimmel, denn sie starb am 21. April 2003 im Alter von 70 Jahren. Hach, wie schön wäre es wenn viel mehr interessierte Ohren wüssten, dass die nahezu einzig wahre – Muse mal außen vor – Version von „Feeling Good“ von der Grande Dame des Jazz stammt (und nicht von diesem Schmonzetten-Bublé)…
Egal ob sie nun aus dem Musiker-Business, aus der Sportwelt, aus Hollywood oder dem Superhelden-meets-Superschurken-Universum stammen – der aus Israel stammende und in Kalifornien beheimatete Grafikdesigner Gil Finkelstein verjüngt unter dem Titel „The Baby Superstar“ via Instagram auf ebenso kreative und humorvolle wie herzallerliebste Weise die hinlänglich bekannte Prominenz, die zwar hier vor allem durch volle Windeln von sich reden machen mag, sich jedoch oft genug auch durch das ein oder andere „Markenzeichen“ zu erkennen gibt… Prädikat: sollte man gesehen haben.
Die Ursprünge des Liedes „Strange Fruit“ reichen mehr als 70 Jahre in die Vergangenheit, aufgrund der aktuellen Vorkommnisse in den USA – den anhaltenden Protesten in mehreren Teilen des Landes nach dem Freispruch des (weißen) Polizisten, der im August diesen Jahres in Ferguson, Missouri den unbewaffneten Teenager Michael Brown niedergeschossen hatte – gewinnt das Stück jedoch eine nahezu gespenstisch zeitlose Brisanz. Und die Tatsache, dass es sich bei dem tragischen Fall von Michael Brown eben um keinen Einzelfall, bei dem ein schießwütiger, (wohlmöglich) rassistisch motivierter weißer Polizist einen vermeintlich kriminell-gefährlichen Schwarzen niederschießt, handelt, zeigen Fälle wie der von Eric Garner vom Juli 2014 oder das jüngste traurige Beispiel aus Phoenix, Arizona. Auch 50 Jahre nach dem offiziellen Ende der Rassentrennung in den USA (durch den „Civil Rights Act“ von 1964) ist die Gleichstellung zwar schwarz auf weiß in den Gesetzespapieren verbrieft, jedoch noch längst nicht in den Köpfen so einiger Bürger des „land of the free and home of the brave“ angekommen. The times they aren’t a-changin’…
Dass erwähntes Lied – „Strange Fruit“ – auch ohne seine traurige Zeitlosigkeit so einiges an Geschichtsträchtigkeit per se in sich trägt, zeigt dessen Entstehungsgeschichte. Geschrieben von Abel Meeropol, einem russisch-jüdischen, linksintellektuellen Lehrer aus der Bronx, der kurz zuvor ein Foto der Lynchmorde an den beiden Schwarzen Thomas Shipp und Abram Smith in den Südstaaten der USA, das ihn nach eigenen Aussagen für Tage verfolgte und nicht schlafen ließ, als Gedicht zu Musik, erlangte es nach seiner Veröffentlichung in mehreren kleineren Magazinen und Zeitungen (jedoch nicht unter Meeropols Namen, sondern unter dem Pseudonym „Lewis Allen“) bereits einiges an Aufmerksamkeit. Doch erst als Barney Josephson, der Betreiber des New Yorker „Café Society“, davon hörte und Meeropol mit der schwarzen Jazz-Sängerin Billie Holiday zusammen brachte, sollte das Stück seine eigentliche Bestimmung finden. In Josephsons Café, in dem sich damals das Who-is-Who der linken und liberalen Intellektuellen sowie der New Yorker Bohème im Greenwich Village die Klinke in die Hand gab, wurde „Strange Fruit“ im Jahr 1939 als Lied uraufgeführt und sorgte mit seinem gespenstischen Text, der ebenso bezeichnend wie anklagend von der Schwarzen Billie Holiday vorgetragen wurde, für Gänsehaut. Und tut dies noch heute…
„Southern trees bear strange fruit Blood on the leaves and blood at the root Black bodies swinging in the southern breeze Strange fruit hanging from the poplar trees
Pastoral scene of the gallant south The bulging eyes and the twisted mouth Scent of magnolias, sweet and fresh Then the sudden smell of burning flesh
Here is fruit for the crows to pluck For the rain to gather, for the wind to suck For the sun to rot, for the trees to drop Here is a strange and bitter crop“
Dass Meeropols Biografie auch mit der des 1953 wegen Spionage verurteilten und hingerichteten US-amerikanisches Ehepaares Ethel und Julius Rosenberg verknüpft ist und ausgerechnet Holiday selbst später in ihrer Autobiografie behauptete, dass ihr das Stück nicht von Meerepol, sondern von ihrem damaligen Klavierlehrer Sonny White geschrieben worden sei, sind hierbei nur zwei von unzähligen Anekdoten rund um den Legendenstatus des Songs. Interessant auch: Ausgerechnet das „Time Magazine“, das das Lied 1939 noch als „musikalische Propaganda“ verunglimpft hatte, ernannte „Strange Fruit“ 60 Jahre darauf zum „Song des 20. Jahrhunderts“.
Über die Jahre wurde „Strange Fruit“ von allerhand namenhaften wie unbekannten und selbstberufenen Künstlern gecovert und neu interpretiert (darunter etwa Jeff Buckley, Nina Simone, Annie Lennox, Tori Amos oder Tricky, während zum Beispiel der nicht eben für Tiefstapelei bekannte Kanye West ein Sample des Songs auf seinem bislang letzten Album „Yeezus“ verwendete). Billie Holidays Interpretation bleibt jedoch auf ewig unerreicht.
Wer mehr über die Hintergründe von „Strange Fruit“ erfahren möchte, dem bietet das Internet freilich massig Quellen – etwa Wikipedia oder diese audiovisuelle Reportage auf npr.org von 2012…