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Song des Tages: The Screenshots – „Wir lieben uns und bauen uns ein Haus“


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Die „Generation Internet“ fördert ja vor allem im musikalischen Bereich so einige interessante Entwicklungen und – gerade durch die Brille gesetzterer Semester – gruselige Neuschöpfungen zutage. Da werden Charts derart durch Klick-Baits und Streaming-Eintagsfliegen verunstaltet, dass selbsternannte „Künstler“, von denen wohl außerhalb ihres Genres (geschweige denn ihrer digitalen Fan-Crowd) bislang kein – pardon my French!Schwein je gehört hat, plötzlich als mehrfache Nummer-eins-Hit-Lieferanten geführt werden. Wo interessierte Hörer früher noch vor Plattenläden Schlange stehen mussten, reichen heute drei, vier Klicks, um Zugang zu ganzen Diskografien zu erlangen. Regnet’s draußen? Stört mich nicht. Keine saubere Hose? Brauch‘ ich nicht. Ach du schöne neue Netzwelt…

Ebenso frisch ins Sortiment der tönenden Neuschöpfungen genommen: Die „Twitter-Band“. Gibt’s nicht. Doch, doch. Und wer nun ebenso Unsägliches befürchtet wie etwa beim Thema „Cloud Rap“, den belehren The Screenshots eines Besseren.

Deren drei Teile, die sich relativ nonchalant Kurt Prödel, Susi Bumms und Dax Werner nennen, lernten sich vor nicht allzu langer Zeit dank ihres jeweils recht regen Mitteilungsbedürfnisses auf dem US-Mikrobloggingdienst mit dem hellblauen Vögelchen im Logo kennen. Und da alle rein zufällig Hausschlüssel für Türen in der „Powerstadt“ Krefeld besaßen, beschlossen sie, denn mal eben eine Band zu gründen.

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So viel breitbandbetriebener Sinn für schnellschießende Slogans und Schnapsideen kann schnell schal bis – jawoll! – scheiße klingen – tut es jedoch im Fall von The Screenshots nicht (oft). Im besten Fall liefern Kurt Prödel, Susi Bumms und Dax Werner auf ihren im vergangenen Jahr via Bandcamp veröffentlichten (Mini-)Alben „Ein starkes Team“ und „Übergriff“ (beide liegen mit Längen von gerade einmal 18 beziehungsweise 24 Minuten ganz im Trend aller urbanen ADHS-Hipster-Fashionistas und stehen via Bandcamp wahlweise kostenneutral zur Verfügung) zu rumpeligem Punkrock und mit sich überschlagender Stimme mantraartig vorgetragene Plattitüden aus der digitalen Welt und offenbaren an manch einer Stelle durchaus tiefenscharfe Analysen des Jetzt.

Da ist einiges an ähnlich intelligentem Stumpfsinn, der einst zu den Geburtshelfern des deutschen Punk (Duftmarken: Hans-A-Plast, Abwärts) gehörte, viel Lust an dezent dadaistischem Sarkasmus, eine Prise Lebenswichtigkeit, die Rockmusik hin und wieder für sich reklamiert, das schmelzig-schroffe „Duhuhu“ des Schlagers, aber auch eine an „Hamburger Schule“-Bands wie etwa Tocotronic oder Blumfeld erinnernde Ahnung von Wut und Irritation, die die Songs proberaumig rumpeln lässt. Denn was irgendwo rumort, muss schließlich raus, die wahren Themen liegen ja auf der Straße: Liebe, Geld, Europa, Fußball. „Manchmal ist auch eine WM in einem anderen Land, dann grillen wir dicke Würstchen, und zünden dann was an.“ Viele kleine Antithesen zu den Tweets eines Donald J. Trump…

81uHkPLy6hL._SY355_Wenig verwunderlich also, dass The Screenshots, die beide Digital-Werke im vergangenen Dezember ganz großstädtisch und hipster-esk noch einmal auf der „Europa LP“ gebündelt veröffentlicht haben (obwohl laut eigener Aussage keiner der drei einen Plattenspieler besitzt), vor allem in der digitalen Welt allerhand Kuss-Emojis zufliegen. So bescheinigt „ZEIT Online“-Schreiberling Lars Weisbrod den Krefeldern “Diskurspop auf der Höhe der Zeit”, „Rolling Stone“-Redakteur Jens Balzer hörte in Stücken wie „Deutschland„, „Fußball ist cool„, „Cornetto“ oder „Männer“ gar den “aufregendsten deutschsprachigen Gitarrenrock der Stunde”, der sich „unironisch ins Mark der Postinternet-Generation” (sehrsehrgutetexte.com) spielt. Und Jan Böhmermann? Der holte die Band, nachdem sich diese zu Stammgästen in seiner Spotify-Playlist entwickelten, gar für ihren ersten TV-Auftritt überhaupt in sein „NEO Magazin Royale“, wo The Screenshots im vergangenen Dezember den Song „Google Maps“ zum Besten gaben. Wenn man bedenkt, dass das Trio mit seinem Liedgut, bei dem man sich nie so ganz sicher sein kann, ob da nun übermäßig viel oder besorgniserregend wenig Ironie mit an Bord ist, ähnlich oft auf der humorigen Rasierklinge tanzt wie ebenjener Jan Böhmermann und sein Kreativteam, passt das bestens.

Nee, The Screenshots wollen ganz sicher keine ewiglichen Meisterwerke liefern. Aber mit ihren Zeitgeist-Kommentaren aus der Post-Internet-Punk-Perspektive surfen Kurt Prödel, Susi Bumms und Dax Werner verdammt stilsicher auf ihrem tönenden hellblauen Vögelchen…

 

 

Für das Musikvideo zum neuen Song haben The Screenshots – Newcomer hin, Newbies her – echte Starpower versammelt, schließlich stehen da Indieschuppen- und Stadionrock-Größen wie Thees Uhlmann, Judith Holofernes, Olli Schulz, Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg oder Die Ärzte in piefiger Baumarkt-Kulisse Spalier – irgendwie. Glaubste nicht? Schauste hier:

 

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Rock and Roll.

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„Eier aus Stahl“ – Jan Böhmermann nimmt sich die deutsche Musikindustrie vor


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Mittlerweile darf man schon fast seine Uhr danach stellen, dass Jan Böhmermann und sein „NEO Magazin Royale“-Team Woche um Woche für ein kleines Skandälchen sorgen. Mal müssen die Altbier-Punks der Toten Hosen dran glauben, mal die „Schwiegertochter“-Kuppel-Schmalzbirne Vera Int Veen, mal der von nicht eben kleinen Teilen des eigenen Volkes bejubelte türkische Irre vom Bosporus (ganz nebenbei: Liebe Türken, das hatten wir hier in Deutschland auch schon mal – ist nicht gerade gut ausgegangen…), mal das weibliche Selbstverständnis, mal der auch so integre Sänger-Schauspieler-und-jetzt-auchYouTube-Manager Tom Beck, jüngst auch – in gewohnt großartiger Manier – der Bundesvorsitzende der deutschen Polizistengewerkschaft, Rainer Wendt. Was der „blasse dünne Junge“ und seine Crew anpacken, wird meist zu einem ebenso bissigen wie unterhaltsamen Rundumschlag gegen die, die’s verdient haben – und regt darüber hinaus zum Nachdenken an.

In dieser Woche und Ausgabe des „NEO Magazin Royale“ nimmt sich Böhmermann ganze 22 Minuten, um in „Eier aus Stahl: Max Giesinger und die deutsche Industriemusik“ mit der – jawollja! – deutschen Musikindustrie am Beispiel von Max Giesinger (der Name selbst war mir vorher kein Begriff, ich höre jedoch auch kein Radio), dem Echo und vielen anderen abzurechnen und aufzuklären:

„Uff. Der ECHO – der wichtigste Preis der sehr guten deutschen Musikindustrie – wird leider auch in diesem Jahr wieder verliehen. Wie zu erwarten, regen sich alle auf: FREI.WILD sitzen in der ECHO-Jury, die Onkelz sind sogar nominiert – es ist alles noch mehr Nazi, noch rechter, noch schlimmer als in den Jahren zuvor. Dabei sind die deutschnationalen Norditaliener von FREI.WILD und die Geh-Deinen-Weg-auch-wenn-er-falsch-ist-und-alle-Dich-scheiße-finden-Rock-Onkelz zwar das offensichtlichste, nicht aber das eigentliche Problem des ECHO und der deutschen Musikindustrie. 

Wir müssen reden – über Menschen, Leben, Tanzen, Welt, über ‚einen von 80 Millionen‘ sowie seine Kunst und das große Missverständnis in der deutschen Popmusik.“

Am Ende des Clips zeigen Böhmermann und sein Team noch, wie sie einen Songtext von Schimpansen, die Tweets der YouTuber BiBi und Sami Slimani, aber auch Werbeslogans aneinanderreihen, „schreiben“ lassen und zu einem nahezu perfekten Popsong verarbeiten, welcher im Formatradio zwischen all den Tim Bendzkos, Philipp Poisels, Silbermonds und Helene Fischers (sowas wird doch da gespielt, oder?) gar nicht auffallen würde. Das Musikvideo des fertigen Songs „Menschen Leben Tanzen Welt“ von *hust* Jim Pandzko feat. Jan Böhmermann findet Ihr weiter unten. Herrlich. Nimm das, Matthias Schweigerhöfer! Fick dich, selbstverliebte Echo-Jury!

 

 

 

Rock and Roll.

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Sehenswert: Jan Böhmermann über die Ökonomie der Aufmerksamkeit


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Dass Jan Böhmermann und ich zwar nicht immer, aber immer öfter einer Meinung sind, dürfte ja hinlänglich bekannt sein.

In der letzten Ausgabe seines „NEO Magazin Royale“ am vergangenen Donnerstag (09. März) gab der „blasse dünne Junge“ eine Lehrstunde in Sachen Aufmerksamkeitsökonomie und erklärte, warum es rechtspopulistische Politiker derzeit spielend schaffen, in die Medien zu kommen, während ein konkreter Diskurs über notwendige politische Veränderungen vollkommen abgewürgt wird. Mit einer schlagenden Statistik demonstrierte er, warum Hillary Clinton zwar wesentlich mehr Wahlkampfetat zur Verfügung hatte, Trump aber allein schon wegen seiner fragwürdigen Kommentare und Twitter-Auswüchse um ein Vielfaches in den Medien präsent war.

Politiker wie Björn „Bernd“ Höcke, Marine Le Pen, Geert Wilders oder auch Recep Tayyip Erdoğan tun es dem US-Präsidenten nach und verkünden offen, wie sehr sie die Medien hassen (in der Türkei wird dann gleich ein guter Teil des verhassten Journalistenpacks auf die Straße gesetzt oder wandert gar hinter Gitter). Doch zugleich benutzen sie genau diese, um stets im Gespräch zu bleiben – mit Lügen, Provokationen, Manipulationen und populistischem Nonsense. Ganz im Stil von John Olivers „Last Week Tonight“ reihte Böhmermann ein wildes Argument an das nächste und sorgte mit spielerischen Graphiken und Studio-Spektakel, das er zwischen seine ernstgemeinten Einlassungen platzieren ließ, dass die Zuschauer sich an die eigene Nase fassen, um zu begreifen, dass sich die Populisten geschickt eine vor allem vom Internet neu aufgestellte Aufmerksamkeitsökonomie zunutze machen.

Weil die Menschen von den Medien immer mehr Superlative, Ausrufezeichen und Schickschnack verkauft bekommen (damit die Klicks kommen und die Auflagen steigen), imitieren diese Politiker, so Böhmermann, dieses Verhalten. Mit anderen Worten: Trump agiert nicht mit Hilfe des Internets anders als seine Vorgänger, er hat die Funktionsweise des Netz selbst zum Prinzip seines Handelns gemacht.

Die düstere Ambivalenz hinter dem Konzept, das die Populisten nun für sich auszunutzen wissen, entlarvte der Komiker zudem noch mit dem geschickt gewählten Titel des Beitrags, wie er in der ZDF-Mediathek oder auf YouTube zu finden ist: „Diese einfachen AfD-Tricks machen Dich BEKANNT und BELIEBT!“

Sehenswert!

 

 

Rock and Roll.

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„Sorry, Sie haben leider eine Scheide“ – Der „Neo Magazin Royale“-Beitrag zur Gleichberechtigungsdebatte


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Jan Böhmermann und sein „Neo Magazin Royale“-Team haben’s wieder getan: Nach dem #varoufake, #verafake, „Be deutsch!“ oder dem Erdogan-„Schmähgedicht“-Skandal, welcher lächerlicherweise haarscharf an einer bilateralen Staatskrise vorbei geschrammt ist, wurde in der neusten, gestern in der ZDF-Online-Mediathek veröffentlichten Sendung des „Neo Magazin Royale“ wieder ein wichtiges Stück kontroverse Unterhaltungsware, über welche sich nachzudenken lohnt, präsentiert…

Dabei hatte diesmal nicht Böhmermann selbst, sondern Giulia Becker, ihres Zeichens eine von zwei Gag-Schreiberinnen im Team des „Neo Magazin Royale„, ihren großen Auftritt: Mit ihrem Song „Verdammte Scheide“ spricht sie viele aktuell wichtigen Themen auf einmal an.

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„Geh‘ zum Fernsehen, haben sie gesagt, denn für eine Frau bist du irgendwie komisch“, steigt Becker zu sachtem Pianogeklimper in ihren Song übers Frausein ein. Lange rätselte sie, warum sie nur so anders behandelt werde im Böhmermann-Team. Wieso sie von ihren männlichen Kollegen gemieden wird und beim Mittag alleine essen muss. Wieso ihr nicht richtig zugehört wird, obwohl sie die besten Witze schreibt. Wieso sie nicht Boxen darf, oder sich an der Uni einschreiben.

Obwohl doch so viel mehr in ihr stecke als Gebäck, denkt sie, es liege an ihrem Bauch. Doch dann fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie hat eine Scheide! Und genau an der muss es liegen, schlussfolgert sie.

In dem Song und dem dazugehörigen Video kommt vieles von dem zu Wort, was gerade Thema ist: Bodyshaming, Gleichberechtigung, Emanzipation, veraltete Frauenbilder, sogar der fahrlässige Umgang mit Wörtern, ist „Scheide“ doch ein zutiefst mittelalterlicher Begriff. Gemeint ist – im Wortsinn – damit, neben einer Aufbewahrung für Hieb- und Stichwaffen, nämlich auch „Trennen, Scheiden“ (siehe Wasserscheide). Mit diesem Wissen klingt es plötzlich doch sehr respektlos, ernsthaft so ein Wort für ein Geschlechtsteil zu verwenden. Dennoch ist der Begriff teilweise noch in den Köpfen der Menschen verankert.

Klar übertreibt Giulia, wenn sie uns laufend mit ihrer Scheide penetriert (sic!). Aber das ist auch der Plan – und in dem Fall unverzichtbar und eine gute Entscheidung:

„Was ist so schlecht an mir? Eine Scheide. Was mach ich falsch? Eine Scheide. Warum werde ich so schlecht bezahlt? Eine Scheide. Worüber wurde noch nie ein Witz gemacht? Eine Scheide. Woher haben die alten, weißen Männer im Fernsehen Angst? Eine Scheide. Wer hat den dritten Teil von Bridget Jones geschrieben? Eine Scheide. Wer hat John F. Kennedy erschossen? Eine Scheide. Wer hat an der Uhr gedreht? Eine Scheide. Was reimt sich auf eine Weide? Eine Scheide. Wer hat das Gras weggerraucht? Eine Scheide. Unsere Erde ist? Eine Scheide.“

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Darin liegt – wie so oft bei den Aktionen des „Neo Magazin Royale“ – die Stärke des Songs, in dessen dazugehörigem Video Giulia Becker Unterstützung von – natürlich – weiblichen TV-Größen wie Ina Müller oder Nora Tschirner erhält. Denn hinter der humorigen, satirischen Behandlung dieses ernsten Themas steckt eine wichtige Botschaft: Körperliche Reduzierungen sind eben tatsächlich nicht mehr als zwar weit verbreiteter, im Endeffekt jedoch willkürlicher, fortlaufender Blödsinn. Vielleicht lernen wir ja was draus…

 

Rock and Roll.

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Böhmermann’s back! – #verafake und der Sand im Getriebe der Bloßstellerindustrie


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Mensch, Böhmermann! Der Bremer Jung‘ entwickelt sich so langsam aber sicher zu einem der verdientesten Kandidaten der „Person des Jahres“ (freilich im positiven Sinn)…

Und eigentlich hatte ich vor einigen Tagen vorgehabt, ein, zwei Worte zu dieser – mindestens unterhaltsamen – „Novo Magazin Khasan“ betitelten, liebevoll nachgeahmten Hommage, die sich da ein medienaffiner Fanboy ausgedacht hat, zu verlieren, während Jan Böhmermann und sein „Neo Magazin Royale“ eine selbstverordnete mehrwöchige (Zwangs)Pause eingelegt haben – Sie erinnern sich wohl: „Schmähkritik„, Böhmi vs. Recep Tayyip Erdoğan, Anzeige aus der Türkei, eine scheinbar überforderte Bundeskanzlerin und eine drohende, an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Staatskrise, ausgelöst von einem forschen Moderator einer immer besser werdenden Show auf einem öffentlich-rechtlichen Spartensender… Kam ich zeitlich nicht dazu, kann ich hiermit auch vergessen (den Link zur einmaligen Episode von „Novo Magazin Khasan“ lasse ich trotzdem da), denn Böhmermann und seine „Neo Magazin Royale“-Mannschaft haben sich am vergangenen Donnerstag mit einem medialen Paukenschlag zurückgemeldet. Klar, einfach so konnte er – einem veritablen Gast wie Gregor Gysi zum Trotz – nach all dem „Ziegenficker“-Bohei irgendwie nicht weitermachen. Aber mit seiner neusten Aktion hat Böhmi wohl sogar sich selbst noch einmal überboten…

Denn unter dem Hashtag #verafake hat Jan Böhmermann nun die nächste subversive Aktion ausgeheckt, im Geheimen geplant und erfolgreich durchgeführt. Um die an Menschenverachtung grenzende Bloßstellung von *hust* Individuen mit überschaubarem Intellekt in der RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ aufzuzeigen, hat das Team von „Neo Magazin Royale“ zwei Schauspieler engagiert, die als debile Vater-Sohn-Kombi für die voyeuristische Verkupplungsshow angemeldet wurden. Das Casting-Team von „Schwiegertochter gesucht“ schien vom 21-jährigen Duisburger Robin und seinem Alk vernichtenden Vater begeistert gewesen zu sein und holte die beiden in die Sendung. Und siehe da: Obendrein wurden Simon Steinhorst alias „Robin, der einsame Eisenbahnfreund“ und Andreas Schneiders alias René Schulte sogar (temporär) zum beliebtesten Heiratsanwärter-Team der aktuellen Staffel.

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Dass der Kölner Privatsender mit den drei Buchstaben nie für Qualitätsfernsehen mit intellektuellem Mehrwert stand, dürfte für niemanden neu sein. Dass RTL – spätestens seit den Neunzigern – offensiv seinen Teil zur kollektiven Volksverdummung beiträgt und all jene nur allzu gern verarscht, die ebendas bereitwillig mit sich tun lassen, auch nicht. Und irgendwie schlagen Böhmermann, dessen Hass auf Privatfernsehen und dessen Mechanismen hinlänglich bekannt sein dürfte, und sein Team den Privatsender mit seinen eigenen Waffen, denn war es nicht unlängst RTL, dass den 73-jährigen Enthüllungsmann Günter Wallraff zu sich ins Boot holte, um unter dem Titel „Team Wallraff – Reporter undercover“  Missstände in Burgerbratereien oder Krankenhäusern aufzudecken? Also drehen Böhmi und Co. den Spieß um, betreiben den unglaublichen Aufwand, in Duisburg eine Wohnung anzumieten, diese komplett spleenig mit Sammelobjekten von „Schildkrötenfan Robin“ und allerlei leeren Bierflaschen von Vater Schulte einzurichten und die beiden fiktiv-übertriebenen Charaktere dann bei „Schwiegertochter gesucht“ anzumelden. Dass das Team von Moderatorin Vera Int-Veen dem von „Neo Magazin Royale“ – die sich hier, in Anlehnung an Wallraff, schelmisch augenzwinkernd „Team Royaleraff“ nennen – auf den Leim geht, ist irgendwie bezeichnend, geht es RTL doch um nichts anderes, als Menschen für möglichst kleines Geld und maximale Profite bloß zu stellen. Bloßsteller stellen Bloßsteller bloß – genial. Dass all die ad-hoc-Reaktionen seitens RTL lediglich halbherzig ausfielen, ist nur umso bezeichnender.

Jan Böhmermann und sein „Neo Magazin Royale“ werden mit dieser geradezu unglaublich guten Enthüllungsaktion, mit der die Show eine Rückkehr mit Ausrufezeichen feiert, freilich kaum die Welt verändern. Aber sie zeigen immer und immer wieder – ob nun mit früheren Aktionen wie dem „Be deutsch!„-Rammstein-Karaoke oder jüngst der Erdogan-„Schmähkritik“ – auf, in welch perverse Richtung sich diese Welt – auch abseits der Medien – entwickelt. Nein, dadurch werden keine Kriege gestoppt, Hungersnöte in Luft aufgelöst oder Blinde wieder sehend gemacht. Aber überraschende Aktion wie diese sollten jeden zum Nachdenken anregen – und sei es nur über die eigenen Fernsehgewohnheiten. Oder, im besten Fall auch: mit Niveau unterhalten. Und das kann aktuell niemand besser als Jan Böhmermann. Basta.

 

Mit #verafake wird klar, wie sehr Böhmermann und sein „Neo Magazin Royale“ in den letzten Wochen gefehlt haben, aber jetzt sind sie ja glücklicherweise wieder zurück – hier könnt ihr die Aktion sehen:

 

Rock and Roll.

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„BE DEUTSCH!“ – Jan Böhmermann hat’s erneut getan…


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Jan Böhmermann, wöchentlicher Talker des „Neo Magazin Royale“ auf zdf_neo und – nebst der „Anstalt“ – die aktuell unbestritten wichtigste Satireinstanz im deutschen Fernsehen, hat es erneut getan: nachdem er (wohl nicht nur) mir vor etwa einer Woche in der letzten Sendung des „Neo Magazin Royale“ mit vielen wahren Worten zur derzeitigen Situation in Europa quasi aus dem Herzen gesprochen hat, haben „Böhmi“ und sein Team nun erneut ein aufwändig produziertes Video veröffentlicht, das für viel Wirbel sorgen dürfte (und es bereits tut). Der Titel: „BE DEUTSCH! [Achtung! Germans on the rise!]“ Thema diesmal: Was heißt es eigentlich, „deutsch“ zu sein? Böhmermanns Antwort an alle AfD-Verwirrten, alle PEGIDA-Pöbel, alle Clausnitz-Dummköpfe ist klar: Ihr seid nicht das Volk! Denn die AfD-Anhänger, die Fremdenfeinde – sie sollen nicht bestimmen, was es heißt, „deutsch“ zu sein.

boehmermann--1-Freilich spielt das Video während der viereinhalb Minuten mit so ziemlich allen deutschen Klischees, während Böhmermann dazu im teutonisch korrrrrrekten Rammstein-Stil sprechsingt – passt ja: die Band hat auch und vor allem im Ausland großen Erfolg und gilt dort als Inbegriff des *hust* Deutschen.

Zu Beginn des Videos sind die bekannten Szenen von Clausnitz nachgestellt: ein Flüchtlingsjunge sitzt im Bus, wütende Demonstranten schwingen Schilder, auf denen etwa „Wir sind das Volk“ und „Überfremdung ist Selbstmord“ zu lesen ist. Böhmermann singt: „Achtung, Germans on the rise, but this time we are fucking nice.“ Eine Hoffnung, eine Mahnung an den „Rest“ Deutschlands, an all jene, die (bislang) passiv zugesehen haben, wie einige Wenige auch ihren Ruf im Ausland durch den nationalistisch-fremdenfeindlichen Dreck gezogen haben. Danach nimmt sich Böhmermann AfD-Cheffin Frauke Petry und Co. vor: „Authoritarian nationalist dorks, you are not the people, your are the past“. Ehrlich gesagt ein frommer Wunsch angesichts der 24 allarmierenden Prozent in Sachsen-Anhalt kürzlich…

Das Video jedoch propagiert das „gute Deutschland“, die toleranten, die mitfühlenden Menschen, die aus der Nazi-Zeit und aus den Fehlern vergangener Generationen gelernt haben: „Guten Tag, the true Germans are here, we are Xenophobic’s biggest fear!“. Dazu werden groß Attribute wie „nett“, „liberal“, „mitfühlend“, „rücksichtsvoll“, „vernünftig“, „sozial“ oder „gemäßigt“ ins Feld geführt – alles Eigenschaften, die „wir Deutsche“ wohl kaum als erste Eigenschaften mit uns selbst verbinden würden… Oder?

Klar ist Böhmermanns neuste vertonte Gesellschaftskritik herrlich plakativ – so sehr, dass man sie völlig zu recht „dämlich“ finden kann (womit man sich aber am Ende wiederum selbst das Klischeeschild des „humorbefreiten Deutschen“ unterhalb des Haupthaares pappt). Freilich sollen auch diese viereinhalb Minuten unterhalten, amüsieren, denn auch das darf und soll Gesellschaftssatire tun. Natürlich kocht der 35-jährige Medien-Tausendsassa, von dem hier auf ANEWFRIEND bereits 2014 zu lesen war und der für den verdammt schlauen Schachzug des #Varoufake kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, die Realität auf ein höchst leicht verdauliches Maß herunter, welches eben nicht ebenjener Realität einsprechen soll, sondern lediglich Hoffnungen schürt, dass sich der „gute“ Teil der deutschen Bevölkerung – jene stinklangweiligen Birkenstockträger, die Fahrradhelmarmee, die besorgten Eltern etc. pp. – ebenjenen „besorgten Bürgern“ entgegenstellt, die am Ende nur eines wollen: Hass schüren auf etwas, das sie nicht kennen. Nur in einem sind sich wohl sowohl Böhmermann als auch die Bumsbirnen auf der anderen, der hasserfüllten Seite einig: auf die Politik sollte man sich nicht unbedingt verlassen…

Wie auch immer man zu Jan Böhmermann und seiner neusten, „BE DEUTSCH!“ betitelten  Videoaktion stehen mag, tut er, tut sie doch vor allem eines: sie regt die Diskussionen über ein richtiges, ein wichtiges Thema an. Denn eines steht fest: wir alle sind dafür verantwortlich, zu verhindern, dass die Petrys, die LePens, die Wilders und Trumps dieser Welt wirklich etwas zu sagen haben. Böhmermann allein mag als moralische Instanz kaum dafür genügen. Aber er tut seinen Teil dafür, dass wir nicht vergessen…

 

 

Rock and Roll.

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