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Song des Tages #2: José González – „El Invento“


Foto: Promo / Hannele Fernström

¡Qué sorpresa! Der schwedische Singer/Songwriter José González meldet sich nach sechs Jahren mit der neuen Single „El Invento“ zurück. Und damit nicht genug, denn der Song ist obendrein sein erster auf Spanisch, der Muttersprache seiner argentinischen Eltern. Das bislang letzte Album des 42-jährigen Musikers mit der grandiosen, so unverkennbar samtigen Stimme, „Vestiges & Claws“, war im Februar 2015 erschienen. Bekannt geworden war González, von dem hier auf ANEWFRIEND bereits die Schreibe war, etwa mit einer eigenen Interpretation des The-Knife-Klassikers „Heartbeats“. In der Zwischenzeit kümmerte sich der Schwede etwas mehr ums Private und suchte nach neuen Anreizen in anderen musikalischen Gefilden. So war er unter anderem auf DJ Kozes 2018er Album „Knock Knock“ zu hören.

Beim Schreiben neuer Songs hatte der Indie-Folk-Musiker Hilfe, sagt er. So habe seine kleine Tochter ihren Teil zum kreativen Prozess beigetragen. „Ab und zu versuche ich, Texte auf Spanisch zu schreiben – dieses Mal ist es mir das erste Mal überhaupt gelungen! Ich denke, es hat geholfen, jeden Tag mit Laura Spanisch zu sprechen.“ Der kreative Prozess habe außerdem in etwa zeitgleich mit der Geburt seiner Tochter begonnen. Thematisch dreht es sich bei „El Invento“ also nicht ohne Grund um existenzielle Fragen. „Der Song handelt von Fragen: wer sind wir, wohin gehen wir und warum? Wem können wir für unsere Existenz danken?“, so González. „Historisch gesehen sind die meisten traditionellen Antworten auf diese Fragen frei erfunden. Daher auch der Name des Liedes: ‚El Invento‘ (Gott).“

Inzwischen ist José González zu City Slang gewechselt, jenem Berliner Indie-Label, auf dem bereits seine Band Junip ihre Platten veröffentlichte. Vielleicht ja ein kleiner Wink, dass in nicht allzu ferner Zukunft endlich ein neues Album ansteht…

Rock and Roll.

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Maastricht rockt (wenn auch selten)! – so war das „Bruis at the Docks“…


Bruis At The Docks

Da kandidiert Maastricht doch tatsächlich gemeinsam mit den umliegenden holländischen, belgischen und deutschen Regionen (zusammengefasst unter dem Terminus „Euregio Maas-Rhein“) als Europäische Kulturhauptstadt 2018! Sowas… Denn seien wir einmal ehrlich: was hat das limburgische Städtchen, das sich da so beschaulich im Dreiländereck räkelt, denn kulturell zu bieten? Okay, die etwa eintausendjährige Stadtgeschichte, der von zwei Weltkriegen nahezu verschont gebliebene historische Stadtkern, die vielen Kirchen – all das mag für Touristen recht interessant sein. Okay, die jährlich stattfindenden André Rieu-Festspiele mögen zu ziemlich jedes Rentnerherz höher schlagen lassen, denn immerhin ist der bräsig dauergrinsende Violinist, neben dem Weltklasseschwimmer Pieter van den Hoogenband, der wohl bekannteste Sohn der Stadt. Aber was hat Maastricht denn aus rein musikalischen Gesichtspunkten derzeitig für jemanden unterhalb der Rentenschwelle zu bieten? Genauer: jemandem, der eben nicht dem ansässigen internationalen Studentenmob in die zwei, drei 08/15-Diskotheken der Stadt und Region folgen mag? Gut, da gäbe es sicherlich eine handvoll Jazz-Kneipen, die ab und an zum stilvoll abgehangenen Easy Listening einladen. Aber sonst? Meist tote Hose!

Da ist es doch umso schöner, wenn der nach gehobener gitarrenlastiger Unterhaltung dürstende Musikfreund im Rahmen des derzeitig etwa halbjährlich stattfindenden „Bruis“-Festivals die Gelegenheit bekommt, wenigstens für ein paar Stunden innerhalb Maastrichts seinem „Rausch“ zu frönen, auf mehreren Bühnen Konzert um Konzert mitzunehmen und einige neue Eindrücke zu gewinnen. Und während die letzte Festivalausgabe noch an einem Sommerwochenende draußen unter freiem Himmel stattfand, gab es nun das „Bruis at the Docks“ unterm Fabrikdach sowie im Zelt. Verteilt auf zwei Tage bekamen die Besucher der örtlichen Muziekgieterij in der Timmerfabriek 18 Musikformationen geboten, welche im stündlichen Wechsel das bewusst recht schmucklose Ambiente beschallten. Und da das „Bruis“ nun eben weder das traditions- und namenhafte „Glastonbury“ noch das „Roskilde“ ist, wurden vor allem holländische und belgische Bands eingeladen, sich in diesem Rahmen vorzustellen, und das Line-up um international bekannte Bands wie I Am Kloot, Fidlar oder The Van Jets ergänzt. Dass für mich am Ende eine Band aus dem niederländischen Utrecht das wahre Samstagshighlight war (und somit gar die von mir heiß geliebten I Am Kloot ausstach), dürfte nur für die Gesamtqualität des „Bruis at the Docks“ sprechen…

Doch von Anfang an: mit einem 40-Stunden-Job im Rücken war es mir leider nicht möglich, mit dem Freitag auch den ersten Tag des „Bruis at the Docks“ mitzunehmen. Und da I Am Kloot (ich erwähnte es bereits: seit Jahren heiß geliebt) erst am darauf folgenden Samstag auf den Bühnenbrettern stehen sollten, entschied ich mich für ein relativ entspanntes Eintagesticket. Als wir um etwa 15.30 Uhr an der lediglich einen kurzen Fußmarsch von Maastrichts Stadtzentrum entfernten Timmerfabriek ankamen, war der zweite Festivaltag bereits in vollem Gange. Das erste Konzert-Bier in der Hand, sahen wir dem aus Utrecht stammenden Quartett Mister And Mississippi beim Soundcheck zu. Klingen interessant, die drei jungen Herren und eine Dame? Klingen vielversprechend! Ein Intro mit zwei Mini-Schlagzeugen, vom Geigenbogen gespielter E-Gitarre (Jimmy Page! Sigur Rós!) sowie heftig angeschlagener Akustischer! Mehrstimmiger Harmoniegesang, der mal an die Fleet Foxes gemahnte, oft an die jungen Geschwister von Mumford & Sons, und noch häufiger an die Isländer von Of Monsters And Men! Weiblich-männlicher Wechselgesang, der mich gar an Zeiten erinnerte, als Damien Rice und Lisa Hannigan noch gemeinsam Balsam um Hörerohren strichen (und das ist – aus meiner Tastatur – als großes Kompliment zu verstehen)! Mister And Mississippi – das selbstbetitelte Debütalbum ist seit wenigen Wochen auf dem Markt, den Namen sollte man sich verdammt noch eins merken!

Dass es die darauf folgenden Formationen angesichts dieser Vorlage schwer haben würden, mich noch mehr zu beeindrucken, ist durchaus verständlich. Doch nichtsdestotrotz wurde man als Zuschauer weiterhin glänzend unterhalten. Egal, ob nun von den belgischen Sir Yes Sir, die mit einer höchst affektiert agierenden Rampensau von Frontmann und Melodien à la dEUS zu glänzen wussten, oder dem an die Fleet Foxes oder Grizzly Bear erinnernden, seit 2010 bestehendem Folker-Sextett Dan San (ebenfalls aus Belgien), welches zwar musikalisch in eine ähnlich wohlige Kerbe schlug wie Mister And Mississippi, dabei jedoch etwas weniger Eindruck hinterließ. Dass Headphone (auch aus Belgien!) große Radiohead-Fans sind, dürfte außer Frage stehen. Dass ihre Songs genau dann, wenn sie Thom Yorke & Co. mit dezenten elektronischen Einschüben klanglich nacheifern (stylistisch etwa zwischen „The Bends“ und „Hail To The Thief“), dürfte ebenso klar sein. Denn bei Versuchen, sich mit Songs der zwei bereits erschienen Alben etwa in Richtung der Lederjackenrocker vom Black Rebel Motorcycle Club zu bewegen, wurde es dann doch etwas arg beliebig. A propos beliebig: BRNS aus – ja, ratet mal! – Belgien richteten sich mit zwei kompletten Schlagzeugen, einem massiven Keyboard und einer Gitarre im Halleninneren ein, begannen eindrucksvoll druckvoll, legten funky Beats über in Höhen schwingenden Gesang über Gitarrenfiguren über Elektronikloops, ließen Schlagzeugrhythmen einander doppeln – an den besten Stellen erinnerte all das an eine Fugazi-Ausgabe der Foals, meisten rauschte all das in seiner Hektik einfach nur am Ohr vorbei. Und wurde erst im letzten Song wieder großartig, als die vierköpfige Band noch einmal alles aus sich herausholte. Mein Wunsch: BRNS sollten versuchen, die live zur Schau gestellte Wucht auch auf ihre Alben zu transportieren, denn das aktuelle „Wounded“ klingt dann doch arg enttäuschend austauschbar. A propos beliebig, Teil zwei: The Van Jets sind: gitarrenorientierte Partyunterhaltung mit extrem hohem Fremdschämfaktor, einem albernen Frontmann, einem noch alberneren Bassisten. Langweilig, ereignisarm – zumindest für mich. A propos beliebig, Teil drei: Sungrazer machen mit ihrem Psycheldelic-Stoner Rock bereits seit 2009 die heimischen Niederlande unsicher. Ihr Problem, bei aller technischer Perfektion: sie kommen damit mindestens 15 Jahre zu spät… Und, zu meinem leichten Entsetzen: beliebig, Teil vier: John Bramwell und Band hätten zwar aus I Am Kloots ausgezeichnetem Sechs-Alben-Backkatalog, und damit aus den Vollen schöpfen können, doch irgendwie spielte die aus dem englischen Manchester stammende Gruppe, trotz – zumindest nach Außen – ausgezeichneter Stimmung mit ihren Pubrock-Weltumarmungshymnen tendenziell am beständig quatschenden Publikum vorbei und erreichte nur in wenigen Momenten – wie etwa bei „Hold Back The Night“ oder der Zugabe „Proof“ – wirklich die Hörerherzen. Und, welch‘ Sakrileg: mein persönliches Lieblingsstück „From Your Favourite Sky“ stand zwar auf der Setlist, klang jedoch nur bei Soundcheck kurz an! Da wäre für und von I Am Kloot deutlich mehr drin gewesen… Leider.

Da uns nach über acht Stunden Musik nicht mehr der Sinn nach dem Skateboard-Punkrock von Fidlar stand, traten wir um kurz nach Mitternacht den Heimweg an. Fazit: „Bruis at the Docks“ war eine rundum feine Sache. Und gerade in einer nicht eben als Konzerthochburg verschrieenen Stadt wie Maastricht eine gelungene Abwechslung… Gern wieder!

 

Zum Schluss noch ein Konzerttipp, denn am 30. April legen die zu recht hochgelobten Villagers, die auf ANEWFRIEND mit ihrem zweiten Album „Awayland“ unlängst das „Album der Woche“ ablieferten, einen Tourstop in den Hallen der Maastrichter Timmerfabriek ein. Unbedingt ansehen! Ich bin definitiv dabei.

 

Hier kann man sich den Song „Running“ vom kürzlich erschienenen Mister And Mississippi-Debütalbum anhören und bei Gefallen auch kostenfrei herunterladen…

 

…oder sich einen Sessions-Mitschnitt des Stückes „Northern Sky“ zu Gemüte führen…

 

…und das Video zum I Am Kloot-Song „Hold Back The Night“, welcher ein der wenigen Highlights des leider recht mittelmäßigen Festivalauftritts war, ansehen:

 

 

Natürlich hat ANEWFRIEND auch wieder die ein oder andere optische Festivalimpression für euch parat:

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(alle Fotos: ANEWFRIEND)

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Nachdem ANEWFRIENDs aktuelles „Album der Woche“ vor Kurzem bereits probegehört werden konnte, gibt’s hier ein paar Worte zu…

Dry The River – Shallow Bed (2012)

„At the bottom of our rotten boat there is a lake / Things with many limbs are creeping round my teenaged legs / Late October, old wives’ summer, I’m all arms and legs / Spread out like an adolescent on my shallow bed.“ 

Wer mit solchen Worten in (s)ein Debütalbum einsteigt, es mit „You took me to the lion’s den“ beschließt, und obendrein noch das Gemälde eines bedrohlich dreinblickenden Hais aufs Cover packt, muss sich nicht wundern, für einen leicht verschrobenen Naturburschen oder Mystiker gehalten zu werden. Und so ganz falsch liegt man damit bei der Band um Sänger Peter Liddle auch nicht. Auf „Shallow Bed“ dreht sich, getreu dem Motto „back to the basics“, viel um Veränderungen – seien es nun Jahreszeiten, geografische Koordinaten, Lebensumstände oder Gefühle. Zeilen wie „This might be the coldest winter since records began“ (aus Bible Belt“) mögen wohl Kindheitserinnerungen an die norwegische Heimat Liddles geschuldet sein und geben grob die Gefühlsrichtung vor. Seine Mitmusiker Matt Taylor (Gitarre), Scott Miller (Bass), Jon Warren (Schlagzeug) und Will Harvey (Violine), welche wie Liddle eine Vergangenheit in diversen Punk- und Hardcorebands, die damals „wie At the Drive-In“ klingen wollten, aber auch eine klassische Musikausbildung (Harvey) bzw. eine Kindheit im Kirchenchor (Liddle), vorzuweisen haben, liefern dazu einen exquisiten Folk-Mix, wie man ihn etwa von Arcade Fire kennt. Die meisten der zwölf Stücke beginnen ruhig und werden meist nur von Liddles Stimme, welche mal an Antony Hegarty (Antony and the Johnsons), mal an Fleet Foxes-Frontmann Robin Pecknold erinnert, getragen, bevor sie zur amtlichen Klimaxsteigerung – Harmoniegesang inklusive! – ausholen, um schließlich am Zenit zu verglühen. Klar, diese Art Musik mag nicht jedermanns Sache sein. Natürlich sollte man als Hörer schon eine Vorliebe für Herzschmerzhymnen und vor allem Melancholie und Pathos mitbringen. Trotzdem können sich momentan viele auf das Quintett aus dem Osten Londons einigen – sei es nun, weil ihnen bereits Bands von ähnlicher Klangfarbe, wie Mumford & Sons oder die bereits erwähnten Fleet Foxes, den Weg geebnet und ein Publikum „vorsensibilisiert“ haben. Sei es nun, weil der von Produzent Peter Katis (u.a. Interpol, The National) maßgeschneiderte Klanganzug perfekt passt und bei aller Opulenz kein Gramm zuviel am Klangkörper aufweist. Oder weil sich Dry The River nach Veröffentlichung ihrer ersten EP „The Chambers & The Valves“ (2009) mit etlichen Konzerten und Vorgruppenauftritten, etwa von den Antlers, den Magic Numbers oder zuletzt Foster The People, kontinuierlich eine größere Hörerschaft und einen Platz in der „Sound of 2012“-Liste der BBC erspielt haben. Wer die viel beschworene Magie, mit welcher Dry The River den Hörer ohne Umschweife in Beschlag nehmen, nachempfinden möchte, dem seien das sakral anmutende „Demons“, das beinahe beschwingte „Shaker Hymns“ oder „No Rest“, welches eine Steigerung in unglaubliche Höhen zu Zeilen wie „I loved you in the best way possible“ und vollem Bandsound verzeichnet, empfohlen.

Solch‘ pastoralen, elektrisch unterstützten „lauten Folk“ (so beschrieb die Band einmal selbst ihren Stil) habe ich zuletzt 2004 von den seligen Hope Of The States auf deren Debütalbum „The Lost Riots“ (mehr dazu demnächst hier auf ANEWFRIEND) hören dürfen. Und wenn sich Liddle & Co. im offiziellen Albumabschluss „Lion’s Den“ in majestätische Klanghöhen spielen, hat man – Gänsehaut sei Dank! – das Gefühl, gerade etwas Großem lauschen zu dürfen. Mit einem Bein im naturbelassenen Neo-Folk und dem anderen knietief im rustikalen Grunge sind Dry The River eine der besten Bands, denen man 2012 auch hierzulande beim Wachsen zusehen darf. Dass sie mit „Shallow Bed“ Kritiker aller Lager auf sich vereinen können, wundert zu keiner der gut 45 Minuten. Dem Hai zum Trotz: Man muss wohl ein Stein sein, um das nicht toll zu finden. Ich bin kein Stein.

Mehr über die Band könnt ihr in diesem „Channel 4“-Feature erfahren…

 
…und euch die Videos zum fantastischen „No Rest“…

 
…sowie zu „The Chambers & The Valves“ ansehen:

 

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