Egal ob sie nun aus dem Musiker-Business, aus der Sportwelt, aus Hollywood oder dem Superhelden-meets-Superschurken-Universum stammen – der aus Israel stammende und in Kalifornien beheimatete Grafikdesigner Gil Finkelstein verjüngt unter dem Titel „The Baby Superstar“ via Instagram auf ebenso kreative und humorvolle wie herzallerliebste Weise die hinlänglich bekannte Prominenz, die zwar hier vor allem durch volle Windeln von sich reden machen mag, sich jedoch oft genug auch durch das ein oder andere „Markenzeichen“ zu erkennen gibt… Prädikat: sollte man gesehen haben.
Wenn ich an Neil Young denke, dann kommen mir so viele Dinge in den Kopf…
Mein Vater freilich, der mir den kanadischen Rockstar irgendwann während meiner Teenagerzeit ans Herz legte. Und logischerweise stieß er damit auf fruchtbaren Boden, hatte ich nicht ohnehin mein Herz längst an eine Musikrichtung verloren, die andere Leute nichtsachtend „Grunge“ schimpf(t)en… Und mir kommen freilich Pearl Jam in den Sinn, deren Karriere Young früh förderte, mit denen er 1995 das gemeinsame Album „Mirrorball“ auf den Markt brachte, mit denen er in dieser Zeit auf gemeinsame Tournee ging und auch über die Jahre immer eng verbunden blieb (so treten Eddie Vedder und Co. etwa in regelmäßigen Abständen in Youngs Charity-Konzertreihe „Bridge School Concert“ auf). Überhaupt: Young und der Grunge – war es nicht Kurt Cobain, Frontmann der anderen Grunge-Heroen Nirvana, der „Onkel Neil“ und seien Song „My My, Hey Hey (Out Of The Blue)“ mit der Zeile „It’s better to burn out than to fade away“ in seinem Abschiedsbrief zitierte, diese Worte zu seinen potentiell letzten und das Stück endgültig unsterblich machte? Mir kommt ein Familienfreund in den Sinn, den man, mit seiner grauen Mähne und seinem Enthusiasmus für (Rock)Musik, der dem meinigen nicht ganz unähnlich ist, ohne Zweifel und mit Fug und Recht als „Neil-Young-Ultra“ bezeichnen darf. Freilich darf man auch Youngs Engagement für den Umweltschutz und für soziale Gerechtigkeit nicht vergessen, sein Kampf gegen den multinationalen „Saatgut-Teufel“ Monsanto (kürzlich wieder aktuell geworden durch das so offensichtlich betitelte letzte Album „The Monsanto Years„, welches im vergangenen Juni erschien), sowie seine innige Liebe zu US-amerikanischen Oldtimern.
Und freilich ist da ja noch Neil Youngs Musik. „After The Gold Rush„, „Harvest„, „Rust Never Sleeps“ – nur drei von so einigen großen Alben. „The Needle And The Damage Done“, „Helpless“, „Like A Hurricane“, „Rockin‘ In A Free World“, „Cortez The Killer“, „Birds“, natürlich der unvermeidliche Lagerfeuer-Gassenhauer „Heart Of Gold“ – alles Songs, die nie schlecht werden. Dass der 1945 in Toronto, Ontario geborene Musiker bereits bei Formationen wie Buffalo Springfield, seiner elektrifizierten Stammtruppe Crazy Horse oder Crosby, Stills, Nash & Young (mit denen er seinerzeit auch beim legendären „Woodstock Festival“ auftrat) und in mehr als fünfzig Jahren Karriere schon mit so ziemlich allem, was im Geschäft Rang, Namen und Kredibilität zu haben scheint, auf gefühlt allen Bühnenbretter stand, bleibt da kaum aus.
Dass Neil Young heute stolze 70 Lenze jung wird, macht einem selbst wohl am meisten bewusst, wie die Zeit ins Land geht. „Onkel Neil“ war irgendwie schon immer alt, klar. Aber er wirkte nie so, war und ist eine Rampensau mit nimmermüdem Enthusiasmus und übers Herz gelegten Saiten. Für meine eigene Sozialisation gehörte er immer dazu, wird er immer tun. Gerade deshalb – und auch wenn ich jedes neue Album nur noch irgendwie am Rande mitverfolge – bleibt zu wünschen, dass es ihn, den selbsternannten „Hippie“, noch viele weitere Jahre auf den Bühnenbrettern halten wird. Denn alles andere wäre ein herber Verlust, ehrlich…
Singer/Songwriter gibt es – gerade in Zeiten des weltweiten Netzes – wie den sprichwörtlichen Sand am Meer, klar. Und die meisten von ihnen spielen viel eher die leisen Töne an, ihre Stücke möchten und müssen erarbeitet werden. Zum Nebenbeihören oder fürs Radio eignen sich ihre Songs nur in den seltensten Fällen, mit viel Glück findet sich der ein oder andere Beitrag als Teil der musikalischen Untermalung eines Films oder einer TV-Serie wieder – etwa im Fall von Damien Rice („The Blower’s Daughter“) oder Glen Hansard („Falling Slowly“, das im Zuge des Indie-Filmhits „Once“ sogar einen Oscar als „bester Filmsong“ einheimsen konnte). Doch trotz der Leisetreterei denken auch heutzutage jüngere Semester – und das beinahe 60 Jahre nach den ersten musikalischen Gehversuchen eines gewissen Robert Allen „Bob Dylan“ Zimmerman – nicht daran, Abstand von der Akustischen oder dem Piano zu nehmen. Klar, die Mittel und Wege mögen im 21. Jahrhundert ganz andere sein als in den Sechzigern, als man sich sein Publikum auf kleinen Caféhaus-Konzertbühnen noch peu à peu erspielen musste, anstatt Youtube-Videos von jetzt auf gleich einem Millionenpublikum feil zu bieten. Doch so anders klingen die Melodien auch heute nicht. Und die Nadel im Heuhaufen darf nun gern auf digitalem Wege gefunden werden. The times they are a-changin‘? Gar nicht mal so sehr.
Demzufolge ist auch Noah Gundersen, beheimatet in Seattle im Nordwesten der US of A, einer von vielen. Obwohl: beheimatet? Seit dem Erschienen seines Solodebüts „Ledges“ im vergangenen Jahr (sieht man mal vom vor vier Jahren veröffentlichten Album „Fearful Bones“ mit seiner Band The Courage ab) war der heute 26-Jährige quasi nonstop unterwegs, führte ein unstetes Nomadenleben on the road, um seine Stücke unters Hörervolk zu bringen. Und siehe da – er fand auch medial Gehör, denn unter anderem konnte der aufstrebende Singer/Songwriter gar den ein oder anderen Song in der erfolgreichen US-Bikerserie „Sons Of Anarchy“ unterbringen. In den besinnlichen Momenten der TV-Serie, welche unter der Sonne Kaliforniens spielte und im vergangenen Dezember nach sieben Staffeln zu Ende ging, waren dann etwa Gundersens Version des Rolling-Stones-Evergreens „As Tears Go By“ oder das eigens für die Serie verfasste „Day Is Gone“ zu hören. Dass die Macher von „Sons Of Anarchy“ zur musikalischen Untermalung ihrer bewegten Bilder auf Gundersen zukamen, kam wohl auch nicht von ungefähr, denn ebenso wie dem Bild von Lederkutten, heißen Öfen und noch heißeren Biker-Bräuten wohnt auch den Songs des Singer/Songwriters etwas uramerikanisches inne (insofern es das gibt): das gemeinsame Musizieren in Familie (so spielen Schwester Abby und Bruder Jonathan in seiner Begleitband), die beseelte Fiddle (etwa nachzuhören im Stück „Boathouse“ vom Debüt), dem A-capella-Harmoniegesang („Poor Man’s Son„), ein wenig Religiosität (mit dezent kritischem Augenmerk), Nachdenklichkeit und viel, viel Sehnsucht nach allem, was fern scheint. Gundersen selbst beschrieb seine Musik unlängst als „sad acoustic Americana“, und obwohl er damit gar nicht mal so falsch liegt, greift das freilich viel zu kurz. Sei’s drum. Alles in allem gelang ihm mit „Ledges“ ein formidables Album, welches es sogar unter ANEWFRIENDs Top 3 des Plattenjahres 2014 schaffte. (Dass der Rest Europas seinen Songs – bislang – die kalte Schulter zeigte, ist dabei einerseits schade, andererseits wohl der gefühligen Americana-Lastigkeit der Stücke geschuldet, für die man hier, auf der anderen Seite des Atlantiks, im Gros nicht wirklich empfänglich scheint.)
Umso höher ist nun die Messlatte für Album Nummer zwei. Und obwohl Noah Gundersen „Carry The Ghost“ nur knapp eineinhalb Jahre nach „Ledges“ abliefert, merkt man es den neuen Stücken, welche fast ausschließlich unterwegs in Hotelzimmern und Backstageräumen entstanden, an, dass es sich auch der Musiker selbst nicht zu einfach machen wollte. Denn mit den elf Songs des Debüts hat „Carry The Ghost“ nur noch wenig gemein.
„She watched the valley burn like a slow dancer doing turns / My name was on every tongue / And all of the smoke and ash Like the memory of the time gone bad / Hanging like a shadow“ – zu melancholischen Pianoklängen malt bereits die Eröffnungsnummer „Slow Dancer“ dunkle Bilder an die Studiowände, von denen sie sich auch nach dreieinhalb Minuten nicht so recht entfernt – dafür kommen sanfte Streicher und der Backgroundgesang von Schwester Abby hinzu. Ganz ähnlich verhält es sich darauf auch mit „Halo (Disappear_Reappear)“: „Take it like a man and shut your mouth / Yeah I could make it on my own / I watched my grandfather die alone“ – die zunächst beschaulich angeschlagene Elektrische ufert nach knapp drei Minuten aus gibt des Himmel für ein kleines Feedback-Solo frei, welches auch Neil Youngs Crazy Horse gut zu Gesicht gestanden hätte. Apropos Neil Young: das nicht tot zu kriegende kanadische Rock-Urgestein (beziehungsweise dessen richtungsweisende Alben wie „After The Goldrush“ oder „Harvest“) dienten Gundersen als eine der größten Inspirationen für die neuen Stücke. Und das hört man denn auch, etwa im Langsam-Schunkler „Show Me The Light“ oder dem Softie-Bekenntnis „I Need A Woman“ („I need a woman / To hold my hand / To make me feel / More like a man / I need a woman / It’s sad but true / I need a woman“). Eine andere Quelle muss wohl Ryan Adams gewesen sein, dessen 15 Jahre junges Solodebüt „Heartbreaker“ an so einigen Stellen ebenso gefühlt anklingt (und dem sieben Minuten langen vorletzten Song „Heartbreaker“, dessen E-Gitarren-Ausbrüche es obendrein erneut mit Neil Youngs Crazy Horse aufzunehmen scheinen, gleich seinen Titel leiht) wie Adams‘ spätere Werke mit seiner damaligen Begleitband The Cardinals und deren verstärkt elektrischer, oft in beseelte Jams mündender Americana-Sound. Mit dem vergleichsweise doch recht beschwingten Melodien von „Ledges“ haben die 13 neuen Stücke (oder drei Bonus Tracks mehr in der Deluxe Edition) von „Carry The Ghost“ indes weniger gemein. Gundersen zeigt sich, mal am Piano, mal an der elektrischen oder akustischen Gitarre, deutlich introspektiver als zuvor – etwa im feinen „Empty From The Start“ mit Zeilen wie „This is all we have / This is all we are / Blood and bones, no Holy Ghost / Empty from the start“ oder der kritischen Künstler-Betrachtung „Selfish Art“ („Sometimes / Making songs for a living / Feels like living to make songs /…/ I’m watching as the stage goes black / How long until we all go back / To being nothing at all / Nothing but a spark in someone’s eye / Am I giving all that I can give / Am I earning the right to live / By looking in a mirror / There’s nothing more sincere than selfish art“). Die klassischen Topoi des Singer/Songwriters – das Sentimentale, die Nachdenklichkeit, die beäugte Weltbetrachtung – finden auf „Carry The Ghost“ ebenso Platz wie Gundersens ganz private Dämonenkämpfe während des Touralltags oder – ebenso klassisch – die Sehnsucht nach Liebe und Frieden. Freilich erschweren soviele Ruhepole, erschwert soviel Introspektivität erst einmal den Zugang zum Album. „Carry The Ghost“ braucht Zeit, um sich zu entfalten. Gibt man dem Album in den schnelllebigen Zeiten, in denen wir leben, jedoch genau das, so wird man mit einem erneut großartigen Album belohnt. (Und der Rest Europas wird wohl wieder einmal weghören.)
Hier kann man das komplette Album im Stream hören…
…und sich hier die beiden Album-Highlights „Selfish Art“, „Halo (Diappear_Reappear)“ und „Heartbreaker“ in Live-Session-Varianten ansehen:
Wie passend übrigens, dass Noah Gundersen sich kürzlich mit Schwester Abby, die dieser Tage ihr Debütalbum „Aurora“ veröffentlichte, und der Band Whitehorse den Neil-Young-Evergreen „Helpless“ vornahm:
Und wie bereits in den vergangenen Wochen hat ANEWFRIEND auch diesmal einen – wahlweise – kostenlosen Download-Tipp für euch parat: Bei NoiseTrade kann man sich die sechs Songs starke „Carry The Ghost Primer“ EP, bestehend aus Stücken der 2014 erschienenen „Twenty-Something EP“ und von „Carry The Ghost“, aufs heimische Abspielgerät laden und einige von Noah Gundersens neuen Kompositionen vor dem Albumkauf probehören…
„One is the loneliest number that you’ll ever do / Two can be as bad as one / It’s the loneliest number since the number one / No is the saddest experience you’ll ever know / Yes, it’s the saddest experience you’ll ever know / ‚Cause one is the loneliest number that you’ll ever do / One is the loneliest number, worse than two…“
Gerade kam mir wieder dieses todtraurige Lied in den Sinn: Harry Nilssons „One„, mit welchem Aimee Mann 1999 – und damit stolze 31 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung – Paul Thomas Andersons nicht eben minder tragisches, mit Stars wie Tom Cruise, Julianne Moore oder William H. Macy nur so gespicktes Episodendrama „Magnolia“ einleitete. Dieser Film war aber auch der erste, in welchem ich Philip Seymour Hoffmanbewusst wahrnahm. Dabei war der damals 32-Jährige um die Jahrtausendwende beileibe kein Rookie, kein unerfahrener Schauspielnewcomer. Ganz im Gegenteil: Der 1967 in Airport, New York zur Welt gekommene US-Amerikaner hatte bis dato bereits in über zwanzig Filmen mitgewirkt, sich ganz klassisch über eine Schauspielausbildung an Tisch School Of Arts der New York University und vereinzelte Fernsehrollen peu à peu einen Namen in den Adressbüchern von Hollywoods Produzenten erspielt. Dass Hoffman nicht eher auf den ersten Besetzungszeilen der Filmplakate in Erscheinung trat, lässt sich wohl ähnlich leicht begründen: Der nach Außen oft so scheu und unaffektiert auftretende auftretende Mime war auf Zelluloid ein Darsteller der alten, so ganz und gar nicht grundlos hervorbrechenden Schule. Anstatt mit übertriebener Gestik den tumb-stoischen Filmberserker á la Stallone oder Schwarzenegger (ich bitte mir diese genrefremden Extrembeispiele im Zweifelsfall zu verzeihen) zu geben, wählte Hoffman Rollen im Hintergrund, anhand derer er großen Namen wie Jeff Bridges (in „The Big Lebowski“), Al Pacino (in „Der Duft der Frauen“), Robin Williams (in „Patch Adams“) oder Matt Damon (in „Der talentierte Mr. Ripley“) den Rücken zur Entfaltung ihrer eigenen Charaktere freihalten konnte. Dem blonden, oft mit Bart und feisten Gesichtszügen auftretenden Schauspieler genügten in seinen Nebenrollen oft nur wenige effektive Momente, um sein wahres Können aufblitzen zu lassen. Dass er sich in all den Jahren vom Who-is-who der qualitativ hochwertigen Hollywoodregieriege einweisen ließ – vom Dauerpartner Paul Thomas Anderson, mit dem er neben „Magnolia“ und zwischen 1997 und 2012 noch einige Hochkaräter mehr schuf (etwa die letzte Zusammenarbeit der beiden, „The Master“) über die Coen-Brüder („The Big Lebowski“) bis hin zu Joel Schumacher (Makellos“), Spike Lee („25 Stunden“) oder Cameron Crowe („Almost Famous“) -, dürfte dabei nur bestätigen, dass man in Los Angeles längst auf Hoffmans Fähigkeiten zu bauen wusste. Und so unterschiedlich die Filme, in welchen ihm eine mal mehr, mal weniger tragende Rolle auf den Leib gescheitert wurde, auch sein mochten, so sehr und nah blieb Hoffman doch bei sich selbst. Denn meist verkörperte der Profilmime Charaktere, die beständig nahe am Rande ihrer selbst agierten, die innerlich längst zerbrochen schienen und nie so ganz auf gut Freund mit dem Gros der ihnen zuwideren Gesellschaft machen konnten. Andererseits verstand Hoffman es, seine Rollen – wenn notwendig – mit einer Menge Herzlichkeit, Bodenständigkeit und Natürlichkeit zum Glimmen zu bringen. Welch eine Erfüllung es für ihn gewesen sein mochte, als er 2006 ausgerechnet für seine Verkörperung des nicht minder tragischen US-Allroundkünstlers Truman Capote den zweifellos verdienten Oscar als bester Hauptdarsteller (im Indepentent-Drama „Capote“) gewann? Man kann es wohl nur erahnen…
Wer jedoch von Philip Seymour Hoffman als ein „wandelbares Chamäleon“ spricht oder schreibt, der könnte falscher kaum liegen. Denn bei aller Kunstfertigkeit, bei allem Können kam dem Schauspieler wohl – und hier finden wir seine wohl größte Tragik – zugute, dass auch er selbst seit seinem Collegeabschluss auf schmalen Graten zu wandeln wusste. Wie Hoffman 2006 in einem Interview zugab, litt der dreifache Familienvater zu Anfang seiner Zwanziger gleich unter mehreren Abhängigkeiten (Alkohol und härtere Drogen – er übertrieb es laut eigener Aussage mit allem, was er in die Finger bekommen konnte), schaffte jedoch im Alter von 22 Jahren den vermeintlichen Absprung. Im Nachgang wirken so viele seiner Rollen mit all ihrer unprätentiösen Tragik, fehlenden doppelten Böden und schonungsloser Direktheit fast wie böse Omen, bei welchen sich bewahrheitet, dass man einem Menschen zwar ins Gesicht, jedoch nur all zu selten hinter die Fassade schauen kann. Und allein die Tatsache, dass sich Hoffman, dessen ungeschliffenes, oft zerzaust zutage tretendes Äußeres nie so ganz seine wahre Verfassung zu offenbaren schien, im vergangenen Jahr – und damit über 20 Jahre nach dem Lossagen von seinem persönlichen Drogensumpf – erneut für zehn Tage „wegen Problemen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten und Heroin“ in einen Entzugsklinik einweisen ließ, wirkte wohl viel zu nah an einer seiner Rollen (etwa die des drogensüchtigen Gangsters in Sidney Lumets famosem „Tödliche Entscheidung – Before The Devil Knows You’re Dead“), als dass man die wahre Brisanz der inneren Lage des Schauspielers wahrhaben wollte. So sehr nun über die tatsächlichen seelischen Schieflagen, die Abgründe, die Sackgassen spekuliert wird, so einfach und schwer wiegen doch die Fakten: Philip Seymour Hoffman wurde am Morgen des 2. Februar 2014 tot im Badezimmer seines Apartments im New Yorker Stadtteil Manhattan aufgefunden. Vielerwebs wird berichtet, dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Spritze im Arm des Schauspielers steckte, und auch die New Yorker Polizei geht davon aus, dass Hoffman an einer Überdosis Heroin starb. Mit Philip Seymour Hoffman verliert Hollywood einen seiner charismatischsten Profilschauspieler, dem seine Kunst nie zu schade für die zweite Reihe war. Freilich wird die Traumfabrik aus Geld und Zelluloid auch diese Lücke schnell zu schließen wissen – the show must go on. Freilich ist all das Reden und Schreiben vom „zu jungen Sterben“, die Überhöhung Hoffmans zur „Ikone der Darstellungskunst“ nur leidlich profanes Geschwätz für den Moment – the show will go on. Fakt ist: Philip Seymour Hoffman wählte im Alter von 46 Jahren den wohl einsamsten aller Wege. Ich werde seine Augenblicke in der zweiten Reihe vermissen.
„I had insecurities and fears like everybody does, and I got over it. But I was interested in the parts of me that struggled with those things.“
(Philip Seymour Hoffman in einem Interview mit dem Guardian, 2011)
Wie so oft finden auch andere Schreiberlinge in traurigen Momenten wie diesen wohl gewählte Worte – man lese etwa den Nachruf der deutschen Online-Ausgabe des „Rolling Stone“ -, während anderswo – beim „Spiegel“ – die Vorzüge der digitalen Welt gewählt werden, um Hoffmans vermeintlich beste Szenen Revue („die zehn besten Szenen seiner Karriere„) passieren zu lassen.
Dinge, für die man in diesen sonnigen Tagen wohl nur wenige Menschen begeistern können wird: Klöppelabende im örtlichen Gemeindehaus, philosophische Dauerdiskurse über die Lehren von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, eine Mount Everest-Besteigung – und die Songs von Leif Vollebekk.
Denn natürlich könnte sich der aus dem kanadischen Montreal stammende Musiker klanglich kaum ferner von Sommerhits und Ballermanndebilität bewegen. Vielmehr orientiert sich Vollebekk an Musikern wie Boy Dylan, Neil Young oder Nick Drake und lässt als personifizierter Leisetreter à la Kings Of Convenience seinen Stücken mächtig Raum zum Atmen und Entfalten. Hören konnte man das zuletzt auf dem im vergangenen Februar erschienen zweiten Album „North Americana“, dessen Titel kaum mehr über die zehn Stücke aussagen könnte – Americana-infiziertes Singer/Songwritertum, aufgenommen irgendwo zwischen Montreal, New York City und Paris, gedanklich hängen geblieben irgendwo in der Melancholie des Gestern und der Unausgeschlafenheit des Heute…
Dass Leif Vollebekk nicht nur traumhaft schöne eigene Stücke schreiben, sondern sich auch ordentlich darauf versteht, Stücke seiner Vorbilder und Inspirationsquellen zu interpretieren, beweist er auf der kürzlich erschienenen „Borrowed Time EP„, die Vollebekk’sche Coverversionen von Stücken der Beach Boys („Caroline, No“), The Killers („Read My Mind“), Neil Young („Barstool Blues“), Sigur Rós („Heysátan“) und Bob Dylan („Spanisch Harem Incident“). Erfreulicherweise wählte Leif Vollebekk hier nicht etwa die bekanntesten Songs der Künstler aus, sondern tatsächlich ein paar seiner eigenen Favoriten – was uns glücklicherweise die gefühlt 500. jeweilige Interpretation von „Surfin‘ USA“, „Heart Of Gold“ oder „Blowin‘ In The Wind“ erspart… Noch besser: Die „Borrowed Time EP“ verschenkt der Kanadier für lau und komplett kostenlos (!) auf seiner Homepage! Da sollte man dann doch schon zugreifen – und sich die Songs notfalls für kühle Herbst- und Wintertage neben den Kamin legen…
„In the hot summer of 2012, I got the band together to play 5 songs. Well, 6, but that Strokes cover just didn’t make it. But it was one of the most memorable times in the studio for me. Everybody was really focused, and there was no ego. David Smith, who worked on my first record, set up all the microphones and got just the sound I was looking for. Putting live August air onto 2″ tape.
Caroline No might not be my favourite Beach Boys song, but I’d just learnt all the chords and they were just too pretty not to try. I love Hans’ bass playing on this one, very lyrical. Read My Mind came out a bit earlier this year, and I can’t say enough enough about Phil’s drum part. He’s just so artful. Barstool Blues is really a beautiful song, especially when you get to slow it down like we did. On Heysátan, Adam and I made some tape loops, him on Saxophone and myself on bowed acoustic guitar. This is a song that came out when I was living in Iceland and, to this day, it still takes me back. And, lastly, Spanish Harlem Incident is a great song that, like a lot of Dylan songs, has all of these secret melodies inside of it. It’s a bit raggedy since at times we couldn’t hear each other in the studio, but I like how that feels. Some of my favourite recordings seem to fall apart each time I hear them, and sometimes that’s what keeps me together.
Anyhow, hopefully you’ll enjoy listening to these songs as much as we enjoyed playing them.“
(Leif Vollebekk)
Vor dem kostenlosen Download können bislang Unentschlossene hier alle fünf Stücke probehören…