Zu Beginn gleich mal ein wenig Klugschiss: In vino veritas. Was das nun mit den zum Trio angewachsenen Talk Music-Berserkern von Listener zu tun hat? Nun, mehr oder minder ums Eck gedacht: Eine ganze Menge. Denn Stimme und Bassfahrwerk Dan Smith, Gitarrist Christin Nelson und Schlagzeuger Kris Rochelle hätten für ihr im Rahmen der „Tour Is Not A Machine“-Tournee absolviertes Konzert im Aachener Musikbunker durchaus einen günstigeren Zeitpunkt treffen können…
Es ist Samstag in der westlichsten Großstadt Deutschlands. Mehr noch: Es ist Weinfest. Und so scheinen selbst bei mäßigem Wetter mehr „Öcher“ (für alle Unkundigen: die Bewohner Aachens) irgendwo zwischen Pontstraße und Katschhof abhängen zu wollen als im in Würde verranzten, betongrauen Musikbunker. Natürlich könnte man sich Besseres vorstellen, als sich gegen 20 Uhr in die Kellerkatakomben dieses Konzert- und Proberaumkomplexes zu verirren, in dem bei Regen (wie am vergangenen Samstag) auch schon mal die ein oder andere Wasserpfütze in den spärlich beleuchteten Gängen zusammenlaufen mag, und den Ortsunkundigen hier und da vermuten lässt, dass plötzlich eine Horde vergreister Altnazis aus dem Dunkel springen wird, um einen zur Gründung einer teutonisch korrekten Altpunkband und/oder zum kollektiven Dosenbierabsturz einzuladen. Jedoch: Nichts davon sollte am vergangenen Samstag passieren. Listener, jenes höchst besondere Drei-Mann-Ungetüm aus dem mittleren Westen der USA, machten Halt in der nordrhein-westfählischen Domstadt. Dass ihr Publikum am Ende lediglich aus überschaubaren 50 bis 60 Zuhörern bestand? Störte – zumindest merklich – keinen.
Die in Aachen heimische Band Nachtegal gab mit einem 25-Minuten-Set dabei den Anheitzer für Dan Smith & Co. Muss man sich den Namen merken? Nun, die Band machte aus der berichteten Not – ihnen sei vor wenigen Wochen der Schlagzeuger abhanden gekommen – eine Tugend, baute eine Standtrommel auf und verliehen ihren Post Punk-Songs, die nicht selten vermuten ließen, dass sich da Baroness plötzlich an Turbostaat-Stücken vergehen, so ein gutes Stückweit mehr Energie. Schade dass man die ehrlich zur Schau gestellte Ian Curtis-Lookalike-Emotionalität von Sänger Dominik nicht auf Platte konservieren kann, denn auf der bisher erschienenen „XYPS ILON“ Seven Inch klingen die meisten Stücke (für mich) lediglich leidlich enervierend…
Nach einem kurzen Umbau der Bühne wurde es dann Zeit für die Band des Abends. Klammheimlich schlich sich erst Gitarrist Christin Nelson an seine Gitarre, dann nahm Kris Rochelle hinter dem Drumkit Platz, schließlich hängte sich Barfuss-Freund und Stimme Dan Smith seinen Bass um. Zusammen gaben die drei schon ein auf amüsante Weise stimmiges Bild ab: vollbärtige Tour-Dreisamkeit, fast wie Brüder. Logischerweise begannen Listener ihr etwa einstündiges Set mit einem Stück vom aktuellen, kürzlich erschienenen Album „Time Is A Machine„, „Eyes To The Ground For A Change“. Doch wer schon einmal das Glück hatte, einer Bühnenshow der Band, welche vor elf Jahren als Ein-Mann-Projekt von Dan Smith ihren Anfang nahm, beizuwohnen, der weiß: Ein Konzert von Listener ist in keinster Weise mit dem konservierten Studioprodukt zu vergleichen. Denn bei all der vornehmen, fast schüchternen Zurückhaltung, in der sich Gitarrist und Schlagzeuger beinahe das gesamte Konzert über üb(t)en, merkt man doch, dass vor allem im betont düster dreinblickenden Nelson ein waschechter Buddy verstecken mag. Und auch wenn es während des Konzertes im Musikbunker die ein oder andere Sprachbarriere gegeben haben mag, auch wenn manch ein Witz und ein guter Teil der Überbrückungspointen in den betonierten Kellergewölben verpufft sein mag, so machte Dan Smith auch an diesem Abend einen sympathischen Großteil der Listener-Show aus. Der beleibte Sprachschatz-Derwisch drosch seine zu Texten geformten Geschichten und Lebensweisheiten mit großen Emotionen ins Mikro, bis sich seine Stimme beinahe überschlug und in den ruhigen Passagen fast zu einem Zittern verkam. Natürlich durfte auch das besondere Gimmick der Band – Dan Smiths Trompete, die in einigen Songs zum Einsatz kam – nicht fehlen. Ebenso mit an Bord: die ein oder andere kurze Improvisation, die kurz sogar jazzlastige Züge annahm, und Smith spöttisch warnen ließ: „Always be prepared for jazz!“. Und doch macht Listener im Jahr 2013 vor allem jene Stärke zu einem kleinen Unikum, welche man bereits auf dem aktuellen Album finden kann: Die Band hat sich im Laufe der Jahre zu einem Monster aus eigentümlichen Talk Music-Vorträgen und energetisch aufgetürmten Post Rock-Soundwällen entwickelt, welches sich in seiner Nische beständig neu erfindet. Da steckt sehr viel Hardcore-, Punk-, HipHop- und Songwriter-Spirit im Hinterkopf, während die Band sich mit den Waffen des „Mach ich’s eben selbst!“ ihren Weg bahnt. Und mal ehrlich: Wer sonst schafft es, ein überschaubares Publikum mit Songs wie „Tornadoes“, „I Think It’s Called Survival“ oder „Everything Sleeps“ derart für sich einzunehmen? Eben. Kann man drüber schreiben, sollte sich aber jeder – bestenfalls – selbst ein Ohr und Bild von machen… Nach etwa 60 emotional pickepackevollen Minuten, in denen auch der tolle Albumvorgänger „Wooden Heart“ das reguläre Debüt „Return To Struggleville“ mit einem Song (dem feinen „Five Year Plan“) bedacht wurde, war – nach einem lautstarken Finale furioso – Schluss. Zugabe? Kann man machen. Doch Dan Smith zog sich in Seelenruhe und selig lächelnd Strümpfe und Schuhe an. Und verließ die kleine Bühne. Darauf ein Bier? In cervisia veritas.
Konzertimpressionen? Die gibt es hier:
Wer mag, kann sich hier (oder auf der Bandcamp-Seite von Listener) das aktuelle Album „Time Is A Machine“ in voller Länge zu Gemüte führen…
…und dann eines der noch anstehenden Deutschland-Konzerte der „Tour Is Not A Machine“ besuchen:
27.08.2013 / FZW, Dortmund
28.08.2013 / Jugendhaus West, Stuttgart
29.08.2013 / Brotfabrik, Frankfurt
30.08.2013 / Privatclub Berlin, Berlin
31.08.2013 / Sound of Bronkow, Dresden
01.09.2013 / Kinos im Andreasstadel, Regensburg
03.09.2013 / Ex-Haus, Trier
Rock and Roll.