Dick: It guess it looks as if you’re reorganizing your records. What is this though? Chronological? Rob: No… Dick: Not alphabetical… Rob: Nope. Dick: What? Rob: Autobiographical. Dick: No fuckin‘ way!
Jedem selbstberufenen Musiknerd dürfte die Szene aus „High Fidelity„, der Filmkomödie nach dem gleichnamigen, 1995 erschienenen Roman von Nick Hornby, in welcher der frisch verlassene Plattenladenbesitzer Rob (gespielt von John Cusack) freilich nichts besseres zu tun hat, als seine LP-Sammlung einer Neuordnung zu unterziehen, ein Begriff sein, und in nicht wenigen musikverliebten „Fachzirkeln“ dürfte es wohl bereits die ein oder andere hitzige Debatte gegeben haben, was denn nun bitteschön die ultimative Art und Weise sei, die eigene Musiksammlung passabel für die Nachwelt zu sortieren. Alphabetisch? So halt ich’s zumindest, trotz aller Nerd-Verwerflichkeit, man(n) findet ja sonst kaum was wieder. Obwohl jene „autobiografische“ Sortierweise durchaus interessant wäre…
Die Website Predominantly bietet jetzt eine ganz und gar andere – und doch irgendwie umso logischere – Sortierweise an: die nach der Farbe des Albumcovers. Besser noch: die Seite hält bereits eine ordentlich große, genreübergreifende Datenbank bereit. Je nachdem, welchen Farbton man auswählt, liefert Predominantly Ergebnisse von Schwarz bis Weiß (und allem auf der Farbskala dazwischen). Und nun versucht doch bitte einmal, etwa den richtigen Farbton für das „Green Album“ von Weezer zu treffen… gar nicht so einfach. Fröhliches Farbenschießen und Entdecken, alle zusammen!
Natürlich gibt es grob geschätzte 1,8 Milliarden wichtigere Dinge auf der Welt, aber jedem Musikfetischisten und nostalgischen Anhänger der Kultur eines Landes, das es nun seit 25 Jahren so nicht mehr gibt (und in dem ich selbst einen guten Teil meiner – frühen – Kindheit verbracht habe), dürfte das aus Vinyl geschnitzte Hörerherz be einer Geschichte wie der von Uwe Winkler aufgehen. Gut, dass diese nun im Rahmen der MDR-Reihe „Außenseiter, Spitzenreiter“ festgehalten wurde…
„Jesewitz (Sachsen) – Ein nur wenige Quadratmeter großer Kellerraum beherbergt das akustische Erbe der DDR. Dort sind Regale von der Decke bis zum Fußboden mit Schallplatten gefüllt.
Die mehr als 15 000 Alben, die sich hier aneinanderreihen, stammen alle aus einem Land, das es nicht mehr gibt. «Mein Ziel ist es, von jeder Schallplatte, die in der DDR für den Normalbürger erhältlich war, ein Exemplar zu haben», sagt der Sammler Uwe Winkler aus dem sächsischen Jesewitz. Seinem Traum ist er schon sehr nahe gekommen.
Es waren zwei Daten in seinem Leben, die die Sammelleidenschaft befeuerten: Einerseits das Weihnachtsfest nach seinem 13. Geburtstag, an dem er einen Plattenspieler geschenkt bekam. «Im darauffolgenden Sommer hat mir mein Opa die ersten drei Platten gekauft», erinnert sich Winkler. Das zweite Datum ist mit weit weniger schönen Erinnerungen verknüpft. 2003 wurde bei dem staatlich geprüften Feuerwerker eine schwere Erkrankung diagnostiziert.
«Da habe ich mir ein Ziel gesteckt, das mich durch die Zeit der Chemotherapie gebracht hat», sagt er. Und dieses Ziel bestand in nichts weniger als dem Wunsch, alle jemals in der früheren DDR erschienen Schallplatten zusammenzutragen. Dabei sind die Platten für ihn durchaus mehr als reine Sammlerstücke: Mit klassischer Musik untermalt er bisweilen von ihm gestaltete Feuerwerke, Aufnahmen mit Hörfassungen deutscher Klassiker kamen seiner Tochter im Unterricht am Gymnasium zugute.
Wie der Sammler berichtet, waren im VEB Deutsche Schallplatten Berlin sechs verschiedene Marken zusammengefasst. «Amiga stand Anfangs für Unterhaltungsmusik allgemein, später für Rock und Pop, während Eterna die klassische Musik repräsentierte», beginnt Winkler die Aufzählung. Auf Nova wurden die Werke zeitgenössischer Komponisten – vor allem die von Hans Eissler verfassten Stücke – veröffentlicht. Schola hieß das Label, auf dem Platten für den Schulunterricht erschienen. Litera stand für Literaturaufnahmen. Aurora schließlich war die Sparte für Arbeiterlieder.
Es sind aber nicht die sechs verschiedenen Labels, die Winkler die Sammelei erschweren. «Zu jedem Mist gibt es Listen, nur zu DDR-Schallplatten nicht», ärgert er sich. Der letzte Katalog des VEB Deutsche Schallplatten umfasst nur die Ausgaben bis 1972, die danach erschienenen Platten sind seines Wissens nirgendwo verzeichnet.
«Die größten Lücken in meiner Sammlung sind bestimmt Titel aus der Wendezeit, in der sich niemand mit DDR-Platten beschäftigt hat», ist sich Winkler sicher. Und auch bei den Singles, den kleinen Schallplatten mit zwei oder auch vier Titeln, ist eine komplette Sammlung nur schwer zu verwirklichen. «Da ist vieles weggeworfen worden.»
Selbst das Deutsche Musikarchiv, das die in Deutschland auf den Markt gekommenen Tonträger sammelt und katalogisiert, tut sich schwer damit, die in der DDR erschienenen Platten zu erfassen, weil erst 1970 mit dem Sammeln begonnen wurde. «Das Deutsche Musikarchiv hatte, trotz seines Sitzes in Berlin West, ein Abkommen mit dem VEB Deutsche Schallplatten, dass sie die Produktionen geliefert bekommen», erläutert Franziska Bohr von der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. «Nach unseren Katalogrecherchen dürfte es für den VEB Deutsche Schallplatten in unserem Bestand circa 11 200 Schallplatten geben.»
Die Sammlung von Uwe Winkler versetzt sogar den letzten Amiga-Label-Chef Jörg Stempel ins Staunen. «Mir fällt niemand ein, der so außergewöhnliche Raritäten besitzt», sagt Stempel. Als Beispiel nennt er eine Platte des Blues-Musikers Stefan Diestelmann aus dem Jahr 1984. «Die wurde am Tag vor dem Verkaufsstart zurückgezogen, nachdem Diestelmann im Westen geblieben war.» Nur ganz wenige Exemplare gerieten über nicht mehr nachvollziehbare Kanäle in die Hände von Sammlern, eines steht im Kellerregal von Uwe Winkler.
Dessen Lieblingsplatte ist indes keine Produktion des VEB Deutsche Schallplatten Berlin. Es ist das Vinyl-Doppelalbum «The Ladder» der britischen Progressive Rock-Legende Yes.“
Mal ehrlich: Wer von euch Anfangszwanzigern hat je ein Mixtape – also auf eine Musikkassette, diesem eigenartigen Ding mit Magnetbändern und den zwei Löchern drin – aufgenommen und kennt die Schwierigkeit, die Zeit bis zum endgültigen Klicken einer Seite genau abzupassen? Das Gefühl, dem Empfänger mithilfe von Musik etwas sagen zu wollen und im Vorfeld endlose Stunden über der nahezu perfekten Songauswahl und -reihenfolge zu grübeln? Darüber wurden noch vor ein paar Jahren Bücher, Referate und Aufsätze verfasst…
Kennt ihr noch das Erlebnis, einen Plattenladen zu betreten und ein Album, auf welches man sich Monate lang gefreut hat, am Veröffentlichungstag in den Händen zu halten? Folie entfernen, Album in den Player, die ersten Töne, dazu im Booklet stöbern… – Das alles werden wohl Generationen über Generationen kaum noch kennen lernen, in einer Zeit, in der alles digital und komplett und überall und sofort verfügbar ist. Die iTunes Playlist hat längst die Ordnung der eigenen Musiksammlung übernommen, die Frage nach alphabetischer oder biografischer Ordnung stellt sich da gar nicht mehr. The times they are a-changin’…
Für alle Traditionalisten, alten Säcke, Musiknerds und Nostalgiker hat Buzzfeed.com nun eine Liste von „35 Music Experiences You’ll Never Have Again“ zusammengestellt – immer mit einem kleinen Augenzwinkern, immer mit ein wenig Charme á la „High Fidelity“ und einer kleinen Puristenträne im Knopfloch. Rob, Dick und Barry wären begeistert…
Und all jenen, den diese Namen gerade gar nichts sagen, sei wärmstens empfohlen, sich diesen herzzerreißend nostalgischen Musiknerd-Film, nebst der Romanvorlage von Nick Hornby, zu Gemüte zu führen…