Deutschlands niederrheinische Provinz, Anfang der Neunziger. Vier lange Jahre schon ist der 17-jährige Paul (Jonas Nay) in die zwei Jahre ältere Saskia (Sina Tkotsch) verliebt, das schönste – und damit zwangsläufig begehrteste – Mädchen der Schule. Leider hat sie so gar nichts für ihn übrig, interessiert sich vielmehr für Rowdies und Möchtegernrockstars – doch Paul gibt nicht auf. Er komponiert autodidaktisch Lied um Lied für seine Angebetete, um so Saskias Herz zu erobern – und eine Musikkarriere zu beginnen. Später merkt Paul, dass einer seiner Songs geklaut wurde und unter dem Namen „Smells Like Teen Spirit“ auf einem Nirvana-Album zu hören ist! Er sieht sich gleich dreifach betrogen: um seinen gerechten Lohn, den verdienten Plattenvertrag und Saskias Liebe. Also will Paul sich beim Nirvana-Frontmann Kurt Cobain beschweren und folgt der Band, die sich 1991 auf Deutschlandtournee befindet, von Konzert zu Konzert, von Berlin über Hamburg und Frankfurt bis nach München. Gemeinsam mit Michael (Fjodor Olev), einem selbsternannten, recht enthusiastischen Musikjournalisten, der soeben ein eigenes Musikmagazin namens „VISIONS“ auf die Beine gestellt hat, will er Cobain dazu bringen, seine Rechte an „Smells Like Teen Spirit“ abzutreten – doch das ist gar nicht mal so einfach. Und als Paul schließlich der verrückten Hamburgerin Tolle (Lore Richter) begegnet, realisiert er langsam, dass es Schöneres und Wichtigeres gibt als Ruhm und Ehre…
„Dear Courtney“ ist so vieles: jugendlich-humoriges deutsches Roadmovie, ein kleines Stück alternative Musikgeschichte, augenzwinkernd-charmate Coming-of-Age-Liebeskomödie. Vor allem jedoch ist das Langfilmdebüt von Regisseur Rolf Roring, das von der ersten Idee bis zur Fertigstellung ganze zehn Jahre benötigte, ein kurzweilig-sentimentaler Rückblick darauf, wie das denn so war, in den frühen Neunzigerjahren erwachsen zu werden, als Grunge – von Nirvana über Soundgarden bis hin zu Pearl Jam – plötzlich der „heißeste Scheiß“ in Punkto Musiktrends war, MTV kaum ein anderes Musikvideo in die Heavy Rotation nahm außer „Smells Like Teen Spirit“, „Black Hole Sun“ oder „Alive“, die Jugend auf einmal zerrissene Jeans, klobige Boots oder Holzfällerhemden für sich entdeckte und man Musik noch ganz legal im Plattenladen des Vertrauens kaufen musste (oder man überspielte sie sich von Kassettentape von Kassettentape, um dem neusten Lieblingslied im Walkman auf dem Schulweg zu lauschen). Einer der großen Sympathiepunkte des Films, der an manchen Stellen an ganz ähnliche deutsche Produktionen wie „Dorfpunks“ oder Hendrik Handloegtens sentimentales „Liegen lernen“ erinnert, ist wohl am Ende dem (fehlenden) Budget geschuldet, denn ausgerechnet „Smells Like Teen Spirit“ – das Lied, um welches sich die kompletten 90 Minuten mehr oder minder drehen – bekommt der Zuschauer nicht ein einziges Mal zu hören. Dafür haben bekannte Gesichter wie Klaas Heufer-Umlauf, Joko Winterscheidt (ja, genau die Pro Sieben-Chefkomiker vom Dienst!) oder der echte „VISIONS“-Gründer Michael Lohrmann recht charmante Gastauftritte. Und wenn am Ende tatsächlich Kurt Cobain (freilich nicht der echte, denn der singt längst mit den Engeln) in Paul rostigem VW sitzt, dann… naja, seht selbst.
Elliot (Mark Webber) muss sich in diesem Moment wie eine der ärmsten Säue des Planten fühlen: Sein Vorgesetzter kündigt ihm mit perfekt zurecht gelogenem Perlweisslächeln den Job, sein geistig behinderter Bruder macht nur Ärger und zu allem Überfluss sind er und seine schwangere schwarze Freundin Shelby (Rutina Wesley) auch noch gezwungen, seinen dezent rassistisch veranlagten dementen Vater bei sich aufzunehmen. Dabei steht ihre Hochzeit kurz bevor, und in den USA bedeutet „kein Job“ auch gleichzeitig „keine Zukunft“ und „keine Krankenversicherung“ (für die komplette Familie!). Was also nun, was also tun? Und so glaubt Elliot in dem Moment, als er eines Abends den Anruf von einem ihm unbekannten Mann erhält, in welchem der ihm die Chance anbietet, eine große Summe Geld in einer höchst mysteriösen Game Show zu gewinnen, eher an einen gut getimten schlechten Scherz der Marke „Versteckte Kamera“ als an die reelle Aussicht auf ein unbeschwertes Leben. Doch der Anrufer, der nahezu alles über seinen Gesprächspartner zu wissen scheint, meint es ernst, auch wenn die Sache ein paar nicht unbedeutende Haken hat: Elliot muss dafür 13 schwierige Herausforderungen bestehen… Eintausend Dollar erhält der Kandidat als Sofortüberweisung. Nach Erfüllung der weiteren Aufgaben folgt jeweils die nächste, sich von Mal zu Mal erhöhende Belohung. Die vom Anrufer geforderten Aufgaben beginnen zunächst mit etwas simpleren Vergehen wie Vandalismus, doch der Schweregrad steigert sich von Mission zu Mission. Und Aufgeben hätte den sofortigen Verlust aller bisher erkämpften Dollar zur Folge. Bald schon ist Elliot die Polizei – allen voran der zwielichtige Ermittler Chilcoat (Ron Perlman) – auf den Fersen. Wie weit ist der eigentlich so schüchterne junge Mann bereit zu gehen, um den großen Jackpot zu knacken? Und wer steckt hinter den perfiden Mutproben?
Wie so oft im Horror- und Suspense-Genre liegt auch dem neusten Filmwerk des 1976 in Hamburg geborenen deutschen Independent-Schauspielers und Filmemachers Daniel Stamm (u.a. „Der letzte Exorzismus“) ein Original aus dem asiatischen Raum zugrunde: Die thailändische Horrorkomödie-meets-Psychothriller „13 Beloved“ erschien bereits 2006. Und wie so oft krankt das US-Remake daran, dass es einfach zu oft zu viel will – und das am besten gleichzeitig. Dabei ist „13 Sins“ am Ende seiner gut zwei Stunden weder Filmfleisch noch -Fisch, eben weil Stamm zu oft zwischen Splatter-Komödie und düsteren Psychothriller-Spielchen hin und her changiert, dabei jedoch die Story etwas aus den Augen verliert und „13 Sins“ schlussendlich auf eine viel zu offensichtlich Pointe hinsteuern lässt – da können auch die beiden Hauptdarsteller Mark Webber (u.a. „The End Of Love“, „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“; weder verwandt noch verschwägert mit dem Ex-Formel 1-Fahrer), dem man den Normalo leider vor allem wegen seiner darstellerischen Farblosigkeit abnimmt, und Ron Perlman (u.a. „Hellboy“, „Blade II“, „Drive“ oder seine derzeitige Paraderolle als fieser Bikerchef Clarence „Clay“ Morrow in der erfolgreichen TV-Serie „Sons Of Anarchy“), der sich wie kaum ein zweiter im B-Rollen-Fach häuslich eingerichtet zu haben scheint, nichts mehr retten. Unterm Strich bleibt „13 Sins“ zwar gute Unterhaltung, doch an spürt, dass da deutlich mehr drin gewesen wäre…
„Sound Of Noise“ (2010)
Gar Skurriles spielt sich da im verschlafenen schwedischen 300.000-Einwohner-Städtchen Malmö ab: Da entert eine sechsköpfige, scheinbar radikale Gruppierung in Tarnverkleidung wahlweise Baustellen, Bankfilialen oder den OP-Saal des örtlichen Krankenhauses, um reichlich Unruhe und noch mehr Verwirrung zu stiften. Denn neben der Aufrüttelung der örtlichen Kulturszene (das nimmt man freilich gern in Kauf) haben Sanna (Sanna Persson), Magnus (Magnus Börjeson) und ihre vier Komplizen nur eines im Sinn: sie wollen spielen – im wahrsten Wortsinne. So kapern die sechs hochbegabten Schlagzeuger im Zuge ihrer vierteiligen „Symphonie“ mal einen Operationssaal und nutzen den verdutzten beleibten Patienten als Resonanzkörper (dieser Akt wird dann ganz nonchalant „Doctor Doctor Gimme Gas In My Ass“ genannt), schreddern in „Money 4 U, Honey“ so manche Banknote, während der Bankstempel im Takt auf Formulare trifft un Münzen prasseln, bringen während „Fuck The Music“ das lokale Konzerthaus inmitten einer Aufführung mittels Bulldozern zum Beben oder verwandeln in „Electric Love“ vom Elektrizitätswerk aus eben gleich die ganze Stadt in ein taktvolles Meer aus Licht und Dunkelheit. Bei solch‘ abstrusen Plänen ist selbst – und vor allem – die Polizei von Malmö, bei denen ausgerechnet der aus höchst persönlichen Gründen musikfeindliche Ermittler Amadeus Warnebring (Bengt Nilsson) auf den Fall angesetzt wird, ratlos. Doch siehe da: Irgendwann kommt Warnebring dem trommelnden Anarcho-Sextett auf die Schliche. Und bringt damit doch vor allem sein ach so lange gehegtes Sehnen nach Stille ins Wanken…
Sieht man heute den 2001 entstandenen und „Sound Of Noise“ zugrunde liegenden zehnminütigen Kurzfilm „Music For One Apartment And Six Drummers“ (gibt’s weiter unten zu sehen), so schien die Idee des Regieduos aus Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson nur allzu konsequent, ihr Experiment der Klangerzeugung und -auslotung auf im Grunde artfremden Gegenständen auf spaßige 80 Minuten auszudehnen. Also setzten sich die Trommelfetischisten mit Kumpel Magnus Börjeson (der dann auch gleich die Filmrolle des ideengebenden Maestros übernahm) zusammen und ersponnen eine irrwitzige Story rund um Drumming, verquere Persönlichkeiten und irrwitzige Situationskomik, bei der selbst Freunde der gut eingetüteten Love Story nicht zu kurz kommen. Wenn man so will, stellt „Sound Of Noise“ die ungleich begabtere schwedische Variante von „Pussy Riot“ dar – Skimasken, Anarchiegedanken und intellektuelles Grundgerüst inklusive. Nicht erst durch die Blue Man Group, Stomp und Konsorten sollte hinlänglich bekannt sein, dass eigentlich alles zur spontanen Trommelsession taugt, während US-Militärs die Songs von Metallica als Folterwerkzeuge missbrauchen und Otto Normal schutzlos und nahezu 24 Stunden täglich der mal bewussten, viel öfter unterbewussten Dauerberieselung ausgeliefert ist. Auf Filmfestivals von Stockholm bis Cannes mauserte sich der Film ebenso zum Zuschauer- wie Kritikerliebling, erntete bei der Filmcommunity von indieWire die löbliche Umschreibung „Bonnie and Clyde on drums“ und gilt heute längst als „Kultfilm“ für alle Freunde des auch sonst immer so herrlich etwas abseits der Spur tanzenden skandinavischen Programmkinos. Wer diesem also ohnehin zugetan sein sollte, dem sei „Sound Of Noise“, dieses charmant andere Independent-Zelluloid-Kleinod aus Schweden, wärmstens ans Herz gelegt. Der Rest des konservativen Spießbürgertums darf gern weiter in öden Harmonien der MCs Haydn, Mozart oder Beethoven lauschen…
(Kleiner Tipp am Rande: Beim Online-Versandhaus mit dem großen „A“ bekommt man „The Sound Of Noise“ aktuell geradezu lachhaft preisgünstig in der schicken „Limitierten Soundtrack Edition“ inklusive Bonusmaterial, informativem Booklet und dem Soundtrack auf Compact Disc – was ja bei einem Film wie diesem durchaus passend erscheint…)
Hier gibt’s den Trailer…
…eine weitere kurze Sequenz aus dem Film…
…und, wie weiter oben angekündigt, den etwa neun Jahre vor „Sound Of Noise“ in identischer Besetzung entstandenen Kurzfilm „Music For One Apartment And Six Drummers“:
Musik ist für nicht wenige die wohl schönste Nebensache (oder gar: Hauptsache?) der Welt… Sie umgibt uns beinahe überall und ständig – bewusst wie unterbewusst. Und während die meisten von uns der Musik einen festen Punkt in unserer Freizeit haben zukommen lassen, gibt es wiederum andere, die mit wenig Verstand – und wohl noch viel weniger Plan – in der Hinterhand irgendwann den Entschluss gefasst haben, ihrer inneren Berufung zu folgen und die Musik zum Beruf gemacht haben. Freilich kann das – mit viel Talent, einer guten Schippe Glück, den richtigen Kontakten und der Sache mit der „richtigen Zeit“ sowie dem „richtigen Ort“ – gut ausgehen, und man endet als jemand wie, um mal das ein oder andere spontane Beispiel herauszupicken, Madonna, Adele, Dave Grohl oder Paul McCartney, die sich weißgott nie wieder Gedanken um die nächste Mietüberweisung oder Arztrechnung machen müssen…
Andere jedoch haben – trotz einer Menge Talent und im Grunde guten Voraussetzungen – weitaus weniger Glück gehabt (denn das ist es tatsächlich, was entscheidet!). Man denke da nur an all die großartigen, zu Herzen gehenden Musikdokumentationen der letzten Jahre wie „Anvil – Die Geschichte einer Freundschaft„, „Searching For Sugar Man„, „A Band Called DEATH“ oder „Charles Bradley – Soul Of America„, die von Musikern erzählten, die aus einer Fülle von Gründen, die allesamt eben kaum in deren Händen lagen, durchs Erfolgsraster fielen. Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt der Berliner Musikvideoregisseur Marc Helfers mit seinem abendfüllenden Filmprojekt „Rock Bottom – Songs Of No Money“: Er möchte denjenigen eine Stimme geben, die zwar – in seinen Augen – eine seltene, geradezu beneidenswerte musikalische Gabe besitzen, jedoch kaum für’s platt-tumbe Mainstreamprogramm zwischen all den Null-Acht-Fünfzehn-Mileys, -Gagas und -Beyoncés geeignet sind. Angefangen bei Super Bad Brad, einen New Yorker Straßenkünstler, der, mit der Stimmlage eines Marvin Gaye und seinem Ghettoblaster bewaffnet, Tag für Tag durch die Straßen und Parks der Metropole zieht, nur um abends zurück in die Enge seines Autos zurück zu kriechen – in Ermangelung von Barem für vier bezahlbare Wände. Oder von Texas Terri Bomb, der „Queen of the Underground“, die mit punkrockroten Haaren und stolzen 58 Jahren in Berlin-Neuköln gestrandet ist, wo sie sich mit ein paar mäßig bezahlten Auftritten über Wasser hält. Plan von Regisseur Helfers, der in der eigenen Vita bereits einige „Echo“-Nominierungen sowie Musikvideos von Bands und Künstlers wie Selig, Sportfreunde Stiller, Unheilig, Sometree, Element Of Crime oder Madsen zu verzeichnen hat, ist es, weltweit vieler dieser Lebensgeschichten in einem (Kino)Film zu versammeln und all diesen unentdeckten Talenten so die verdiente Stimme zu leihen.
Doch „ohne Moss“ ist bekanntlich „nix los“… Da sich Projekte wie „Rock Bottom“ freilich nicht von Luft, Liebe und Enthusiasmus allein speisen und bezahlen lassen, benötigen Helfers und sein Team zumindest einen – vergleichsweise geringen – Betrag von 15.000 Euro, um das unterstützenswerte Unternehmen in die Startlöcher zu bringen (die Gesamtkosten werden laut Helfers um 85.000 Euro herum liegen). Aus diesem Grund wurde auf der Crowdfunding-Plattform „indiegogo.com“ eine vom 11. April bis 10. Juni 2014 laufende „Spenden“-Kampagne ins Leben gerufen, bei welcher den Unterstützern – je nach der Größe des Beitrags – diverse „Goodies“ zugesichert werden (wie man es eben von Crowdfunding kennt). Zu den ersten prominenten Supportern zählen etwa Jan Müller von Tocotronic, Erik Langer von Kettcar, der Musiker Maxim oder die Schauspielerin Katharina Schüttler… und eventuell auch bald der ein oder andere von euch?
Hier kann man sich eine erste sechsminütige Vorstellung von Helfers ambitioniertem Filmprojekt anschauen…
…und wer mehr über die Hintergründe, Pläne sowie das „Crowdfunding-Drumherum“ zu „Rock Bottom – Songs Of No Money“ wissen möchte, der findet alle Infos auf der Kampagnenseite bei „indiegogo.com“.
Ach so, falls sich jemandem von euch die Frage stellen sollte: Ich selbst gehe hier mit gutem Beispiel voran – meinen (finanziellen) Segen hat der Film, dessen Fertigstellung fürs kommende Jahr geplant ist. Und wer schon nicht spenden mag oder kann (macht ja nichts, muss ja nicht), der kann – ja: sollte – wenigstens ein, zwei Klicks dafür aufwenden, dem Projekt via Facebook eine Stimme zu geben… Danke.