Moses Pelham war noch nie besonders bekannt dafür, mit seiner Musik leicht verdauliche Radiokost zu liefern – und so mag sich vielleicht der eine oder die andere vor einigen Tagen verwundert die Augen gerieben gerieben haben. „Juli“? Der Titel der neusten Single des Frankfurter Rappers deutet ja erstmal eher auf einen luftig-leichten (und mit Erscheinen im März dezent fehlplatzierten) Sommerhit hin…
Aber weit gefehlt: In dem melancholischen Stück – getragen von Pianotönen und einem erstmals ein komplettes Stück singenden Pelham – geht es nicht um den Sommermonat, sondern um eine Protagonistin gleichen Namens. Und um ihre Gefühls- und Gedankenwelt, in der mal so gar kein eitel Sonnenschein herrscht. Ein behutsamer und bittersüßer Song über das Aufstehen, das Zubettgehen und wie schwer einem das Dazwischen manchmal fallen kann – Momente tiefster Traurigkeit, die, wenn man ehrlich ist, jeder von uns kennt.
Und neben dem durchgehenden Gesang gibt es noch eine weitere Premiere, schließlich stellt das Stück, bei welchem ihm einmal mehr sein langjähriger Kreativpartner Martin Haas unter die Arme griff, die erste Coverversion dar, die auf einem Album Pelhams landen wird (wenngleich sich der Rapper bereits vor knapp drei Jahren recht erfolgreich eine Fremdkomposition vorgenommen hatte). Ursprünglich stammt die nachdenkliche Nummer aus der Feder des Berliner Musikers und „TV Noir“-Begründers Tex, den der ehemalige „Rödelheim Hartreim Projekt“-HipHopper und erfolgreiche Musikproduzent (u.a. Sabrina Setlur, Xavier Naidoo, GLASHAUS) als einen der größten Autoren unseres Landes bezeichnet. (Langjährige Leser von ANEWFRIEND dürften den Song ohnehin bereits kennen…)
„Juli“ ist nach “Notaufnahme” , “Weiße Fahne” und “Wunder” bereits die vierte Auskopplung aus Moses Pelhams in dieser Woche erscheinendem neuen Album „EMUNA“ und reiht sich fast nahtlos in die Programmatik des 49-jährigen Musikers mit introspektivem Fokus zwischen Sinn des Lebens und eigenem Glauben und erfreulicherweise fernab von jeglichem tumbem „Bling-Bling“ und klischeehaftem Schwanzvergleich ein.
Das Musikvideo ist passend zum Inhalt des Songs in Schwarz-Weiß-Optik gehalten und zeigt ausschließlich die Schauspielerin Cansu Tosun.
“Und Juli sagt vor Jahren war ein Wunder War gut und warm und leider bald passé Das Leben ist ein Krokus, etwas Sonne, etwas Schnee Und ein viel zu schneller LKW…”
Was klingt wie ein schlecht angegangener popkultureller Witz, ist so wirklich kürzlich passiert – in der VOX-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert„.
Das Konzept hierbei dürfte bekannt sein (im Zweifel weiß Wikipedia freilich fast alles): „Sieben deutschsprachige Sänger aus verschiedenen Genres kommen an einem abgeschiedenen Ort zusammen. Jeder der ersten sieben Abende, die aufgezeichnet werden, ist einem der Musiker gewidmet. Die anderen sechs Interpreten singen jeweils in ihrem eigenen Stil ein Lied von ihm als Coverversion vor, mit Bandbegleitung, aber ohne weiteres Publikum. Vor jedem der Auftritte werden Ausschnitte aus den Originalvideos zum Vergleich gezeigt. Die Musiker kommentieren die Lieder, negative Kritik wird aber nicht geübt. Zusätzlich singt der Interpret des Abends ein eigenes aktuelles Lied und kürt am Ende der Folge den Song des Abends, dessen Interpretation ihm am besten gefallen hat. In der abschließenden achten Folge singen die Musiker dann noch einmal ausgewählte Lieder im Duett.“
Vielsagend auch der folgende Satz: „Der Song des Abends wird am nächsten Tag als Download-Single veröffentlicht. Dazu gibt es ein Album zur Staffel mit den besten Darbietungen aus den verschiedenen Folgen.“ – There’s no business like show business, klar. Gerade in Zeiten, in denen das Musikgeschäft schnelllebiger denn je erscheint und allzeit eine neue Penunzensau durchs – heute meist digitale – Dorf jagen muss, gilt es natürlich, auch den kleinsten gemeinsamen Nenner zu versilbern…
Doch zurück zu „Sing meinen Song„. Bei der Show, die – nach einer Idee aus dem niederländischen TV (dort heißt’s „De beste zangers van Nederland“ und ist noch zig Mal peinlicher, glaubt mir) – in Deutschland seit 2014 läuft und mittlerweile in die vierte Staffel gegangen ist, sitzen sich ja eh meist eher zweifelhafte Persönlichkeiten der bundesdeutschen Pop-Landschaft gegenüber. In der Vergangenheit waren dies etwa „Dick Brave“-Sasha, der rückständige Tiroler Volktümler Andreas Gabalier, Nervsirene Sarah Connor, Xavier „Aluhut“ Naidoo, Pur-Frontmann Hartmut „Abenteuerland“ Engler, die brav trällernden Prinzen, die auf ewig jung getrimmte Oma Nena, Wolfgang „BAP“ Niedecken, der olle Springsteen’n’Dylan-Ultra, den außerhalb Kölns sowieso kaum jemand versteht, Andreas Bourani (der mit dem WM-Song-One-Hitter), Hauchstimme Yvonne Catterfeld oder das alte Fräulein Annett Louisan (plus so einige Lückenfüller). Man merkt schnell: die so zusammengewürfelten Combos lesen sich zwar relativ spannend, klingen am Ende jedoch exakt wie der Song, den man nach – gefühlt ewigen – fünf Sekunden skippen möchte.
Auch 2017 liest sich die Besetzung kaum besser: Grinsekatze Mark Forster, Stefanie „Silbermond“ Kloß, Lena Meyer-Landrut, Moses Pelham (plus Cassandra Steen, die dieser oft zum Singen ans Mikro stellt), Michael Patrick Kelly (ja, der „Paddy“ von der Kelly Family) und der Leiter des Osnabrücker Bob-Marley-Fanclubs, Gentleman (bei dessen falsch aufgesetztem jamaikanischem Slang mich jedes Mal ein spontaner Würgreflex durchfährt). Möchte man das sehen? Oder hören? Genau.
Und doch gibt es erfreulicherweise (auch das darf man ja gern zugeben) immer wieder Ausreißer nach oben. So geschehen bei der eingangs erwähnten Coverversionen von Moses Pelham.
Klar, auch die Personalie des deutschen Rappers und Musikproduzenten ist nicht ganz unumstritten: Anfang der Neunziger war der 1971 in Frankfurt am Main geborene Sohn eines US-amerikanischen Bluesmusikers (Moe Pelham Sr.) und einer deutschen Versicherungskauffrau einer der Mitbegründer des zwar legendären, jedoch auch kurzlebigen Rödelheim Hartreim Projekt, verhalf damals jungen Talenten wie Sabrina „Schwester S“ Setlur, Xavier Naidoo oder Cassandra Steen (Glashaus) zum Sprung in die vorderen Chartregionen, während er selbst sich immer mehr auf die Arbeit an den Reglern konzentrierte. Ja klar, Pelham ist auch der Mann, der einem gewissen Stefan Raab 1997 bei einer Rangelei während der „Echo“-Preisverleihung das Nasenbein brach (wer könnte es ihm groß verdenken). Gut, dass der mittlerweile 46-Jährige es heutzutage grundlegend ruhiger angehen lässt und die eigenen Rap-Skills nur noch alle paar Jahre unter Beweis stellt (zuletzt 2012 auf dem gar nicht mal so schlechten Album „Geteiltes Leid 3„). Andererseits sollte man froh sein über einen wie Moses Pelham in der deutschen HipHop- und Poplandschaft, sind dessen (neuere) Songs doch erfreulich frei vom gefakten Gliedvergleich-Bling-Bling-Wortschatz, den viele seiner jüngeren Kollegen so gern kultivieren. Manchmal will man eben nicht hören, was der Goldkettchen tragende, im gemieteten Sportwagen vorfahrende, milchgesichtig-aufgepumpte Sonnenbank-Azzlak gern mit der eigenen Mutter tun würde…
Auf der anderen Seite Lena. Also: Lena Meyer-Landrut. Also: Die, die 2010 (verdammt lang her fühlt sich das an), unterstützt von einem gewissen Stefan Raab (ja, der schon wieder), den „Eurovision Song Contest“ für ‚Schland gewinnen konnte (mit dem tatsächlich hundsgemein eingängigen „Satellite„). Chapeau dafür, sicher. Aber abgesehen davon – und von der Tatsache, dass sich die mittlerweile 26-Jährige noch immer im Löwenkäfig Popmusikgeschäft halten kann – ist die Dame – und mit dieser Meinung bin ich sicherlich kaum allein – einfach nur eines: aufgesetzt und unerträglich. Ernsthaft. Und wer’s nicht glaubt, der sehe sich einmal die 2012 gefilmte Folge der arte-Sendung „Durch die Nacht mit…“ an, in welcher sie mit Emo-Rapper Casper durch Berlin fährt (und nicht nur diesem mit ihrer affektiert-zickigen Art sichtlich aufs Nervenkostüm steigt).
Long story short: Moses Pelham, in seiner Position so etwas wie Deutschlands Antwort auf P. Diddy, nimmt sich tatsächlich einen Song von Lena Meyer-Landrut vor: „Home„, erschienen 2015 auf dem Album „Crystal Sky„. Man möchte dem Liebchen ja die Gerührtheit abnehmen, aber: Dass Lena bei der Pelham’schen Variante ihres eigenen Rührstückes, dass sie damals einer verstorbenen Freundin widmete, die Tränchen übers kajalene Püppchengesicht kullern, mag ja erst einmal wenig heißen, schließlich lebt auch (und gerade) eine VOX-Show wie „Sing meinen Song“ von all den „großen Emotionen“. „Realness“? Nur, wenn’s das Script vorgibt. Lächeln, Nicken und auf Knopfdruck heulen ist unter der Sonne Südafrikas sicherlich um Einiges entspannter…
Aber ich gebe es zu: Moses Pelhams gemeinsam mit Silberjulimond-Frontfrau Stefanie Kloß zu Live-Instrumentarium vorgetragene Version, nun eben „Meine Heimat“ betitelt, hat was. Mehr noch: sie ist sehr, sehr schön. Und das sollte man, bei aller Kritik für ebenjenes TV-Format, auch einfach mal so stehen lassen.
„Meine Heimat ist ein kleiner Fleck auf dieser Erde Hier kriegt mich keiner weg, selbst wenn ich wieder sterbe Wurst wie hart ihr post – Mann, ums Verrecken nicht Ich lass‘ alles los, nur diesen Fleck hier nicht Lass‘ die Spacken, ich höre sie beleidigen mich Ist alles Latte, nur dieses hier verteidige ich Das bis aufs Blut, Mann, ich geb‘ alles her – mein Hab und Gut, aber das nie mehr
Meine Heimat ist ein Platz mit Licht in der Mitte Aufgrund dieses Fakts habe ich mich gestritten Was ein Fehler bleibt und ist, denn jeder Grund für Streit ist Gegenteil des Lichts – die Dunkelheit Ich sag‘: Hochwürden wie er wohnt und wo er lebt Er schuf mich nicht in Kirche, Synagoge und Moscheen Sondern in einer Welt von nicht zu fassender Süße Selten wie das Wasser in der Wüste
Meine Heimat ist ein Herz
Our heart goes on and on Our hearts beating like a drum In the dark you made me strong like you’ve always done I’ll carry you home You’re in my heart and in my bones I’ll carry you home…
Meine Heimat ist ein kleines, reines Geheimnis Allein, dass sie mein ist, ist mir unwahrscheinlich heilig Dabei ist sie in jedem Fall ein inniges Vergnügen Der Seele Halt und meiner Sinne Flügel Meine Heimat ist ein pumpender Thron, der für mich schlägt Von unten nach oben, so lang ich leb‘, und weiter Und Du weißt, dass Du niemals mehr alleine bist, wenn meine Heimat Deine Heimat ist