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Song des Tages: Milliarden – „Himmelblick“


Warum machen es manche einem so schwer? Was im Sozialen am komplexen Zusammen- oder Gegenwirken von Charakter-Eigenschaften liegt, ist aufs Musikalische bezogen manches Mal fast schon rätselhaft. „Ich bin wie du / Du bist wie ich / Warum lieben wir uns nicht?“, fragen Millarden etwa voller Emphase in ihrem bereits im vergangenen September vorgereichten Folk-Popper-Hymnus „Himmelblick“, und auch wenn ich in diesem Leben wohl kein wirklicher Seelenverwandter der Jungs werde, so bleibt das Dilemma doch, dass das hier eigentlich verdammte Großstadt-Hipster-Musik sein müsste – zumindest grundlegend. Besagtes Stück klingt inmitten seiner auf Drama gepolten Millenial-Problemblase zwar nicht wirklich kalkuliert (na gut, höchstens ein klein wenig), auch die Instrumentierung ist mehr als passabel, aber der tönende Funke mag das Feuer partout nicht gänzlich entfachen… So weit, so bekannt. Alles also weiterhin „so egal“ – auch in Bezug auf „Schuldig„, dem bereits dritten Album der Berliner Band?

Zunächst einmal gilt: Milliarden fallen auf – und das, trotz durchaus nachvollziehbarem Nerv-Faktor, jedoch keineswegs durchweg negativ (worin sie sich – zumindest meiner bescheidenen Meinung nach – ganz und gar von den oft als Referenz aufgeführten Wienern von Wanda unterscheiden). Sie punkten mit Ben Hartmanns feiner Reibeisen-Stimme. Sie punkten mit zwar kaum komplexem, aber passablem Songwriting, das sich auch auf die Klavier-Ideen von Johannes Aue stützt, Part zwei des 2013 gegründeten Quasi-Duos. Dazu gibt’s immer mal bräsige Punk-meets-Indie-Rock-Gitarren und hin und wieder auch die in der Magengrube sitzende Rock’n’Roll-Faust, damit nur ja keiner mehr an intellektuelle Studenten-Bubis wie AnnenMayKantereit denkt – was freilich nicht immer funktioniert. Vorwürfe jedoch, man sei lediglich eine weitere tendenziell vom drögen Arbeitsalltagsgrau gelangweilte Ton Steine Scherben-Coverband, müssen die Truppe dann doch nicht wirklich jucken. Die Diskussion über musikalische Daseinsberechtigung, bloß weil sich junge Musiker irgendwo etwas abhören, hat ja ohnehin einen Bart, der weitaus länger als der des Scherben-Rocks sein dürfte. „Neues Leben“ oder „Swing“ jedoch, für die Milliarden erneut kopfüber in den Pathos-Teich hüpfen, hätte es andererseits auch nicht wirklich gebraucht.

Dennoch ist „Schuldig“, der Nachfolger zum 2018 erschienenen „Berlin“ und der erste Output auf ihrem neuen DIY-Label Zuckerplatte, das zweifellos bisher stärkste Werk der Hauptstadt-Formation. Vor allem, weil die Texte eindeutig weniger Fremdscham auslösen als noch auf dem fünf Jahre alten Langspiel-Debüt „Betrüger„. Und weil die Platte durchaus das ein oder andere Highlight bietet. Man nehme etwa den Opener und Quasi-Titelsong, der gleich kräftig in den Neunzigern wühlt (Selig! Selig! Selig!) und mit den Gallaghers ein paar süffige Pints hinunterspült. Oder das fröhlich mit frecher Zunge in den Untergang rockende „Die Fälschungen sind echt„. Ebenso der an frühe Herrenmagazin erinnernde Indie-Rocker „Wenn ich an dich denke„, der trotz seines Herzschmerz-Themas genug Punsch im Vorratsschrank hat, damit das Glas in jedem Fall stets halbvoll bleibt.

Selbst wenn harmlos-rührselige Stücke wie „Die Gedanken sind frei“ lyrisch an bekannte „Macht doch sowas nicht!“-Grenzen stoßen, kehrt bei Hartmann, Aue und Co. insgesamt mehr Lockerheit, mehr urban geprägte Weitsicht ein. Auch Sozialkritik steht Milliarden recht gut zu Gesicht: Das punkrockende „Trenn dich“ macht zum Abschluss kurzen Prozess, jedoch eher mit dem selbstverliebten Ich inmitten der Konsum- und Instagram-Gesellschaft. „Wonderland“ packt nochmal das selige Oasis-Feeling aus (nur denken die Gallaghers in diesem Moment eher an die Rolling Stones denn an die Beatles) und verlässt sich anstatt eines Dauer-Refrains auf seine feinen Strophen. Und wenn selbst schmachtende Piano-Balladen zukünftig ähnlich unpeinlich gelingen wie „Ich schieß dir in dein Herz“, wird mit dieser Band eventuell doch noch zu rechnen sein. Und sei es allein aufgrund der Tatsache, dass diese verwegenen Underdog-Typen mit schmierigen Haaren, Reibeisenstimme und speckiger Lederjacke, die ihre Liebste „Baby“ nennen und mit der Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger am Abgrund entlang tänzeln, wohl nie so ganz aus der Mode kommen werden. In den elf Song gewordenen Akten von „Schuldig“ geht es um Aufstand und Exzess, Liebe und Schmerz. Kleine Brötchen? Sind grad aus, Keule. Da wird sich anstelle eines Frühstücks die erste Kippe angesteckt und später der vermaledeite Tod weggefickt. Leben am Limit! Hedonismus in der Hauptstadt! Revolution! Und natürlich ist alles super intensiv und voll authentisch, denn Ben Hartmann reißt sich am Mikro den Arsch auf und das Herz heraus, brüllt, barmt, lallt fast. Das Ergebnis bemüht sich gar nicht erst großartig, so offensichtliche wie unvermeidliche Referenzen von Rio Reiser (Ton Steine Scherben) über Jan Plewka (Selig) oder Marco Fitzthum (Wanda) bis hin zu Henning May (AnnenMayKantereit) von der Hand zu weisen. Druff jeschissen, wa! Wer sich an Klischees und Theatralik nicht stört, bekommt hier gute, kurzweilige Unterhaltung geboten.

(Wer mehr wissen mag, der findet hier und hier aktuelle Interviews mit Milliarden-Frontmann Ben Hartmann…)

Rock and Roll.

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Song des Tages: Matze Rossi – „Milliarden“


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Feines Ding geworden, und mit ’ner Extraportion ♥ ausgestattet: Der Singer/Songwriter (oder eben, auf Gutdeutsch und in bester Reinhard-Mey-Tradition: Liedermacher) Matze Rossi präsentiert mit „Milliarden“ seine brandneue Single und wird nach 22 Jahren darin (endlich) wieder politisch. Der Künstler aus dem unterfränkischen Schweinfurt dazu:

„VIEL ZU LANG HABE ICH MICH DARAUF AUSGERUHT, DARAUF VERTRAUT, DASS ANDERE GUTE POLITISCHE LIEDER SCHREIBEN. VIEL ZU LANG WAR ICH DER ANSICHT, DASS JEDER DER MEINE MUSIK HÖRT, EIN GEWISSES GRUNDVERSTÄNDNIS VON HUMANISMUS, ACHTSAMKEIT DEM PLANETEN ERDE & ALLEN LEBEWESEN GEGENÜBER HAT UND STELLUNG BEZIEHT. DOCH DAS REICHT NICHT MEHR!“

Ganze zwei Jahre habe der ehemalige Frontmann der Schweinfurter Punk-Band Tagtraum, welcher seit gut 15 Jahren vor allem solo unterwegs ist (und so bereits das ein oder andere Mal hier auf ANEWFRIEND Erwähnung fand), laut eigener Aussagen an „Milliarden“ geschrieben, „unzählige Text- und Arrangementversionen verfasst, alle verworfen und es auch schon fast aufgegeben“. Doch dann hat er den Song ganz spontan und wunderschön unfertig auf der 2019er TVNoir-Tour live gespielt. Als Feedback haben ihn zahlreiche Menschen darauf angesprochen,  wo sie denn das Lied bekommen könnten. Well… Nun ist es soweit und Matthias „Matze Rossi“ Nürnberger präsentiert das von Herzen kommende, zu selbigem gehende Stück in diesem faszinierend vielfältigem Ding namens Internet. Im Grunde ist „Milliarden“ einfach ein sehr schönes Lied über Themen, die einen allein (ver)zweifeln lassen könnten – käme da nicht der Schwenk dahin, warum das mit dem Verzweifeln halt doch nicht geht. Vielleicht nah am Kitsch gebaut, aber noch in genau der richtigen Nachbarschaft der Menschlichkeit untergekommen…

Was sich der 42-jährige Akustikklampfer mit dem Punk im Herzen nun wünscht? Verrät er via Facebook:

 

„Hallo Ihr Lieben,

‚Milliarden‘ ist endlich draußen, ich habe im Vorfeld schon viel erzählt zu dem Lied und ich könnte noch so unendlich viel dazu sagen…doch lassen wir es erstmal wirken.

Teilt es, packt es in eure Streaming-Playlisten, nervt Radiosender es zu spielen, lasst mir einen Kommentar da, und bitte singt es ab 14.02. so laut ihr könnt auf der End Hits Records Tour mit mir.

Zum Video geht es hier:
https://youtu.be/SEcSoFe8BjU

Und zum Lied direkt hier:
https://orcd.co/milliarden

Ganz großen Dank möchte ich an meine lieben Freunde raushauen, die sich beim ersten Hören des Liedes gefilmt haben, und so das wunderbare Video möglich gemacht haben♥. Und natürlich an mein Label End Hits Records und die ganze Uncle M Bande, die so hinter mir stehen und mit viel Einsatz diesen Blitzrelease möglich gemacht haben.

Wir sind Milliarden
Punk & Liebe
Matze Rossi“

 

 

 

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Rock and Roll. ✌️

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