Schlagwort-Archive: Metal

Der Jahresrückblick – Teil 1


„High Fidelity“ lässt lieb grüßen, denn der Pop ist bekanntlich seit jeher besessen von Listen. Ob Verkaufscharts, Streamingzahlen oder höchst subjektive Kritiker*innen-Rankings – ständig weder Plattenregale uns -sammlungen, wird die Veröffentlichungsflut in Listenform gebracht, wird Altes in Listenform neu gewichtet. Zum Jahresende ist es besonders heftig, denn natürlich dürfen, sollen, müssen überall die besten Alben und Songs der vergangenen zwölf Monate gekürt werden. 

Vor dem Blick auf die Deutschen Charts scheue (nicht nur) ich auch sonst schon zurück, da sich dieses Land seit jeher durch (s)einen notorisch schlechten Geschmack auszeichnet und Fremdscham-Alarm jedes Mal aufs Neue garantiert ist. Und leider bilden die erfolgreichsten Titel des Jahres 2022 da – Bestätigung, hier kommt sie – keine Ausnahme: Das nervtötend ohrwurmige Vollpfosten-Lied „Layla“ von DJ Robin & Schürze belegt den ersten Platz der Single-Charts – neun Wochen hielt sich der dumpftumbe Ballermann-Hit, der ein Skandälchen auslöste, jedoch besser keinerlei Erwähnung verdient gehabt hätte, an der Chartspitze, mehr als 143 Millionen Mal wurde er gestreamt. Bei den Alben dann ebenfalls keine Überraschung: Mit „Zeit“ führen die Teutonen-Böller-und-Ballermänner von Rammstein erwartungsgemäß die Liste an – und zwar mit deutlichem Abstand. 340.000 Mal hat sich das elfte Nummer-Eins-Album der Berliner Band um das personifizierte rrrrrrrrollende „R“, Till Lindemann, insgesamt verkauft. Wie erwartbar, wie öde. Und irgendwie ja auch ein Spiegelbild der aktuellen Gesellschaft…

———————————

Christian Lee Hutson – Quitters

In den zurückliegenden Monaten durfte man ein ums andere Mal kopfschüttelnd seinen Glauben an die Menschheit verlieren: Kriege, Krisen, Klimawandel und damit einhergehende Umweltkatastrophen, Inflation, dazu die – hoffentlich – letzten Ausläufer einer weltweiten Pandemie, gesellschaftliche Spaltungen, politischer Stillstand (oder gar der ein oder andere Rechtsruck) wohin man schaute. Gesellschaftliche Unruhen im Iran, weil irgendwelche gottverdammten Männer unter religiösen Deckmänteln an ihrem formvollendet sinnfreien Regelwerk der Unterdrückung von Frauen und Andersdenkenden festhalten wollen? Eine aus so vielen, so falschen Gründen aus dem heißen Wüstenboden hochgezogene und mit unvorstellbar viel Blutgeld durchgeführte Winter-Fußball-WM in Katar? Ja, auch 2022 fanden Tagesschau und Co. meist statt, wenn der Sprecher (oder die Sprecherin) einem einen „Guten Abend“ wünschte und darauf mit vielerlei Schlagzeilen bewies, dass es eben kein guter war. Dass die Musikwelt in diesem Jahr Größen wie Mark Lanegan, Taylor Hawkins (Foo Fighters), Meat Loaf, Jerry Lee Lewis, Andy Fletcher (Depesche Mode), Christine McVie (Fleetwood Mac), Loretta Lynn, Betty Davis oder Mimi Parker (Low) verlor, macht das Ganze keineswegs besser. Dass 2022 Konzerte und Festivals endlich wieder in halbwegs „normalem“ Rahmen stattfinden konnten, jedoch schon – wenngleich es der Live-Branche jedoch alles andere als gut geht und vor allem kleinere, unbekanntere Künstler*innen und Bands sich in der Post-Corona-Zeit mit immer neuen Schwierigkeiten konfrontiert sehen (wen es interessiert, dem sei ein recht ausführlicher Artikel mit dem Titel „Kuh auf dem Eis“ hierüber in der aktuellen Ausgabe der „VISIONS“ – Nummer 358 von 01/2023 – ans Herz gelegt). Ja, das noch aktuelle Jahr war rückblickend sowohl gesellschaftlich als auch fürs menschliche wie planetare Zeugnis kein tolles – musikalisch darf zum Glück das komplette Gegenteil behauptet werden.

Wie also sieht und wertet die schreiberische Zunft als Albumjahr 2022? Nun, beim deutschen „Rolling Stone“ landen Tom Liwas „Eine andere Zeit“, „And In The Darkness, Hearts Aglow“ von Weyes Blood sowie „Ytilaer“ von Bill Callahan auf dem Treppchen, beim erfahrungsgemäß hype- und pop-affinen „Musikexpress“ sieht man Kendrick Lamars „Mr. Morale & The Big Steppers“, „DIE NERVEN“ von Die Nerven und „Motomami“ von Rosalía vorn, bei der „VISIONS“ wiederum „DIE NERVEN“ von Die Nerven, „Eyes Of Oblivion“ von den Hellacopters sowie „Wet Leg“ von Wet Leg. International führt „Renaissance“, das siebente Studioalbum von Beyoncé, das Kritiker-Ranking an. Und bei ANEWFRIEND? Ich greife mal vorweg und verrate, dass es zwar ein kleinwenig Konsens, jedoch recht wenig Überschneidungen mit alledem bei mir gibt und meine persönliche Bestenliste der Qualität wegen auf eine amtliche Top 25 erweitert wurde…

Foto: Promo / Michael Delaney

Dass die vergangenen Monate die notwendige Untermalung fanden, lag auch an „Quitters„, dem vierten Langspieler von Christian Lee Hutson. Was mich rückblickend etwas erstaunt, ist, dass der im April erschienene Nachfolger zum 2020er „Beginners“ zwar seinerzeit von den einschlägigen kritischen Stimmen wohlwollend goutiert, in den jeweiligen Jahresendabrechnungen jedoch kaum berücksichtigt wurde. An den durch und durch großartigen 13 Songs des Albums kann’s kaum gelegen haben, denn näher an das Schaffen eines Elliott Smith ist lange, lange Zeit niemand herangekommen – und das ist vor allem aus meiner digitalen Feder als recht großes Kompliment zu verstehen. Zudem mischen einmal mehr keine Geringeren als Phoebe Bridgers und Conor Oberst mit. Heraus kommt eine Dreiviertelstunde musikalischer Zerstreuung und Realitätsflucht, die auch bei der Vielzahl an Konkurrenz im Jahr 2022 völlig zurecht auf meiner Eins landet. A singular ode to melancholy.

mehr…

2.  Nullmillimeter – Wer die Wahrheit sagt, der braucht ein schnelles Pferd

Nullmillimeter sind eine von so einigen tollen musikalischen Neuentdeckungen des zurückliegenden Musikjahres. Und knallen dem geneigten Hörer (oder eben der geneigten Hörerin) mit „Wer die Wahrheit sagt, der braucht ein schnelles Pferd“ mal eben ein derart faszinierendes Debüt vor die Lauscher, dass man sich im Wirbel kaum entscheiden mag, was hier toller ist. Das großartige Coverartwork mit dem auf einem Poller festgerittenen Pony? Der Albumtitel, in welchem wortwörtlich ebensoviel Wahrheit steckt wie in all den klugen Textzeilen? Die Stimme von Sängerin Naëma Faika, die der bundesdeutschen Musiklandschaft – tatsächlich, tatsächlich – gerade noch gefehlt hat? Die bockstarke Band hinter ihr, die manch eine(r) in der Vergangenheit bereits als Teile der Begleitbands von Kid Kopphausen, Staring Girl, Jochen Distelmeyer, Tom Liwa, Olli Schulz oder Gisbert zu Knyphausen zu hören bekam? Dass letztgenannter hier bei einer Coverversion eines Songs aus dem Solo-Schaffen von Pearl Jam-Frontstimme Eddie Vedder mitmischt? Dass sich diese Nummer dann noch ganz organisch in den Albumfluss einfügt und man sich immer wieder kopfüber in die Platte schmeißen möchte, die so voller Schmerz, so voll herrlicher Melancholie, aber vor allem so voller Leben steckt? Ach, herrje – man weiß es nicht. Man will’s auch gar nicht wissen, denn im Zweifel aller Zweifel ist’s all das. Doppelt. Dreifach. Gleichzeitig. Und es ist einfach so toll, dass man lediglich kritisieren mag, dass dem Album kein Booklet beiliegt.

mehr…

3.  Pianos Become The Teeth – Drift

Es gibt Bands, Alben und Songs, die einen vom ersten Moment an mit ihrer Atmosphäre und ihrer wunderbaren Unmittelbarkeit einfangen und so schnell auch nicht mehr loslassen. Pianos Become The Teeth wurden für mich anno 2014 mit ihrem dritten Langspieler „Keep You“ zu einer solchen Band (und schafften es damals auch völlig zurecht aufs Treppchen der „Alben des Jahres„). Ihr vorheriges Post-Hardcore-Brülloutfit war (und ist) mir im Gros herzlich schnuppe, aber mit ihrem einschneidenden Wechsel hin zu melancholischem Emo-Indie und mit den ersten Tönen des „Keep You“-Openers „Ripple Water Shine“ war ich unwillkürlich schockverliebt. Nach dem auf hohem Niveau stagnierenden 2018er Album „Wait For Love“ besitzt „Drift“ nun wieder diesen „Ripple Water Shine“-Effekt, denn das Album ist schlichtweg schonungslos emotional – in Ton und Wort. Dicht gewebte, hallende Rhythmen, melancholische Melodien und wenige, gut dosierte laute Momente. Dazu singt Kyle Durfey seine persönlichen Texte, die vom Leben und oft von dessen Schwere handeln. In „Pair“ etwa davon, wie Durfeys Frau Lou (die in vier Stücken namentlich genannt wird) und er lange auf ihren Nachwuchs warten mussten. Wie es sich für richtig gute Alben gehört, wechselt die Lieblingssongs von Zeit zu Zeit, neben der Übernummer „Genevieve“ sticht etwa das repetitive, an Radiohead erinnerte „Easy“ hervor. So oder so liefert die Band aus Baltimore, Maryland einmal mehr zehn wundervolle Tearjerker, zu denen es sich vortrefflich die Fäuste gen Firmament ballen lässt.

mehr…

4.  Frank Turner – FTHC

Apropos „liefern“, apropos „Fäuste gen Firmament“: Beides trifft natürlich auch auf Frank Turner zu, denn der britische Punkrock-Barde scheint Schlaf so nötig zu haben wie ein Uhu eine Badekappe. Nicht nur hat der 41-jährige Musiker bereits über 2.700 Shows unter eigenem Namen gespielt (etwa 140 allein in diesem Jahr, zudem fand mit den „Lost Evenings“ gar ein eigenes Festival in Berlin statt), er trägt das Herz auch am richtigen Fleck und liefert im Zwei- bis Drei-Jahres-Turnus auch verlässlich Alben ab, zu deren Songs man nur allzu gern die geballte Patschehand gen Himmel strecken und ein bierseliges „Aye, mate!“ ausstoßen möchte. Daran ändern die 14 Nummern (beziehungsweise 20 in der Deluxe Edition) von „FTHC„, seinem nunmehr neunten Studioalbum, mal so rein gar nix. Und so vielseitig, so frisch klang der nimmermüde Turner schon lange nicht mehr. Frank und frei – Sie wissen schon… Und wem bei „A Wave Across A Bay“, seinem Tribute an den zu früh verstorbenen Frightened Rabbit-Buddy Scott Hutchison, nicht das Herz holterdipolter gen Schlüppi rutscht, der hat statt pochendem Muskel nur einen ollen Betonklotz in der Brust sitzen…

mehr…

5.  Dreamtigers – Ellapsis

Nerds wissen es freilich längst: Die meisten Fachsimpeleien über Musik stützen sich manches Mal schon sehr auf eine Art von Genre-Taxonomie, bei welcher sowohl Kritiker als auch Fans Songs und Alben in verschiedene Bestandteile zerlegen und die Anatomie der verwendeten Formen in erkennbare Strukturen unterteilen. Doch was für die einen nützlich erscheinen mag, um dem lesenden Gegenüber Empfehlungen zu geben, dürfte all jene, die sich eben nicht knietief im musikalen Nerdtum bewegen, schnell abschrecken. Ein recht gutes Beispiel, dass man bei Empfehlungen lange wie kurze Wege gehen kann, ist „Ellapsis“, das zweite Album von Dreamtigers, einem Bandprojekt, das sich aus Mitgliedern der Melodic-Hardcore-Helden Defeater und den Post-Rock-Größen Caspian zusammensetzt. Denn auf dem Langspieler, dessen Titel ein erfundener Begriff für eine Krankheit, die durch den Lauf der Zeit hervorgerufen wird, ist, passiert eine ganze Menge, und vieles davon scheint unvereinbar zu sein. Das erste, das Unmittelbarste, was man wahrnimmt, ist die beständig zwischen fragilem und mächtigem Momentum pendelnde Instrumentierung. Die Gitarren werden durch eine ganze Reihe von Effektpedalen gejagt, dazu kommen ein unscharf ins Rund tönender Bass und souveräne Drums. Einen Moment lang könnte man meinen, es handele sich um ein eher konventionelles Post-Rock-Album – bis der Jake Woodruffs Gesang einsetzt, der auch in einer Alt-Country-Band nicht fehl am Platz wäre. Überhaupt lassen sich die Stücke stilistisch nur schwerlich festlegen, denn während des gesamten Albums schimmern verschiedene Nuancen durch, die wie Lichtstrahlen durch einen Kristall fallen: Folk-Songs brechen in Post-Rock-Höhepunkte aus, Indie-Rock-Hooks huschen durch Shoegaze-Atmosphären, wobei Gesang und Songwriting stets unbehelligt von dem akustischen Wirbelsturm aus Effektpedalen und treibenden Schlagzeugmustern um sie herum bleiben. Fast könnte man meinen, dass die Songs so sehr auf akustische Soloauftritte zugeschnitten zu sein scheinen, dass die üppigen, hymnisch empor steigenden Arrangements, welche mit ihrer Dringlichkeit und latent aggressiven Energie ein ums andere Mal an Defekter erinnern, fast trotzig klingen. Dennoch kommt man der Sogwirkung dieses Albums als Ganzes (ganz ähnlich wie bereits beim kaum weniger tollen 2014er Vorgänger „Wishing Well„) nicht wirklich nahe. Denn wie auch immer man das Zusammenspiel zwischen Instrumentalem und Gesang beschreiben mag, was bei dieser Platte wirklich heraussticht, sind all die Meditationen über das Verfliegen der Zeit und wie die Band aus Massachusetts hier selbst die flüchtigsten Momente ewig erscheinen lässt. Selbst die längeren Songs von „Ellapsis“ fühlen so kurz an wie die kürzeren, während die kurzen den längsten ebenbürtig erscheinen, und das Album als Ganzes hallt weit über seine lediglich dreißig Minuten Laufzeit hinaus. Angefangen beim Opener „Six Rivers“ umspülen einen die Stücke wie ans Ufer schlagende Wellen, die mit den Gezeiten verebben und fließen. Wenn der Albumabschluss „Stolen Moments“ schließlich sein Ende findet, fühlt es sich beinahe so an, als ob der Schlusschor schon ewig hinter dem Universum her gesummt wäre.

mehr…

6.  Pale – The Night, The Dawn And What Remains

Pale melden sich ein allerletztes Mal zurück – einerseits ja wunderbar, wären die Gründe für das unerwartete Comeback keine so traurigen. Umso schöner, dass die Aachener Indie-Rock-Band mit „The Night, The Dawn And What Remains“ umso trotziger sowohl ihre Freundschaft und den gemeinsamen Weg als auch das Leben feiert. Macht’s gut, Jungs – und danke für diese wundervolle Ehrenrunde! #träneimknopfloch

mehr…

7.  Muff Potter – Bei aller Liebe

Und wo wir gerade bei Comebacks wären, sind Muff Potter in diesem Jahr freilich nicht allzu weit, denn: Alle kommen sie wieder, irgendwann und irgendwie. Das traf 2022 selbst auf ABBA zu, die 2021 mit „Voyage“ zunächst die ersten neuen Songs seit fast vierzig Jahren präsentierten, um im Jahr darauf ausverkaufte Hologramm-Konzerte in London zu „spielen“- getreu dem schwedischen Erfolgsmotto „Entdecke die Möglichkeiten“. Und auch in der Rockmusik konnte man zuletzt vermehrt das Gefühl bekommen, selbige bestehe nur noch aus Reunions einst erfolgreicher Bands, die in Ermangelung neuer Ideen versuchen, mit den alten noch einmal abzukassieren. Dann wiederum gibt es Truppen wie eben Muff Potter, denen es mit ihrem Albumcomeback nach schlappen 13 Jahren Pause gelingt, selbst eingefleischte Per-se-Skeptiker umzudrehen, weil man „Bei aller Liebe“ bei allem frischen Ideenreichtum die Zeit anhört, die seit dem Abschied mit „Gute Aussicht“ vergangen ist. Die Platte zeugt davon, dass das Leben eben auch ohne gemeinsame Band weitergeht, und es töricht wäre, all die Erfahrungen beiseite zu lassen, die man in der Zwischenzeit zwangsläufig macht. Und deshalb steht hier Blumfeld-artiges wie „Ein gestohlener Tag“ neben Instant-Hits wie „Flitter & Tand“ oder einem 72 Sekunden kurzen Punkausbruch wie „Privat“. Verschränken sich in Thorsten „Nagel“ Nagelschmidts Texten seine schriftstellerische Arbeit (sic!) mit dem Punk-Fan, den es auch mal einfach braucht. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass man Muff Potter – bei aller Liebe – keineswegs zugetraut hätte, noch einmal so viel zu sagen zu haben und sich musikalisch so offen zu zeigen – mit Kurzweil wie mit Tiefgang. Andererseits ist’s natürlich umso schöner, wenn die eigenen Erwartungen übertroffen werden und man eine lange Zeit auf kreativem Eis liegende Herzensband neu für sich entdeckt.

mehr…

8.  Cat Power – Covers

Dass Chan „Cat Power“ Marshall für ihre Coverversionen bekannt ist, dürfte sich mittlerweile auch bis zu den allerletzten Hütern des guten Musikgeschmacks herumgesprochen haben, immerhin hat die 50-jährige US-Musikerin im Laufe ihrer annähernd dreißigjährigen Kariere bislang zwei verdammt formidable Coversong-Alben veröffentlicht, auf denen sie von unbekannteren Bob Dylan-Nummern über Blues’n’Soul-Stücken bis hin zu abgeschmackten Evergreens wie „(I Can’t Getroffen No) Satisfaction“ jedem Song derart ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Stempel aufdrücken konnte, dass es eine wahre Schau war. Nach „The Covers Record“ (2000) und „Jukebox“ (2008) macht Cat Power nun mit „Covers“ das Trio voll und liefert erneut formvollendet-exquisites Coverhandwerk – ganz egal, ob die Originale von von Nick Cave and the Bad Seeds („I Had A Dream, Joe“), Lana Del Rey („White Mustang“), den Replacements („Here Comes A Regular“) oder Billie Holiday („I’ll Be Seeing You“) stammen. Ja, die Frau kann mit ihrer so wunderbar rauen, so unendlich tiefen Stimme kaum etwas falsch und sich so ziemlich jede Fremdkomposition zueigen machen.

mehr…

9.  Tristan Brusch – Am Rest

Wie bereits in der dazugehörigen Rezension erwähnt, bin ich bei Tristan Bruschs dritten Album „Am Rest“ etwas late to the party, immerhin erschien die Platte bereits im Oktober 2021. Dennoch verpassen alle jene, die diese Musik gewordene Trübsalsfeierlichkeit ganz außen vor lassen, so einiges bei diesen Oden an das Ende der Dinge und an die Akzeptanz des Verlusts. Ja, im Grunde könnte es kaum bessere Stücke geben, um jenen so intensiv graumeliert schimmernden Tagen einen passenden Soundtrack zu liefern. Sucht wer die passenden Gegenstücke zu Max Raabes „Wer hat hier schlechte Laune“ (welches, wenn ihr mich fragt, übrigens als weltbeste Warteschleifenmusik für alle Kundendiesnthotlines taugen würde)? Nun, hier habt ihr sie – dargeboten von einem begnadeten Liedermacher, der alle nach billigem Tetrapack-Weißwein und zu vielen Marlboro-Kippen müffelnden, mieslaunigen Chansoniers ins piefige Bundesdeutsche überträgt.

mehr…

10. Betterov – Olympia

Freilich war die Vielzahl an Erwartungen, die an den Debüt-Langspieler von Manuel „Betterov“ Bittorf geknüpft waren, ebenso groß wie die Vorfreude auf neue Songs des gebürtigen Thüringers und Wahl-Berliners. Umso schöner, dass „Olympia“ diese Hürde beinahe mühelos nimmt und elf Songs präsentiert, denen man den Produzenten ebenso anhört wie die Platten, die beim Schreiben wohlmöglich im Hintergrund liefen. So mausert sich Betterov vom Newcomer-Geheimtipp zum amtlichen Senkrechtstarter, der völlig zurecht einen Platz in meinen persönlichen-Jahres-Top-Ten einfährt. Olympia-Norm? Vollends erfüllt.

mehr…

…auf den weiteren Plätzen:

Husten – Aus allen Nähten mehr…

Casper – Alles war schön und nichts tat weh

Death Cab For Cutie – Asphalt Meadows mehr…

William Fitzsimmons – Covers, Vol. 1

Caracara – New Preoccupations mehr…

Eddie Vedder – Earthling mehr…

Black Country, New Road – Ants From Up There

Gang Of Youths – Angel In Realtime.

Spanish Love Songs – Brave Faces Etc. mehr…

Faber – Orpheum (Live)

Die Nerven – DIE NERVEN

Ghost – Impera

Proper. – The Great American Novel mehr…

Rocky Votolato – Wild Roots mehr…

The Afghan Whigs – How Do You Burn?

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Zu kurz gekommen – Teil 14


…But Alive – Nicht zynisch werden?! (1995)

-erschienen bei Weird System-

Wir haben uns entschieden / So wie die meisten / Fürs Rattenrennen / Und fürs Eigenheim leisten / Du blickst herab / Mit diesem Wissen was los ist...“ Liedermacher Niels Frevert sitzt 2008 im von Rotwein getränkten, überaus selbstreflexiven Kettcar-Song „Am Tisch“ in einer stylish-schicken Altbauwohnung und schaut zu seinem Freund Marcus Wiebusch hinüber, dem kauzig-arroganten grumpy old leftie, der seit jeher wohl alles immerzu besser wusste. Doch jener Wiebusch hadert Sekunden später selbst mit sich: „Ein Toast / Auf das Leben / Das Glück / Nur ich, ich komm‘ nicht mehr mit / Mit dem Leben / Dem Glück…“ Die Klarheit der Jugend, hinfortgerissen im Taumel der immergleichen Tagesroutinen. Nicht nur Niels, auch Marcus ist jetzt Teil jener Kraft, die stets Gutes will, aber oft gar nichts schafft: den Linksliberalen.

Dreizehn Jahre vor dem „Tisch“ sind die Fronten wesentlich klarer: „Die Feigheit hat einen Namen, linksliberal„, rotzt der Hamburger Wiebusch, damals vergleichsweise juvenile 26 Jahre jung, mit seiner ersten echten Band ..But Alive auf „Natalie“ vom zweiten Album „Nicht zynisch werden?!“ seine Wut in die Welt – und er hat in den Neunzigern eine Menge davon. Bereits beim Opener „Nennt es wie ihr wollt“ widmet sich der stets latent sprechsingende Frontmann dem Ausverkauf der eigenen (Punk-)Szene. Einem Ausverkauf, der eben im Alter – zumindest für die Glücklichen, die Sesshaften, die Spießigen – doch zum Eigenheim führt. Als Fundament dient ihm der wie aus einem Guss gespielte Mix aus melodischen Punk-Rock-Refrains und tempiwechselnden Metal-Attacken, der …But Alive während ihrer acht Bandjahre so unverkennbar machte.

Ähnlich wild fliegt „Aus und vorbei“ vorbei: Loriot-Zitat, Ska-Off-Beats, brutale Riffs und das nötige Pathos im Refrain – „Ein Hype, ein Star, ein Schuss – und dann C&A und Schluss“ – reichen Wiebusch für seine Abrechnung mit dem Generation X-Framing durch die Mehrheitsgesellschaft. Wie ein Chirurg zerlegt er den aufgedrückten Brand in der ersten Strophe: „Zuerst war alles nur ein Buch / Und jeder wusste, wer wir sind / Nur wir leider nicht…“ Das erwähnte „Buch“? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wohl „Generation X“ von Douglas Coupland, welches den sogenannten „Baby-Boomern“ zwar ein einprägsames Label aufdrückte, dafür jedoch recht wenig Lebenshinweise mit auf den Weg gab. Wiebusch steht damit im Geiste der Boxhamsters, die sich vier Jahre zuvor auf „Zu klein“ ebenfalls gegen die Ausweglosigkeit wehren: „Wir hatten nie ‚No Future‘ und glaubten an die Zeit...“

Überhaupt hadert der Kopf von …But Alive in jenen jungen Jahren – im Gegensatz zur späteren Weinprobe im gediegenen Eigenheim – weniger mit sich, sondern nimmt es mit der Szene, der Gesellschaft, mit alten Freunden wie neuen Feinden zeitgleich auf. Stets mit Schaum vorm Mund, und immer in der Überzeugung, zu wissen, was los ist. Auf dem 1993er Debüt „Für uns nicht“ schlägt er lyrisch noch ungestüm – und deutlich wilder – um sich. Der obligatorische Anti-Nazi-Song „Nur Idioten brauchen Führer“ sorgt im Kampf der Neunziger gegen die rechten Glatzen für Zusammenhalt bei bedrohten Konzerten, „Für immer 16“ interpretiert Peter Maffays „Ich möchte nie erwachsen sein“ und Alphavilles „Forever Young“ auf Punkig-Hanseatisch, in „Ohnmacht“ sprengt er 1991 als Terrorist Bayer und Hoechst in die Luft.

Schaut man sich heute, etwa drei Dekaden später, den Text von „Ohnmacht“ noch einmal genauer an, wandert man schnell in Gedanken über die Brücke ins Camp der Letzten Generation und fragt sich, warum die Generationskolleg*innen der „Generation X“ seinerzeit nicht mehr getan haben: „Oh, seht uns an, wir stehen vor den Trümmern dieser Zivilisation / Ein paar clevere Affen erfanden das Rad / Hier kommt die letzte Generation / Die noch ein bisschen menschenwürdig leben kann / Die Gräber stehen bereit„, und später: „Erzählt mir nichts von Recht und Ordnung / Wenn irgendeiner hier Amok läuft / Wenn morgen Regionen zu Wüsten werden und halb Indien ersäuft.“ Die Weitsicht, die Aktualität dieser Zeilen ist erstaunlich, sollte jedoch vor allem zu denken geben.

Andererseits sieht Wiebusch jedoch selbst die Machtlosigkeit solcher, stets vor allem von Parolen getriebener Musik und distanziert sich bereits zu …But Alive-Zeiten von jener naiv-zornigen Anfangsphase: „Ich habe Musik mit 16, 17, 18 tatsächlich als Waffe gesehen (…) Wenn ich singe: ‚Ohnmacht, ich spreng‘ euch alle weg!‘, dann ist das meine Meinung, und ich will, dass das alle anderen auch so sehen (…) Einen Song wie ‚Ohnmacht‘ wird es von mir nie wieder geben.“ Ebenso kontrovers dürfte Wiebusch rückblickend den Song „Ich möchte Ilona Christen die Brille von der Nase schlagen„, der 1997 zunächst auf der Split-7″ mit der kanadischen Hardcore-Band I Spy und später auf dem dritten Album „Bis jetzt ging alles gut…“ erschien, sehen, schließlich wird dort TV-Moderatorin Margarethe Schreinemakers in einer Textzeile als „Quotenhure“ bezeichnet. Das brachte der Band bereits damals – lange vor Internet-Shitstorms, #MeToo und Co. – den Vorwurf des Sexismus ein – die Kritik mag, Punkszene hin oder her – berechtigt gewesen sein, der Vorwurf könnte bei einem wie Wiebusch, der sich später bei jeder sich bietenden Gelegenheit für Homosexuelle, für Flüchtlinge oder Frauen- wie Tierrechte stark machte, jedoch falscher kaum sein.

Musikalisch jedoch überzeugen die 1991 gegründeten Hamburger von …But Alive von Anfang an und fanden schnell eine komplett eigene Szenennische zwischen Hafenstraße und Hamburger Schule. Hardcore Punk, Rap, Ska, Metal und Indie Rock …forming like Voltron. Hagen van de Viven zelebriert an der Leadgitarre, Marcus Wiebusch sorgt als Nachwuchs-James Hetfield an der zweiten Klampfe für eine Punk-untypische, mächtige Soundwand. Schlagzeuger Frank Tirado-Rosales (der Wiebusch später zu Kettcar folgen und selbigen bis 2010 treu bleiben wird) baut immer wieder Breaks und Grooves ein, die den biertrunkenen Kopf zwischen Headbangen, Nicken und Schütteln ganz wuschig werden lassen. Nur am Bass wechseln sich, ebenfalls verdammt Metallica-like, die Bandkollegen häufig ab. Es gibt und gab keine andere Punk-Rock-Band, die so klang wie …But Alive, und kein zweites deutschsprachiges Album fasst das Leben der Neunziger wohlmöglich so prägnant und nachhaltig in Worte wie „Nicht zynisch werden?!“ Steile Thesen? Genau. Aber, vor allem was letzteren Punkt betrifft, eine begründete, denn in den 15 Songs (zählt man den feinen Akustikgitarren-Hidden Track „Betroffen aufessen“ mit) kanalisiert Marcus Wiebusch seinen angestaunten Hunger, der Welt zu erzählen, was zur Hölle los ist, ohne ihr jedoch von oben herab zu predigen, was sie tun soll. Und: Er findet hier erstmals wirklich zu seinem noch später bei Kettcar so unnachahmlichen Stil aus Punchlines und Poesie, aus Parole und Meta-Ebene. In den Zwei-bis-drei-Minuten-Punk-Tiraden verdichtet er seine Gedanken so stark, dass ihm meist nur eine Zeile genügt, um eine ganze Generation – dieses Mal würdig – zu beschreiben.

Wer gebraucht wird, ist nicht frei / Wer braucht, wird niemals frei sein“ und „Ganz egal, welchen Weg wir wählen / Nur die Momente sind es, die zählen.“ Für die Außenwirkung mag da ein baumlanger angepisster Punk am Mikro stehen, im Herzen jedoch sitzt hier ein Rapper, so sehr und hervorragend wie etwa bei „Weißt nur was du nicht willst“ kluge Punchlines mit diversen Schichten und Ebenen mit den melodischen Leads und dicken Midtempo-Grooves harmonieren. Weitere Beispiele gefällig? „Und zwischen den Verträgen / Sucht jeder das Leben“ („Überall„) oder „Nichts ist brutaler als Moral / Die nur sich selbst genügt“ („Lasst es ihre Entscheidung sein„). Wiebusch verkopft hier (noch) nicht, textet nicht zur reinen Selbstgefälligkeit, sondern bleibt mit beiden Füßen auf der dreckigen Straße.

Für die Kleinkinder der Achtziger, die nur allzu gern und aus lauter Trägheit vom Gartenzaun aus die Welt verändern wollen, sind Bands wie …But Alive Mitte der Neunziger die Stimme der Vernunft und Menschlichkeit. Eine Stimme, der im AJZ alle folgen konnten, die den ganzen rechtskonservativen, heute verdammt AfD-nahen CDU-Dreck der Neunziger genauso ablehnten wie den dogmatischen DDR-Schwachsinn der KPD-Deppen und die abgrenzenden Political Correctness-Pamphlete der Autonomen. Denn „nichts ist schwarz-weiß“ und wenn du vergisst, wo du herkommst, wirst du dich selbst verlieren. Wiebusch wusste das und setzt seine Kraft auf die Liebe: „Es kommt nur auf dich und mich an / Und dann ist der Rest der Welt dran“ („1 + 1= 3„) und ganz besonders im wohl schönsten Refrain des Albums: „Mich interessiert nicht, was du weißt / Sondern nur, woran du glaubst / Mich interessiert nicht, was du hast / Sondern nur, was du brauchst“ („Keine Gegensätze„).

„Nicht zynisch werden?!“ mag zwar kein allumfassender Meilenstein sein, ist jedoch mit seiner Kompaktheit und dem zwischen den Rumpel-Rhythmen sorgsam versteckten Pop-Appeal eines der lyrisch größten deutschsprachigen Alben der Neunziger, stetig vibrierend zwischen dem naiven Hunger der Jugend und der wachsenden Selbsterkenntnis eines Dichters und Denkers. In jenen Zeiten profitieren neben …But Alive auch die Ska-Kollegen von Rantanplan und Slime für ihr Opus Magnum „Schweineherbst“ von Wiebuschs Einfluss.

Dennoch ist die Weiterentwicklung – oder besser: das Erwachsenwerden – freilich weder lyrisch noch musikalisch aufzuhalten. Bereits beim dritten, zwei Jahre darauf erscheinenden …But Alive-Album „Bis jetzt ging alles gut…“ schleichen sich Indie-Rock-Anleihen zwischen Wiebuschs immer kryptischere und verschnörkeltere Zeilen und bilden beim vierten und finalen 1999er Werk „Hallo Endophin“ bereits des Rudels Kern. Ein Jahrtausend endet, und mit ihm auch …But Alive und deren Traum vom Kampf für Punk-Rock-Ideale. Der Weg für Kettcar, der Weg in die Linksliberalität, die Altbauwohnung und ins vermeintliche Glück war frei. Dass Marcus Wiebusch für die Veröffentlichung des Kettcar-Debüts „Du und wieviel von deinen Freunden„, welches damals keinen Vertrieb fand, gemeinsam mit Kettcar-Bassist Reimer Bustorff und dem damaligen Tomte-Frontmann Thees Uhlmann mit Grand Hotel Van Cleef ein eigenes Label aus der Taufe hebt, das auch heute, dreißig Jahre später, noch bestens floriert? Ist eine andere Geschichte (die jedoch vor allem beweist, dass man den Punker im Herzen nie so ganz gehen lassen sollte)…

Wenn es noch so bitter ist: Was bleibt, ist die Erkenntnis / Im Falschen nichts richtig, ob im Nehmen oder Geben / Dass wir alle nur eine Lüge leben / Und es muss mehr als das hier geben…“ („Natalie„)

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Song des Tages: BRUTUS – „Victoria“


Foto: Promo / Eva Vlonk

Gut drei Jahre hat sich das belgische Trio Zeit gelassen, nun werfen BRUTUS immer mehr vielversprechende Songschatten ihres dritten Langspielers voraus. Der neuste hört auf den Titel „Victoria“ und ist nach „Liar“ und „Dust“ bereits der dritte Appetithappen vom kommenden, am 21. Oktober erscheinenden Album „Unison Life„.

Sängerin Stefanie Mannaerts verrät, worum es in der neuen Single geht: „‚Victoria‘ handelt vom Älterwerden. Man weiß, dass das Erwachsenenleben hinter der Ecke lauert, aber man hat keine Angst vor dem, was kommt, weil wir alle gemeinsam untergehen werden.“ Zudem enthält ‚Victoria“ die Zeile „This is our unison life, my friend / This is the end“, welche Bassist Peter Mulders dazu inspirierte, „Unison Life“ als Titel für den Nachfolger des 2019er Langspielers „Nest“ vorzuschlagen. Peter verrät: „‚Victoria‘ hat sich für uns immer nostalgisch angefühlt. Zurück zu den alten BRUTUS-Tagen! Das Gitarrenriff gibt es schon seit 2013, aber erst jetzt erstrahlt es in einem kompletten Song. Was als ruhigerer Song mit normaler Songstruktur gesehen werden kann, hat sich für uns als großer Schritt herausgestellt. Wir können uns nicht hinter Effekten, Tempowechseln, Shouts oder Blasts verstecken.“

Für das Musikvideo zu ‚Victoria“, welches musikalisch einmal mehr mit gebündelter Intensität aufwartet und in seinen viereinhalb Minuten zwischen Post Rock, Progressive Rock, Alternative Rock und Post Hardcore pendelt, reisten BRUTUS mit Regisseur Jonas Hollevoet durchs heimische Belgien, um für das Visuelle das nostalgische Gleichgewicht zwischen Jung und Alt, Alleinsein und Zusammensein zu suchen. Zu sehen sind die Bandmitglieder (und einige Gäste), wie sie Schilder mit einzelnen Textzeilen an Orten hochhalten, an denen die Menschen einfach nur im Moment leben. Die Reaktion des Publikums um sie herum ist durchweg faszinierend: einige schauen neugierig zu, andere ignorieren sie völlig, und gelegentlich gibt es Gruppen, die verzweifelt versuchen, an der Aktion teilzunehmen.

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Song des Tages: Sarah King – „War Pigs“


Obwohl tatsächlich nie als Single veröffentlicht, ist „War Pigs“ einer der ikonischsten Songs von Black Sabbath – und für manche gar einer der besten Metal-Songs überhaupt. Kein Wunder also, dass das Stück seit Erscheinen im Jahr 1970 (auf dem Album „Paranoid„) von zahlreichen Bands und Künstlern von Faith No More über Cake oder First Aid Kit bis hin zu The Dresden Dolls gecovert wurde.

Eine der neusten – und wohl zweifellos bislang ungewöhnlichsten – Interpretationen stammt von Sarah King. Und anstatt den Song ähnlich rabiat zum Besten zu geben wie seinerzeit Tony Iommi, Ozzy Osbourne, Geezer Butler und Bill Ward, entschied sich die Roots-Rock-Singer/Songwriterin aus Vermont, mal eben beinahe alles zu ignorieren, was „War Pigs“ seit einem halben Jahrhundert so unverwechselbar, so unverkennbar macht. Stattdessen stellt sich die US-Musikerin den Song als etwas vor, das Folk-Hippies vom Greenwich Village bis hinüber nach San Francisco wohl in den Sechzigerjahren veröffentlicht hätten: einen Anti-Kriegs-Protestsong.

So lässt Sarah King etwa das bekannte sludgy anmutende Intro komplett weg und beginnt direkt mit den Textzeilen „Generals gathered in their masses / Just like witches at black masses“, während ihre einsame Akustikgitarre abwechselnd den Platz von Bill Wards Schlagzeug sowie den Saiteninstrumenten von Tony Iommi und Geezer Butler einnimmt. Auch „Luke’s Wall“, das Outro, ist in ihrer Version verschwunden. Das spontan innerhalb von zwanzig Minuten live im Studio eingespielte Ergebnis lenkt so die Aufmerksamkeit des Hörers auf den berühmten Anti-Kriegs-Zeilen des Songs, welche klar und deutlich jene Leute aus Politik, Wirtschaft und Co. verurteilen, die anderen zwar den Krieg erklären, aber selbst nicht kämpfen. So wird „War Pigs“ fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung vom Metal-Banger zum gleichsam düstren wie klassischen Protestsong…

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Song des Tages: BRUTUS – „Cemetery“ (live in Ghent)


Geert_Glasgow01

Gute Nachrichten von Belgiens zweifellos bester Krawall-Band: BRUTUS haben mit einem Mitschnitt von „Cemetery“ ihr Livealbum „Live in Ghent“ angekündigt. Nachdem Stefanie Mannaerts, Peter Mulders und Stijn Vanhoegaerden – wie so viele andere Bands und Künstler auch – ihre Tourpläne für das laufende Jahr aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen verwerfen mussten, konserviert das belgische Post Hardcore-Metal-Trio mit seiner im Mai 2019 aufgenommenen Show in der Handelsbeurs-Halle in Ghent ihre konzentrierte Live-Atmosphäre auch für die Zeit während des Konzertstopps.

7019@400Nach „Fire“ und „Sugar Dragon„, die BRUTUS‘ Live-Präsenz mal von immersiver Atmosphäre, mal von entfesselten Russian Circles-Gitarren und dem heiseren Keifen von Sängerin und Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts dominiert zeigten, ist „Cemetery“ bereits die dritte geteilte Aufnahme aus dem nun für den 23. Oktober angekündigten Livealbum, welches 13 Songs aus ihren beiden Alben „Burst“ und „Nest“ versammelt.

„Als die Welt da draußen Anfang März in den Lockdown ging, konnten wir ein Jahr Live-Musik sich vor unseren Augen in Luft auflösen sehen“, erklärt Mannaerts. „Auf Tour gehen, Festivals spielen, Bands anschauen, das alles war mit einem Mal weg. Das war schwer für uns, es war schwer für alle, die mit Live-Musik zu tun haben. Als Gegenmaßnahme nahmen wir uns etwas Zeit, auf unsere bisherige Arbeit zurückzuschauen und haben Material von alten Shows zusammengetragen. Das war schmerzhaft und heilsam zugleich. Dann stolperten wir über unsere Show im Handelsbeurs in Ghent vom Mai 2019. Ein Konzert in unserer Heimatstadt, das wir vor unseren Freunden und Verwandten komplett auf Film festhielten, nachdem wir von einer langen Zeit auf Tour zurückgekommen waren. Wir wissen, dass es nur eine Aufnahme ist und nicht einmal ansatzweise an das echte Gefühl rankommt, das wir auf der Bühne hatten, oder an die Energie, die uns Menge im Raum zurückgab, aber beinahe ein Jahr später sind wir absolut stolz auf diese Show, wenn wir zurückblicken.“

Zum nostalgischen Hintergrund des Albums passt auch das Cover-Artwork von „Live in Ghent“, das den Stiefsohn von Bassist Peter Mulders beim Verfassen einer Setlist für die aufgezeichnete Show zeigt. Und so ganz müssen übrigens aktuell weder BRUTUS noch ihre Fans auf Live-Erlebnisse vor der Bühne verzichten, denn diesen Monat wagte sich die Band als eine der ersten an erste Konzerte in pandemiekonformer Konzeption, die vor einem sitzenden Publikum à 400 und 100 Besuchern in den belgischen Städten Antwerpen und Oostende stattfinden konnten…

 

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

„Hail Santa!“ – Die Socken rocken Weihnachten


Immortal-Christmas

Nichts schreit lauter nach Weihnachten als Sockenpuppen und… Black Metal? Höchste Zeit also für „SockPuppetParody„, um mit ihrer neusten Idee von „Unsterblichen Weihnachten“ zurückzukehren.

Die neueste Ausgabe des Sockenpuppen-treffen-auf-Musikklassiker-YouTube-Kanals (von dem bereits vor gut einem Jahr auf ANEWFRIEND die Schreibe war) bietet eine neue Sichtweise auf die Geschichte von Frosty the Snowman, die heavy, rachsüchtig und düster daher kommt, wenn die Metal-Fußüberzieher von „Immortal Christmas“ an einem Schneemann-Bauwettbewerb teilnehmen – und die Konkurrenz schlußendlich auf höchst metallische Art und Weise schachmatt bangen…

a2045326607_16Denn als „Frostbite the Snowman“ von den anderen Teilnehmern des Wettbewerbs verspottet wird, gießt das nur noch mehr Öl ins Zorn-Feuer des Kältekugelmanns. Wie in der neuen Feiertagsparodie zu Frostbites Geschichte zu lesen ist: „There may have been a conjuring / That birthed Frostbite’s disdain / For his scream dawned an avalanche / That consumed all in its wake.

Am Ende krönt der – natürlich metal-affine – Weihnachtsmann Frostbite zum Gewinner, während „Immortal Christmas“ den Sieg mit einem hart-aber-herzlichen „Hail Santa!“ begrüßen – passt schon, wenn man bedenkt, dass Santa und Satan nur einen kleinen Buchstabendreher voneinander entfernt winken…

(Übrigens: Wenn ihr die dezent abgedrehte Version dieses Weihnachtsklassikers mögt, findet ihr die Audioversion der Geschichte von „Frostbite the Snowman“ via Bandcamp.)

 

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,
%d Bloggern gefällt das: