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Glückwunsch, Deutschland 2021 – Gil Ofarim soll wegen Davidstern in Leipziger Hotel abgewiesen worden sein


Foto: Getty Images / Tristar Media

Der Musiker Gil Ofarim ist gerade auf Lesereise zu seinem aktuellen Buch „Freiheit in mir“ und war im Zuge dessen unlängst in Leipzig zu Gast – offenbar ein Tourstopp mit *hust* unschönen Folgen: Wie er nun in einem Clip bei Instagram öffentlich machte, wurde er dort am vergangenen Abend in einem Hotel antisemitisch beleidigt. Der 39-Jährige ist sichtlich bewegt von den Ereignissen.

Aber seht selbst:

Während des zweiminütigen Videos kämpft Ofarim immer wieder mit den Tränen. Es handelt sich seinen Angaben zufolge um das „The Westin Leipzig“, welches auch im Hintergrund zu sehen ist. Um den Hals trägt Ofarim eine Kette mit einem Davidstern, der in seinem Bericht noch eine wichtige Rolle spielen soll. Zwar nennt er nicht den vollständigen Namen des Managers an der Rezeption, doch berichtet von dem Verhalten des „Herrn W.“.

An der Rezeption hatte sich demnach wegen eines Computerdefekts zunächst eine längere Schlange gebildet. Das könne passieren, das sei völlig okay, wie Ofarim auch betont. Doch seien dann immer wieder Menschen vorgezogen worden, obwohl eigentlich er an der Reihe gewesen sei. Als er Herrn W. fragte, warum das geschehe, meinte dieser, so solle „die Schlange entzerrt“ werden. Eine Aussage, die Ofarim verständlicherweise nicht ganz glaubwürdig vorkam, doch der eigentliche Schock sollte erst kurz darauf folgen.

„Da ruft einer aus der Ecke: ‚Pack deinen Stern ein'“, so der einstige Teeniestar und „Let’s Dance“-Gewinner mit jüdischen Wurzeln. Und auch Herr W. sagte ihm daraufhin, er solle den Davidstern einpacken, dann dürfe er nach beinahe einstündiger Wartezeit einchecken. An dieser Stelle des Videos kämpft Gil Ofarim nun mit den Tränen. Zwar wird nicht ganz klar, ob er vor dem Hotel sitzt, weil er genau das nicht tat und sich weigerte, seine Herkunft zu verleugne, doch schreibt er im Text zu dem Video: „Warum? Haben wir denn nichts aus der Vergangenheit gelernt? Bin sprachlos! Es ist nicht das erste Mal, aber irgendwann reicht es …“ Sollte dieser Vorfall der Wahrheit entsprechen, wäre Ofarim wegen des offenen Tragens eines Symbols des Judentums von den Angestellten des „The Westin Leipzig“ abgewiesen worden, was einen klaren antisemitischen Beweggrund seitens des Hotelpersonals – und somit eine Straftat – darstellen würde.

Bereits in der Vergangenheit äußerte sich der in München geborene Sänger, dessen Vater Abi Ofarim aus Tel Aviv stammt, zu antisemitischen Übergriffen, die er erleben musste. In der Talkshow „Hart aber fair“ etwa sprach er 2018 von „Hakenkreuzen auf meiner Schulbank“ oder Tüten mit Hundekot im Briefkasten. Einmal habe ein Mitschüler gesagt: „Weißt du, dass Dachau nicht weit weg von hier ist?“ und spielte damit auf das dortige KZ an. Sätze wie diese verfolgen Ofarim bis ins Heute.

In seinem Post bedankte sich der Musiker noch bei Kolleginnen und Kollegen wie Jeanette Biedermann und Gregor Meyle, die ihm am Abend in dieser schwierigen Situation offenbar zur Seite standen. Ob und welche Konsequenzen der Vorfall für die beteiligten Mitarbeiter des Hotels haben wird, bleibt zunächst offen.

Auf Nachfrage diverser Medien antworte ein Sprecher des Leipziger Hotels, welches zur Marriott-Gruppe gehört: „Wir sind besorgt über diesen Bericht und nehmen die Angelegenheit sehr ernst. Wir versuchen mit allen Mitteln, Herrn Ofarim zu kontaktieren, während wir ermitteln, was hier passiert ist.“ Ziel sei es, dass Gäste und Mitarbeiter, „unabhängig von ihrer Religion integrativ, respektvoll und unterstützend“ miteinander umgehen und behandelt würden.

Neben diversen – verständlicherweise unisono zwischen schockiert und erbost pendelnden – Stimmen aus Politik und Kultur hat sich auch der Zentralrat der Juden bereits zu den Geschehnissen geäußert und zeigte sich in seinem entsprechenden Tweet ebenfalls entsetzt: „Die antisemitische Anfeindung gegen Gil Ofarim ist erschreckend. So wie zu hoffen ist, dass das Westin personelle Konsequenzen zieht. Ebenso hoffe ich, dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden“, wird dort Präsident Josef Schuster zitiert. Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) etwa sagte, er hoffe darauf, dass der Musiker Anzeige erstatte, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. „Sachsen ist ein weltoffenes Land“, so Wöller. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb auf Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige: „Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!“ Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zeigte sich via Twitter bestürzt: „Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo.“ Der Pianist Igor Levit wiederum schrieb an das Hotel gerichtet: „Shame on you.“ – Drei Worte, denen im Grunde wenig hinzuzufügen sein dürfte.

Und die sächsischen Behörden? Olaf Hoppe, Sprecher der Leipziger Polizei, sagte, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn „klar antisemitisch“ sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht. Wie Hoppe weiter erklärte, war die Polizei bei dem Vorfall nicht vor Ort. Mit dem betroffenen Musiker habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert. Immerhin.

Gil Ofarim, der seinerseits möglicherweise selbst Anzeige erstatten wird, wollte sich zu dem Vorfall zunächst nicht weiter äußern. Sein Management teilte mit, dass er die Vorkommnisse in Leipzig erst einmal verdauen müsse und sichtlich schockiert sei. „Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben“, hieß es. Der Tag sei generell schon schwer genug für ihn. Man bitte um Nachsicht und Verständnis.

In jedem Fall auch von ANEWFRIEND wenig herzliche Glückwunsch ans „The Westin Leipzig“ – hoffentlich seid ihr stolz auf diese wohl gar nicht mal so gewollte Aufmerksamkeit sowie euer mindestens eigenartiges Händchen bei der Auswahl eurer Angestellten. Findest bei euch also die nächste AfD-Tagung statt? Bettelt ihr um einen standesgemäßen Boykott? Scheint ganz so, wenn selbst euer lokales Management seine gestrig-braune Grundhaltung derart offen zur Schau stellt… Oder zieht ihr in diesem Fall mit klarer Kante Konsequenzen? Selten waren Kündigungen berechtigter als hier, da gibt’s keine zwei Meinungen.

Und alle anderen – vor allem ihr braunen Sympathisanten und Anti-Alternativen-Wähler ohne Herz, Hirn und Restverstand in meiner alten Heimat – solltet dringend Lektionen in Reflexion erteilt bekommen und darüber nachdenken, wie ihr euch eine (deutsche) Gesellschaft im Jahr 2021 vorstellt… Besser gestern als morgen, bitte! File under: Wie mag man selbst behandelt werden? In jedem Fall: So nicht. Zwar mag dieser Post bereits vier Jahre zurückliegen, doch leider ist jedes verdammte Wort, dass ich anno 2017 in die Tastatur geklöppelt habe, so aktuell wie heute. Denn mit ebenso viel Scham wie Wut im Herz und Bauch lässt sich auch 2021 feststellen: Der Osten Deutschlands wählt nicht nur gern braune Idioten, er trägt auch oft genug deren hohles, unmenschliches Gedankengut – ob nun bewusst oder unbewusst – unumwunden zur Schau. Nicht alle, nicht jeder – aber jedes Prozent für Anti-Alternativ-Parteien, Faschisten und Hetzer ist gleich ein zweites zuviel. (Und nicht umsonst durfte sich die AfD bei der kürzlichen Bundestagswahl in Sachsen über 25,7 Prozent der Erststimmen- sowie 24,6 Prozent der Zweitstimmenanteile freuen.) Freilich dürfte es wenige regelmäßige Leser dieses bescheidenen Blogs nicht wundern, dass der Schreiber dieser Zeilen, ein gebürtiger Sachse und Ostdeutscher, dem Linken im Denken und dem gesunden Menschenverstand im Handeln näher steht als so manche(r), die auch dieses Jahr wieder ihr Kreuz an gestrig lamentierende Populisten verschwendet hat. Zudem musste (ja: musste) ebenjener Schreiber sich in den vergangenen Jahren ein ums andere Mal – und damit deutlich zu oft – für vieles, was ihr im vermeintlichen „Protest“ gegen wasauchimmer verbrochen und versaut habt, für euch schämen. „Wir sind das Volk?“ Nein, seid ihr nicht. Wenn ihr Hass und Hetze verbreitet (am liebsten noch anonym und feig im weltenweiten Netz) und einem menschlichen, reflektieren Miteinander im Weg steht, dann seid ihr vor allem eines: ganz, ganz arme Schweine. Und verdient wie jeder nur jenes Maß an Respekt und Anstand, welches ihr auch anderen zuteil werden lasst. Over and out, und: #keinenverdammtenmilimeternachrechts

Rock and Roll.

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Mein Senf: Je suis Charlie.


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Seien wir ehrlich: Die Welt ist in jenen Tagen kein guter Ort.

An dem einen Fleck demonstrieren Tausende (meiner Landsleute, und das ausgerechnet in einer jener Städte, die ich zu den schönsten überhaupt für mich zähle) einerseits ihren Unmut über das Stillstehen und Nichtstun ihrer Regierung, aber auch ihre Furcht vorm Unbekannten, vorm Anderssein und die Größe ihrer vermeintlichen „First World“-Verlustängste. Anderenorts toben Unruhen, Kriege oder kriegerische Auseinandersetzungen, sodass wir Westeuropäer im Grunde jeden Tag dem Himmel oder sonstwem danken müssten, dass wir – noch – in Frieden unseren gefestigten Tagesabläufen nachgehen können. Dass dieser „Friede“ nur allzu trügerisch ist und jederzeit nur allzu leicht durchbrochen werden kann, zeigt nicht zuletzt das, was gestern in der französischen Hauptstadt passierte, als mehrere bewaffnete Attentäter die Redaktionsräume der französischen Cartoon-Satiremagazins „Charlie Hebdo“ stürmten und innerhalb weniger Minuten im wilden Feuer zwölf Menschen töten, darunter den Herausgeber und Zeichner Stéphane Charbonnier („Charb“), den Zeichner Jean Cabut („Cabu“) sowie zwei Polizisten.

Dass zwischen dem *hust* PEGIDA-Idiotenpack und den fanatisch hirnverbrannten, mutmaßlich (!) islamistisch motivierten Attentätern, die – für mich – nur dem Aussehen mit Armen, Beinen, Nasemundohrenaugen nach Menschen sein mögen, da ihnen jegliches Menschliche abhanden gekommen zu sein scheint, ein gemeinsamer Nenner besteht, würden beide Seiten wohl vehement bestreiten. Aber: sowohl die Hass-Demonstranten um PEGIDA-Initiator Lutz Bachmann, dessen Vorstrafenregister mit Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht eben unbeachtlich ist, als auch so einige fanatische Islam-Bruderschaften verurteilen am Ende des Tages aufs Schärfste jegliche Form von Presse- und Meinungsfreiheit, die eben nicht der ihrigen entspricht. Nur tun das die einen, in deren Köpfen noch immer eine mittelalterliche Trennung in Morgen- und Abendland vorherrscht, mit heuchlerisch-hinterhältiger Populismus-Nonchalance, während das andere Engstirn-Pack – wie eben am gestrigen 7. Januar in Paris geschehen – zur Kalaschnikow greift und den nur mit Stiften und spitzer Feder bewaffneten „Feind“ einfach niederschießt. Beinahe perfide ironisch ist wohl, dass aus beiden Akten – den PEGIDA-Demonstrationen und ihren Ablegern quer durch Deutschland, denen sich immer mehr Menschen auf der einen als auch auf der anderen Seite (also auch den Gegendemonstationen) anzuschließen scheinen, den sinnlos-brutalen terroristischen Bluttaten religiöser Fanatiker – etwas erwachsen kann, dass vor nicht einmal 100 Jahren in Europa bereits Bestand hatte, und so oder wieauchimmer nie wieder Bestand haben sollte: ein extremistisch-faschistisches Schreckensregime, dessen Ausmaße wir vom Frieden verwöhnten Spießbürger wir wohl nur erahnen können. Klar mag jetzt manch einer angewidert die Nase rümpfen und mir Angstmacherei oder Übertreibung vorwerfen, aber wenn uns unsere eigene recht kurze Menschheitsgeschichte zwei Sachen gezeigt hat, so sind dies doch, dass sich Geschichte – leider – immer und immer wieder – im Positiven wie auch Negativen – wiederholt und dass der Mensch – als Individuum wie auch gerade als tumbe Masse – in Extremsituationen, in welchen er sich selbst und deine Liebsten in Leib und Leben bedroht fühlt, nur allzu bereitwillig alle Freiheiten von sich wirft und diese an einen übermächtigen Herrscherapparat übergibt (Interessierten empfehle ich Thomas Hobbes‘ auch heute noch brilliant aktuelle These vom „Leviathan“ aus dem Jahre 1651). Ihr wähnt euch also sicher in euren vier Wänden? Vermutlich tat das der ein oder andere Angestellte von „Charlie Hebdo“ am Abend des 6. Januar auch (noch). Fakt ist: Auf die ein oder andere Weise wütet der Krieg bereits – mal gekonnt subversiv und im Untergrund brodelnd, jedoch längst vor unseren Türschwellen.

Ein Grund, der mich zu diesen Zeilen führt und drängt, ist, dass auch ich „Charlie“ hätte sein können. „Je suis Charlie“. Ich. Bin. Charlie. Ich begreife die mir gegebene Meinungsfreiheit – ob nun zu so etwas im Grunde Trivialem wie einer Platte, einem Künstler oder einem Film oder zu so etwas Wichtigem wie diesem Thema – als eines der höchsten mir verantworteten Güter. Und diese kann und will ich mir nicht verbieten lassen. Andererseits möchte ich auch nicht, dass eine einzelne Person, eine wie auch immer geartete Gruppierung oder (m)eine Regierung mich vor meiner Haustür verhaftet oder niederschießt, nur weil ihnen meine Meinung oder Nase nicht passabel erscheint. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wir alle sind Menschen, leben auf diesem uns anvertrauten Planeten und müssen – zwangsläufig – miteinander auskommen. Keiner ist schlechter oder besser als der andere – schon gar nicht, weil er eine andere Meinung, Gesinnung, sexuelle Orientierung oder wasauchimmer hat. Leider – so das bittere Fazit, welches man wohl nach jedoch terroristisch motivierten Gewaltakt ziehen kann – kann man Ereignisse wie das gestrige in der Pariser Rue Nicolas Appert weder vorhersehen noch wirklich verhindern. Alles, was man selbst für sich und andere tun kann, ist, solchen „hasserfüllten Idioten“ (Zitat von „NICHTLUSTIG“-Cartoonzeichner Joschua Sauer) möglichst wenig bis keine Plattform und Beachtung für ihre zweifelhaften Botschaften zu schenken. Vor nichts und niemandem Angst zu haben und uns unsere Befürchtungen nicht zu den falschen Entscheidungen führen zu lassen. Nicht zu hassen, und niemandem einen Anlass zu bieten, Hass zu empfinden. Gerade jetzt seine Meinung zu sagen, um all den Idioten von PEGIDA und Co., den bewaffneten Irren und Mördern ihren narzisstischen Selbsthass als Spiegelbild zu präsentieren. Jedoch vor allem: Zusammen zu stehen anstatt gegeneinander. Ihr alle seid, wir alle sind Menschen – also findet bitte zurück zur Menschlichkeit! Worte wie die von John Lennons „Imagine“ mögen an so nasskalt-grauen Januartagen wie diesem ferner denn je erscheinen, doch im Grunde ist es jedem selbst überlassen, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen…

 

„You may say I’m a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will be as one…“

 

charlie hebdo

(…und 23 weitere Cartoon gewordene Kommentare zu den Ereignissen in Paris.)

 

Rock and Roll.

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Moment! Aufnahme.


Zeichnung: Lucille Clerc

Zeichnung: Lucille Clerc

 

Der ausdrucksstarke Kommentar von Streetart-Legende Banksy zu den Attentaten von Paris…

 

Bezüglich des Urhebers: Ich revidiere und rudere zurück – allerdings war ich kaum der Einzige, der diesem Irrtum aufgesessen ist (mehr dazu hier)…

 

Rock and Roll.

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