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Song des Tages: Pom Pom Squad – „Popular“ (feat. Matthew Caws)


Manchmal werden eher scherzhafte Corona-Zwangspausenideen ja Wirklichkeit. Die von Mia Berrin etwa. Im März 2021 twitterte die Frontfrau der New Yorker Garage-Indierocker Pom Pom Squad vollmundig “I’m gonna recreate the video for ‚Popular‘ by Nada Surf but I’m gonna play every character”. Feine, kleine Schnapsidee, klar. Doch siehe da: Neun Monate später machte die Band tatsächlich Nägel mit Köpfen!

Und auch der Fakt, dass zwischen Tweet und Umsetzung eine komplette Schwangerschaft hätte vergehen können, hat einen recht simplen Grund, denn die Newcomerband aus Brooklyn durfte Nada Surf im Anschluss an die fixe Twitter-Idee tatsächlich bei einigen Shows als Vorband unterstützen. Mia Berrin ist rückblickend voll des Lobes: „Die Zusammenarbeit mit Nada Surf war ein Traum. Sie sind eine unglaubliche Gruppe von Individuen und waren während unserer gemeinsamen Tournee so nett zu allen von Pom Pom Squad. Es ist schwer, sich nicht von ihrer Karriere inspirieren zu lassen, und so ist es etwas ganz Besonderes, ihrem Vermächtnis auch nur ein wenig nahe zu kommen.“

Berrin nahm die positiven Tour-Erfahrungen und wählte für ihr Remake des Musikvideos des 1996er Indie-Hits von Nada Surf (seinerzeit erschienen auf dem Debütalbum „High/Low“ und kürzlich von der Band neu aufgenommen) sogar den damaligen Drehort des Musikvideo-Originals, die Bayonne High School in New Jersey. Zudem ist das Pom Pom Squad’sche Musikvideo, in welchem Mia Berrin tatsächlich nahezu alle Hauptrollen übernimmt, voller kleiner Easter Eggs, von Fotos von Nada Surf-Frontmann Matthew Caws und Berrin über echte Schüler jener High School, welche hier Statistenrollen übernehmen, bis hin zu einem Auftritt von Matthew Caws höchstselbst, der als Teil der musizierenden Band zu sehen (und hören) ist.

Überhaupt ist die Idee von Pom Pom Squad, sich ausgerechnet „Popular“ zum Covern vorzunehmen, nur allzu folgerichtig, schlägt der Song doch auch thematisch mit Spoken-Word-Zeilen wie “Being attractive is the most important thing there is” oder “If you wanna catch the biggest fish in your pond, you have to be as attractive as possible” ganz ähnliche Töne an wie die Stücke des im vergangenen Mai erschienenen PPS-Albums „Death Of A Cheerleader„, auf welchem Mia Berrin und ihre Band Geschichten übers herzschmerzende Erwachsenwerden mit einer beinahe filmreifen Ästhetik irgendwo zwischen „The Virgin Suicides“, „Eis am Stiel“, Bubblegum-Pop und Bikini Kill verbinden. Und dass die Zeilen des gut 25 Lenze jungen Nada Surf-Klassikers nun aus dem Mund einer offen queer lebenden farbigen jungen Frau anstatt aus dem eines weißen Hetero-Cis-Mannes kommen, könnte doch irgendwie toller und zeitgemäßer und 2022er kaum sein… 👍

„I think the video is amazing! I love how it feels like a shot-for-shot recreation at the start but quickly takes on its own totally new character. The original was shot in 1996, looking back at previous decades, while this one feels set in the present day, looking inwards and towards the future… another really cool aspect of the video is that the cheerleader character feels more and more sincere and human as the story develops. By the end, she’s much more than a player in a high school creation, she’s a person in the world and the singer of the song. To me there’s a ‚closed film‘ sense about Pom Pom Squad. Meaning that even if you could trace influences in their music, it feels as if they’ve invented it all themselves. They are their own world. That’s a trait I’ve felt in all my favorite bands: they’ve created their own reality.“ (Matthew Caws)

Rock and Roll.

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Song des Tages: Nada Surf – „Something I Should Do“


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Eines dürfte klar sein: Werauchimmer auf guten, powerpoppenden Indie Rock mit viiiiel Herz, noch mehr „Hach’s…“ und ein klein wenig smartem Ums-Eck-Denken steht, kam seit Mitte der Neunziger kaum an Nada Surf vorbei.

Andererseits fristen Matthew Caws (Gesang, Gitarre), Ira Elliot (Schlagzeug) und Daniel Lorca (Bass, Backgroundgesang), die sich immerhin seit ihrer Gründung 1992 in unveränderter Besetzung kreativ halten (und ihre Band unlängst mit Gitarrist Doug Gillard zum Quartett vergrößerten), mindestens bereits ebenso lang ein Dasein als lieb gewonnene „Indie-Schattenmacht“. Denn obwohl man Songs wie den mittelgroßen College Rock-Hit „Popular“ oder Herzchenjäger wie „Always Love„, „See These Bones“ oder „Inside Of Love“ wohl aus jeder gutbürgerlichen Indie-Disse der eigenen Jugend kennt, gerät die New Yorker Band doch bis heute viel zu oft ins memorable Hintertreffen, wenn es um die eigenen Lieblingsalben geht – „Unfair, eigentlich!“ dürften sich all jene denken, die auch heute noch vor tollen Stücken nur so überquellenden Alben wie vor allem „Let Go“ (2002) oder „The Weight Is A Gift“ (2005) ab und zu die ein oder andere Umdrehung gönnen (oder sich mit dem nicht mit Diskografie-Highlights geizenden 2015er Live-Album „Live at the Neptune Theatre“ von den Bühnenqualitäten des Vierers überzeugen).

Mag’s wohl daran liegen, dass Caws, Elliot und Lorca nie die Typen waren, die Oasis-likes großes Getöse um ihre Musik für zwingend notwenig hielten? Die alle drei, vier Jahre und mit steter Verlässlichkeit Langspieler in die Regale stellten, die zwar – mindestens seit den beiden eben genannten – viel nett tönendes Beiwerk enthielten, jedoch mindestens ebenso verlässlich den ein oder anderen Song wie jüngst „Clear Eye Clouded Mind„, „When I Was Young“ oder „Cold To See Clear„, die noch immer ihresgleichen suchten, wenn’s um die Indierocker-Playlist für ziellos-schöne sonntägliche Autofahrten ging? Tja, Herzensband zwar, aber irgendwie stets auch im Schatten…

71SmQF8vHLL._SY355_Von daher dürfte selbst der größte Fan der US-Band kaum erwarten, dass sich mit dem neuen, neunten Album „Never Not Together“ etwas an dieser Situation ändern würde. Mehr sogar noch: Es ist vielleicht die erste Platte der Indierocker aus New York City, die ohne einen wirklichen Höhepunkt auskommen muss. Klar, den brauchen die Männer um den längst in Würde ergrauten 52-jährigen Matthew Caws, der als zweifacher Familienvater den „Rock’n’Roll-Lifestyle“ wohl auch nur noch aus irgendwelchen Led Zeppelin-Dokus kennt, auch gar nicht mehr. Und obwohl die neun neuen Stücke selten musikalisches Neuland erkunden, viel lieber altbekannte Muster variieren oder die tönenden Puzzleteile minimal anders anordnen (und sich, wie bei „Looking For You„, mal einen Kinderchor ins Studio einladen), bieten Nada Surf auf „Never Not Together“ trotzdem das, was ihnen seit eh und je am besten liegt: dezent prägnante Uptempo-Rocksongs und ruhigere atmosphärische Stücke auf verlässlich hohem Niveau. Und wenn auch nicht jede der knapp 43 Minuten aufhorchen lässt, berühren Caws und Co. mit ihren erzählten Zwischenmenschlichkeiten noch immer das Herz.

 

Wenngleich „Never Not Together“ in Gänze keinen alles überragenden Glanzpunkt in der Nada Surf’schen Diskografie markieren wird, weiß immerhin das zupackende „Something I Should Do“ mit seinen kraftvollen Gitarren und Keyboards ordentlich zu überzeugen, auch Caws‘ an selige „Popular“-Tage gemahnender Sprechpart gegen Ende gliedert sich toll ein. Ja, beinahe könnte man meinen, dass Sturm und Drang in diesem Monolog über die Komplexität der Welt und des Lebens stecken mögen. „Empathy is good, lack of empathy is bad“, heißt es trefflich simplifizierend in den letzten Atemzügen –  „Holy math says we’re never not together“. Der Sinn fürs Gemeinschaftsgefühl hat Nada Surf eben schon immer geprägt…

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Nada Surf – Live at the Neptune Theatre (2015)

nada_surf_neptune_art-erschienen als Download/Mardev Records-

Live-Alben sind freilich ein Thema für sich. Nicht jede gute Band bringt auch auf Bühnenbrettern die Präsenz, die Qualität, welche sie zweifelsohne in den mehr oder minder gewohnten, heimeligen Studioräumlichkeiten besitzen mag, rüber. Und: Nicht jede (sehr) gute Liveband bringt – so merkwürdig das erscheinen mag – auch automatisch ein gutes Livedokument zustande. (Neues Beispiel: „Live in Paris“ des Black Rebel Motorcycle Club, deren Abmischung – sorry, aber es ist leider so – einfach hundsmiseral ist – eventuell entschädigt da ja die beiliegende DVD…)

Nada Surf früher...

Nada Surf früher…

Nun spiel(t)en Nada Surf bislang weder in der einen noch in der anderen Liga ein allzu große tragende Rolle. Man könnte auch sagen: Seit seiner Gründung in New York Anfang der Neunziger flog das Trio um Matthew Caws (Gesang, Gitarre), Ira Elliot (Schlagzeug) und Daniel Lorca (Bass) immer knapp unter dem Radar der breiten Masse hindurch. Natürlich konnte die Band damit in Indie-Gefilden ganz gut leben, konnte bislang insgesamt sieben Platten aufnehmen (die letzte, „The Stars Are Indifferent To Astronomy„, erschien 2012), manch eine sogar mit Produzenten wie dem Ex-Death-Cab-Gitarristen Chris Walla oder John Goodmanson (u.a. Hot Hot Heat, Sleater-Kinney). Darüber hinaus erspielte sich die US-Band eine sowohl in heimischen Gefilden als auch in Übersee – vor allem in Frankreich oder Deutschland – treue Fanbase, die sich mit den Songs von Matthew Caws und Co., welche mal die Euphorie des Sommers, mal die Melancholie des Herbstes in ein wohliges Gefühl an eine nie endende Jugend tauchen, jung hielt (und hält). Klar, Nada Surf waren nie eine große Band fürs breite Publikum (trotz großer Evergreens wie „Popular“, „Always Love“ oder „Whose Authority“ oder „Inside Of Love“) und werden es wohl nie sein. Aber manchmal lebt sich’s auch im Mittelstand ganz schön…

Was also bewegt eine Band wie Nada Surf dazu, 2015 ein mehr als drei Jahre zuvor aufgezeichnetes Livekonzert zu veröffentlichen – gerade in der heutigen Zeit, in der viele namenhafte Beispiele von Pearl Jam über Bruce Springsteen bis hin Jack White zeigen, dass man, wenn man denn möchte, dem geneigten Fan Livemitschnitte in guter Qualität auch offiziell dírekt nach Konzertende und quasi über Nacht zugänglich machen kann? Diese Frage wirft „Live at the Neptune Theatre“ auf – und beantwortet sich gleichsam im selben Atemzug.

Dabei ist „Live at the Neptune Theatre“, nach „Live in Brussels“ von 2004, erst das zweite Live-Album in der langen Karriere der Band. Geplant war das alles sicher nicht – zumindest nicht von langer Hand. Erst wenige Tage vor ihrem Auftritt in Seattle, WA am 24. März 2012 entschieden sich Nada Surf überhaupt dazu, und nicht zuletzt auch auf die Initiative von Freund und Produzent John Goodmanson hin, die Show mitzuschneiden. Die technischen Bedingungen für einen solchen Mitschnitt waren im Neptune Theatre einfach zu ideal. So führte ein ganzer Kabelsatz von der Bühne über eine Splitter-Box auch in den Keller des Konzerthauses. Die Band zeichnete den Auftritt also auf, nahm ihn an sich und: legte die Aufnahmen erstmal einmal ad acta. Erst kürzlich, im Zuge der Arbeiten am kommenden achten Studiowerk, holten ihn Matthew Caws und Co. wieder hervor und machen sie nun den Fans zugänglich – zuerst lediglich als Download, ab 2016 (und via PledgeMusic) auch als schmuckes 3-LP-Boxset.

...und heute.

…und heute.

Nun würde sich „Live at the Neptune Theatre“ kaum hier als „Album der Woche“ wiederfinden, wenn sich der 21 Songs starke Livemitschnitt der Indie-Jungs nicht lohnen würde. Und das tut er in der Tat. Wer schon länger Fan und Begleiter der Band um Caws, Elliot und Lorca, zu denen 2012 noch Ex-Guided-By-Voices-Mann Doug Gillard als Leadgitarrist dazu stieß, ist, wird in der Setlist so einige geliebte Favoriten von „Teenage Dreams“ über „Killian’s Red“ bis hin zur Bob-Dylan-Hommage „Blonde On Blonde“, „See These Bones“ oder den unvermeidlich großen „Always Love“ und „Inside Of Love“ wiederfinden (und lediglich Stücke wie den frühen Mini-Hit „Popular“ oder „Your Legs Grow“ vermissen). Kritikpunkte sind auch wirklich rar gesägt, denn über die gesamten mehr als 100 Minuten ist die Band – Achtung, Floskel! – bestens aufgelegt, agiert gut gelaunt mit dem Publikum, spielt sich warm und frei, lässt, wie in „80 Windows“, sogar mal eine Posaune einfließen (wer an Calexico denken muss, der liegt so falsch nicht, denn deren Musiker haben sich Nada Surf für die damalige Tour zu „The Stars…“ ausgeliehen), und pendelt beständig zwischen süßlicher Melancholie und derbe rockenden Nummern („Hi-Speed Soul“, „Killian’s Red“) – frei nach der Ansage in der Konzertmitte: „Shall we rock? We shall!“. Das Sahnehäubchen übers Musikalische gibt freilich stets Matthew Caws mit seiner unverwechselbaren Stimme, die nicht zu hoch, nicht zu tief, aber immer eine Spur süßlich-rau und fertig ums Eck kommt. Schön, das Ganze – und ein rundum gelungenes Live-Album.

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Hier kann man sich mit der Eröffnungsnummer „Clear Eye Clouded Mind“ einen ersten Eindruck von „Live at the Neptune Theatre“ verschaffen:

 

 

Und einen unverbindlichen zweiten Konzerttipp habe ich auch heute für euch parat: Auf „Niko Records„, dem Blog, den ich bereits in der letzten Woche im Zuge des neusten Frank-Turner-Albums empfohlen hatte, kann man sich auch den akustisch gehaltenen Nada-Surf-Auftritt beim „Acoustic Lakeside Festival 2012“ im österreichischen Sittersdorf kostenlos aufs heimische Abspielgerät laden – 20 Songs stark, mit vielen Überschneidungen zu „Live at the Neptune Theatre“ und in bester Klangqualität. Auch hier: Zugreifen, bitte!

 

Rock and Roll.

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