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Sunday Listen: Beachheads – „Beachheads II“


Es lässt sich ja irgendwie einfach nicht vermeiden, erst einmal mit „der anderen Band“ einzusteigen, denn eigentlich spielen Marvin Nygaard (Bass) und Vidar Landa (Gitarre) schließlich bei den norwegischen Raudaubrüdern Kvelertak. Mit ihrem Merchandiser Børild Haughom am Gesang und dem Schlagzeuger Espen Kvaløy sind sie allerdings Beachheads. Und wenn man nun denkt, man könne der Einfachheit halber ein „file under Kvelertak“ setzen, hat man sich ziemlich geschnitten, denn es ist eher ein deutliches „don’t file under Kvelertak“. Denn: Das schwere Metall bleibt auch auf dem zweiten, passenderweise einfach „Beachheads II“ betitelten Album außen vor, vielmehr zimmert das Quartett aus Oslo zehn Songs irgendwo im weiten Spannungsrund zwischen Power Pop, Garage Rock und Post Punk zurecht, die mit jeder Menge flottem Wind ebenso zeitgenössisch wie dezent retro klingen, sodass einem die Kvelertak-Verbindung nur dann bewusst wird, wenn es einem jemand unters Näschen reibt. Da ertappt man selbst harte Metalheads an mancher Stelle beim entspannten Fußwippen…

Eine reine Spaßveranstaltung also? Mitnichten! Man lausche nur den Texten. „I feel nothing / Nothing at all“, singt Børild Haughom etwa in „Nothing“. Hoppla? Hoppla! Der Kontrast zwischen diesen Zeilen, die er zum schiebenden Schlagzeug von Espen Kvaløy und dem treibenden Riff von Vidar Landa mit seiner angenehm unangestrengten Stimme singt, er könnte größer kaum sein. Vielleicht nimmt man ja diese Art von immanenter Schwermut einfach mit dem norwegischen Trinkwasser zu sich? Beachheads sind auch auf ihrem zweiten Album die potentiell traurigste Gute-Laune-Band der Welt. Oder eben die fröhlichsten Melancholiker Norwegens? Nichts Genaues darf man höchstens vermuten.

Betrauerte Haughom auf dem 2017er Vorgänger noch den Tod seines Vaters (etwa im majestätischen „Procession„), setzt er sich nun, wie eben im benannten „Nothing“, mit seinen Depressionen auseinander: „This kind of sadness tears me apart / I’ve never felt like this before in my life / I will be swinging back / It’s hard to cope with and figure out / I see a darkness, I realize.“ Es ist daher vor allem der Widerspruch zwischen musikalischer Leichtigkeit und inhaltlicher Schwermut, der „Beachheads II“ erneut so strahlen lässt. Während Haughom scheinbar nichts mehr fühlt, fühlt man selbst in den besten Momenten dieses Albums so einiges, verliebt sich Hals über Kopf mit jedem neuen Durchlauf in einen anderen Song. Mal in „Down South“, dieses sonnige Roadmovie, mal in die gedoppelten Stimmen von „Jupiter“, mal ins straighte „Break It Off“, in welchem Haughom mit der Tür ins Holzhaus fällt: „I don’t like you being here / I’ve never liked your style / You really can’t come back again / Let’s break it off this time“, um am Ende seinem verhassten Gegenüber zu gestehen, dass er leider high sei. Dann wieder überrumpelt einen das an R.E.M. erinnernde „Change“, in dem Beachheads ebenso wie in der im besten Sinne Smiths-würdigen Single „Death Of A Nation“ Stellung beziehen. Oder das zupackend-zackige „10.000 Hurts“, welches mit einem der eingängigsten Refrains einer Platte aufwartet, auf der nahezu jeder Song das Zeug zum Hit hat.

Dass Beachheads sich teilweise nicht einmal die Mühe gemacht haben, ihre Demos für das Album neu einzuspielen, zeigt wieviel Selbstvertrauen die Norweger in petto haben (oder eben einfach einen mittleren Scheiß auf perfekten Studiohochglanz geben). Und wo sie es doch tun, vertrauen sie darauf, gemeinsam und live mehr Herzblut einzufangen, als es mit zig Overdubs je möglich wäre. Womit wir bei dem wären, was Beachheads bislang schuldig bleiben: Wann kann – ja: darf – man diese Band endlich live erleben? Am besten auf der nächsten Tour von Kvelertak, da hätte man schon drei Viertel der Band zusammen, schließlich reicht einem dort die Beachheads’sche Stimme Platten und Shirts mit derben Metal-Designs, während 50 Prozent der Band zeitgleich mit ihrer Haupt-Kombo auf der Bühne für Krawall sorgen. Zudem ist es kaum vorstellbar, dass ihnen nicht auch die Fans von Kvelertak ruckzuck aus der Hand fressen würden – spätestens beim – ja, ja – dezent balladesken „Live And Let Live“, wenn sich Haughom mit seiner eigenen Angst vor dem Tod auseinandersetzt. Zum Heulen schön tönt er, dieser Band gewordene Widerspruch – und auch dank dieser halben Stunde Musik weiterhin viel zu gut, um weiter nur als schnödes Kvelertak-Seitenprojekt betrachtet zu werden.

Rock and Roll.

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