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Mad Seasons „Above“ – 28. Geburtstag des wohl spontansten Supergroup-Albums der Grunge-Geschichte


(gefunden bei Facebook)

Hier zu sehen: Ein Foto von Krista Kay, welches Layne Staley und seine damalige Freundin Demri Lara Parrott zeigt. Nicht wenige Freunde des gepflegten Neunziger-Alternative-Rocks werden schnell merken, dass selbiger Schnappschuss als Inspiration für das Cover des einzigen Albums von Mad Season, „Above„, diente, bei dem Staley die Fotografie in eine in grobem Schwarz-weiß gehaltene Illustration verwandelte. Lange Zeit wurde außerdem gemunkelt, dass Demri auch das Mädchen auf dem Cover des 1992 erschienenen Alice In Chains-Erfolgsalbums „Dirt“ war – schlussendlich eine Ente, denn dort ist das Model und die Schauspielerin Mariah O’Brien zu sehen…

Doch werfen wir, dem 28. Jahrestag entsprechend, einen Blick zurück auf „Above„.

Foto via etsy

Die am 14. März 1995 – knapp ein Jahr nach dem Tod von Nirvana-Frontmann Kurt Cobain – erschienene Platte kann man, ganz ohne sich allzu weit aus dem tönenden Fenster zu lehnen, neben Temple Of The Dogs im April 1991 veröffentlichten selbstbetitelten Langspieler als den zweiten „außerplanmäßigen Grunge-Meilenstein“ bezeichnen, schließlich stecken dahinter Mad Season, eine Art Supergroup des damals äußerst populären Seattle-Sounds mit Mitgliedern von Alice In Chains, Pearl Jam und den Screaming Trees. Dass das Album ihre einzige Veröffentlichung bleiben sollte? Hat nicht wenige tragische Gründe, trägt jedoch auch heute noch zur mystischen Aura der zehn Stücke bei.

Rückblickend betrachtet trägt es natürlich massig bittere Schicksalsironie mit sich, dass das Projekt Mad Season seinen Ursprung ausgerechnet in einer Entzugsklinik findet, in der sich 1994 Pearl Jam-Gitarrist Mike McCready und Bassist John Baker Saunders (später The Walkabouts) treffen. Allem Rockstar-Klischee zum Trotz lässt sich sich allerdings damals noch nicht absehen, dass sowohl Saunders als auch der für Mad Season als Frontmann rekrutierte Alice In Chains-Sänger Layne Staley an einer Überdosis dahinscheiden werden. Ganz im Gegenteil: Damals hofft Mike McCready noch insgeheim, dass der Umgang mit den nunmehr nüchternen Mitmusikern seinen Freund Layne ebenfalls dazu anstiftet würde, den Drogen zu entsagen. Von Screaming Trees-Schlagzeuger Barrett Martin komplettiert begibt sich die Supergroup im Winter 1994 an die Arbeit – und kommt recht schnell voran. Innerhalb von nur sieben Tagen steht die instrumentale Grundierung für eine Platte, während Staley lediglich ein paar weitere Tage für seine Texte und Gesangsmelodien benötigt. In den renommierten Bad Animals-Studios in Seattle entsteht mit „Above“ binnen kurzer Zeit somit das wohlmöglich spontanste Supergroup-Album der Grunge-Geschichte. 

Mad Season: Barrett Martin, Layne Staley, John Baker Saunders und Mike McCready (v.l.) – Foto: Promo/Columbia

Musikalisch lässt sich die stilistische Ausrichtung von Band und Album zumindest zum Teil vom Sound der drei Stammbands ableiten. Während McCready sein von Pearl Jam bekanntes Faible für straighten Siebziger-Rock einbringen kann und Screaming Trees-Trommler Martin für psychedelisch angehauchte Rhythmen sorgt, kann (und will) Staleys gleichsam peingeprägtes wie sonores Organ seine Alice In Chains-Herkunft nicht verleugnen. Dabei gelingt es dem Sänger jedoch, sich stimmlich aufgrund des überwiegend ruhigen und weniger aufbrausenden Materials noch elegischer und somnambuler im molligen Elend von Black Sabbath-Blues, Roots, Classic Rock und sogar Jazz zu suhlen. 

Auf dem Opener „Wake Up“ macht indes Bassist John Baker Saunders die Vorhut: Seine tänzelnde Tieftonfolge bildet ohne Zweifel die einleitende Basis für einen schlafwandlerischen Song, der sich mit „Riders On The Storm“ von den Doors die perlende Marimba-Grundstimmung teilt. Dagegen klingt das anschließende „X-Ray Mind“ mit Tribal-Rhythmen, Hendrix-Gitarren und Staleys markantem, mehrspurigem Gesang schon wieder eher wie ein Stück aus dem Neunziger-Grunge-Lehrbuch. Die erste Single-Auskopplung hingegen, das finsteren Folk und Americana-Klänge anschlagende „River Of Deceit“, spiegelt fast etwas von der todtraurigen Hymnik von Temple Of The Dog wider, mit welcher insbesondere Chris Cornell von Soundgarden seinem Freund, dem 1990 verstorbenen Sänger Andrew Wood von Mother Love Bone, gedachte.

Für den vergleichsweise flotten Midtempo-Rocker „I’m Above“ (samt charakteristischem Pearl Jam–Riff) gesellt sich zudem noch der in der Seattle-Szene recht umtriebige Screaming Trees-Sänger Mark Lanegan mit seinem unverkennbaren Bariton zu Staley ans Mikro. Es bleibt nicht Lanegans einziger Einsatz, denn auch dem zwischen Nick Cave und Tom Waits pendelnden und zusätzlich mit einem samtenen Film-Noir-Saxophon veredelten „Long Gone Day“ drückt Lanegan an etwas späterer Stelle ebenfalls stimmlich seinen unverkennbaren Stempel auf. 

Während der zuerst fiebrig brodelnde und dann langsam eruptierende Instrumental-Jam von „November Hotel“ Stimmung und Motive von „Wake Up“ wieder aufgreift, lugt beim ätherischen Finale „All Alone“ gar hypnotische Hippie-Lagerfeuerstimmung ums musikalische Eck. Das ursprünglich zehn Songs umfassende Debüt wird für die Band nach seiner Veröffentlichung am 14. März 1995 jedenfalls zu einem moderaten Hit und bringt es immerhin auf Goldstatus. Doch wie es bei solchen Projekten oftmals der Fall ist, verhindern vor allem die Verpflichtungen der einzelnen Akteure mit ihren Hauptbands, dass aus ein paar Liveshows im selben Jahr noch viel mehr wird. 

Für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, gibt es zwar 1997 noch einmal den losen Versuch, die Band – diesmal mit Mark Lanegan als Hauptsänger und unter dem Namen Disinformation – zu reaktivieren. Doch auch diese Bemühungen verlaufen alsbald im Sande. Der unerwartete Tod von Bassist John Baker Saunders an einer Heroin-Überdosis im Januar 1999 bedeutet für Mad Season dann das erste offizielle Aus. Staleys ebenfalls drogenbedingter Tod im April 2002 (tragischerweise exakt acht Jahre nach dem Tod von Cobain, die ganze traurige Geschichte findet man hier) besiegelt das Ende des Bandprojektes schließlich unwiederbringlich. 

Obwohl: Nein, nicht ganz unwiederbringlich: So widmen sich die verbliebenen Bandfreunde 2013 einer um Liveaufnahmen und neues Studiomaterial erweiterten Box-Set-Neuauflage von „Above“. Jene wartet, neben einem Mitschnitt des lange Zeit als Bootleg kursierenden Konzerts im The Moore in Seattle im April 1995, auch mit drei von Lanegan neu eingesungenen Stücken auf, die ursprünglich aus Sessions für einen geplanten „Above“-Nachfolger stammen und sich qualitativ keineswegs hinter dem originären Material verstecken müssen. Dazu gehört etwa das von R.E.M.-Gitarrist Peter Buck mitverfasste „Black Book Of Fear„. Ob mit oder ohne diese Dreingaben: „Above“ ist und bleibt nicht nur ein extrem formidable gealtertes Grunge-Album, sondern auch eines der zeitlosesten Zeugnisse der künstlerischen Qualitäten des Seattle-Sounds. Und hat durch Mark Lanegans plötzlichen Tod im Februar 2022 leider noch einmal ein paar weitere – und auch dieses Mal zweifellos unerwünschte – traurig-tragischen Nebelschwaden dazu erhalten.

Rock and Roll.

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Mein persönlicher Tom Waits – Mark Lanegan ist tot.


Ach, Mark. Ach, Madrid…

Als vor knapp zwei Jahren seine Autobiografie „Sing Backwards And Weep“ (dt. „Alles Dunkel dieser Welt„) erschien, wurden jene Unkraut-vergeht-nicht-Memoiren ein Bestseller und seitdem in mehrere Sprachen übersetzt. Wenig verwunderlich, sind es doch die gnadenlos (selbst)reflektiven Erinnerungen eines Ausnahmesängers: Mark William Lanegan, geboren am 25. November 1964 in Ellensburg im US-Bundesstaat Washington, hinein in eine kaputte Familie, der im Punk Rock einen Ausweg erkannte und sich oft genug Hals über Kopf darin verlor…

Dieser Weg führte ihn ab Mitte der 1980er innerhalb weniger Jahre auf große Bühnen rund um der Welt – im Grunge-Boom bekam der Intimfreund von Kurt Cobain mit seiner Band Screaming Trees – noch so eine leidlich kaputte Familie – ein kleines Stück vom Kuchen ab. Doch je größer der Erfolg wurde, desto mehr driftete vor allem Lanegan, wie leider so viele andere der Szene, in seine Drogensucht ab.

Wiewohl beständig am Arbeiten und Veröffentlichen war der Sänger mit den damals langen, roten Haaren schwer süchtig, dazu kriminell, gewaltbereit und obdachlos – bis ihm schließlich ausgerechnet die Witwe Cobains, Courtney Love, das Leben rettete und ihn in eine noble Entzugsklinik nach Los Angeles verpflanzte. Das war Ende der 1990er. Lanegan clean und geläutert, alles gut?

Nun… nicht wirklich. Was nach einem Happy End aussah, sollte keines – oder zumindest kein Formvollendetes, schon gar nicht Hollywood-reifes – werden. Zwar erlebte Lanegan in den Jahren danach eine zweite, durchaus kredible Weltkarriere, wurde in Szene-Kreisen ein großer, geschätzter Name, war jedoch dennoch beständig auf der Flucht vor seinen vielfältigen Dämonen. Er schien diese halbwegs im Griff zu haben, wenngleich auch immer wieder von Rückfällen die Rede war.

Ende letzten Jahres erschien ein zweiter Band an Memoiren, „Devil in a Coma„, der seine Covid-Erkrankung aus 2020 beschreibt – ein Martyrium. Wochenlang lag er im künstlichen Koma, war zeitweise taub und bewegungsunfähig, schien sich nach langen Monaten aber gefangen und Gevatter Tod ein weiteres Mal ein Schnippchen geschlagen zu haben. Doch nun ist Mark Lanegan in Killarney im Südwesten Irlands, wo er und seine Frau Shelley die letzten beiden Jahre verbracht hatten, gestorben.

Lanegans Spuren in dem, was man unscharf mit „Alternative Music“ bezeichnen kann, sind enorm. Mit den bereits erwähnten Screaming Trees gehörte er in den 1980ern zum Katalog des einflussreichen SST-Labels. Obwohl die Band nie in die Regionen von „Big Grunge Rock Playern“ wie Nirvana, Pearl Jam oder Soundgarden vordringen konnte, verzeichnete sie 1992 mit „Nearly Lost You“ einen MTV-Hit aufgrund des Soundtracks zu Cameron Crowes Film „Singles“ – und veröffentlichte 1995, als Lanegans Buddy Kurt Cobain bereits das Zeitliche gesegnet und der Grunge-Trend längst an die tumbe breite Masse ausverkauft worden war, das phänomenale Album „Dust„, bevor sich die Screaming Trees im Jahr 2000 auflösten. Ende, aus, Staub.

Ihr Frontmann hatte da längst eine veritable Solo-Karriere vorzuweisen. Bereits mit „The Winding Sheet„, das erste, 1990 erschienene Solo-Werk und eines mehreren, das der Mann mit den tätowierten Händen für das auch heute noch wichtige Seattler Indie-Label Sub Pop einspielte, etablierte er sich nicht nur als versierter Rocksänger, sondern auch als eigenständiger Songwriter und düsterer Balladenkaiser.

Berüchtigt mag er seines Temperaments schon früh gewesen sein, berühmt und begehrt wurde er wegen seiner Stimme, einem gefährlich dräuendem Kellerbariton, der vor allem nach der Jahrtausendwende ebenso viele wie vielfältige Kollaborationen veredelte. Lanegan sang mit den Queens Of The Stone Age, machte etwa mit „Rated R“ und „Songs For The Deaf“ zwei der besten Werke der Desert Rocker noch besonderer, bildete mit der schottischen Musikerin Isobel Campbell etwas mehr als drei Alben lang ein in „Die Schöne und das Biest“-Gestus getauchtes faszinierendes Duett-Paar im Stile von Lee Hazelwood und Nancy Sinantra (bevor man sich, wie zu lesen war, im Streit trennte), schenkte zunächst den Werken der Twilight Singers, dem großartigen Nebenprojekt von Afghan Whigs-Kopf Greg Dulli, ein paar von seinem unnachahmlichem Bariton veredelte Töne, bevor er mit Dulli, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verband, als The Gutter Twins (der Bandname war nicht ohne Grund an die „Glimmer Twins“, wie sich die beiden Rolling Stones Mick Jagger und Keith Richards im Songschreiber-Verbund nannten, angelehnt) im Jahr 2008 ein weiteres gelungenes Album (und eine EP) veröffentlichte. Zudem stand im Vorprogramm von Johnny Cash auf der Bühne, als der mit seinen „American Recordings“ eine späte Renaissance erlebte, mit Waylon Jennings oder dem Wu-Tang-Clan, lieferte Gesangbeiträge für die Soulsavers, PJ Harvey, Moby, Cult Of Luna, Kris Kristofferson oder Mad Season – jenem All-Star-Jam-Rock-Verbund, der 1995 mit „Above“ lediglich ein einziges Album zustande brachte, dürfte in seiner düsteren Tragik beispielhaft für so einige viel zu früh verstorbene Ikonen der Seattler Musikszene stehen: Zuerst starb Bassist John Baker Sounders 1999 an einer Überdosis Heroin, im Jahr 2002 folgte ihm Layne Staley, der vor allem als Sänger von Alice In Chains zu Ruhm gelangte, nach – auf den Tag genau acht Jahre nach dem Tod eines gewissen Kurt Cobain. Als Mad Season 2015 ein einmaliges, von einem Sinfonieorchester flankiertes Reunion-Konzert in der Benaroya Hall in Seattle gaben, wählte man – neben Lanegan, der zwei Jahrzehnte zuvor auch auf einigen Albumsongs Beiträge lieferte – Chris Cornell als „Ersatz“ für Layne Staley aus. Und auch jener Chris Cornell, sonst als Stimme von Soundgarden, Temple Of The Dog oder Audioslave bekannt, starb zu früh – am 18. Mai 2017.

So vielfältig Mark Lanegans Wirken und Beiträge für befreundete Bands und Musiker*innen auch waren, nicht jede Zusammenarbeit war letztendlich von Erfolg gekrönt. So nahm er etwa für das letzte Album von Gun Club Gesangsspuren auf, bevor deren Kopf Jeffrey Lee Pierce kurz darauf, 1996, starb. Für Lanegan stellte das schon etwas Besonderes dar, schließlich waren die Los Angeles-Post-Punker jene Band, die ihm in den 1980ern mit dem Album „Fire Of Love“ ein musikalisches Erweckungserlebnis beschert hatte. Der späteren Heldenehrerbietung stand jedoch wohl seine Sucht im Weg – Lanegans Stimme soll so „zerschossen“ geklungen haben, dass die Aufnahme letztlich nicht verwendet wurde.

Auch abseits des Hörbaren, auf Platte Konservierten wirkte der Mann mit dem stets etwas raumbeinigen, sinistren Äußeren: So brachte er einem wie Kurt Cobain den rohen, echten Blues nahe, was wiederum darin resultierte, dass der Nirvana-Frontmann für die Setlist von deren legendärem „MTV Unplugged“-Auftritt Stücke abseitigere Stücke wie den Ledbelly-Klassiker „Where Did You Sleep Last Night“ auswählte, anstatt dem nach Hits, Hits, Hits gierendem Publikum Offensichtliches wie „Smells Like Teen Spirit“ im Akustik-Gewand zu präsentieren. Zudem wohnte Lanegan Anfang der Neunziger mit seinem Freund Dylan Carlson von den Drone-Göttern Earth zusammen. Und ebenjener Carson besorgte Cobain die Schrotflinte, mithilfe derer er sich am 5. April 1994 ins Jenseits des sagenumwobenen „Club 27“ schoss…

Und auch bei seinem eigenen Schaffen war zwar sehr viel Kreativität im Spiel, während nicht jede musikalische Idee vollumfänglich gelang. Neben großartigen Alben wie jenen in den Neunzigern, dem 2004er Werk „Bubblegum“ (mit der Mark Lanegan Band), Coverversionen-Sammlungen wie „I’ll Take Care Of You“ (1999) und „Imitations“ (2013) oder dem jüngst im Zuge seiner Memoiren entstandenen „Straight Songs Of Sorrow“ (2020), wagte sich der Mann mit der stets an Größen wie Tom Waits oder Nick Cave gemahnenden Grabesstimme in den Zehnerjahren ein ums andere Mal in elektronische Gefilde vor – mit teils etwas halbgaren Ergebnissen. Dennoch blieb immer interessiert an neuer Musik und neuen Einflüssen.

Im Gespräch erwies sich Lanegan sich als zurückhaltend und höflich, wiewohl seine explosive Art in seinen Memoiren nicht zu seinem Vorteil, dafür reichlich dokumentiert ist. Er war darin verdammt gnadenlos mit sich selbst, nannte sich mehr als einmal „das größtes Arschloch“ auf Erden und belegte diese Behauptung auf vielen langen Seiten. Wohl auch deshalb ist „Sing Backwards And Weep“ eine der härtesten und ehrlichsten Musikerbiografien, die es gibt.

Gleichzeitig konnte er feinsinnig und fachkundig über Gospel reden, kannte sich im Deep Soul ebenso aus wie im Blues und Zeitgenössischen. Sein Humor war wie sein Spitzename „Dark Mark“: mattschwarz. All das fand Eingang in seine Kunst, die dem umtriebigen Workoholic eine globale Fangemeinde bescherte. Diese trauert nun um eine der besten Stimmen, eine der verwegenen Figuren des Fachs. Mark Lanegan wurde 57 Jahre alt, eine genaue Todesursache ist zurzeit nicht bekannt.

Ich selbst lebte zwischen 2008 und 2009 für einige Monate in Madrid. Wenige Stunden vor meiner Abreise besuchte ich am 2. Februar 2009 mit einem Freund das gemeinsame Konzert von Mark Lanegan und Greg Dulli im Teatro Häagen-Dazs Calderón, einem recht gediegenen Konzertsaal im Zentrum der spanischen Hauptstadt. Am Merch-Stand nahm sich jeder von uns ein von beiden „Gutter Twins“-Künstlern unterzeichnetes Konzertposter mit. Was uns damals als recht preisintensiv erschien, hängt nun als mir unschätzbar wertvolles Erinnerungsstück an der Wand meines mit Musik gut gefüllten Zimmers.

Ach, Mark – du warst immer mein „persönlicher Tom Waits“, deine Stimme, die da von den Schattenseiten, vom Somnambulen , vorm Rinnstein erzählte, hat mich nun bereits über Jahre, Jahrzehnte stetig und treu begleitet, ging mir nicht selten verdammt nah und noch weniger selten durch Mark und Bein. Aber so – genau so, verdammt! – soll’s ja auch sein… Mach’s gut, Mark.

Rock and Roll.

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Song des Tages: Kira Skov & Bonnie “Prince” Billy – „We Won’t Go Quietly“


Im vergangenen Jahr, als eine Pandemie die ganze Welt und deren Bevölkerung in zeitweisen Stillstand und Isolation versetzte, spürte Kira Skov das dringende Bedürfnis, durch ihre Musik Kontakt aufzunehmen. Und so tat die dänische Sängerin und Songwriterin genau das und nahm Kontakt zu Sänger*innen und Instrumentalisten auf, mit denen sie in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet hatte, sowie zu anderen, die sie schon lange von weitem bewundert hatte – heraus kam eine durchaus hochkarätige Riegesliste von geschätzten Kolleg*innen, zu denen – neben einigen skandinavischen Musiker(inn)en – unter anderem Jenny Wilson, Mark Lanegan, Will „Bonnie ‚Prince‘ Billy“ Oldham, John Parish oder Bill Callahan gehörten. Gänzlich neu dürfte für Skov die Idee der musikalischen Kollaboration ohnehin nicht sein, schließlich hat die 44-jährige Musikerin in der Vergangenheit bereits mit einer Vielzahl von Künstlern aus verschiedensten Genres – von Bonnie „Prince“ Billy über Tricky und Lenny Kaye bis hin zu Trentemøller – zusammengearbeitet. Ein neues, wie viele weitere aus der Lockdown-Not entstandenes Projekt in Form des kollaborativen Duett-Albums „Spirit Tree“ war geboren. Und trotz der manchmal großen geografischen Entfernungen zwischen den Musiker*innen machten sich Skov und ihre Kreativpartner*innen gemeinsam auf den Weg, um in einer ansonsten oft genug bedeutungslosen Zeit nach Tiefe und Bedeutung zu suchen.

Die Basis-Tracks für diesen spirituellen Familienstammbaum spielte die dänische Sängerin, die sich in ihrer musikalisch vielfältigen 20-jährigen Karriere in ihrem Heimatland ein großes und loyales Publikum erspielt hat, zunächst mit ihrer Band – Silas Tinglef am Schlagzeug und an der Gitarre, Anders „AC“ Christensen an Bass und Klavier, Oliver Hoiness an der Gitarre und Keys, Maria Jagd an der Violine, Skov spielte selbst einige der Gitarrenspuren – in Kopenhagen ein und verschickte diese reihum an die angesprochenen Künstler*innen, mit der Bitte, das erhaltene Rohmaterial um geeignete Gesangsbeiträge zu ergänzen – was dazu führte, dass auf einigen Songs sogar mehrere Stimmen zu hören sind, die im Mix miteinander verwoben wurden. Stilistisch wandte sich Kira Skov dabei dieses Mal organischem Artpop, jazzigen Strukturen sowie Indie- beziehungsweise Folkpop-Elementen zu – was in dem Duett „Dusty Kate“, welches Skov mit Mette Lindberg als Duettpartnerin einspielte, gar zu einer kombinierten Hommage an Dusty Springfield und Kate Bush führte. Inhaltlich geht es um die Frage, was uns in Zeiten wie diesen als Menschen miteinander verbindet und vereint. Insgesamt überzeugen die 14 Stücke gerade durch ihre vielschichtige, facettenreiche Unvorhersehbarkeit und ihre musikalischen Überraschungseffekte.

„Es gibt ein gemeinsames Thema auf der Platte, das sich sowohl klanglich als auch thematisch manifestiert. In gewisser Weise ist es ein Stammbaum, in dem ich mit einigen Menschen zusammenarbeite, die mich und meine Musik im Laufe der Jahre geprägt haben. Die Pandemie hat mich darüber nachdenken lassen, was für uns am wichtigsten ist. Was verbindet uns, wenn wir alle gezwungen sind, allein zu sein? Diese Songs sind mit diesen Fragen im Sinn entstanden.“ (Kira Skov)

„Here we go again, when we go we go with style
We won’t go quietly into that good night
And here we go again, when we run we roar, we shout
We won’t go without a fight
We won’t go quietly into the night

When love stops, there is always force 
When force ends, there is violence
If violence wins, all is lost
Not even hope contains us

If justice ends, there’s always war
When war ends, we commend
A darker end, don’t give in
Let love in, let love in 

Here we go again, when we go we go with style
We won’t go quietly into that good night
And here we go again, when we run, we run, we roar, we shout
We won’t go without a fight
We won’t go quietly into the night“

Rock and Roll.

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Song des Tages: Nicole Atkins feat. Mark Lanegan – „November Rain“


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Die Schöne und das Biest, reloaded: Nicole Atkins und Mark Lanegan haben „November Rain“ von Guns N‘ Roses gecovert. Mehr sogar: Die US-Singer/Songwriterin und der ehemalige Screaming Trees-Frontmann mit der unverwechselbar tiefen Crooner-Stimme machen aus dem pompösen Rock-Evergreen, welcher anno 1991 auf dem (bis heute weltweit 18 Millionen Mal verkauften) G’N’R-Erfolgsalbum „Use Your Illusion I“ erschien, ein zurückhaltendes, stilecht von Lap Steel und Akustikgitarren angetriebenes Country-Duett.

Die Idee dazu kam Atkins im Traum: „Einmal träumte ich, dass ich den Guns-N‘-Roses-Song ‚November Rain‘ in einem alten Turm als 60er-Jahre-Country-Duett singe, und es klang großartig. Nachdem ich aufwachte, sang ich es direkt in mein Telefon.“ Nach kurzer Überlegung habe ihr Duett-Partner festgestanden: „Ich wusste erst nicht, wer es mit mir singen sollte und dann fragte ich mich: ‚Wer ist der beste Liebessänger?‘ Für mich ist das Mark Lanegan.“ Auch Lanegan für seinen Teil zeigte sich von der Zusammenarbeit begeistert: „Diesen Song aufzunehmen war toll. Er kombiniert zwei meiner liebsten Dinge: Nicoles wunderschöne Stimme und Guns N‘ Roses.“

Scheint fast so, als habe Mark Lanegan, der zwischen 2006 und 2010 drei stilistisch nicht ganz unähnliche Alben mit der schottischen Indiepop-Sirene Isobel Campbell aufnahm, nun eine neue potentielle Langzeit-Duett-Partnerin gefunden…

 

(Gibt’s wahlweise auch via YouTube im Stream…)

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Queens Of The Stone Age – …Like Clockwork (2013)

QOTSA - _Like Clockwork (Cover)-erschienen bei Matador/Beggars/Indigo-

Eines steht fest: Josh Homme ist ein schlaues Kerlchen. Da streut diese 40-jährige, seit jeher arschcoole Rocksau, die bereits vor der Gründung ihrer jetzigen Hauptband, den Queens Of The Stone Age (kurz: QOTSA), auf eine legendenumwobene Quasi-Karriere mit den dröhnenden Wüstenrockern von Kyuss zurückblicken konnte, und obendrein noch das ehemals Blut und Galle spuckende Punkrock-Pin-Up Brody Dalle geehelicht, – scheinbar – gezähmt und mit ihr zwei Kinder gezeugt hat (Tochter Camille Harley Joan kam 2006 zur Welt, Sohn Orrin Ryder 2011), von Zeit zu Zeit spärliche Detail zum ersten QOTSA-Album seit sechs Jahren unter die medial vernetzte Fanschar. Und allein schon die Nachricht, dass kein Geringerer als Dave Grohl, eben jener Typ, der – neben Homme – den Beinamen „Mr. Rock“ im aktuellen Alternative Rock-Zirkus am ehsten verdient hätte und beim noch immer legendär guten Queens-Konsensalbum „Songs For The Deaf“ bereits vor elf Jahren schon einmal als Gastdrummer mit von der Partie war, nun – erneut erstklassig aushilfsmäßig – mit an Bord sei und die Trommelstöcke des kürzlich ausgestiegenen Joey Castillo in die Hand nehmen würde, löste wahre Begeisterungsstürme aus. Und dabei war Grohl nur die erste Personalie in einer langen, langen Liste… Dass Workaholic und Band-Intimus Mark Lanegan wieder seine Grabesstimme erklingen lassen würde? Obligatorisch, natürlich. Dass ausgerechnet Nick Oliveri, jener 2005 im Streit gefeuerte Bass-Weirdo, wieder ins bandeigene Wüstenstudio unweit von Joshua Tree gelassen wurde? Überraschend. Dass Nine Inch Nails-Vorsteher Trent Reznor den ein oder anderen Gastauftritt haben würde? Folgerichtig, immerhin treffen er und Homme sich bereits seit Jahren zu gemeinsamen Jam Sessions. Dass UNKLE-Mastermind James Lavelle fürs neue Album an den Reglern drehen würde? Nicht weniger folgerichtig, denn ähnlich wie bei Reznor verbindet auch ihn und Homme eine langjährige kreative Freundschaft. Dass Arctic Monkeys-Sänger Alex Turner eingeladen wurde? Nun, immerhin produzierte Josh Homme das 2009 erschiene dritte Monkeys-Album „Humbug“. Brody Dalle, Alain Johannes (Eleven)? Klar, Familie und Freunde. Verwunderter durfte man da schon zur Kenntnis genommen haben, dass auch der queere Jake Shears (Scissor Sisters) und – jawoll! – Sir Elton John mit von der Partie sein würden – letzterer soll sich sogar mit den Worten „Was deiner Band fehlt, ist eine echte Queen.“ selbst per sonntäglichem Spontananruf eingeladen haben… Was sollte also die Summe dieser namenhaften Einzelkönner, zu denen die festen Bandgrößen Troy Van Leeuwen (ehemals A Perfect Circle – Gitarre), Dean Fertita (The Dead Weather – Keyboard, Gitarre), Michael Schuman (Wires On Fire – Bass), und irgendwann gegen Ende des Aufnahmeprozesses auch der neue Band-Schlagzeuger Jon Theodore (ehemals The Mars Volta) als großes Ganzes ergeben? Ein in Rock gegossenes All-Star-Album, das selbst das bisherige Opus MagnumSongs For The Deaf“ in den Schatten stellen sollte? Eine zwar stargespickte, jedoch unausgegorene Masse an Namen und Potential, die alles, was bisher den staubig riffenden Charme der Queens ausmachte, platt zu walzen drohte? Homme, dem seine Gigantomanien endgültig Brian Wilson-like zu Kopf gestiegen schienen? In jeder Hinsicht: weit gefehlt! Denn „…Like Clockwork“ scheint als Ganzes anders als alles, was man wohl von Josh Homme und seinen Queens Of The Stone Age erwartet hätte…

QOTSA #1

Dabei geht schon nach wenigen Sekunden etwas hörbar zu Bruch. Ist es der Stein, der dem Frontmann im Studio – nach sechs Jahren des Neuveröffentlichungsschweigens (der höchst unausgegorene Vorgänger „Era Vulgaris“ erschien 2007) – vom Herzen fiel? Wer weiß. „Don’t look / Just keep your eyes peeled“ – bereits „Keep Your Eyes Peeled“ entpuppt sich als albtraumhaft stoisch dröhnender Opener, der erst gegen Ende ein wenig aufbricht – als Hommes eigene kleine Schmerzensagonie. „I Sat By The Ocean“ ist darauf einer dieser typischen riffrockenden QOTSA-„Fuck Off“-Ohrwürmer (siehe auch: „The Lost Art Of Keeping A Secret“ vom 2000 erschienen zweiten Album „Rated R„), den Homme mit nicht eben untypischen Textzeilen kontrastiert: „I sat by the ocean / And drank a potion, baby, to erase you / Face down in the boulevard / Yet I couldn’t face you“ – der böse Teufel Alkohol, der die zerbrochene Liebe hinfort spülen soll, und schlussendlich doch nur zum bösen, schwerschädeligen Erwachen im Rinnstein führt. Josh Homme jedoch frohlockt auch – und gerade! – in Schattensituationen wie diesen, und fügt dem Ganzen noch eine derbe Portion Glam Rock á la David Bowie hinzu. Weitaus weniger typisch ist da schon „The Vampyre Of Time And Memory“. „I want God to come and take me home / ‚Cause I’m all alone in this crowd / Who are you to me? Who am I supposed to be? / Not exactly sure anymore“ – zu Synthesizerschleifen und Pianotastenanschlägen schält sich der Frontmann nur langsam aus der sonnengegerbten Trägheit, die diesen Song umgibt, und lässt seine Gitarre lediglich sporadisch effektvoll zum Solo aufheulen. Nur gut, dass das Doppel aus „If I Had A Tail“ und „My God Is In The Sun“ dann wieder Melodien bietet, mit denen die Queens bereits auf „Songs For The Deaf“ völlig zu recht zu begeistern wussten, wobei Ersterer mit dadaistischem Text und brachial eingängigem Stampfbeats eiskalt lächelnd mit dem American Dream abrechnet und Zweiterer als kompromissloser Brecher mit durchgetretenem Gaspedal durch den Wüstensand rast: „Godless heathens always waltz on the sky“. „Kalopsia“ lässt den Motor des rostigen, mit Einschusslöchern übersäten Queens-Tourbusses darauf ein wenig stottern, nur um am gefühlten Klippenrand ein letztes Mal alles zu geben und das Stück in einen manisch zwischen innerer Gelassenheit und perversen Schrei-und-Gewalt-Fantasien wankenden Saufkumpan zu verwandeln. Als wahre Überraschung des sechsten QOTSA-Albums darf jedoch „Fairweather Friends“ gelten, das alles aufbietet, um als epische Wüstenrock-Pophymne gar zu den selten erreichten Queen oder Beatles aufzuschließen: treibende, verschachtelte Schlagzeugbeats, Gitarren, die zum einen den Ton klar vorgeben und sich im Hintergrund auch noch selbst duellieren, Josh Homme, der hier stimmlich wohl eine seiner bisherigen Glanzleistungen abliefert – inklusive Backgroundchören und abseitigen Begleitstimmen -, und keinem Geringeren als Sir Elton John, der sich für die Band nicht zu schade war, im Hintergrund (!) die astrein antreibende Pianobegleitung einzuspielen. „Smooth Sailing“ kann direkt im Anschluss an ein solches Überstück natürlich nur verlieren, überzeugt dennoch als überdrehter Kopfstimmen-Wah-Wah-Boogie straight out of hell: „If reason is priceless / There’s no reason to pay for it“. „I Appear Missing“, welches die Queens als ersten Vorgeschmack aufs Album bereits vorab präsentierten, setzt danach sprichwörtlich noch einmal alles auf eine Karte, taucht in seinen sechs Minuten in psychedelische Sphären ein, steigert sich in immer neue dramatische Höhen, riffrockt mit Stakkatorhythmen, hallenden Soli, weiter hallenden Gesangsharmonien mitten in der Wüste das letzte aus sich heraus: „Deeper I sleep / Further down / A rabbit hole never to be found / It’s only falling in love / Because you hit the ground“. Und wer dachte, dass Homme dieser Epik nichts mehr entgegenzusetzen habe, sieht sich mit dem Rausschmeißertitelsong, der dezent an die „Abbey Road“-Spätphase der Beatles erinnern mag, eines besseren belehrt: Ein sanftes Piano und die noch sanftere Singstimme des Frontmanns leiten das wehmütige „…Like Clockwork“ ein, ehe eine ganze Armada verschiedenster Gitarren und Streicher das Album zu unheilvoll vielsagenden Textzeilen gen staubigem Sonnenuntergang geleiten: „Not everything that goes around comes back around you know / One thing that is clear / It’s all down hill from here“ – Alles nur Jammern auf hohem Niveau, oder gar der Schwanengesang der Queens Of The Stone Age? Man mag es nicht hoffen. Und wenn doch: großartiger hätte er kaum ausfallen können…

QOTSA #2

Was also ist „…Like Clockwork„? Nun, zunächst ist es zum einen das QOTSA-Album mit dem – im Vorfeld – höchsten Staraufgebot, dessen größte Überraschung wohl zum anderen ist, dass sich Album Nummer sechs wohl ausschließlich und vor allem nach einer Person anhört: Josh Homme selbst. Denn der charismatische Gitarrenvirtuose hat sich in den 16 Jahren, denen er den Queens nun schon als Frontmann vorsteht, zum wahren Bandleader gemausert, entlässt Bandmitglieder nach eigenem Messen und Ermessen, stellt neue ein, bittet Freunde und Kollegen zu gemeinsamen Jam Sessions ins Studio (die bekannten „Desert Sessions“ sind wohl nur eines der Ergebnisse dieser kreativ fruchtbaren Zusammenkünfte) – und hat dabei stets die Zügel fest in der Hand und die Zukunft seiner Band im Blick. Ihn also spürt man in jeder Sekunde der insgesamt 44 Minuten Spieldauer. Ob nun gerade Grohl, Castillo oder Theodore – ja ohnehin und zweifelsohne alles Könner ihres Fachs – hinterm Drum Kit sitzt? Worin nun die jeweiligen Verdienste von Mark Lanegan, Nick Oliveri, Trent Reznor, James Lavelle, Alex Turner, Brody Dalle, Alain Johannes, Jake Shears oder Sir Elton John liegen? All diese Gastbeiträge lassen sich wohl nur als marginale Feinschliff-Nuancen und/oder nach tausendfachem Hören ausmachen (ein weiteres Indiz für die beabsichtigte Teaser-Wirkung der Vorabnennung all dieser Namen dürfte wohl in dem Fakt zu sehen sein, dass dem Album kein Booklet beiliegt, und auch keiner der Namen in der offiziellen Erscheinung genannt wird). Alles in allem zeigt „…Like Clockwork“ einen im Bandverbund gewachsenen Josh Homme, der mit dem aktuellen Album das wohl beste und persönlichste seit dem 2005 veröffentlichten „Lullabies to Paralyze„, und das als Gesamtwerk überzeugendste seit „Songs For The Deaf“, jenem elf Jahre zurückliegenden großen Wurf, abliefert. Auch anno 2013 klingen die Queens Of The Stone Age noch frisch, energetisch, höllisch hookline-groovend, spannend und – bei aller Eingespieltheit: relevant. Josh Homme, dieses schlaue, glückliche Kerlchen, darf sich derweil süffisant grinsend zurücklehnen – in dem Wissen, mit „…Like Clockwork“ eines der potentiellen Top Drei-Alben seiner Karriere aufgenommen zu haben. Understatement in Rock? Mission accomplished.

Josh Homme 2013

 

 

Hier gibt’s die visualisierte 15-minütige Albumvorschau, die zu wunderbaren Animationen akustische Einblicke in die Songs „I Appear Missing“, „Kalopsia“, „Keep Your Eyes Peeled“, „If I Had A Tail“ und „My God Is In The Sun“ liefert…

 

…und das komplette zweistündige (!) Konzert, das die Queens Of The Stone Age zur Einstimmung auf „…Like Clockwork“ am 23. Mai diesen Jahres im The Wiltern in Los Angeles gegeben haben:

 

Dass sich Josh Homme allerdings auch ganz gut selbst – und den im Rockgeschäft (zu) oft vorherrschenden „heiligen Ernst“ – ein wenig auf die Schippe zu nehmen versteht, bewies er unlängst in dieser Fake-Studiodokumentation mit dem feinen Titel „Secrets Of The Sound“:

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Das Album der Woche


Mad Season – Above (2013 Deluxe Edition)

Mad Season - Above (Deluxe Edition)-erschienen bei Col/Sony Music-

Manche Schicksale stimmen einen ob den düstren Zusammentreffens von Zufall und Bestimmung schon nachdenklich…

Am 8. April 1994 verbreitet sich eine Nachricht, einem Blitzfeuer gleich, per Fernseh- und Radiostationen (Richtig, Kiddos – ein gab tatsächlich eine Zeit vor Google, Facebook und Twitter!) um den Globus: im US-amerikanischen Seattle, jener regnerischen Stadt im Nordwesten der Vereinigten Staaten, in der die Space Needle auch heute noch gen Himmel ragt und das Kaffeeröster-Imperium Starbucks seine ersten Filialen eröffnete, wurde ein junger Mann tot aufgefunden. So weit, so unwürdig, als dass die ganze Welt an dessen Schicksal Anteil nehmen sollte? Nun, der Name des jungen Mannes war Kurt Cobain

Schon bald sickerten erste Einzelheiten scheibchenweise durch die Medien: es war von Selbstmord die Rede, von Drogen, einem Abschiedsbrief und einer Schrotflinte, mit der der 27-jährige Frontmann von Nirvana, der damals wohl populärsten Rockband des Planeten, seinem Leben drei Tage zuvor ein jähes Ende gesetzt haben soll. Schon bald versammelten sich tausende Fans vor Cobains unscheinbarem Häuschen am Lake Washington Boulevard, um zu trauern und dem Sänger eine letzte Ehre zu erweisen. Andere fragten sich, ob es nicht nur eine Frage der Zeit gewesen war, immerhin hatte Cobain bereits im März 1994 in Rom versucht, sich das Leben zu nehmen (all das sollte freilich erst später ans Licht kommen). Immerhin war es in der vergangenen Zeit weder um die physische noch um die psychische Gesundheit des Mittzwanzigers gut bestellt, und auch in den Songtexten der Nirvana-Stücke, welche samt und sonders von ihm stammten, machte er nie einen Hehl um sein fragiles Seelenheil. Klar, schlaue Sprüche und wichtige Sätze hatten sie alle auf Lager. Viel wichtiger jedoch: Cobains Tod versetzte nicht nur die gesamte Musikszene Seattles, welche damals urknallartig über die Welt hereinbrach und, neben Nirvana, noch Bands wie Pearl Jam, Soundgarden oder Alice In Chains (und nur ein paar zu nennen) auf die vordersten Chartränge katapultierte, nein, er versetzte jener – so hohl wie vielsagend – „Grunge“ betitelten Bewegung praktisch den Todesstoß. Wer heute noch ein jene Zeit zurückdenkt, als Holzfällerhemden, zerschlissene Jeans und braune Boots die Laufstege in London, Mailand oder Paris eroberten, als lange Haarmatten noch zu ehrlich hedonistischen Ewigkeitshymnen wie Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“, Pearl Jams „Alive“ oder Soundgardens „Black Hole Sun“ wild im Takt geschüttelt wurden und ein Album namens „Nevermind“ mit einem nackten, im Pool einer Ein-Dollar-Note hinterher tauchendem Baby auf dem Cover Michael Jacksons „Dangerous“ mir nichts, dir nichts vom US-Albumcharts-Spitzplatz kickte, der wird wohl kaum ohne ein seliges Seufzen auskommen…

Mad Season #1

Und da das Schicksal bekanntlich nicht selten ein kleines, fieses Arschloch ist, das Musiker ebenso humorfrei behandelt wie den Handwerker, der dir eben noch die Heizung repariert hat und nun, bei Dunkelheit und Eisesglätte sein Auto gegen den Baum setzt, oder Tante Hilde, die beim Treppenwischen auf den nassen Stufen ausrutscht und sich auf dem letzten Absatz das Genick bricht, sollte die Musikwelt auf den Tag genau acht Jahre (geht man vom offiziellen Todeszeitpunkt aus) nach Cobains (Frei)Tod um einen weiteren „Helden“ eben jener „Grunge-Szene“ trauern: am 19. April wurde der leblose Körper des ehemaligen Alice In Chains-Sängers Layne Staley in dessen Apartment gefunden, Wochen nach dessen Ableben. Todesursache: eine injezierte Überdosis aus Heroin und Kokain, ein sogenannter „Speedball“. Auch hier stand für findige Schnellschuss-kommentatoren schnell fest: der Tod des zum bemitleidenswerten Junkie verkommenden Rockstars war überfällig, war abzusehen, war klar. Denn auch Staley war, wie Kurt Cobain, zeitlebens mit einer ähnlich explosiven wie düstren und fragilen Aura gesegnet und trug in den Tönen, die seinen Mund verließen, stets ein offen trauriges Herz auf der Zunge…

Und auch wenn Alben wie Alice In Chains‚ monumental abgründiges, 1992 veröffentlichtes Zweitwerk „Dirt“ oder das auch heute noch überragende „MTV Unplugged„-Konzert (Nirvana oder Pearl Jam haben für die offizielle Konzertreihe ja ähnlich große Teile eingespielt) noch so wichtig für den heutigen Alternative Rock waren, so lieferte Layne Staley erst 1995 sein persönliches Opus Magnum ab. Da er bei Alice In Chains stets das Gefühl hatte, sich an der Seite des Gitarristen, zweiten Sängers und Hauptsongwriters Jerry Cantrell nicht ausreichend selbst verwirklichen zu können, scharrte er Ende 1994 befreundete Musiker der Seattle’schen Szene um sich – unter anderem Mike McCready von Pearl Jam oder Barrett Martin von den Screaming Trees -, um eine Art „Grunge-Supergroup“ zu gründen. (Ja klar, da gab es natürlich noch Temple Of The Dog – aber das ist eine andere Geschichte…) Nach dem Herantasten und musikalischen Zusammenwachsen bei ersten Shows verzogen sich The Gacy Bunch, welche sich jedoch schon bald in Mad Season umbenannten, ins Studio und veröffentlichten im März 1995 mit „Above“ ein Debüt, dessen Covermotiv ein überarbeiteter Holzschnitt des Frontmanns ziert und welches mit seiner lyrischen wie musikalischen Bandbreite und Tiefe die meisten, die von Staley wohl „nur“ einen dumpfen Alice In Chains-Klangklon erwarteten, vor den kritischen Kopf stieß – anders sind, aus heutiger Sicht, die damals bestenfalls wohlwollend ausgefallen Reviews kaum zu erklären…

Mad Season #2

Und da Staleys Geschichte wohl eine voller tragischer Jubiläen ist, erschien am 12. März 2013 – beinahe 18 Jahre nach der Erstveröffentlichung – nun die „Deluxe Edition“ von „Above“, welche allen Fans wie Neulingen eine remasterte und im großen Stil erweiterte Fassung des einzigen Mad Season-Albums bietet. Und auch fast zwei Jahrzehnte nach Erscheinen haben all diese dunklen Rockperlen nichts von ihrer herrlichen Abgründigkeit eingebüßt. Man höre sich nur den bedrohlichen entspannten Einstieg „Wake Up“ an, zu dem Staley mit seiner prägnanten Stimme und Zeilen wie „Wake up young man, it’s time to wake up / Your love affair has got to go / For 10 long years, for 10 long years / The leaves to rake up / Slow suicide’s no way to go“ ohne Umschweife und voller schonungsloser Selbstreflexion die Karten auf den Tisch legt: natürlich kreisen viele der Texte auf „Above“ über die Abgründe jener Drogenhöllen, denen sich nicht wenige der Seattle’schen Musikszene fatal tragisch zuneigten. Doch trotz aller lyrischen Enigmen wirken die zehn Stücke des Debüts wahnsinnig scharfzüngig, fokussiert – und doch auch ungeahnt virtuos tief schöpfend. Seien es nun die verschleppten Rocker „X-Ray Mind“, „Lifeless Dead“ oder „I Don’t Know Anything“, die fragile Balladensingle „River Of Deceit“, in welcher Staley offen „My pain is self-chosen“ bekennt, „I’m Above“, bei welchem sich der lange Jahre ebenfalls im Drogensumpf stecken gebliebene damalige Screaming Trees-Frontmann Mark Lanegan ein Gesangsduell mit Lanye Staley liefert, der alles überthronende, fragile Vergangenheitsabgesang „Long Gone Day“, ein Stück, das den Barjazz (Standbass! Saxofonsolo!) mit dem sonst oft so harten Alternative Rock versöhnt und ebenfalls von Lanegans Stimme mitgetragen wird, oder das finale Doppel aus dem virtuosen Instrumentalstück „November Hotel“, das die offensichtlichen Trademarks von Mike McCreadys genialem Gitarrenspiel offen zur Schau stellt, und dem tristen „All Alone“. All diese Stücke atmen ebenso Zeitgeist wie Zeitlosigkeit, erzählen von gestern und heute, werden von Musikern gespielt, die die Chartsspitze, den Ruhm und die eigenen Titelseitenfotos ebenso kennen wie die Leere von Hotelzimmern, die Vergänglichkeit von Verehrung und der harten Rand der Gosse. Die zehn Songs auf „Above“ wurden von vier gleichsam empfindlichen wie für jede Form der Musik empfänglichen virtuosen Individuen eingespielt: Layne Staleys prägnante Stimme, Mike McCreadys charakteristisch großes Gitarrenspiel, John Baker Saunders‘ Bass- und Barrett Martins Schlagzeugspiel – jede Minute atmet auch heute noch die zeit- wie grenzenlos abgründige Energie und Melancholie aus monolithischem Alternative Rock, scheinbar entspanntem Jazz und tiefem Blues. Leider kam es durch die stetige Verschlechterung von Staleys Gesundheitszustand und Bassist John Baker Saunders‘ plötzlichem Drogentod (eine Heroinüberdosis im Januar 1999) nie zu einem Nachfolger…

Mark LaneganUm – wohl auch für sich selbst – das Kapitel „Mad Season“ endgültig ad acta legen zu können, beschlossen die verblieben ehemaligen Bandmitglieder Barrett Martin und Mike McCready im vergangenen Jahr, die Archive zu durchforsten und förderten unbeendete Songideen zu Tage, zu denen sie – wie logisch! – Mark Lanegan baten, die offenen Gastvocals zu übernehmen. Herausgekommen sind drei Stücke – das straight rockende „Locomotive“, das verschleppt wabernde „Black Book Of Fear“ und das als Ballade startende „Slip Away“, dem McCready gen Ende einen gloriosen Gitarrensolo-Abgang à la „Yellow Ledbetter“ (für alle Unkundigen: einer der Live-Klassiker des Pearl Jam-Songkatalogs!) beschert -, die ein Album wie dieses kaum würdiger vervollkommnen könnten und denen Mark Lanegan – für mich ohnehin eine der allzeit besten Rockstimmen – nur noch mehr lebensweise Tiefe verleiht. Außerdem auf der „Deluxe Edition“ von „Above“ finden sich schließlich das kurze Akustikgitarren-Zwischenstück „Interlude“ (sic!), ein Mix des John Lennon-Covers „I Don’t Wanna Be A Soldier“ (erstmals 1995 auf der Compilation „Working Class Hero: A Tribute to John Lennon“ erschienen) und der vollständige (!) Konzertmitschnitt der finalen Show, welche Mad Season am 29. April 1995 im Seattler Moore Theatre spielte und das die Band in Bestform zeigt, sei es nun bei der fast zehnminütigen Freejazz-Zerlege-Version von „I Don’t Wanna Be A Soldier“, dem auch hier fulminant brodelnden Ruhepol „Long Gone Day“ (erneut mit einem Gastauftritt von Lanegan) oder dem überbordenden Gitarrenabschluss „November Hotel“. Wer da nur noch die optische Variante vermisst, kommt ebenfalls nicht zu kurz, denn das Konzert liegt dem Box Set auch noch auf DVD bei…

Ob nun in der regulären oder der definitiven „Deluxe Edition“-Doppel-CD+DVD-Variante – „Above“ ist eines der besten, weil virtuosesten, Gitarrenrock-Alben der Neunziger, auf dem Layne Staley zu einem letzten großen kreativen Sprung ansetzt. War Jim Morrison der wohl unwiderstehlichste Todesengel des Bluesrock, so trägt Staley hier den „Grunge“ zu Grabe – und steckt dabei für einen Moment sogar charismatische Genregrößen wie Kurt Cobain, Chris Cornell oder Eddie Vedder in die Tasche.

Bestimmung, Zufall, Schicksal – traurig aber wahr: manchmal mag alles eins sein…

 

Hier kann man sich das Musikvideo zur einzigen Single „River Of Deceit“…

 

…die 1995 auf Video erschienene Variante des erwähnten Moore-Auftritts…

 

…und ein Feature zur nun erschienenen „Deluxe Edition“ von „Above“ anschauen…

 

…sowie sich hier das komplette Album…

 

…und den „neuen“, mit Hilfe von Mark Lanegan fertig gestellten Song „Locomotive“ anhören:

 

Rock and Roll.

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