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Song des Tages: Phoebe Bridgers – „You Missed My Heart“


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Grenzt es bereits an Wahnsinn, sich ein Stück aus dem von Veröffentlichungsjahr zu Veröffentlichungsjahr ausschweifender werdenden Songfundus von Mark Kozelek zu greifen und dieses dann einer Eigeninterpretation zu unterziehen? Hm…

Anno 2018 – und im Hinblick auf den zwar stetig anwachsenden, jedoch auch immer gewöhnungsbedürftiger werdenden kreativen Output des 51-jährigen nimmermüden Ex-Frontmanns der Red House Painters – würde ich spontan antworten: Ja klar, da dürfte ein Scheitern in Ehren vorprogrammiert sein! Allerdings hat sich Phoebe Bridgers mit „You Missed My Heart“ ein Stück vom 2013 erschienenen Album „Perils From The Sea„, welches gemeinsam mit The Album Leaf-Kopf Jimmy LaValle entstand, gegriffen – und tut gut daran, eines der zwar simpler gestrickten, aber auch besten und berührendsten (jüngeren) Stücke aus Kozeleks Feder zu wählen.

Denn so viel verändert die aus Los Angeles stammende Indie-Musikerin, welche im vergangenen Jahr auch auf ANEWFRIEND bereits Erwähnung fand, gar nicht für ihre Version der Konzelek/LaValle-Coproduktion, welche den Abschluss ihres 2017 erschienenen Debütalbums „Stranger In The Alps“ bildet. Bridgers kappt dem Stück lediglich den elektronischen Unterbau und reduziert es auf sein emotionales Grundgerüst, begleitet auf den weißen und schwarzen Tasten. Oder eben, wie man bei der unten stehenden Daytrotter Session erleben kann, auf etwas E-Gitarren-Begleitung. In jedem Fall gilt: der Song bleibt in seiner fast schon lakonischen Ehrlichkeit großartig – ob nun von Mark Kozelek und Jimmy LaValle, oder eben von Phoebe Bridgers interpretiert…

 

 

„Broke into her house. Saw her sittin‘ there
Drinking coke and whiskey in her bra and underwear
Saw him in the kitchen, hangin‘ up the phone
I asked him nicely please to pack his things and go

He gave her a reassuring look that said he wouldn’t leave
But I asked him once again and this time pulled out my shiv
I struck him in the back and I pulled it out slow
And I watched him fall down
And as the morning sun rose
He looked at me and said:

‚You missed my heart
You missed my heart
You got me good. I knew you would
But you missed my heart
You missed my heart.‘
Were his last words before he died

Looking out the window, up at the blue sky
Listening to her scream, listening to her cry
A feeling of relief came over my soul
I couldn’t take it any longer and I lost control

I chased her up the stairs
And I pinned her to the ground
And underneath her whimpering
I could hear the sirens sound
I rattled off a list of everything I missed
Like going to the movies with her
And the way she kissed me
Driving into Wheeling and showing her off
Backyard barbecues and reunions in the park
I said I loved her skin and she started laughing
And while I clenched down on her wrist
She said ‚That’s quite a list
But there’s one thing you missed

You missed my heart, you missed my heart
That’s quite a list, but what you really missed
You missed my heart, you missed my heart
That’s quite a list, but what you really missed‘

Running through the parking lot
Running through the fields
Policemen on my back
Something hit my skull and cracked

They dragged me off to jail, set a million dollar bail
Where I tried to tie a noose, but I failed and I broke loose
Racing through the prison yard
Shot down by a tower guard
He got me in the shins
And he got me in the arms

They strapped me in the gurney
Took me to the infirmary
Where the priest read my last rites
And just before, everything went dark

I said:
‚He missed my heart, he missed my heart
He got me good, I knew he would
But he missed my heart, he missed my heart‘
And just before, everything went dark

The most poetic dream came flowing like the sea
Laying there my lifeblood draining out of me
A childhood scene then, sky moon beams
Fishing with my friends sitting in the wild lands

Watching the Ohio river flow at night
Waiting for the bullhead catfishes to bite
Downriver from the Moundsville prison graveyards…“

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Phoebe Bridgers – „Funeral“


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„Gäbe es die Serie ‚Scrubs‘ noch, würden die Produzenten zu ‚Funeral‘ greifen, um eine traurige Szene zu untermalen, wie einst ‚Winter‘ von Joshua Radin.“

Oha. Das, was der „Musikexpress“ da mit wenigen Worten ins digitale Musikdickicht wirft, setzt doch schon so einige Assoziationen, oder?

Übrigens genauso wie die Liste der Förderer und Bewunderer von Phoebe Bridgers: So veröffentlichte kein Geringerer als Ryan Adams 2015 die ersten Songs der aus Los Angeles stammenden Musikerin auf seinem Label Pax Am Records, während das ewige Folk-Wunderkind Conor Oberst Bridgers bei einem der Songs ihres heute erscheinenden Debütalbums „Stranger In The Alps“ unterstützt und die ebenfalls gerade allerorten gefeierte Sadcore-Singer/Songwriterin Julien Baker zu ihren Best Buddies zählt (und sie im vergangenen Jahr als Support Act mit auf Tour nahm). Den Initialkick für ihre Karriere bekam Phoebe Bridgers, die die Los Angeles County High School for the Arts an der California State University besuchte, jedoch wohl 2014, als Apple sie in einem iPhone-Werbespot den Pixies-Evergreen „Gigantic“ spielen ließ. Die Webseite des neuen Indie-Folk-Sternchens lässt, der URL wegen, eine dezente Bewunderung für Amanda Palmer vermuten und informiert gleich auf der Titelseite darüber, dass Bridgers in den kommenden Wochen und Monaten Bands und Künstler wie Conor Oberst, Noah Gundersen, The War On Drugs oder Japanese Breakfast auf Tournee begleiten wird.

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Soviel zum Namedropping. Doch wie tönt die 22-jährige Musikerin nun? Nun, die einen basteln sich ein galantes „Elliott Smith meets Gillian Welch“ zurecht, der sowieso nie um einen verschrobenen Superlativ verlegene Ryan Adams sprach von ihr gar als „neuen Bob Dylan“ (was ja nun auf so vielen Ebenen keinerlei Sinn ergibt). Vielmehr bieten die Songs von „Stranger In The Alps“ allerlei Folksongs, die mal introspektiv flüstern (das feine „Smoke Signals“ mit Zeilen wie „And you must have been looking your me / Sending smoke signals / Pelicans circling / Burning trash out on the beach“), mal urban schillern, um dann in der Ferne Fleetwood Mac zu grüßen („Motion Sickness„). Irgendwo erklingt, wie in „Funeral“, eine jenseitige Fiddle, während im bereits 2015 erschienenen „Killer“ Pianomelodien zirkulieren oder sich Bridgers anderswo eine Gitarrenlinie von Heliumstimmen-Waldschrat Justin „Bon Iver“ Vernon besorgt und davon singt, dass sie nicht mehr stoned, nicht mehr allein sein mag (man höre -sic!- „Demi Moore“). Und wäre all das nicht genug, wagt sich die Newcomerin zum Albumabschluss noch an einen der größten Textmeister unserer Zeit heran und nimmt sich – zum Glück erfolgreich – den Mark-Kozelek-Song „You Missed My Heart“ zur Brust.

Und trotzdem wird es mit den Stücken von „Stranger In The Alps“ nicht zum ganz großen Wurf reichen. Das Problem dürfte sein, dass Bridgers, die mit ihrer blonden Mähne aussieht wie die kleine Schwester von Neunziger-Jahre-Riot-Rock-Heldinnen wie Liz Phair oder Folk-Professorinnen wie Aimee Mann, zwar ausreichend Schwermut in den Kofferraum ihres verranzten US-Oldtimers geladen hat (immer dieses Kopfkino!), es all das Indie-Folk-Drama und die schönen Zeilen jedoch in den schnelllebigen Zeiten von Facebook, Twitter, Instagram und Co. schwer haben werden. Dafür fließt das Album einfach zu antiquiert, zu durchschnittlich durch die Gehörgänge. Schlimm ist das aber keineswegs, denn wenn alles nach Plan läuft, dürfte man Bridgers‘ Stücke noch als spezielle Hintergrunduntermalung in so einigen TV-Serien wiederhören…

 

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Kye Alfred Hillig


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„My name is Kye Alfred Hillig, and I’m a Tacoma, Washington singer-songwriter. Since the age of twelve, I’ve been the principle songwriter in four different bands that vary in style from punk to surfy indie rock to folk. Under those bands, I recorded eighteen albums and wrote over 1,000 songs.

In 2012, I began playing shows and recording music under my own name. Being a solo artist has allowed me a great deal of flexibility and the ability to put all my creative ideas into action. I quickly released three distinct albums in two years (Aurora, Together Through It All, and Real Snow), and this process has allowed me to grow significantly as a songwriter. Sometimes I perform alone; sometimes I perform with a cellist or pianist accompanying me; and sometimes I play with a full live band, incorporating electronic percussion and samples.“

Band-KyeSo beschrieb sich der aus – wie bereits erwähnt – dem US-amerikanischen Tacoma, Washington stammende Singer/Songwriter Kye Alfred Hillig kürzlich selbst. Einen Künstlernamen oder doppelte Bedeutungsböden sind auch auf seinem neusten, im August veröffentlichten Album „The Buddhist„, welches der 32-jährige Musiker mit der Hilfe seines ihm beim Mix und Backgroundgesang zur Seite stehenden Kumpels Daniel G. Harmann binnen zwei Tagen einspielte, komplett fehl am Platz. Und während Titel wie der Opener „My Young Love Was As Blind As Ray Charles And Half As Cold As Heat“ beim ersten Lesen eventuell noch komisch-verstelzt daher wanken, befällt den Hörer beim Lauschen bereits jene Americana-lastige Schwermut, der auch Größen wie Damien Jurado, Josh Ritter oder – holla, die Waldfee! – dem göttlichen Mark Kozelek (Ex-Red House Painters, Sun Kil Moon, solo) nicht eben fern stehen. Und auch die Texte sind ebenso persönlich wie gehaltvoll, handeln mal von Schuld und Sühne („I’m Alive Because Of Nuclear Bombs“), Kindheitserinnerungen („Licorice The Dog“), Religion („I Want To Be Forgot“), Krankheiten im Familienkreis („Some Good Things Just Have To Die“) oder dem tragischen Schicksal von Freunden („Come Play With Me“).

Welch‘ besseren Soundtrack als die bislang vier Alben des Singer/Songwriters könnte es also geben, um sich bei ausgedehnten Herbstspaziergängen den Regen aufs Schuhwerk plätschern zu lassen, während die Sonne – hoffentlich – ihre letzten paar warmen Strahlen vergießt? Und da Kye Alfred Hillig all seine Werke via Bandcamp freundlicherweise für lau, umme und umsonst unters Hörervolk haut, sollte man gern unverbindlich zuschlagen…

 

 

 

Rock and Roll.

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Der Jahresrückblick 2013 – Teil 3


Ein nicht eben an großartigen Veröffentlichungen armes Musikjahr 2013 neigt sich unausweichlich seinem Ende zu. Zeit also, ANEWFRIENDs „Alben des Jahres“ zu küren und damit, nach der Rückschau aufs Film- und Serienjahr, auch die Königsdisziplin ad acta zu legen! Dem regelmäßigen Leser dieses Blogs werden sich wohl wenige Überraschungen offenbaren, schließlich wurden alle Alben meiner persönlichen Top 20 im Laufe des Jahres bereits besprochen… Bleibt nur zu hoffen, dass auch 2014 ein ähnlich hohes Niveau an neuen Platten und Neuentdeckungen bieten wird… Ich freue mich drauf.

 

 

Frightened-Rabbit-Pedestrian-Verse1.  Frightened Rabbit – Pedestrian Verse

Ich nehme hiermit mein noch im Februar gefälltes Urteil höchstoffiziell (zum Teil) zurück – „Pedestrian Verse“ ist im Rückspiegel zwar in der Tat kompakter als noch der Vorgänger „The Winter Of Mixed Drinks“, jedoch keineswegs weniger hymnisch. Frightened Rabbit bewegen sich mit Album Nummer vier noch einige Schritte weiter weg von der eigenen schottischen Haustür, um große Geschichten von den Bordsteinen des tristen Alltags aufzulesen. Liebe und Leid, Verzücken und Enttäuschung, Vertrauen und Verfall – wer den fünf „Angsthasen“ um Frontmann und Sänger Scott Hutchison die Zeit gibt, sich bis zum Hörerherzen vorzuarbeiten, der bekommt mit „Pedestrian Verse“ einen treuen Begleiter durch Sonnen- wie Regentage. Vielleicht lief das eine oder andere Album ein paar Mal öfter durch meine Gehörgänge. Näher und tiefer ging jedoch in diesem Jahr keines. „Pedestrian Verse“ ist ein Monolith in der sowieso bereits tollen Frightened Rabbit’schen Diskographie. Und ein absolut würdiges „Album des Jahres“.

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2013TheNational_TroubleWillFindMe2.  The National – Trouble Will Find Me

Zu lange tingelten The National im Indierock-Schatten herum. Dabei besaß bisher jedes ihrer Album die Qualität und Größe, um einen Spitzenplatz in den Jahresabschlussbestenlisten zu belegen. Umso schöner ist es, wenn der US-Band mit „Trouble Will Find Me“, seines Zeichens Albumwurf Nummer sechs, nun endlich die vollends verdiente Aufmerksamkeit zuteil wird. Vielleicht besaß der drei Jahre junge Vorgänger „High Violet“ die dringenderen Gitarrenrocker. Vielleicht zieht bei den Familienvätern um den wohlig grantelnden Frontmann Matt Berninger von Mal zu Mal mehr Altersmilde ein. In jedem Fall stellt „Trouble Will Find Me“, The Nationals Musik gewordenes „Weinalbum“, Klasse vor Masse – nur eben nun auf größeren Bühnen. Wer noch immer glaubt, dass Arcade Fire die „größte Indieband der Welt“ seien, der sollte sich dieses Album zu Güte führen. Und den dreizehn Stücken beim stetigen Größerwerden zuhören…

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Mark-Kozelek-Jimmy-Lavalle-Perils-from-the-Sea-205x2053.  Mark Kozelek & Jimmy LaValle – Perils From The Sea

Mark Kozelek scheint seit geraumer Zeit einen sprichwörtlichen Lauf zu haben. Der ehemalige Red House Painters-Frontmann tourt als nimmermüder Troubadour nicht nur unablässig um die Welt, er veröffentlicht auch in immer geringeren Abständen eine großartige Platte nach der nächsten. Ob nun mit seiner elegischen Stammband Sun Kil Moon, mit den Ex-Kollegen von den Red House Painters, die nun als Desertshore musizieren, ob nun solo oder, wie hier, mit The Album Leaf-Cheftüfftler Jimmy LaValle – dem zurückhaltenden Geschichtenerzähler mit der so besonderen wie unverwechselbaren Stimme gelingt es immer wieder aufs Neue, seinen Zuhörer zu fesseln. Dass er sich für „Perils From The Sea“ dabei in absolutes Neuland vorwagt und sein Gesangsorgan inmitten reduzierter Ambietklänge bettet, macht die Sache eigentlich nur interessanter. Easy Listening mit Tiefgang und Relevanz? Keinesfalls eine einfache Sache… Und obendrein bietet „Perils From The Sea“ noch Erzählungen, die einen so schnell nicht mehr los lassen.

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there-will-be-fireworks-the-dark-dark-bright4.  There Will Be Fireworks – The Dark, Dark Bright

Das selbstbetitelte Erstwerk meiner schottischen Herzensband (klar mag es da so einige geben, aber keine liegt näher!) fand bei dessen Eigenvertriebsveröffentlichung vor vier Jahren noch quasi unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit statt. Beim nunmehr zweiten Album „The Dark, Dark Bright“ hören nun wohl schein ein paar mehr Ohren hin… Und das hat sich die Band um Frontmann Nicky McManus auch redlich verdient. Der schottische Fünfer arbeitet innerhalb von knapp 50 Minuten die komplette Indie-Postrock-Klaviatur von Mogwai bis Sigur Rós ab und setzt dabei nicht wenige wohltuende Nadelstiche mitten ins Herz. Mag sein, dass der Vorgänger die größeren, die höhere Wellen schlagenderen Songs hatte. „The Dark, Dark Bright“ ist dafür kohärenter und macht den ein oder anderen produktionstechnischen Mangel des Debüts wett. In einer gerechten (Musik)Welt werden There Will Be Fireworks zu einer großen kleinen Band. Wetten, dass?

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Casper_Hinterland5.  Casper – Hinterland

„XOXO“ wurde vor zwei Jahren als nichts weniger als die „Revolution des bundesdeutschen Hip Hop“ gefeiert. Das machte es für Benjamin „Casper“ Griffey natürlich keineswegs einfacher. Doch die Rechnung des „Emorappers“, sich für den Nachfolger so unwahrscheinliche Produktionspartner wie Get Well Soon-Mastermind Konstantin Gropper und das Elektro-affine Studioass Markus Ganter ins Boot zu holen, geht beim vierten Casper-Album „Hinterland“ in vollsten Maße auf. Egal ob der Indie-Rapper gerade vom Fern- oder Heimweh erzählt, sein Bewerbungsschreiben als deutscher Tom Waits abgibt oder sich Editors-Frontstimme Tom Smith zum Duett ins Studio einlädt – Deutschland hört hin. Und der Rest darf sich für die Ignoranz der germanischen Hip Hop-Antwort auf Springsteens „Born To Run“ gern den augenzwinkernden Mittelfinger abholen… Spätestens 2013 dürfte klar sein: Casper stehen alle Türen offen.

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BiffyClyro_Opposites6.  Biffy Clyro – Opposites

Wieviele (Rock)Bands sind bereits an ihren Ambitionen gescheitert? Wieviele Künstler haben bereits vollmundig epische Doppel- – oder gar Dreifach-! -Alben angekündigt, nur um dann auf höchsten Niveau zu versagen? Natürlich: diese Liste ist lang… „Opposites“ dürfte sich als sechstes Album des Schotten-Trios von Biffy Clyro auf der gelungenen Seite der Ambitioniertheit einordnen, bietet des doch die wohl gleichzeitig größten wie auch variationsreichsten Songs aus den Federn von Frontmann Simon Neil und den beiden Johnston-Zwillingen James und Ben. Eine Mariachi-Band inmitten fetter Hooks, Streicher und elegischer Passagen? In den über achtzig Minuten des so opulenten wie tiefgründigen Doppelalbums geht so einiges. Biffy Clyro bringen mit „Opposites“ das Pathos zurück auf die große Bühne. Operation gelungen, Patient gesünder denn je.

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listener-300x3007.  Listener – Time Is A Machine

Talk Music? Was zur Hölle soll das sein?!? Gut, wer sich als Neuling dem neusten Listener-Werk „Time Is A Machine“ gegenüber gestellt sieht, der dürfte wohl anfangs ähnlich überfordert sein… Zu rast- und ruhelos, zu drängend und dringend spielt sich das aus Fayetteville, Arkansas stammende US-Trio durch die acht neuen Stücke. Dass man dabei kaum mit dem lyrisch versierten Textespucker Dan Smith, der die Band einst als Soloprojekt begann, Schritt halten kann, ist ebenso faszinierend wie die Tatsache, dass sich Hip Hop und Postrock eben doch vereinbaren lassen. „Time Is A Machine“ ist mit seinen lediglich etwa 30 Minuten, wie auch der nicht minder tolle, vor drei Jahren erschienene Vorgänger „Wooden Heart“ schon, erneut kein Album zum Nebenbeihören. Nein, „Time Is A Machine“ ist ein wahrer kleiner Wirbelwind von Album, vorangetrieben von drei Wirbelwinden, die kaum näher bei sich sein könnten. Raprock in Höchstform. Diese Band verdient sich ihre eigene Nische…

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SIGUR-ROS-KVEIKUR-275x2758.  Sigur Rós – Kveikur

Als die Vorzeigeisländer von Sigur Rós im vergangenen Jahr das sechste Album „Valtari“ auf den Musikmarkt losließen, durfte man berechtigtermaßen befürchten, die Band um Frontmann Jónsi nun vollends an elegische Ambientweiten verloren zu haben, immerhin ließ das Werk nahezu vollständig jene großartigen Momentausbrüche vermissen, mit denen sich Sigur Rós auf Meilensteinen wie  „Ágætis Byrjun“ oder „Takk…“ noch in so viele Hörerherzen in aller Welt gespielt hatten… Umso heftiger drischt nun die nach dem Ausstieg des Keyboarders zum Trio geschrumpfte Band mit dem ein oder anderen Stück von „Kveikur“ in manche unvorbereitete Magengrube. Heftiger, kompakter und rauer waren Sigur Rós wohl noch nie, auf Albumlänge mitreißender in keinem Fall. Sollte Musik tatsächlich da anfangen, wo einem die Worte fehlen, so bleibt hierfür wohl nur noch ein letztes: geil.

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daughter-cover9.  Daughter – If You Leave

Vorschusslorbeeren durften Elena Tonra und ihre beiden männlichen Mitmusiker bereits seit den ersten Daughter-Lebenszeichen in Form von vereinzelten Konzerten und vielversprechenden EP-Vorboten sammeln. Umso höher war darauf natürlich der Sockel, vom dem das englische Trio mit dem Debütalbum fallen konnte. Doch „If You Leave“ enttäuscht keineswegs und ist, seiner Veröffentlichung um Frühling zum Trotz, eines der besten Herbstalben des Jahres, das sich zwar im selben Fahrwasser wie die Landsleute von The xx bewegt, dabei jedoch mehr Gewicht auf die Gitarren legt. Klar, man muss schon eine gewisse Affinität fürs Melancholische besitzen, um sich in diesen kleinen Dramen zurecht zu finden. Das Wohlgefühl kommt danach von ganz allein…

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Like-Clockwork-Cover10. Queens Of The Stone Age – …Like Clockwork

Josh Homme, dieser Schelm! „Wie ein Uhrwerk“ lief die Arbeit an „…Like Clockwork“ nämlich keineswegs. Stattdessen durfte sich der umtriebige Ex-Kyuss-Gittarero und jetzige Queens Of The Stone Age-Vorsteher mit so einigen Verletzungen und Schreibblockaden herumplagen. Dass er und seine Mitmusiker am Ende mit dem wohl besten Album seit dem in Rock gefassten, bereits elf Jahre zurückliegenden Meilenstein „Songs For The Deaf“ um die Ecke kamen, der ebenso knackige Wüstenrocker aufbietet wie irrwitzige Miniepen, dürfte dabei für sich sprechen. Dass bei Album Nummer sechs die prominente Gästeliste aus Mark Lanegan, Nick Oliveri, Trent Reznor (Nine Inch Nails), James Lavalle (UNKLE), Alex Turner (Arctic Monkeys), Brody Dalle (Ex-Distillers), Alain Johannes (Eleven), Jake Shears (Scissor Sisters) oder Sir Elton John zur reinen Marginalität gerät, ebenso… Nach sechs Jahren Veröffentlichungsschweigen präsentieren sich die Queens Of The Stone Age mit „…Like Clockwork“ frischer den je. Und Josh Homme, diese arschcoole Rocksau, stellt mit einem karrieretechnischen Top-Drei-Album mal eben die komplette Konkurrenz in den Schatten. Willkommen zurück, Jungs!

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Auf den weiteren Plätzen:

Various Artists – Sound City – Reel to Reel mehr…

Pearl Jam – Lightning Bolt mehr…

Haim – Days Are Gone mehr…

Keaton Henson – Birthdays mehr…

Vampire Weekend – Modern Vampires Of The City mehr…

Die Höchste Eisenbahn – Schau in den Lauf Hase mehr…

Foals – Holy Fire mehr…

Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away mehr…

Woodkid – The Golden Age mehr…

Thees Uhlmann – #2 mehr…

 

 

Rock and Roll.

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Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier wieder einige der Videoneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

Pearl Jam – Sirens & ein Kurzfilm zum neuen Album „Lightning Bolt“

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Wenn die eigene Lieblingsband ein neues Album veröffentlicht, dann ist es – Blog hin oder her – durchaus gestattet, ein gutes Stück der oft genug vorhandenen kritischen Haltung über Bord zu werfen und sich einfach mal der hemmungslos überbordenden Vorfreude hinzugeben… Zumindest sieht’s momentan so bei Pearl Jam und mir aus.

Wie bereits bekannt erscheint in gut zwei Wochen mit „Lightning Bolt“ Album Nummer zehn der ewig relevanten Grunge-Dinos. Nachdem die Band bereits das forsche „Mind Your Manners“ ins freudige Netzrund schickte, bekommt man nun mit „Sirens“ einen zweiten Song zu hören. Das Stück aus der Feder von Gitarrist Mike McCready ist zwar vergleichsweise ruhig geraten, aber – hach – irgendwie auch auf wunderbare Weise einfach… schön. Und wer mosert, dass das Video lediglich eine unspektakuläre Band-Performance im Gegenlicht zeigt, den darf ich gern daran erinnern, dass wir in diesem Punkt eine bandinterne Revolution im Kleinen erleben. Denn scheinbar haben Pearl Jam auch hier ein wenig Altersmilde walten lassen und zeigen sich, nach „Mind Your Manners“, bereits zum zweiten Mal in Folge selbst in einem Clip, nachdem man in den Neunzigern noch jegliche Zutraulichkeit den Medien gegenüber verweigerte…

Wer ein wenig mehr über „Lightning Bolt“ erfahren möchte, bekommt im neuen, knapp neunminütigen Kurzfilm (welcher, wie das Musikvideo zu „Sirens“ auch, von Musikregisseur Danny Clinch stammt) ein paar mehr Einsichten in die Inspirationen, Pearl Jams politisches wie soziales Bewusstsein, das Bandgefüge und den Zusammenhang zwischen Surfen und Songschreiben.

 

 

 

 

Junip – Walking Lightly

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Geradezu leichtfüßig und meditativ kommt „Walking Lightly“, die neue Single vom schwedischen Trio Junip, daher. Dass das dazugehörige selbstbetitelte Album durchaus große Qualitäten besitzt, weiß der regelmäßige Leser dieses Blogs natürlich. Trotzdem stehen diese von Regisseur Fredrik Egerstrand in Szene gesetzten Bilder der Band um Ausnahmestimme José González ausgezeichnet: Wald und Wiese, die Dämmerung kurz vor der Düsternis, schaler Lichtschein, Nebel. Die Band legt vor den Augen von Fuchs und Hase einen intimen Vortrag hin und bleibt am Ende in rot umleuchteter Fauna zurück…

 

 

 

Foals – Out Of The Woods

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A propos „Wald“, a propos „dem treuen Leser bekannt“: Das Unterholz trägt auch „Out Of The Woods“, seines Zeichens die nächste Auskopplung aus dem aktuellen, Anfang des Jahres erschienenen Foals-Album „Holy Fire„, im Namen. Doch wo bei Junip noch Ruhe und Gelassenheit herrschten, wartet hier auf die Protagonistin, welche auf ihren Wegen durchs triste Hochhauseinerlei auch Foals-Sänger Yannis Philippakis begegnet, am Ende eine vermeintlich böse Überraschung…

Übrigens: Wer nach drei bislang erschienenen Studioalben bereits auf eine neue Veröffentlichung des englischen Quintetts wartet, dem sei der ab Ende Oktober in den Regalen stehende Konzertfilm „Live at the Royal Albert Hall“ ans Hörerherz gelegt (den kurzen Trailer gibt’s ebenfalls hier und heute!)…

 

 

 

 

Arcade Fire – Reflektor

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Kaum eine Band hat in den letzten Jahrzehnten derart eindeutig ebenso Kritiker wie Hörer (also: die eigentlichen Endverbraucher) von der eigenen Qualität überzeugen können wie die Kanadier von Arcade Fire.  Mehr noch: Eventuell kam der kommerzielle Durchbruch gerade weil man sich bei all den tollen, eingängigen Melodien stets einen Schuss Kunst – in der Art, wie sie beflissene Hochschulabsolventen definieren würden – und Künstlichkeit bewahrt hat…

Da wundert es kaum, dass aktuell ein riesiger Bohei um den Nachfolger zum vor drei Jahren erschienenen und völlig zurecht mit massig Preisen dekorierten „The Suburbs“ gemacht wird: geheimnisvolle Graffitis zu Werbezwecken an Metropolen-Häuserwänden rund um den Globus, nicht weniger kryptische Twitter-Kurzformel, ein munteres Rätselraten um namenhafte potentielle Gastbeiträge, Albumtitel und Setlists… Ob „Reflektor“, Album Nummer vier von Win Butler, Régine Chassagne & Co., all die Aufregung wert ist, erfahren wir am 25. Oktober. Hier gibt’s schon einmal das Titelstück nebst würdevollem Schwarz-weiß-Video, für das kein Geringerer als Kultfotograf und Gelegenheitsregisseur Anton Corbijn die Verantwortung hinter den Kameras übernahm. Und: Ist im Stück da nicht irgendwo David Bowie zu hören? Arcade Fire bleiben rätselhaft…

„Just a reflection of a reflection of a reflection of a reflection of a reflection / But I see you on the other side / We all got things to hide…“

 

 

 

Sun Kil Moon – Richard Ramirez Died Today Of Natural Causes

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Wenn man aktuell wohl „Produktivität“ in Wikipedia nachschlägt, so könnte es gut sein, dass man unter der Entsprechung im musikalischen Sinn ein Foto von Mark Kozelek wiederfindet. Immerhin hat der ehemalige Red House Panters-Frontmann in diesem Jahr bereits drei Studioalben – das Soloalbum „Like Rats“, die fantastische Zusammenarbeit mit The Album Lear-Kopf Jimmy LaValle, „Perils From The Sea„, und zuletzt das ebenfalls tolle, gemeinsam mit Desertshore zustande gebrachte „Mark Kozelek & Desertshore“ – sowie etliche Livealben in die digitalen wie haptischen Plattenregale gestellt. Dabei kam jedoch seine derzeitige Quasi-Stammband Sun Kil Moon zu kurz, liegt doch deren letztes Album „Among The Leaves“ bereits über ein Jahr zurück (es erschien im Mai 2012 – im derzeitigen Kozelek’schen Veröffentlichungsrhythmus beinahe eine halbe Ewigkeit).

Das holt der umtriebige 46-jährige US-Songwriter nun nach und hat für Anfang 2014 mit „Benji“ Sun Kil Moon-Album Nummer sechs in Aussicht gestellt, zu welchem unter anderem Sonic Youth-Schlagzeuger Steve Shelley, Will Oldham (aka. Bonnie ‚Prince‘ Billy), Owen Ashworth (Casiotone For The Painfully Alone) und Jen Wood (Postal Service) musikalische Gastbeiträge geben werden. Mit dem ungewohnt spröden, unterschwellig aggressiven „Richard Ramirez Died Today Of Natural Causes“ gibt es hier bereits einen kleinen Vorgeschmack auf „Benji“…

 

 

 

Haim – Wrecking Ball

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Gut, Miley Cyrus‘ Fremdschäm-Moment bei den VMAs ist ausreichend diskutiert worden, ihr Musikvideo zu „Wrecking Ball“ hat für nicht weniger pikierte Blicke und massig Nachahmer gesorgt – wenn man heutzutage als ehemaliger Disney-Star noch für Imagewechsel und Aufmerksamkeit sorgen möchte, dann muss man schon All In gehen, wie’s scheint… (siehe auch: Lindsey „Exzess“ Lohan. siehe auch: Britney „It’s Britney, bitch!“ Spears. siehe auch: Xtina „Latina-Rollmops“ Aguilera.)

Die drei jungen Rockhühner von Haim, die mit ihrem Debütalbum „Days Are Gone“ zufälligerweise auch ANEWFRIENDs aktuelles „Album der Woche“ stellen, haben das wohl derzeit – und auch in Zukunft – kaum nötig. Trotzdem haben sie sich im Rahmen ihres Besuchs bei der Radioshow des BBC-Senders Radio 1 nicht nehmen lassen, den Miley Cyrus-Gassenhauer „Wrecking Ball“ von der Nudisten-Abrissbirne zu kratzen und das Stück in eine amtliche Rocknummer verwandelt…

 

 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Das neue und aktuelle „Album der Woche“, nun eben mit ein, zwei Tagen Verspätung. Ein Grund, keinerlei Ausrede: Das Album erschien erst an diesem Montag. Und es stammt zu großen Teilen von einem Künstler, von dem vor wenigen Woche schon einmal an dieser Stelle die Schreibe war… Ist es nicht langweilig – gar: einfallslos – auch die nächste Veröffentlichung von Mark Kozelek zum „Album der Woche“ zu machen? Für mich: keinesfalls. Denn Qualität spricht stets für sich selbst. Und ein Künstler wie eben jener Mark Kozelek kann gar nicht zu oft in zu hohen Tönen gelobt werden. Warum? Lest ihr hier. Während die Musik ihr Übriges tut…

 

Mark Kozelek & Desertshore – Mark Kozelek & Desertshore (2013)

Mark Kozelek & Desertshore (Cover)-erschienen bei Caldo Verde/Cargo Records-

Wer kennt das nicht: Da hat man einmal etwas, was man abgöttisch liebt – und tief in einem drin rumoren noch immer die kleinen Teufel des Zweifels. Da ist für einen winzigen Moment alles schön und gut und wunderbar. Und obwohl man für eine gefühlte Ewigkeit in diesem Sepiablick aus Zufriedenheit verweilen möchte, kommt sie doch plötzlich auf, diese innere Unruhe. Nichts ist nie nur wahr oder falsch, nur schwarz oder weiß. Wie sang Gisbert zu Knyphausen unlängst: „Die Welt ist grässlich und wunderschön.“ Das Leben, eine pulsierende Janusköpfigkeit…

Mark Kozelek

Wer, wenn nicht Mark Kozelek, könnte besser von all diesen Dingen singen. Der 46-jährige, US-amerikanische Musiker ist seit den späten achtziger Jahren höchst umtriebig in der Indie-Musikszene unterwegs – anfangs noch mit den großartigen Sadcore-Slowrockern Red House Painters, später mit den zu weitläufigen Elegien neigenden Sun Kil Moon und als mit Nylon-Steel-Gitarre bewaffneter Solo-Barde. Über die Jahrzehnte mag seine Stimme merklich an Rauheit und Charisma zugelegt haben. Doch die Art, die Zuhörer mit seinen Texten zu bannen und gefangen zu nehmen – sie scheint Kozelek von Jahr zu Jahr, von Tournee zu Tournee, von Veröffentlichung zu Veröffentlichung nur weiter zu verfeinern, ja: manifestieren. Wer behaupten mag, dass die Lyrik des scheuen Singer/Songwriters – Bob Dylan und Bruce Springsteen lassen wir hier mal außen vor – als vertonte US-Chronik des 20. und 21. Jahrhunderts seinesgleichen zwar suchen, aber in einem weiten Feld keinerlei Ebenbürtigkeit findet, der greift zwar hoch, jedoch keinesfalls zu hoch. Denn Kozelek besitzt das seltene Talent, scheinbar alltägliche Beobachtungen eines Außenstehenden gefühlt zu den eigenen zu machen, während er selbst mit stoischer Stimme empathische Zeilen um den kleinen Mann da an der nächsten Straßenecke spinnt. Er ist der Begleiter der von der Gesellschaft Unbedachten, der Biograf des hart schuftenden Fließbandarbeiters, der eine ganze Familie ernähren muss, seine lang gehegten Wünsche auf ewig hinten an stellt, und doch Monat um Monat nicht weiß, wie sicher der kommende Lohnzettel noch ist. Und Kozelek ist auch der weltreisende, stille Verwalter eines familiären Erbes, von welchem er knochentrocken berichtetet – mit nüchternem, klaren Blick, warmer Stimme, und umringt von einer Menge an Familienfotos. Träume, Realismus, Lakonie, kleine zynische Spitzen, Romantik – all das spiegelt Mark Kozelek in Musik und Text. Man mag’s fast auf den Zwang, zuhören zu müssen schieben, dass diesem Mann noch kein Denkmal errichtet wurde. Andere Gründe, die gegen größeren Erfolg sprächen, gibt es nämlich kaum…

Und: Auch das Veröffentlichungspensum eines Mark Kozelek sucht seinesgleichen. So ist das dieser Tage erschienene und simpel „Mark Kozelek & Desertshore“ betitelte Werk bereits – nach dem Solo-Coveralbum „Like Rats“ und der erst vor wenigen Wochen in die Regale gestellten, großartigen Zusammenarbeit mit The Album Leaf-Kopf Jimmy LaValle namens „Perils From The Sea“ – die dritte Kozelek’sche Studioalbumveröffentlichung des laufenden Jahres. Daneben tourt der Mann beinahe unablässig um die Welt und konserviert einige dieser Shows dann als Livealben. Wann bitte kommt der Musiker dann dazu, neue Songs zu schreiben? Nun, die Antwort liegt bei „Mark Kozelek & Desertshore“ quasi auf dem lyrischen Präsentierteller…

Mark Kozelek & Desertshore

Wichtiger jedoch dürfte sein, dass Kozelek erstmals seit der Auflösung der Red House Painters Ende der Neunziger wieder auf Albumlänge mit seinen alten Weggefährten gemeinsame Sache macht. Nachdem der Frontmann wider Willen bereits gut der Hälfte des 2011 erschienenen Desertshore-Albums „Drawing Of Threes“ seine Stimme lieh, begab er sich nun für ein komplettes Album mit den ehemaligen Red House Painters-Mitgliedern Phil Carney (Gitarre) und Chris Connolly (Keyboard) ins Studio, um – unterstützt durch den Sun Kil Moon-Schlagzeuger Mike Stevens – nach vielen Jahren ein neues gemeinsames Album aufzunehmen. Dass man(n) die Sache im Titel nüchtern getrennt hält, erscheint beim Inhalt zur Makulatur verkleinert, denn auf „Mark Kozelek & Desertshore“ erinnert Vieles an jene Großtaten aus vergangenen Red House Painters-Tagen – nur eben: versierter, alterweiser, komprimierter.

Und das neue Werk rückt einmal mehr Kozeleks lyrische Finessen ins Licht, zwischen Alltagsbeobachtungen und Persönlichem spielend leicht hin und her zu springen. Ob er all diese in „Mariette“ geschilderten Streifzüge durchs pralle Südstaatenleben von New Orleans wirklich unternommen hat? Ob die Schönheit an seiner Seite ihm wirklich fortwährend Zweifel am Zusammensein vorhielt? Ob er wirklich einst die „Satanische Bibel“ in einer Mall in Ohio gekauft und gar Anton LaVey, den Gründer der „Church Of Satan“, persönlich kennengelernt hat (wie in „Hey Bastards I’m Still Here“ zu hören)? Ob er wirklich aus Schlafmangel ein Ranking von Gitarristen erstellt hat, bei dem Saitenfrinkler wie Robert Fripp (King Crimson), Johnny Marr (The Smiths), Malcolm Young (AC/DC), Neil Young, Jimmy Page (Led Zeppelin), Jeff Beck, Steve Vai oder Kirk Hammett (Metallica) gut wegkommen, während er – wohl augenzwinkernd – bekennt: „I hate Nels Cline“? Die lyrischen Grenzen zwischen Erträumtem, Erdachtem und tatsächlich Erlebtem sind während der 45 Minuten jederzeit fließend. Und egal, ob er in dem nach einem Steve McQueen-Zitat benanntem „Hey Bastards I’m Still Here“ alte Filme stets mit Kindheitserinnerungen an seinen Vater und seine Heimatstadt im mittleren Westen der USA verknüpft, ob er in „Katowice Or Cologne“ vom Leben auf Tour und über all das, was man zu Hause zurück lässt berichtet, ob „Tavoris Cloud“ als große, herzzerreißende Akusikgitarrenode an das innere Kind, die geliebte Katze und den nicht minder geliebten, im vergangenen Jahr verstorbenen Musiker/Freund Tim Mooney (American Music Club) gen Himmel aufsteigt, ob er sich in „Sometimes I Cant Stop“ zu zutiefst menschlichen Schwächen, zu Widersprüchen, aber auch zu all seinen positiven Charakterzügen, seinem kürzlich ebenfalls zu früh verstorbenen Musiker/Freund Jason Molina (Magnolia Electric Co.) und den Wonnen augenscheinlich simpler Familienaktivitäten bekennt oder mit „Brothers“, das vom Vater und schweren Schicksalsschlägen erzieht, wie sie wohl jede Familie schultern muss, den bewegenden, pianogetragenen Schlussakkord unter die zehn Stücke setzt – Kozelek ist immer bei sich selbst. Da tut sich ein Song wie „You Are Not Of My Blood“ schon als das kleine Biest des Albums, das mit schleichendem Rhythmus und verhangener Orgelbegleitung daherkommt, und das sich partout nicht von falschen Freunden vereinnahmen lassen möchte, hervor: „You’ll die a lonely death /…/ You’ll die a lonely person“ – bevor die Band im Chor mächtig einstimmt: „You are not of my blood“. Da schildert der Singer/Songwriter zum Countrytwang von „Don’t Ask About My Husband“ – freilich mit einer Menge Empathie – erdachte Monologe aus der Sicht des gehörnten Ehepartners. Kozelek schimmert – trotz gefühlter vornehmer Zurückhaltung – an allen Ecken und Enden. Und das liegt freilich auch an seinen Mitmusikern Phil Carney, Chris Connolly und Mike Stevens, denn diese rücken mit reppetitiven Gitarrenlinien, hypnotischen Saitenschleifen und dezenter Rhythmusarbeit Stimme und Texte in den Vordergrund. Klar dürfen ab und an mal ein paar angejazzte Pianonoten durchfahren („Mariette“), klar spielt die Band für Momente etwas energischer auf („Katowice Or Cologne“), natürlich rufen die Gitarren von „Livingston Bramble“ (welches ebenso wie „Tavoris Cloud“ nach einem Boxer benannt ist) sofort Neil Young & Crazy Horse auf den Plan, erinnert das schleppende „You Are Not Of My Blood“ ebenso an die seligen Slint wie an die Red House Painters, oder „Katowice Or Cologne“ gar an Tortoise. Dennoch gehört Mark Kozelek die Show. Und der nutzt sie, erneut – dabei hat „Perils From The Sea“ die qualitative Gefühlsmesslatte keinesfalls niedrig gelegt…  Ob er am Ende wirklich Wilco hasst? Antworten findet man in „Mark Kozelek & Desertshore“ zwischen Erzählungen, Anekdoten und  gefühlten Tagebuchpassagen zuhauf…

Und: Wer bitte möchte nicht einem Mann lauschen, der Zeile wie jene zu Papier und ins Mikro bringt: „At the age of 46 / I’m still one fucked up little kid / Though I moved out here I know / I’m still that kid from Ohio / Who still has hopes / Still has dreams / Still not learned a fucking thing /…/ Who’s living in a world that I’m still getting to know“? Rette sich, wer kann. Wer einmal Mark Kozelek verfällt, der ist auf alle Zeit verloren. Und darf aufs Leben wetten. Tausende kleine und große Wahrheiten – und alles, was man selbst dafür tun muss, ist: hinhören. Deal?

desertshore

 

 

Hier kann man sich anhand der Stücke „Mariette“…

 

…“Katowice Or Cologne“…

 

…und „Brothers“ einen ersten Eindruck von „Mark Kozelek & Desertshore“ verschaffen:

 

Rock and Roll.

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,
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