Seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Seafoam“ vor zwei Jahren hat sich im Leben von Lucinda Livingstone und Conor Dawson einiges getan. Allem voran, dass die gemeinsame Band nun nicht mehr Kamikaze Girls, sondern Cultdreams heißt. Aber auch die politisch wie gesellschaftlich schwierige Situation in ihrer englischen Heimat bewog sie dazu, mit dem im August erschienenen Nachfolge-Langspieler „Things That Hurt“ neue Wege zu gehen.
Ihre DIY-Harcore- und Postpunk-Wurzeln im hallverhangenem Unterholz Brightons sind unüberhörbar – auch wenn Conor Dawson mittlerweile in Belgien lebt. Visuell gehen die singende Gitarristin und der Schlagzeuger diesen Weg mit Martyna Wisniewska, die unter anderem im Musikvideo zur Underdog-Hymne „We Never Rest“ die Atmosphäre zum Ausdruck bringt. Zur gesanglichen Verstärkung holten sich Cultdreams für den Song Katie Dvorak und David F. Bello (The World is a Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die) an Bord. Apropos Underdog: schon mit dem sehr intim-introvertierten Album-Opener „Born An Underdog, Still Living One“ und seinem wunderschönen emotionalen Spannungsbogen ist die Stoßrichtung der Platte sofort vorgegeben. „Things That Hurt“ ist ein Album für und über all jene gesellschaftlichen Gruppen, die heute beinahe täglich als Primärziele alter weißer Populisten herhalten müssen. Die zweite Auskopplung „Not My Generation“ bringt all die angestaute Wut über so viele Missstände lautstark auf den Punkt:
„Put myself into the light
Become an advocate for one thing
Get ignored for all the rest
After years of aggravation
In a scene where women are shamed
Victims are blamed
And older white men reign over minorities
Whilst we’re all made their property
We see men ignore misogyny
As if it’s not their problem to act upon their sisters
When they get touched inappropriately
Everyone ignores me unless I’m on a stage talking
Because they put me on a pedestal
And pretend I’m just performing“
Seien es LGBTQ, psychisch kranke Menschen – Sängerin Lucinda Livingstone schreibt aus eigener Erfahrung – oder die Unterdrückten des „Besser! Effizienter! Mehr!“-Konsumdrucks, Cultdreams erzählt persönliche Geschichten als Stimme für alle, die in der Masse der Gesellschaft oft als anders oder schwach gelten. Im Fahrtwind ganz ähnlicher Bands wie Petrol Girls oder Apologies I Have None ist „Things That Hurt“ mit seiner bewusst rohen Produktion, unter der sich allerhand schroffe Liedperlen verstecken, eine mahnende, unbequeme „Political Uncorrectness“-Plakette für die Indie-Kultur. Nur geben sich Cultdreams dabei eben nicht mehr martialisch, wie es ihr früherer Bandname suggerierte, sondern reflektieren öffentliche Entwicklungen mehr im Inneren – und schenken der Musikszene so zehn neue widerhakende Hymnen für ein starkes Streben nach Selbständigkeit und Autonomie. Venceremos. ✊
„Take my meds on time, don’t smoke too many cigarettes
Dress appropriately for the binary I’m meant to have
Get a job, behind a desk, pay my dues and be oppressed
Be forgiven, be forgotten, burn it out until the end
We never rest
Just don’t worry
Keep on going (We never rest)
Everything is fine
I’ll line up with all the rest
Pretend it’s the best I’ve ever had
Say yes to love outside closed doors ‚cause it doesn’t have to be suppressed
We are the means and you are the end
We are the ones with better sense
Be forgiven, be forgotten, burn it out and make amends
We never rest
Just don’t worry
Keep on going (We never rest)
Everything is fine
(We never rest)
Just don’t worry
Keep on going (We never rest)
Everything is fine“
Rock and Roll.