Schlagwort-Archive: Louise Distras

Die Woche in Bild und Ton…


Damit ihr nicht vollkommen den Überblick über alle hörens- und sehenswerten Neuerscheinungen der letzten Woche(n) verliert, hat ANEWFRIEND hier wieder einige der Video- und Songneuerscheinungen der letzten Tage für euch aufgelesen…

 

Marcus Wiebusch – Was wir tun werden

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„Manche sagen, es wär‘ einfach / Ich sage, es ist schwer / Denn du, ja, du bist Audrey Hepburn / Und ich Balu, der Bär / Immer pläneschmiedend dastehen / So schön und stumm / Und ich, ich fang an zu tanzen / Werf‘ erstmal alles um“ – Anhand Zeilen wie dieser, die Marcus Wiebusch vor ein paar Jahren im Kettcar-Song „Balu“ sang, war wohl kaum zu erwarten, dass der Mann irgendwann einmal mit einem Tanzvideo (!) ums Eck biegen würde… Nun, er hat’s tatsächlich getan! Mit „Was wir tun werden“ schickt der Hamburger nicht nur ein weiteres Stück seines in wenigen Tagen erscheinenden Solodebüts „Konfetti“ ins Rennen, er hat sich für das Musikvideo auch Unterstützung von Tänzern der „HipHop Academy“ vor die Kamera geholt, die dem Stück mit einer Art „tanzenden Stillen Post“ eine ganz eigene Perspektive verleihen – nicht, dass dies der – mal wieder – tolle Song benötigt hätte… Wiebusch beweist, dass er es auch auf Solopfaden trefflich versteht, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, seine Musik und deren Botschaften jedoch dafür umso mehr. Und wenn „Konfetti“ auch nur im Ansatz das halten kann, was die ein oder andere Vorab-Review verspricht, dann darf man sich (weiterhin!) auf die Albumveröffentlichung am kommenden Freitag freuen…

 

 

 

Eels – Mistakes Of My Youth

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Gleicher Veröffentlichungstag, identischer Sympathiefaktor (von meiner Seite): Ebenfalls am kommenden Freitag wird „The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett„, das neue Album der Eels, seinen Weg in die deutschen Plattenläden finden. Dem bereits bekannten Vorab-Song „Mistakes Of My Youth“ schicken Bandvorsteher Mark Oliver „E“ Everett & Co. nun ein Musikvideo hinterher, in welchem ein Teenager durch das trist-graue Hinterland (s)einer Kleinstadt zieht. Irgendwie nostalgisch, irgendwie: schön.

 

 

 

Queens Of The Stone Age – Smooth Sailing

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Sex and drugs and Rock’nRoll – dieser Ruf eilte Josh Homme und seinen Mannen der Queens Of The Stone Age freilich seit Gründung der Band vor gut 18 Jahren voraus. In ihren „besten“ Zeiten wurden sie diesem Ruf im benebeltsten aller Sinne sogar in rauen Mengen gerecht. Doch selbst Rockmusiker werden – insofern sie sich nicht gerade im „magischen Alter“ von 27 Jahren in jenseitige Gefilde befördern – älter, gesetzter und familiärer. Insofern ist das neue Musikvideo der Wüstensöhne zum Song „Smooth Sailing“, welcher vom im vergangenen Jahr erschienenen Album „…Like Clockwork“ stammt, eher als augenzwinkernde Coolness-Referenz an frühere Tage zu verstehen. Regisseur Hiro Murai zeigt Josh Homme hier mit vier japanischen Partnern, mit denen er reichlich angetrunken um die Häuser zieht – Karaoke-Sessions und einen pöbeligen Schlägerzug durch die Nacht inklusive. Am Ende geraten die Dinge dann aber doch reichlich außer Kontrolle… They’re out fpr fun, they’re out for blood.

 

 

 

Warpaint – Disco//Very + Keep It Healthy

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Ähnlich wie Herrn Wiebusch muss wohl auch den vier Ladies von Warpaint der Sinn nach Tanzen gestanden haben… So zumindest ließe sich die erste Hälfte ihres Doppelmusikvideos zu „Disco//Very“ deuten, bei welcher sie ausgelassen über die – freilich sonnenbeschienenen – Asphaltstraßen ihrer Heimat Los Angeles tanzen, um am Abend zu den Klängen des zweiten Songs „Keep It Healthy“ mit einer Horde Skaterboys abzuhängen. Da kann man nur all zu gut verstehen, dass Laban Pheidias, der Regisseur der neuen acht Zelluloidminuten  der Warpaint’schen Medienwelt, seines Zeichens selbst Teil der kalifornischen Skaterszene ist. Ob der Vierer aus Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa bei all den Torneeterminen rund um das kürzlich erschienene selbstbetitelte Zweitwerk oft in der Genuss von chilligen Hang-loose-Situationen wie diesen kommt, darf gern bezweifelt werden…

 

 

 

William Fitzsimmons – Lions

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Kaum weniger gut beschäftigt dürfte unser Lieblingsrauschebartbarde William Fitzsimmons sein, der im Februar sein mittlerweile fünftes Album „Lions“ veröffentlichte und dieses aktuell auf den spärlich-romantisch beleuchteten Konzertbühnen rund um die Welt vorstellt. Da kann man sich schon vor dem inneren Auge vorstellen, wie zu den berührenden Songs des aus Jacksonville, Illinois stammenden US-Singer/Songwriters die Pärchen näher zusammen rücken, während nicht wenige tätowierte Fanellhemdträger kleine Tränchen verdrücken… Schön ist das Ganze – auch wenn den Songs von Fitzsimmons, die auf „Lions“ von Death Cab For Cutie-Gitarrist Chris Walla produziert wurden, nichts ferner liegen würde als die Bezeichnung „spektakulär“. Und so kommt auch das Musikvideo zum Titelstück daher, sodass man beinahe denken könnte, Fitzsimmons wäre Hausmeister an einer US-amerikanischen High School und hätte sich in der Lunch Break mal eben fix in die Werkstatt verzogen, um ein YouTube-Video abzudrehen… Aber, hach: diese Stimme!

 

 

Wer ein wenig mehr über Fitzsimmons‘ neustes Werk erfahren möchte, der findet hier einen fünfminütigen „EPK“-Kurzfilm zu „Lions“:

 

 

Louise Distras – Love Me The Way I Am

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„Schön“ wäre wohl ein Ausdruck, der Louise Distras‚ aktuelle Single „Love Me The Way I Am“ nur unzulänglich beschreiben würde. Vielmehr packt die britische Singer/Songwriterin mit der kraftvollen Reibeisenstimme und dem Herzen voller Punkrock für den Song, welcher von ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Albumdebüt „Dreams From The Factory Floor“ stammt, all ihre Energie in eine dreiminütige Ballade, der jedoch – und auch das darf bezeichnend für Distras stehen, die ANEWFRIEND bereits im vergangenen August „auf dem Radar“ hatte – alles andere als danach ist, einfach „schön“ und oberflächlich zu sein: „Open your eyes, what can you see? / Closing your heart won’t set you free / Love me the way that I am / Equal rights aren’t special rights / When you let go of who you are / You become who you will be“. Joe Strummer wäre stolz, Billy Bragg ist es.

 

 

 

Die Coverversion der Woche…

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Wenn sich Lou Rhodes, ihres Zeichens On/Off-Frontfrau des aus dem englischen Manchester stammenden Elektro-Folk-Duos Lamb, Solo-Singer/Songwriterin im Stile eines Nick Drake und außerdem mit einer der schönsten und ergreifendsten Stimmen im Musikgeschäft gesegnet, einem Stück wie dem im Original von The xx stammenden „Angels“ annimmt, dann kann das Ergebnis eigentlich nur mit einem Wort adäquat beschrieben werden: großartig. Reduziert und ebenso filigran wie zerbrechlich wirkend – da bin ich fast geneigt, den noch immer und auf ewig großen Lamb-Song „Gabriel“ mal wieder auf Dauerschleife hören zu wollen…

Der Song soll Teil von Rhodes‘ viertem Soloalbum „theeyesandeye“ sein (das erste seit „One Good Thing„, Album Nummer drei von 2010), das demnächst erscheinen soll.

 

 

 

Rock and Roll.

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Abgehört…


Nix los gewesen in meinen Gehörgängen in der letzten Zeit? Weit gefehlt! Hier mehr oder minder kurz die ein oder andere interessante Beobachtung…

 

The Australian Pink Floyd Show – Live at the Hammersmith Apollo 2011 (2012)

Australian Pink Floyd-erschienen bei Blackhill/Edel-

Mit Coverbands ist das ja so ’ne Sache… Bei den meisten merkt man bereits nach wenigen Minuten, dass hier ein paar sehr enthusiastische Jungspunde (respektive: bierbäuchige, gestandene Mannsbilder mittleren oder gesetzteren Alters – man gestatte mir diese kleine Persiflage) zusammen gekommen sind, um – mehr schlecht als recht – ihren großen Idolen im Kleinen nachzueifern. Dass dabei Einsätze verpasst und kaum eine Tonlage getroffen oder gehalten werden kann – scheiß drauf, der Wille zählt!

Nun sollte man annehmen, dass sich eine – vor allem in ihrer Spätphase, und Dank ihres Ex-Kopfes Roger Waters – derart auf künstlerische Perfektion konzentrierte Band wie Pink Floyd als nahezu uncoverbare „heilige Art Rock-Kuh“ ausnehmen würde. Nix da! The Pink Floyd Sound (holländische Tribute Band), Pink Project, Pink Floyd Project, Echoes (die bekannteste deutsche Tribute Band), Brit Floyd (unverkennbar: aus Großbritannien), Pink Noise, Eklipse, The Floyd Sound – die Liste ist lang und könnte gern noch um einige Namen verlängert werden (wenngleich die polnische Kombo Pink Freud trotz ihres preisverdächtigen Namens nicht dazu zählt). Die weltweit beste Pink Floyd-Coverband sind jedoch ohne Zweifel The Australian Pink Floyd. Warum? Nun, wer je ein Konzert von „Aussie Floyd“ besucht hat, der merkt sofort, dass hier keine Kerle ans Werk gehen, die nur mal eben so, bei ein, zwei, drei Feierabendbieren, zusammenstehen, um die größten Schmonzetten ihrer Jugendhelden nachzuklimpern. Nein, die gut zehnköpfige Band um Leadsänger Steve Mac setzt seit ihrer Gründung 1988 im australischen Adelaide alles daran, ein möglichst perfektes Ebenbild der ewig großen Pink Floyd abzugeben – musikalisch wie visuell. Und das hört man, und das sieht man. Egal, welchen Song „Aussie Floyd“ sich zu eigen machen, es sitzt jede Note, (beinahe) jede Harmonie und jeder Akkord am angestammten Floyd’schen Platz. Dazu flimmern, ebenso wie damals bei den Originalen (oder nun bei Roger Waters Soloshows), kunstvolle Visuals über große LED-Leinwände, bevor ein überdimensionales Känguru am Bühnenrand erscheint (analog zum Floyd’schen Schwein – aber: hey, soviel Heimatverbundenheit hat Charme!).

australian pink floyd #1

Einen ersten, umfassenden Eindruck hiervon kann man sich anhand des vor zwei Jahren in London mitgeschnittenen Livealbums „Live at the Hammersmith Apollo 2011“ machen. Die Setlist umfasst ebenso die unvermeidlichen Klassiker („Shine On You Crazy Diamond 1-5“, „Money“, „Breathe“, „Wish You Were Here“, „Another Brick In The Wall, Part 2“, „Comfortably Numb“…) wie kleine Obskuritäten wie „Careful With That Axe, Eugene“ oder die Syd Barrett-Komposition „Arnold Layne“ (aus dem Jahr 1967 und damit Pink Floyds erste Single überhaupt!). Keine Frage, hier sind begeisterte Könner am Werk. Die stilbildende Gesangsachterbahn „Great Gig In The Sky“ wird ebenso souverän bewältigt wie die – live! – ewig große Tour de Force „Comfortably Numb“ (als eindeutig an der Waters-Version geschulter Dreizehnminüter). Wer Unterschiede oder gar eigene Noten heraushören möchte, der muss – selbst als Floyd-Kenner – schon sehr genau zuhören. Ob „Aussie Floyd“ am Ende mehr sind als eine mächtig professionelle Tribute Show? Nun, zumindest wurde ihnen bereits vor einiger Zeit der Segen von den Original-Floyd-Mitgliedern erteilt, die Band spielte (und jamte!) gar auf dem 50. Geburtstag von Gitarrist David Gilmour. Analog zum Livealbum sei jedem jedoch die visuelle Variante (ob nun als Blu-ray oder DVD) ans Herz gelegt, denn ebenso wie bei Pink Floyd macht auch bei The Australian Pink Floyd erst der Gesamteindruck aus allen Komponenten das Bild richtig rund… Und bei nächster Gelegenheit heißt’s dann: live dabei sein!

 

(Wer mag bekommt anhand der halbstündigen Dokumentation „Welcome To The Machine“ einen Einblick ins Innenleben der höchst professionellen Coverband…)

 

 

Lee Ranaldo And The Dust – Last Night On Earth (2013)

Lee Ranaldo And The Dust - Last Night On Earth-erschienen bei Matador/Beggars-

A propos „ausschweifende Gitarrenhuldigungen“: Schlussendlich scheint der Quasi-Split der ewig krediblen New Yorker Rockinstitution Sonic Youth, dem am Ende schlicht und ergreifend das Beziehungsaus der beiden Köpfe Kim Gordon und Thurston Moore zugrunde lag, doch etwas Gutes bewirkt zu haben… Okay, der eine Teil (Moore) schrammelt sich mit ehemals coolem Indie-Krach der neuen Kapelle Chelsea Light Moving konsequent an den Rand der Beachtung, über den der andere Teil (Gordon) mit den feministisch beschmierten Feedback-Orgien des Projekts Body/Head per se bereits hinaus geschlittert ist. War da aber zu seligen Sonic Youth-Zeiten nicht noch jemand?

Klar, Lee Ranaldo, der dauerdienliche Gitarrist, der Gordon und Moore als Frontpaar stets die Indie-Bühnen überließ! Stattdessen spielt er die Saiten stets aus dem Schatten heraus und veröffentlichte damals unter eigenem Namen immerzu obskure, beinahe unhörbare Solo-Sachen – avantgarde as avantgarde can be. Dass ausgerechnet er nun der zugänglichste Soloaktivist der Sonic Youth-Bande sein würde, hätte wohl kaum jemand ahnen können… Umso überraschender fiel das im vergangenen Jahr erschienene „Between The Tides And The Times“ aus, für das sich Ranaldo keine Geringeren als Wilco-Saitenderwisch Nels Cline, Ex-Sonic Youth-Schlagmann Steve Shelley, den ebenfalls von Sonic Youth bekannten Bassisten Jim O’Rourke sowie Jazzer John Medeski zur Seite nahm. Heraus kam ein vor Fern- wie Heimweh wimmerndes, jedoch stets angriffslustiges Indierock-Gebräu, das den DIY-Bodensatz von Sonic Youth mit den mal zugänglichen, mal ausufernden Seiten/Saiten von Neil Youngs Crazy Horse, R.E.M., The Byrds oder Dinosaur Jr. vermengte. Überraschung? Definitiv gelungen!

Lee Ranaldo And The Dust

Und genau da setzt nun auch Ranaldos nächster Streich „Last Night On Earth“ an. Der apokalyptisch anmutende Titel kommt dabei nicht von ungefähr, entstand das Grundgerüst eines Großteils der neun neuen Stücke doch im Oktober 2012, als der von Hurrikan Katrina betroffene Musiker für eine Woche von Leitungswasser, Heizung und Elektrizität abgeschnitten war und lediglich auf seine Akustikgitarre zurückgreifen konnte. Umso erstaunlicher, dass  man nun ausgerechnet diesen Fakt eben nicht hört. Klar, die Endzeitstimmung, die fragile Ruhe vor dem Sturm, sie strömt dem Album quasi aus jeder musikalischen Pore. Und doch vernimmt man den Akustik-Unterbau nur sehr, sehr selten, während die nun eigenes mit Namenszusatz „And The Dust“ aufgeführte Backing Band aus Steve Shelley, Alan Licht und Ted Young in fast jeder der knapp 65 Minuten (mit Songlängen zwischen dreieinhalb und zwölf Minuten) ein wahres Jam-Feuerwerk abfackelt. Dass man sich beim Spinett in „Last Descent #2“ kurz an den Hof des französischen Sonnenkönigs  versetzt fühlt und einem das feinen Titelstück genüssliche Gänsehaut bereitet („The last night on earth / The last thing we wanted / Was to see the sunrise / The last thing we wanted / The last night on earth / Was seeing daylight in your eyes“), während sich der Rest in einen klaustrophobischen Rockrausch steigert, der in der finalen Existenzialismus-Endlosschleife „Blackt Out“ mündet, sind da gern genommene Nebeneffekte. Alles in allem hatte zwar der Vorgänger („Between The Tides…“) die besseren, kompakteren Einzelsongs – mit Ranaldo als Vordenker und Nels Cline als gekonntem Saitenmaler. „Last Night On Earth“ ist der Soloversuch eines Bandalbums des 57-jährigen Ex-Sonic Youth-Gitarristen, das von Furcht und Zuversicht in Zeiten von Occupy, nahenden Weltwirtschaftskrisen und allabendlichen Protestkundgebungen berichtet und nicht im Traum daran denkt, sich kompakt zu fassen. Darauf ein Saitensolo! Und allen, die neue, harmonisch getränkte Gitarrenschleifen als potentielle Folterinstrumente suchen, sei dieses Werk wärmstens empfohlen… Effekthascherei mit allerhand Effektgeräten.

 

Hier gibt’s den Albumopener „Lecce, Leaving“ in der „Buzzsession“-Variante:

 

 

Louise Distras – Dreams From The Factory Floor (2013)

Louise Distras - Dreams From The Factory Floor-erschienen bei Street Revolution Records-

Man lasse sich einmal folgendes Bild zart schmelzend und genüsslich grinsend vor dem inneren Auge zergehen: Der auf ewig unbelehrbar gut vom Klassenkampf klampfende Britenbarde Billy Bragg und die Ex-Distillers-Röhre Brody Dalle hätten auf einer besudelten Backstage-Couch heimlich Nachwuchs gezeugt und den seligen Clash-Frontmann Joe Strummer postum als Taufpaten bestimmt. Okay, zwischen Bragg und Dalle mögen ein, zwei Jährchen Altersunterschied liegen… Okay, der eine mag sittsam wirken, die andere im Rückspiegel der Inbegriff für die rockgewordene Gift-und-Galle-Spuckerei sein (und es mittlerweile wohl leider vorziehen, das Herdheimchen für die Brut von QOTSA-Frontmann Josh Homme zu geben)… Okay, dann würde der Nachwuchs kaum selbst schon auf der Bühne die Faust zur Akustischen erheben… Aber: Man nehme all dies einmal an. Und genau so klingt Louise Distras.

Louise Distras - Press-2

Nun hat die Mittzwanzigerin aus dem englischen Wakefield, die ANEWFRIEND im August bereits vorstellte, ihr Solodebüt in die Regale gestellt. „Dreams From The Factory Floor“ setzt dabei alles auf eine Punkrock-Karte und agiert ohne Netz und doppelten Boden. Und erzählt mal zur kämpferisch angeschlagenen Akustischen, mal zu munterem drauf los rockendem, pubseligem Punkrock Geschichten, die zwar am Bordstein beginnen, jedoch kaum in den höheren Etagen der trés chicen, very expensive Londoner Skyline enden. Stattdessen: graue Realitäten, soziale Missstände, herbe Rückschläge und die Aussicht auf die nächste Nine-to-Five-Schicht am Fabrikfließband. Und doch sind die innerhalb von 33 Minuten durchgerockten zwölf Stücke keine Tearjerker, denn ständig bleibt bei Distras die Erkenntnis, dass da am Ende der langen Nacht irgendwo irgendjemand da draußen ist, dem es genauso gehen mag – „Stand Strong Together“. Da darf dann schonmal die Mundharmonika gezückt („Black And Blue“), am Piano geklimpert („Love Me The Way I Am“), das Titelstück als Gedicht vorgetragen und mit viel Pathos und seltsam niedlichem Idealismus zu Werke gegangen werden. „Dreams From The Factory Floor“ ist kein Ausnahmealbum. Dafür ist es das Debüt einer realitätsnahen Träumerin, die – gefühlt – einer altvorderen Rockröhre wie Bonnie Tyler mal eben das rostige Abflussrohr der Punkschuppentoilette an den Hinterkopf zimmert. Sympathisch, das alles. Mit der Dame möchte man doch gern mal eine Kneipentour starten, oder?

 

 

 

Lissie – Back To Forever (2013)

Lissie - Back To Forever-erschienen bei Columbia/Sony Music-

A propos „Kneipentour“: Auch Lissie wäre wohl eine nicht eben unangenehme Kandidatin für eine ausschweifendes Saufgelage zu nächtlicher Stunde…

Gute drei Jahre ist es bereits her, dass die 31-jährige, aus dem US-amerikanischen Hinterland (aka. Illinois) stammende Musikern erst mit einer vielversprechenden EP, dann mit ihrem von Jacquire King (u.a. Kings Of Leon) und Bill Reynolds (Band Of Horses) in Form gebrachten Debütalbum „Catching A Tiger“ auf sich aufmerksam machte. Darauf zu hören: viel sonniger Middle Of The Road-Rock der besten Sorte, der auch gern mal ein genüsslich-nächtliches Melancholiebad nahm und Road Trips initiierte, bis der Tank des Oldtimers leer war und über einem nur noch die Sterne schienen. Dabei konnte die Dame auch noch so herrlich und nach Jungen-Manier fluchen, derbe drauf los rocken und brachte superbe Coverversionen – etwa von Lady Gagas „Bad Romance„, Metallicas „Nothing Else Matters„, Kid Cudis „Pursuit To Happiness“ oder Led Zeppelins „Stairway To Heaven“ – zustande, die sich beileibe nicht hinter den Originalen zu verstecken brauchten… Cool.

LISSIE

Dass Lissie nun mit ihrem zweiten, „Back To Forever“ betitelten Wurf nach Größerem greift, mag man ihr dabei nicht einmal jemand verdenken. Trotzdem benötigen die von Garett „Jacknife“ Lee (u.a. R.E.M., U2, Bloc Party) produzierten Songs den ein oder anderen Durchgang mehr als noch der Vorgänger, um ihren Weg ins Hörergehör zu finden. Und das hat seine Gründe, denn anders als bei „Catching The Tiger“ finden hier mal Folk-Rockpop mit angezeichneten 70er-Jahre-Disco-Vibes („Further Away (Romance Police)“), mal recht blasse Country-Pop-Durchschnittsware („I Don’t Wanna Go To Work“), mal aufgeblasene Powerpop-Ballade („They All Want You“) zusammen. Dass all das am Ende trotzdem funktioniert, liegt wohl an Lissies ausgeprägtem Gespür für tolle, eingängige Melodien sowie ihrem nicht nur – aber vor allem! – in „Sleepwalking“ an Fleetwood Mac-Ausnahmesirene Stevie Nicks erinnernden Gesangsorgan. Mit einer Stimme wie der nimmt man der Dame dann sogar die ausgefahrenen Krallen der (für sie) höchst ungewöhnlichen Vorab-Single „Shameless“  („I don’t want to be famous / If I got to be shameless / If you don’t know what my name is, name is / So what, so what?“) ab, lässt sie das ein oder andere genüssliche „Fuck“ oder „Shit“ in Richtung der vorderen Chartsregionen spucken oder mit „Mountaintop Removal“ einen Song – inklusive hymnischem Solo! – abliefern, der wie geschaffen ist als Abschlussstück eines großen Blockbusters (im besten Sinn).

Nein, „Back To Forever“ ist weder Lissies großes Rockalbum noch die Enttäuschung von in sie gesetzten Erwartungshaltungen. „Back To Forever“ macht es allen recht – und dabei paradoxerweise ebenso viel richtig wie falsch. „Back To Forever“ ist ein Album für lange Autofahrten bei zarten Sonnenstrahlen, zum Jahresende und dann wieder im nächsten Sommer. Aber Lissie, dieses feine All American Girl mit Mädchencharme und Gitarrengurt, in Holzfällerhemd, mit Grashalm im Mundwinkel und Diplom im Weitspucken, darf das. Denn Lissie ist ’ne Gute. Und wenn sie will, dann trinkt sie euch starke Männer wohl gern unter den Tisch…

 

Hier gibt’s die Videos zu „Further Away (Romance Police)“…

 

…und „Shameless“:

 

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Louise Distras


Louise Distras #1

Man führe sich einmal folgendes – natürlich rein fiktives – Verwandtschaftsverhältnis vor Aug‘ und Ohr: Uneheliche Tochter des ewig guten Punkgewissens Patti Smith und Billy Bragg, dem stets mit einer Gitarre bewaffneten Sozialmahner Englands, Nichte von The Clash-Ikone Joe Strummer, Schwester vom kumpeligen Punkrock-Sympathikus Frank Turner. Dabei klingt sie wie Ex-Distillers-Röhre Brody Dalle, bevor diese sich entschloss, das tägliche Rotz-und-Blut-Rock’n’Roll-Leben gegen jenes gemeinsame mit Queens Of The Stone Age-Frontmann Josh Homme zu tauschen und fortan die Kinder zu hüten. Oder wahlweise wie Courtney Love (auf eine gute Art und Weise!). Ganz klar: Louise Distras ist ein Kind der Neunziger!

Foto: Mike Distras

Foto: Mike Distras

Dabei ist die Mittzwanzigerin aus dem englischen Wakefield ebenso mit Nirvana wie mit üblichen musikalischen Verdächtigen jener Zeit – man denke nur an selige „Nu Metal“-Tage á la Korn oder Deftones zurück – aufgewachsen, und entdeckte danach, Album für Album, Bands wie Hole, Screaming Trees, Butthole Surfers, Mudhoney, Pearl Jam, Alice In Chains, Silverchair, Black Flag, die Sex Pistols oder The Clash für sich. Distras war angefixt! Bald schon schrieb sie eigene Stücke über ihr Leben und ihre Alltagsbeobachtungen, über Recht und Unrecht, über persönliche Gefühle und soziale Missstände. Im Alter von 14 Jahren spielte sie ihre erste Show, schloss sich mal hier, mal da diversen Bands an, zog mit 22 Jahren nach London und entschloss sich dort, fortan im Alleingang aufzutreten. Für ihren weiteren Weg machte sie sich die Vorzüge des weltweiten Netzes zunutze und veröffentlichte 2011 zwei erste Solo-EPs mit Demos im Internet. Und die blieben keineswegs unbemerkt! Doch das beständig steigende Interesse an ihrer Person und jedem neuen Stück dürfte wohl keineswegs nur in der puren Qualität von Songs wie „The Hand You Hold“ begründet liegen, sondern auch und vor allem, dass Louise Distras seit 2010 nicht müde wird, sich in Großbritannien und dem europäischen Festland einen Namen als junge Künstlerin „zum Anfassen“ zu machen – als eine, die gleichsam Herz und Hirn auf jede noch so winzige und verrauchte Kellerclubbühne bringt. Als eine, die eben nicht den schnellen Aufzug hinauf zu den Einweg-Verwertungsmechanismen der großen Plattenfirmen nehmen möchte. Dass England eben solche Künstlerinnen fernab von Castingeinerlei á la „X Factor“ bitter nötig hat, zeigte in der Vergangenheit bereits das gesteigerte Interesse an Musikerinnen wie Kate Nash. Und auch Louise Distras verdiente sich bereits Lob von Tageszeitungen wie dem Guardian, während das ein oder andere erste Stück auf BBC Radio 1 landesweit gespielt wurde. Dabei steht ihre erste kleine Sternstunde noch vor der Tür: Das gemeinsam mit Produzent Steve Whale (Ex-The Business) in den Londoner Perry Vale Studios aufgenommene Debütalbum „Songs From The Factory Floor“ erscheint am 30. September.

Louise Distras #2

Was man in Zukunft von Louise Distras erwarten darf? Vor allem wohl eine Musikerin, die „den Mund aufmacht“, markigen Worten wie „never let the hand you hold, hold you down“ (aus dem nicht zufällig am 8. März 2012, dem internationalen Weltfrauentag, veröffentlichten Song „The Hand You Hold“) auch Taten folgen lässt. Denn unter Distras‘ vermeintlich harter, von den typischen Punkrock-Tattoos überzogener Haut, schlägt ein Herz, dass nicht anders kann, als für Ideale zu kämpfen. Und so schlägt sich die wahlweise als „weiblicher Joe Strummer des 21. Jahrhunderts“ (Shattered Glass Media) oder als „neues Gesicht des Akustikpunk im UK“ (Street Sounds Magazine) bezeichnete Künstlerin Nacht für Nacht in Vans oder auf Sofas in den Backstagebereichen kleiner Clubs um die Ohren. Und will am Ende doch nur eins: Spielen. Für sich, für andere, für „DIY“-Ideale. Und um damit die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Klingt altmodisch? Ist es auch! Doch solange dabei tolle Songs und hehre Absichten herauskommen, sind Patti Smith, Joe Strummer, Frank Turner, Brody Dalle oder Courtney Love sicher stolz auf sie. Und Billy Bragg? Mit dem durfte sich Louise Distras sogar schon eine Bühne teilen…

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Hier gibt’s die 4-Track-EP „Shades Of Hate“ auf die Ohren, welche ihr euch auf Louise Distras‘ Homepage auch – im Tausch gegen eine E-Mail-Adresse – aktuell (noch) herunterladen könnt – natürlich punkrockig kostenlos…

 

Wer’s visuell mag, bekommt hier die Videos zu den Songs „The Hand You Hold“…

(Wer muss hier noch an die Distillers denken? Egal, verdammter Hit, das Ganze! Und einer von ANEWFRIENDs Songs des Jahres…)

 

…dem bereits zwei Jahre alten Kleinstadt-Abgesang „Blue On Black“…

 

…und dem Anfang 2013 veröffentlichten, gemeinsam mit Oi!-Punk-Ikone Jenny Woo eingesungenen Stück „Stand Strong Together“:

 

Rock and Roll.

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