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Song des Tages: Miley Cyrus – „Zombie“ (live)


Ohne Frage, die Dame versteht was von der hohen Cover-Kunst! Miley Cyrus, die in der Öffentlichkeit wegen ihrer Auftritte, Internetpräsenz und Skandälchen in der Vergangenheit oftmals unter Kritik stand (man denke nur an das legendäre Abrissbirnen-Musikvideo vor knapp zehn Lenzen), zeigt bei ihrer Version des Cranberries-Evergreens „Zombie nahezu alle Facetten ihrer zweifellos gewaltigen Stimme. Ohne sich zu weit aus dem digitalen Fenster hinaus zu lehnen darf man durchaus behaupten, dass das Cover locker mit dem Original mithalten kann – das finden auch The Cranberries selbst. Die twittern kurz nach Erscheinen, dass es sich um eine der besten Versionen handele, die sie je gehört haben. Und weiter: „Dolores wäre beeindruckt.“ Wow. Kann ein Kompliment – selbst wenn es lediglich im Namen der 2018 verstorbenen Frontfrau gemacht wurde – noch größer ausfallen? Unzählige Interpret*innen haben sich bereits an dem 1994 erschienenen Song versucht, viele sind – mal mehr, mal weniger krachend – gescheitert. Miley Cyrus definitiv nicht.

Das Konzert, bei welchem die Coverversion zum Besten gegeben wurde, fand im Jahr 2020 im Rahmen der dreitägigen Save Our Stages„-Veranstaltung statt, eine Benefizkonzert-Reihe, die Veranstaltungsorte für Live-Musik während der Corona-Pandemie unterstützen soll. Die Spendenerlöse werden durch den Nothilfefonds der National Independent Venue Association (NIVA) verteilt. Miley coverte am gleichen Abend im legendären Whiskey A Go-Go in Los Angeles auch „Boys Don’t Cry“ von The Cure und gab außerdem ihren eigenen Song „Midnight Sky“ zum Besten. Die 30-jährige Sängerin mit recht berühmtem Vater, noch berühmterer Patentante und Disney-Vergangenheit hatte in der Vergangenheit schon öfter mit Coverversionen von Rock-Klassikern auf sich aufmerksam gemacht – von Led Zeppelins „Black Dog“ über „Comfortably Numb“ von Pink Floyd bis hin zu Dolly Partons „Jolene„. Letzteres wiederum stammt von den „Backyard Sessions„, bei denen sich Miley Cyrus 2020 unter anderen „Communication“ von den Cardigans, „Sweet Jane“ von The Velvet Underground oder „Just Breathe“ von Pearl Jam vornahm oder sich fünf Jahre vorher für ihren Take von Joan Jetts „Androgynous“ ebenjene sowie Against Me!-Frontfrau Laura Jane Grace mit ans Mikro holte. Jopp, bei dieser Qualität werden Cyrus‘ eigene Songs manchmal glatt nebensächlich…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Cheekface – „Original Composition“


„Katastrophal“ ist wohlmöglich nicht das einzige, jedoch eines der passendsten Attribute, welche den US-Indie-Musiker*innen von Cheekface zum Zustand unserer Welt gerade einfallen. Spätestens seit den US-Präsidentschaftswahlen 2016 scheint alles haltlos auseinander zu fallen und jeder Tag bringt schiere Wagenladungen neuer Horrorszenarien, mit denen wir alle uns abfinden müssen. Angesichts dieser Ausgangslage blieb Greg Katz, Amanda Tannen und Mark Edwards quasi gar nichts anderes übrig, als inmitten all dieser Destruktivität etwas Neues zu kreieren…

So entstand im Jahr 2017 die Band. Kurz darauf folgten 2019 das erste Album „Therapy Island“ und ein paar wilde Konzerte, bevor das Los-Angeles-Trio 2021 mit „Empathically No.“ das zweite Langspielwerk folgen ließ. „Aufgrund persönlicher Gründe habe ich in der Therapiestunde gar nichts gesagt, wir haben einfach gelacht und gelacht und gelacht.“, erzählsprechsingt Greg Katz in „Everything Is Normal“, ein Zitat, welches den fatalistischen Blick von Cheekface auf die Welt perfekt einzufangen scheint. Die dazugehörige Musik der Band ist minimalistisch und lässt Einflüsse aus Post Punk, US-Nineties-Lo-Fi-Rock und vielleicht auch Antifolk erkennen; simple Drumbeats, quirlige Gitarrenlicks und weit im Vordergrund stehende Bassläufe sind die Bausteine ihres Sounds. Der Fokus liegt dafür weitgehend auf den Stream-of-Consciousness-Texten, die Sänger und Gitarrist Katz herunterbetet. Obwohl: Von „Singen“ kann man kaum schreiben, vielmehr bricht in den Songs, welche selten an der Drei-Minuten-Marke kratzen, ein schier endloser, monotoner Schwall an Worten auf das geneigte Paar Hörerohren nieder und es braucht schon etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen. Sobald dies jedoch geschehen ist, tönt das alles ähnlich kurzweilig und großartig wie weiland bei Eddie Argos und seinen spinnert-genialen Lads von Art Brut.

Und wie es sich für einen amtlichen Stream of Consciousness gehört, sind die Themen recht mannigfaltig. „Sie wollen unsere Aufmerksamkeit 24 Stunden am Tag? Da ist der Widerstand ganz leicht, ruf einfach mal deine Mutter an“, schlägt Katz etwa im angemessen betitelten Song „Call Your Mom“ als Lösung vor. Könnte ja schließlich den Einfluss faschistischer Regierungen auf an Aufmerksamkeitsdefiziten leidende Leute verbringen… „Emotional Rent Control“ wiederum besingt den Zustand unseres Innenlebens: „Ich bin jung, blöd und voller psychotherapeutischer Drogen. Es geht mir gut, aber ich bin sicher, dass auch das wieder vorüber gehen wird.“ Von kleinen persönlichen Widerständen in „Listen To Your Heart. No!“ bis hin zu harscher Kritik an geopolitischen Problemen der heutigen Zeit in „Original Composition“ ist hier quasi alles dabei. Dass die Musik auf das Nötigste reduziert wird ist dienlich, denn jeder der dreizehn Songs von „Empathically No.“ ist durchaus eingängig und versetzt die Zuhörerschaft in einen wohligen Zustand gleichgültiger Gutmütigkeit. Comfortably numb.

Cheekface sind aus vielerlei Gründen eine eher aussergewöhnliche Band. Nahezu alles, was das Trio vom Musikalischen über die Coverartworks (für welche sich Bassistin Amanda Tannen verantwortlich zeichnet) und die Musikvideos anpackt, wirkt so Indie und DIY wie nur irgendwie möglich – und gerade deshalb merkt man, dass hier sehr viel Liebe zum Detail drinsteckt. Die Musik (im Übrigen auch jene, die es auf dem dieser Tage als Surprise-Release veröffentlichten dritten Album „Too Much To Ask“ zu hören gibt) ist und stimmt im Gros überbordend fröhlich, die lakonische Art und Weise, in der die ebenso dadaistischen wie tiefgründigen Texte vorgetragen werden, stellt gleichzeitig klar, dass man hier keiner nichtssagenden 0815-Truppe zuhört. Cheekface sind darum keine Band für Jedermann/-frau, denn es erfordert durchaus etwas Aufmerksamkeit, um wirklich in die Tiefe ihrer Kurz-und-knackig-Stücke einzutauchen. Viel zu entdecken gibt es in jedem Fall und trotz der eher fatalistisch-tristen Inhalte sind Cheekface schließlich in erster Linie eine Gute-Laune-Band. Und von denen, sehr verehrte Ladies und Gentlemänner, können wir derzeit so viele wie nur irgendwie möglich gebrauchen…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Phoebe Bridgers – „Sidelines“


Es ist jedes Mal schön und wird immer schöner, wenn Phoebe Bridgers etwas Neues von sich hören lässt. 2020 veröffentlichte die Musikerin aus Los Angeles mit ihrem Zweitwerk „Punisher“ das potentiell beste Album des Jahres, danach gab es mal hier, mal dort musikalische Kollaborationen mit Songwriting-Buddy Conor Oberst (zuletzt in einer Neuauflage seines Songs „Haligh, Haligh, A Lie, Haligh“), dem schwedischen Musiker Luminous Kid oder Taylor Swift. Metallica, Tom Waits oder US-Comedian Bo Burnham hat sie im vergangenen Jahr auch gecovert. Und wäre das alles noch nicht des Umtriebs genug, so brachte die 27-jährige Indie-Senkrechtstarterin 2020 mit Saddest Factory Records zudem ein eigenes Label an den Start, bei welchem sie den neusten Veröffentlichungen von Freunden wie Newcomern ihrerseits etwas Release-Anschubhilfe gibt (unlängst etwa Claud und Sloppy Jane, für dieses Jahr sollte man für Namen wie MUNA oder Charlie Hickey die Lauscher offen halten).

Jetzt also ein neues Lied – und damit fast automatisch ein neuer Ausflug tief hinein in die Kopfkino-Introspektion. Phoebe Bridgers freut sich darüber, dass ihre Musik Menschen solidarisch zusammenbringt und vereint – und nutzt ihre wachsende Bekanntheit ebenso dafür, um wichtige Dinge offen anzusprechen (wie kürzlich das drohende Kippen des liberalen Abtreibungsrechts in den US of A, im Zuge dessen sie offen zugab, im vergangenen Jahr selbst eine Abtreibung gehabt zu haben). Wie alle sehr guten Songwriter*innen mag sie zwar aus ihrer höchst eigenen Perspektive schreiben, dafür jedoch Themen anreißen, die so allgemeingültig sind, dass sich viele mit ihnen, mit ihr identifizieren können. Daraus entsteht dieses schöne Gefühl von Gemeinschaft, von wohliger Nähe – selbst wenn einem an so mancher Stelle die Worte fehlen, um das zu artikulieren, was Phoebe Bridgers in ihren Songs (oder eben zwischen den Zeilen) ausdrückt. Und obwohl auch sie das musikalische Rad in wilder Innovationslust nicht zum Quadrat zimmern mag, entsteht in den meisten Fällen daraus etwas zutiefst Eigenes, wundervoll schimmerndes Besonderes. File under: Naturtalent, Sprachrohr einer Generation.

Da bildet auch der neue Song „Sidelines“ keine Ausnahme. Erschienen ist das Lied als Teil des Soundtracks zur Hulu-Serie „Conversations With Friends“, einer Adaption des gleichnamigen Debütromans der irischen Autorin Sally Rooney. Wie so oft muss man aber weder den Roman gelesen noch die Serie gesehen haben, um das Lied zu verstehen, welches Phoebe Bridgers mithilfe von Marshall Vore (der auch Teil ihrer Live-Band ist) und Ruby Rain Henley verfasst hat. „Sidelines“, das ist der gesellschaftliche Außenrand, das ist das Danebenstehen und Reinblicken auf die stets im Gleichschritt taumelnde Mehrheitswelt, auf all ihre nicht selten befremdlichen Regeln und Rituale. Das ist, um im ach so superamerikanischen Gedankenkino zu bleiben, der äußere Bereich des Football-Feldes, über welches die allseits beliebten Cheerleader und Quarterbacks durchs Flutlicht laufen. Wir, die Weirdos, wir schauen uns dieses befremdliche Spektakel von außen an. Und obwohl man selbst kaum weiter davon entfernt sein könnte, ein Teil von alledem zu sein, so kann selbst das etwas Schönes haben. Oder zumindest etwas Befreiendes.

Denn ist man nicht mittendrin, dann kann man auch furchtloser sein: „I’m not afraid of anything at all“, singt Phoebe Bridgers. „Not dying in a fire / Not being broke again“. Sie hat keine Angst vor Flugzeugabstürzen, nicht vor dem tiefen Ozean, nicht davor, zur Schule zurück zu müssen, nicht davor, älter zu werden, keine Angst davor, sich allein in einem Raum voller Menschen zu fühlen – „Not of being alone / In a room full of people…“

Steht man an der Seitenlinie, am Rand, und schaut nur hinein, dann ist man von allem distanziert: „Nothing ever shakes me / Nothing makes me cry.“ Und dann? Dann ändert sich plötzlich alles, denn dann lässt man jemanden in das eigene Leben am Rand hinein und wird hinfort und zu einer neuen Mitte gezogen: „Watching the world from the sidelines“, so der Refrain, „Had nothing to prove / Until you came into my life / Gave me something to lose“. Wie so oft in Bridgers‘ Stücken geraten auch hier die Akkorde und Melodien so schön, so inniglich, dass man weinen will, bei dieser Beschreibung, wie sich das anfühlt, das Verliebtsein.

All das muss natürlich nicht bedeuten, dass man unbedingt eine Beziehung braucht, um glücklich zu werden oder das eigene volle Potential zu entfalten (wenngleich Phoebe Bridgers aktuell durchaus weiß, wovon sie singt, schließlich ist die US-Musikerin seit Kurzem mit Schauspieler Paul Mescal verlobt). Vielmehr legen die Zeilen des Songs offen, wie wichtig es ist, gemeinsam mit anderen zu sein, zu kommunizieren und Menschen zuzuhören. Wer keine neue Liebe findet, der bekommt im Zusammensein mit der Welt da draußen wohlmöglich neuen Perspektiven, neue Erfahrungen oder neue Erkenntnisse über sich selbst. „Now I know what it feels like to wanna go outside“, wie Phoebe Bridgers gegen Ende des Stückes singt. Die Welt mag nach einer langen Zeit voller Pandemien, Beschränkungen und Lockdowns – und mit dem über uns allen schwingenden Damoklesschwert eines Dritten Weltkriegs – längst eine andere sein als noch damals, 2020, als das wundervolle „Punisher“ erschien. Dennoch knüpft Phoebe Bridgers mit der kaum weniger tollen Somnambulismus-Ballade „Sidelines“, welche wohl leider ihr einiger neuer Song in diesem Musikjahr bleiben wird, nahezu nahtlos daran an.

„I’m not afraid of anything at all
Not dying in a fire, not being broke again
I’m not afraid of living on a fault line
‚Cause nothing ever shakes me, nothing makes me cry
Not a plane going down
In the ocean, I’m drowning

Watch the world from the sidelines
Had nothing to prove
‚Till you came into my life
Gave me something to lose
Now I know what it feels like
To wanna go outside
Like the shape of my outline

I’m not afraid of going back to school
I gave it up the first time, but I’ll try again
I’m not afraid of getting older
Used to fetishize myself, now I’m talking to my house plants
Not of being alone (mmm)
In a room full of people

Watching the world from the sidelines
Had nothing to prove
‚Till you came into my life
Gave me something to lose
Now I know what it feels like
To wanna go outside
Like the shape of my outline

And I used to think
You could hear the ocean in a seashell
What a childish thing“

Rock and Roll.

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Song des Tages: Monica Martin – „Go Easy, Kid“ (with James Blake)


Monica Martin. Die Dame galt eingeweihten Musik-Geeks damals, als sie noch die Stimme der Indiepop-Folker PHOX war, als eine der bezaubersten Stimmen im Musikgeschäft – und nach dem Ende ihrer Band im Jahr 2016 als recht großes Versprechung auf Solo-Erfolge. Leider ließ der endgültige, echte Durchbruch bis heute auf sich warten. Freilich, die Alben mit PHOX sind auch heute noch fein anzuhören. Natürlich, mit der ein oder anderen Single wie Kollaboration (etwa 2017 mit Multiinstrumentalist und Produzent Jeremy Larson aka. Violents) ließ die in Wisconsin aufgewachsene und in Los Angeles lebende Martin in der Zwischenzeit durchaus aufhorchen. Ein Versprechen bleibt sie jedoch weiterhin (an ANEWFRIEND lag’s jedoch nicht).

Dennoch hat sich die US-Musikerin mit dem so wunderbar soulig-samtigen Timbre im Laufe der Zeit auch unter Kolleg*innen eine amtliche Fanbase aufgebaut. Einer davon ist James Blake. Der britische Elektro-Pop-Musiker lud Monica Martin daher nicht nur für einen Gastbeitrag auf seinem im vergangenen Oktober erschienenen fünften Studioalbum „Friends That Break Your Heart“ ein (beim Song „Show Me„), sondern revanchierte sich unlängst auch: Für eine Neuaufnahme von Martins im vergangenen Jahr veröffentlichter Single „Go Easy, Kid„, welche Blake gar als „meinen Lieblingssong der letzten Jahre“ bezeichnete, fand er mit der Sängerin in den Conway Recording Studios in deren kalifornischer Heimatstadt zusammen. Das Ergebnis? Wunderschön – und wie vieles, woran Monica Martin in der vergangenen Zeit beteiligt war, im Grunde viel zu toll, um derart unbeachtet zu bleiben…

„I commit myself to sabotage
See? I can get what I want then I make it hard to hold on
Convince myself that I’m without a god
A spiritual fraud who got lost in her own sad song

We’ve been talking outback
By the garbage cans
About dreams that we had
And the five-year plan
Missing the mark
We’re laughing in the dark
‚Cause after all, no one’s in control
Go easy, kid, it’s only rock and roll

Pledge allegiance to some sanity
It comes into view for a moment or two then it leaves me
Apologize into the neighborhood
And all the calls will be savеd, look, I’d wanna be brave if I could

I was talking outback
With an empty man, hе said
‚Remember times that we had
Before you got in that van?‘
Left me in the dark
Alone in the park
‚Cause after all, no one’s in control
Go easy, kid, it’s only rock and roll

Cut through the smoke
There’s no secret special code
No deeper hidden wisdom
Just accept we’ll never know

We’ve been talking outback
By the garbage cans
About dreams that we had
And the five-year plan
Missing the mark
We’re laughing in the dark
‚Cause after all, no one’s in control
Go easy, kid

In twenty years, kid, you’re going to look back
And wish you grabbed it all by the throat
And said, ‚Fuck it, it’s only rock and roll
‚“

Rock and Roll.

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Song des Tages: Zella Day – „Seven Nation Army“


Es gibt Gitarrenriffs, die jeder mitsingen kann. Im Schlaf. Erst recht in bierseliger Laune. Welche Musiker dahinter stehen und wie der entsprechende Song eigentlich heißt, ist den meisten dabei sogar oft verdammt egal. „Smoke On The Water“ von Deep Purple etwa, „Paranoid“ von Black Sabbath sicherlich, „Back In Black“ von AC/DC wohlmöglich, „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana ohne jeden Zweifel – und eben „Seven Nation Army“ von The White Stripes. Letzterer mittlerweile vor allem dank seiner Verbindung zum tumben Volksunterhaltungssport Fußball. Doch nicht so schnell, alles auf Anfang…

Januar 2002, The White Stripes waren gerade auf Tour in Australien. Der Soundcheck vor ihrer Show in Melbourne wurde unerwartet zu einem entscheidenen Moment in der Karriere des Duos. Jack White spielte zum ersten Mal die berühmten sieben Noten des Riffs von „Seven Nation Army“. Der Gitarrist und Bandkopf zeigte es Ben Swank, seines Zeichens Crew-Mitglied und Angestellter bei seiner Plattenfirma Third Man Records, der lediglich ein knappes „It’s OK“ darauf erwiderte. Ganz in Ordnung, Chef, aber irgendwie auch nichts Besonderes…

Nun, so kann man sich irren.

Jack White hoffte zu Beginn der 2000er, in der Zukunft einmal den Titelsong zu einem James-Bond-Film schreiben zu dürfen. Aus diesem Grund fasste er zunächst den Entschluss, das Gitarren-Thema aus Melbourne für ebenjenen Zweck aufzubewahren – eine Idee, die er schnell wieder über den Haufen warf, denn zu unwahrscheinlich erschien ihm dieses Szenario. Und dieses Mal war er es selbst, der sich irrte, schließlich durfte White etwas später tatsächlich den ersehnten Bond-Titelsong schreiben – und wohlmöglich ist das 2008 mit Alicia Keys veröffentlichte „Another Way To Die“ (für den Film „Ein Quantum Trost“) der vielleicht beste Bond-Titeltrack der jüngeren Geschichte…

Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Also wurde daraus dann doch ein Song für The White Stripes und nicht für den Spezialagenten seiner Majestät im Vereinten Königreich. Zumindest geografisch rückten Jack und Meg White dabei nicht allzu weit von 007 ab, denn „Elephant“, das vierte, 2003 erschienene Album des Duos aus Detroit, Michigan, wurde in den Toe Rag Studios in London aufgenommen. Und „Seven Nation Army“ wurde von den beiden zum Opener des Albums erkoren.

Auch das Dahinter ist im Grunde recht schnell abgehandelt. So liegt etwa der Name des Liedes bis heute darin begründet, dass Jack White die Wörter „Salvation Army“, zu deutsch Heilsarmee, als Kind nicht richtig aussprach. Kurzerhand machte er „Seven Nation Army“ daraus. Ursprünglich nur als Arbeitstitel gedacht, avancierten die Wörter schließlich zum tatsächlichen Namen des Liedes, welcher sich inhaltlich mit Kleinstadt-Gossip auseinandersetzt. Jack Whites eigene Erfahrungen, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Berühmtheit, bilden das Fundament des Textes.

Und das Klangliche? Nun, einem wichtigen Motto blieben The White Stripes auch auf „Elephant“ treu: keine Bass-Gitarren, Ladies und Bluesmänner! Den Sound des ikonischen Riffs von „Seven Nation Army“ erschuf Jack White mithilfe einer halbakustischen E-Gitarre aus den 1950ern, das Ausgangssignal wurde durch ein Effekt-Pedal namens Whammy der Firma Digitech um eine Oktave herunter transponiert. Ausreichend Fachsimpelei?

Dennoch waren anfangs nicht alle Parteien von dem späteren Evergreen begeistert. Neben Ben Swank musste Jack White auch die Vertreter seiner Partner-Plattenfirmen XL und V2 davon überzeugen, dass „Seven Nation Army“ ein großartiger Song war. Großartig genug sogar, um ihn zur ersten Single-Auskopplung des neuen Albums zu machen. Im Gegensatz zum Band-Frontmann erschien „There’s No Room For You Here“ den Label-Mitarbeitern als geeignetere Wahl – doch White blieb stur und hatte schließlich Erfolg.

Im Oktober 2003 begann dann die „ganze Sache mit dem Fußball“. Der belgische Club FC Brügge spielte in der Champions-League-Gruppenphase auswärts gegen eines der damals besten Teams der Welt: den AC Mailand. Milan hatte im Mai desselben Jahres die UEFA Champions League gewonnen und ging daher als haushoher Favorit in das Match im heimischen San Siro.

Vor dem Spiel vertrieben sich die mitgereisten Fans aus Belgien die Zeit in einer Bar in der Mailänder Innenstadt. Zwischen den Unterhaltungen über die sichere Niederlage gegen den italienischen Giganten, dem feuchtfröhlichen Klirren von Biergläsern und dem nervösen Rücken von Stühlen ertönte plötzlich ein äußerst prägnantes Gitarren-Riff, das sich selbst die betrunkensten Brügge-Fans merken konnten. „Seven Nation Army“ von The White Stripes nahm seinen Lauf – gemeinsam mit dem kleinen Fußball-Wunder am selben Abend, denn in der 33. Minute erzielte Andrés Mendoza das Siegtor für Brügge. Und die in die italienische Modemetropole mitgereisten Fans? Flippten selbstredend aus. Voller Euphorie erinnerten sie sich an die eingängige Melodie, die sie am Mittag gehört hatten (wenngleich auch nicht an den dazugehörigen Text), und grölten ausgelassen ein lautes „Oh…oh-OH-oh oh OHH OHH!“. Verbunden mit der seligen Sieg-Erinnerung nahmen die Anhänger des FC Brügge das Lied mit zurück nach Belgien und etablierten es fortan im eigenen Stadion.

Ein paar Jahre darauf, im Februar 2006, spielte der FC Brügge erneut gegen ein italienisches Team, nun aber zu Hause gegen den AS Rom im kleinen Bruder der Champions League, dem UEFA Cup (welcher sich heute „UEFA Europa League“ schimpft). Zwar verlor Brügge jenes Spiel mit 1-2, doch dies tat der Popularität von „Seven Nation Army“ als Fußball-Song keinen Abbruch – ganz im Gegenteil: Nun fanden auch die Anhänger der Roma Gefallen an dem leicht memorablen Mitgröhl-Riff des Songs und machten ihn sich zu eigen.

Die italienische Fußball-Legende Francesco Totti (785 Spiele mit 307 Toren in 24 Jahren als Profi beim AS Rom) kommentierte das Geschehen auf den Rängen gegenüber einer niederländischen Zeitung mit den Worten: „Ich hatte den Song noch nie gehört, bevor wir in Brügge aufs Feld gelaufen sind. Seitdem kann ich den ‚PO-PO-PO-PO-PO-POO-POO-Song‘ nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Es hat sich fantastisch angehört und die Zuschauer mochten es sofort. Danach habe ich mir schnell ein Album der Band besorgt…“

Gemeinsam mit Totti und den Fans des AS Rom gelangte „Seven Nation Army“ wieder zurück nach Italien. Bei der Weltmeisterschaft im Sommer 2006 wurde das Lied so etwas wie die inoffizielle Hymne der Azzurri auf dem Weg zum Titel in Deutschland. Die Funktionäre der UEFA bemerkten den Trend und machten den White-Stripes-Song zur offiziellen Einlauf-Musik der Mannschaften während der Europameisterschaft 2008. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten es alle mitbekommen – ob sie nun wollten oder nicht. „Seven Nation Army“ verselbstständigte sich, fernab vom US-amerikanischen Detroit, und wurde zum Mannschaften wie Fanszenen übergreifenden, veritablen Fußball-Hit.

Jack White selbst freute sich über die Geschichte, die vor nunmehr zwanzig Jahren in Melbourne begann (und irgendwie auch die White Stripes überlebte, welche 2011 ihr Bandende bekannt gaben). Als er auf die Adaption seines Hits durch die italienischen Fußball-Fans angesprochen wurde, unter denen „Seven Nation Army“ als der „PO-PO-PO-PO-Song“ bekannt ist, sagte er: „Ich fühle mich geehrt, dass die Italiener den Song zu einem der ihren gemacht haben. Nichts ist schöner in der Musik als die Annahme einer Melodie durch Menschen, die ihr erlauben, den Pantheon der Folk-Musik zu betreten. Als Songwriter ist so etwas unmöglich zu planen. Besonders in modernen Zeiten. Ich liebe es, dass die meisten Leuten überhaupt nicht wissen, wo die Melodie herkommt, wenn sie sie singen. Das ist Folk-Musik.“

Manchmal nimmt ein Song eben ungewöhnliche Wege…

Womit wir nun auch bei der Künstlerin von ANEWFRIENDs heutigem „Song des Tages“ wären. Bereits 2012 nahm Zella Day eine Coverversion des White-Stripes-Klassikers auf. Dennoch sollte es nahezu eine weitere Dekade dauern, bis ebenjene Neuinterpretation durch die Verwendung in einem Werbespot eines namenhaften südkoreanischen Elektronikherstellers zu weitreichenderer Bekanntheit gelangte. Im Grunde zu Unrecht, denn die Version der mittlerweile 27-jährigen, aus Pinetop-Lakeside, Arizona stammenden und inzwischen – wie so ziemlich viele – in Los Angeles, Kalifornien beheimateten Indie-Pop-Musikerin kann sich als reduziert-schmissige Ballade durchaus hören lassen. Und das nun auch für all jene, die noch nie ein Fussballstadion von innen (oder im Fernsehen) gesehen haben…

Rock and Roll.

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Song des Tages: Red Hot Chili Peppers – „Black Summer“


Foto: Promo / Clara Balzary

Nach einigen kleinen Andeutungen hat die Funk-Rock-Institution Red Hot Chili Peppers ihre neue Single „Black Summer“ enthüllt – endlich, möchte man meinen, schließlich ist der Opener nicht nur die erste Auskopplung aus dem ebenfalls heute angekündigten neuen Album „Unlimited Love„, sondern auch der erste gemeinsame Song mit Gitarrist und Co-Sänger John Frusciante seit immerhin 16 Jahren.

Wie die Band auf ihrem zwölften Studioalbum von Frusciante, der nach mehrjähriger Pause, während derer er von Josh Klinghoffer ersetzt wurde, 2019 wieder zurück zu den Chili Peppers gefunden hatte, profitiert, deutet der neue Song bereits an: ordentlich Drive, Rhythmik, Laut-Leise-Dynamik und das ein oder andere komplexe Solo – auf „Black Summer“ erinnert die Band mit ihrem alten Gitarristen wieder an Erfolgsalben wie „Californication“ (1999) oder „By The Way“ (2002) – wenn auch etwas gediegener. Auf „Unlimited Love“ kehrt übrigens auch Rick Rubin (Beastie Boys, Slayer, Johnny Cash) zurück, der – ausgenommen „The Getaway“ (2016) – alle Alben seit dem 1991er Durchbruchswerk „Blood Sugar Sex Magik“ produzierte. 

Mit dieser ersten – auch visuell – ausufernden Auskopplung unterstreicht die Band aus Los Angeles auch ihre eigenen Ambitionen für die dazugehörige kommende Platte: „Unser einziges Ziel ist es, uns in der Musik zu verlieren“, erklärten die Red Hot Chili Peppers in ihrem offiziellen Statement. „Wir (John, Anthony, Chad und Flea) haben gemeinsam und einzeln Tausende von Stunden damit verbracht, unser Handwerk zu verfeinern und füreinander da zu sein, um das beste Album zu machen, das wir machen konnten. Unsere Antennen waren auf den göttlichen Kosmos ausgerichtet, und wir waren einfach so verdammt dankbar für die Gelegenheit, zusammen in einem Raum zu sein und wieder einmal zu versuchen, besser zu werden. Tage, Wochen und Monate verbrachten wir damit, einander zuzuhören, zu komponieren, frei zu jammen und die Früchte dieser Jams mit großer Sorgfalt und Absicht zu arrangieren. Die Klänge, Rhythmen, Schwingungen, Worte und Melodien haben uns in ihren Bann gezogen.“ 

Weiterhin soll laut Rückkehrer Frusciante das Album von Leuten wie „Johnny ‚Guitar‘ Watson, The Kinks, The New York Dolls, Richard Barrett“ und weiteren inspiriert sein. „Das Gefühl des mühelosen Spaßes, den wir hatten, wenn wir Songs von anderen Leuten spielten, blieb uns die ganze Zeit über erhalten, als wir es schrieben. Für mich repräsentiert diese Platte unsere Liebe zueinander und unser Vertrauen ineinander“, führte der 51-jährige Saitenschwinger aus.

Der Nachfolger von „The Getaway“ wird ganze 17 Songs enthalten und am 1. April erscheinen. Im kommenden Sommer gehen die vier Kalifornier mit der neuen Platte dann – hoffentlich – auch auf Tour. Dafür kommen Anthony Kiedis, Flea, John Frusciante und Chad Smith für zwei Termine nach Deutschland.

Rock and Roll.

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