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Song des Tages: Typhoon – „Prosthetic Love“


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Typhoon als Band im herkömmlichen Sinne zu beschreiben, käme ebenso einer dezenten Untertreibung gleich wie die Behauptung, dass deren Alben reine Ansammlungen neuer Songs seien.

Dem zum einen bringen bei der Indiefolkrock-Band aus Portland, Oregon meist mehr als zehn Musiker die Aufnahmestudios und Konzertbühnen zum Platzen, zum anderen passt bei wohl keiner anderen Band im Indiefolk-Genre der „Kopfkino“-Sticker auf dem Plattencover besser zum darauf zu hörenden Inhalt. So vertonte Frontmann Kyle Morton mithilfe seiner zahlreichen Mitmusiker etwa auf dem dritten, 2015 veröffentlichten Album „White Lighter“ die eigene, lebensbedrohliche Krankenakte nebst folglich verpasster Kindheit, oder auf dem neusten, im Januar veröffentlichten Werk „Offerings“ die Geschichte eines Mannes, welcher nach und nach droht, sein Gedächtnis, und damit all seine Erinnerungen und Geschichten, zu verlieren. Prädikate: tiefmenschlich, poetisch, fordernd, vereinnahmend. Typhoon-Alben mögen zwar – aller vordergründigen Indiefolk-Leichtigkeit zum Trotz – das Gegenteil von Easy Listening sein, bieten dem gewillten Zuhörer jedoch stundenlange Beschäftigung in Klang- und Storywelten, deren Kloß-im-Hals’sche Faszination sich erst nach und nach gänzlich entfaltet…

 

Einer der besten Songs im Typhoon’schen Backkatalog dürfte „Prosthetic Love“ (vom bereits erwähnten Werk „White Lighter“) sein, in welchem Kyle Morton vom Hoffen und Bangen der Liebe erzählt…

 

…und das Morton kurz darauf noch in einer kaum weniger herzerweichenden Piano-Version neu aufnahm:

 

„My folks, they left the TV on
I was falling in love years before I ever met someone
Like a prayer you don’t expect an answer
Though you ask for one

And sure my love would come along
Like some little bird and only I would recognize it’s home
Like the actors I see on the television
With the stage lights on

What I found was a gamble
You threw yourself in with me
Made a cross and you lit a candle

But we were only strangers calling in a dark room
Rejecting stars or cozy lives on the wall
In the dark I thought I saw you
Or was it nothing at all

Everyone I ever knew
I’m giving it all to you
I’m asking everything in return
And I have nothing left to lose
I’ll get it back through you
And take your offer

This time I wake I’m still alive
Now in my expiration date imagine my surprise
Some backwards take on the book of Job
His life was a wager and mine’s a joke
Give him what he wants, he will never know
He’s tired of trying to let himself go

With everyone I ever knew
I’ve gotten used to use
I’ve grown attached to you being here
With everyone I ever knew
I’ve learned to count on you
As not on my fingers

With everyone I ever knew
I’ve gotten used to use
I’ve grown attached to you being here
With everyone I ever knew
I’ve learned to count on you
As not on my fingers“

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Schluss, aus, vorbei! Mit dem ersten „Album der Woche“ hält nun auch auf ANEWFRIEND das Jahr 2013 endgültig Einzug. Aber bei all den bevorstehenden potentiell großartigen Neuveröffentlichungen lassen wir uns vom ausgefallenen Weltuntergang doch gern zum Weitermachen zwingen, oder?

„A revolution without dancing is a revolution not worth having.“

(V For Vendetta)

Yesterday Shop – Yesterday Shop (2012)

Yesterday Shop (Cover)-erschienen bei Trickster/Broken Silence- 

Löblich ist, dass sich die „Brigitte“ für’s neue Jahr wohl auf die Redaktionsfahnen geschrieben hat, ihren Teil zur Förderung des talentierten deutschen Musikernachwuchses beizutragen. Weniger schmeichelhaft ist dann jedoch, wie gekonnt die doch eher für hausfräuliche Modestrecken und 1001 Abnehmtipps bekannte Illustrierte in ihrer kurzen Einschätzung auf die falsche Fährte abbiegt: „Yesterday Shop setzen mit ihrem Indie-Pop in etwa da an, wo Chris Martin & Co 2005 nicht weitergemacht haben.“ Öhm… ja. Leider hat das, was man dann auf dem selbstbetitelten Debüt von Yesterday Shop zu hören bekommt, rein gar nichts – und das ist bitte ausdrücklich positiv gemeint – mit all dem zu tun, was Coldplay nach ihrem fulminant guten, 2002 erschienenen Zweitwerk „A Rush Of Blood To The Head“ zustande gebracht (respektive: verbrochen) haben. Zugute halten sollte man den „Brigitte“-Damen – und Herren? – jedoch, das ihnen all die näher liegenden Vergleichsbands unter Garantie kaum etwas sagen werden. Dabei beweist das aus dem Schwabenland – genauer: Reutlingen – stammende und sich mittlerweile auf Hamburg und Berlin verteilende Quintett während der elf Stücke – beziehungsweise 44 Minuten Spieldauer – mehrfach, dass es schon mit dem Debüt zum Sprung hin zu internationalen Weihen bereit scheint…

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Bestimmt nach dem atmosphärischen, an Sigur Rós gemahnenden Intro „Voile“ in „Fat Man & Little Boy“ anfangs noch androgyner, sich überlappender Falsettgesang á la Maximilian Hecker die Szenerie, nimmt der Song, dessen Titel die Codenamen der beiden 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben zitiert, schon bald an Fahrt zu, nur um sich am Ende wieder in einer einsamen Gitarre zu verlieren. Das dezent an die Foals erinnernde „Winter Act I“ wechselt immer wieder zwischen atmosphärisch-leichten Flächen und kurzen Ausbrüchen hin und her und wird im Hintergrund gewinnbringend von Streichern und weiblichem Backgroundgesang unterstützt. Rein musikalisch schlägt da „Slow Motion Olymp.“, dessen Synthesizer den Hörer schon einmal sanft Richtung Tanzfläche schubsen, nur um im Mittelteil das Shoegazerhaupt diebisch grinsend wieder zu senken, und gegen Ende erneut zu schubsen, einige Haken mehr, während „Paralyzing“ mit den hallenden Vocals von Sänger Clemens Kluck, einer einsamen Akustikgitarre, weiten Soundscapes, Handclaps, einem fernen Schlagzeug und Klaviertupfern zum Träumen einlädt. „Paris Syndrom“ stellt mit seiner eingängigen Melodie so etwas wie den „Hit“ der Platte dar, das darauf folgende „Ludwig II“ fährt als Hommage an den bayrischen „Märchenkönig“ die ganz großen Kopfkinogeschütze auf: Synthesizerflächen wabern umher, der Gesang ebbt auf und ab, Gitarrenfiguren umspielen sich sanft, nur um am Ende den Ausbruch zu wagen. In „Me & Meursault“, in Titel und Text eine Reminiszenz an Albert Camus‘ Roman „Der Fremde„, scheinen sich technoide Flächen erstmals gegen die Gitarren durchzusetzen, „Modern Philosophy“ bildet trotz der ein oder anderen hektisch mitspielenden Gitarre – zumindest anfänglich – einen Ruhepol, der alsbald dem Hymnus anheim fällt, in „Winter Act II“ zeigen sich wieder die an den Foals geschulten Gitarren und Harmonien. Im siebenminütigen Abschluss „We Like Chopin“ fahren Yesterday Shop noch einmal alle Register hoch und verabschieden sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden musikalischen Waffen und einem ordentlichen Eindruck: dichte Atmosphäre, die sich in Klangflächen verliert, unaufdringlicher Gesang und ein Song, der erst Stufe für Stufe erklimmt, um final und mehrstimmig langsam abzuebben.

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Natürlich sind Yesterday Shop, die sich den Bandnamen von einem befreundeten Kurzfilmer „entliehen“ haben, auf ihrem gemeinsam mit Produzent Kristian Kühl in Hamburg aufgenommenen Debüt von bandinternen Vorbildern wie Radiohead noch so weit entfernt wie, sagen wir, die TSG Hoffenheim vom erfolgreichen Klassenerhalt – oder, um den fussballunkundigen Monopolyfreunden unter euch einen Vergleichspunkt zu liefern, die Theaterstraße von der Schlossallee -, jedoch können alle, denen die bisher erwähnten Vergleichsbands und -künstler, allen voran die immer wieder ins Feld geführten Foals, aber auch Freunde zum Beispiel der Editors, Interpol oder den bayrischen Landmännern Slut, hier mehr als ein Ohr – und auf Tour auch ein Auge – riskieren. Denn Bands wie Yesterday Shop, die in der heutigen, musikgeschäftstechnisch nicht eben risikofreien Zeit das Wagnis der Gründung eines eigenen Labels (in diesem Fall „Trickster“ – jaja, wieder so ein selbstgewählter potentieller Radiohead-Verweis) sowie der Finanzierung via Crowdfunding eingehen, sind durchaus unterstützenswert. Umso schöner, wenn die Songs dieser talentierten Schlauberger dann mit ihren Kopfkinovarietévorstellungen in grauen Wintertagen auch noch zu Kopfhörertagträumen einladen… „Brigitte“ sei Dank!

 

Auf der Soundcloud-Präsenz der Band kann man sich einige der Songs des Debütalbums anhören…

 

…und hier das durchaus sehenswerte Video zu „Paris Syndrom“ flimmern lassen:

 

Und, für alle Freunde der gepflegten musikalischen Bühnenunterhaltung: Yesterday Shop sind in diesen Tagen – also: im Rahmen ihrer „Januar-Tour“ – live und in Farbe zu erleben:

– 15.01.2013: Societätstheater, Dresden

– 16.01.2013: Atomino, Chemnitz

– 17.01.2013: Merlin, Stuttgart, Pop Freaks Festival

– 18.01.2013: KiFF, Aarau (CH)

– 19.01.2013: MuZClub, Nürnberg

– 22.01.2013: Schlosskeller, Darmstadt

(…mehr dazu hier)

 

Rock and Roll.

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