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Song des Tages: Phoebe Bridgers – „You Missed My Heart“


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Grenzt es bereits an Wahnsinn, sich ein Stück aus dem von Veröffentlichungsjahr zu Veröffentlichungsjahr ausschweifender werdenden Songfundus von Mark Kozelek zu greifen und dieses dann einer Eigeninterpretation zu unterziehen? Hm…

Anno 2018 – und im Hinblick auf den zwar stetig anwachsenden, jedoch auch immer gewöhnungsbedürftiger werdenden kreativen Output des 51-jährigen nimmermüden Ex-Frontmanns der Red House Painters – würde ich spontan antworten: Ja klar, da dürfte ein Scheitern in Ehren vorprogrammiert sein! Allerdings hat sich Phoebe Bridgers mit „You Missed My Heart“ ein Stück vom 2013 erschienenen Album „Perils From The Sea„, welches gemeinsam mit The Album Leaf-Kopf Jimmy LaValle entstand, gegriffen – und tut gut daran, eines der zwar simpler gestrickten, aber auch besten und berührendsten (jüngeren) Stücke aus Kozeleks Feder zu wählen.

Denn so viel verändert die aus Los Angeles stammende Indie-Musikerin, welche im vergangenen Jahr auch auf ANEWFRIEND bereits Erwähnung fand, gar nicht für ihre Version der Konzelek/LaValle-Coproduktion, welche den Abschluss ihres 2017 erschienenen Debütalbums „Stranger In The Alps“ bildet. Bridgers kappt dem Stück lediglich den elektronischen Unterbau und reduziert es auf sein emotionales Grundgerüst, begleitet auf den weißen und schwarzen Tasten. Oder eben, wie man bei der unten stehenden Daytrotter Session erleben kann, auf etwas E-Gitarren-Begleitung. In jedem Fall gilt: der Song bleibt in seiner fast schon lakonischen Ehrlichkeit großartig – ob nun von Mark Kozelek und Jimmy LaValle, oder eben von Phoebe Bridgers interpretiert…

 

 

„Broke into her house. Saw her sittin‘ there
Drinking coke and whiskey in her bra and underwear
Saw him in the kitchen, hangin‘ up the phone
I asked him nicely please to pack his things and go

He gave her a reassuring look that said he wouldn’t leave
But I asked him once again and this time pulled out my shiv
I struck him in the back and I pulled it out slow
And I watched him fall down
And as the morning sun rose
He looked at me and said:

‚You missed my heart
You missed my heart
You got me good. I knew you would
But you missed my heart
You missed my heart.‘
Were his last words before he died

Looking out the window, up at the blue sky
Listening to her scream, listening to her cry
A feeling of relief came over my soul
I couldn’t take it any longer and I lost control

I chased her up the stairs
And I pinned her to the ground
And underneath her whimpering
I could hear the sirens sound
I rattled off a list of everything I missed
Like going to the movies with her
And the way she kissed me
Driving into Wheeling and showing her off
Backyard barbecues and reunions in the park
I said I loved her skin and she started laughing
And while I clenched down on her wrist
She said ‚That’s quite a list
But there’s one thing you missed

You missed my heart, you missed my heart
That’s quite a list, but what you really missed
You missed my heart, you missed my heart
That’s quite a list, but what you really missed‘

Running through the parking lot
Running through the fields
Policemen on my back
Something hit my skull and cracked

They dragged me off to jail, set a million dollar bail
Where I tried to tie a noose, but I failed and I broke loose
Racing through the prison yard
Shot down by a tower guard
He got me in the shins
And he got me in the arms

They strapped me in the gurney
Took me to the infirmary
Where the priest read my last rites
And just before, everything went dark

I said:
‚He missed my heart, he missed my heart
He got me good, I knew he would
But he missed my heart, he missed my heart‘
And just before, everything went dark

The most poetic dream came flowing like the sea
Laying there my lifeblood draining out of me
A childhood scene then, sky moon beams
Fishing with my friends sitting in the wild lands

Watching the Ohio river flow at night
Waiting for the bullhead catfishes to bite
Downriver from the Moundsville prison graveyards…“

 

Rock and Roll.

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Der Jahresrückblick 2013 – Teil 3


Ein nicht eben an großartigen Veröffentlichungen armes Musikjahr 2013 neigt sich unausweichlich seinem Ende zu. Zeit also, ANEWFRIENDs „Alben des Jahres“ zu küren und damit, nach der Rückschau aufs Film- und Serienjahr, auch die Königsdisziplin ad acta zu legen! Dem regelmäßigen Leser dieses Blogs werden sich wohl wenige Überraschungen offenbaren, schließlich wurden alle Alben meiner persönlichen Top 20 im Laufe des Jahres bereits besprochen… Bleibt nur zu hoffen, dass auch 2014 ein ähnlich hohes Niveau an neuen Platten und Neuentdeckungen bieten wird… Ich freue mich drauf.

 

 

Frightened-Rabbit-Pedestrian-Verse1.  Frightened Rabbit – Pedestrian Verse

Ich nehme hiermit mein noch im Februar gefälltes Urteil höchstoffiziell (zum Teil) zurück – „Pedestrian Verse“ ist im Rückspiegel zwar in der Tat kompakter als noch der Vorgänger „The Winter Of Mixed Drinks“, jedoch keineswegs weniger hymnisch. Frightened Rabbit bewegen sich mit Album Nummer vier noch einige Schritte weiter weg von der eigenen schottischen Haustür, um große Geschichten von den Bordsteinen des tristen Alltags aufzulesen. Liebe und Leid, Verzücken und Enttäuschung, Vertrauen und Verfall – wer den fünf „Angsthasen“ um Frontmann und Sänger Scott Hutchison die Zeit gibt, sich bis zum Hörerherzen vorzuarbeiten, der bekommt mit „Pedestrian Verse“ einen treuen Begleiter durch Sonnen- wie Regentage. Vielleicht lief das eine oder andere Album ein paar Mal öfter durch meine Gehörgänge. Näher und tiefer ging jedoch in diesem Jahr keines. „Pedestrian Verse“ ist ein Monolith in der sowieso bereits tollen Frightened Rabbit’schen Diskographie. Und ein absolut würdiges „Album des Jahres“.

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2013TheNational_TroubleWillFindMe2.  The National – Trouble Will Find Me

Zu lange tingelten The National im Indierock-Schatten herum. Dabei besaß bisher jedes ihrer Album die Qualität und Größe, um einen Spitzenplatz in den Jahresabschlussbestenlisten zu belegen. Umso schöner ist es, wenn der US-Band mit „Trouble Will Find Me“, seines Zeichens Albumwurf Nummer sechs, nun endlich die vollends verdiente Aufmerksamkeit zuteil wird. Vielleicht besaß der drei Jahre junge Vorgänger „High Violet“ die dringenderen Gitarrenrocker. Vielleicht zieht bei den Familienvätern um den wohlig grantelnden Frontmann Matt Berninger von Mal zu Mal mehr Altersmilde ein. In jedem Fall stellt „Trouble Will Find Me“, The Nationals Musik gewordenes „Weinalbum“, Klasse vor Masse – nur eben nun auf größeren Bühnen. Wer noch immer glaubt, dass Arcade Fire die „größte Indieband der Welt“ seien, der sollte sich dieses Album zu Güte führen. Und den dreizehn Stücken beim stetigen Größerwerden zuhören…

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Mark-Kozelek-Jimmy-Lavalle-Perils-from-the-Sea-205x2053.  Mark Kozelek & Jimmy LaValle – Perils From The Sea

Mark Kozelek scheint seit geraumer Zeit einen sprichwörtlichen Lauf zu haben. Der ehemalige Red House Painters-Frontmann tourt als nimmermüder Troubadour nicht nur unablässig um die Welt, er veröffentlicht auch in immer geringeren Abständen eine großartige Platte nach der nächsten. Ob nun mit seiner elegischen Stammband Sun Kil Moon, mit den Ex-Kollegen von den Red House Painters, die nun als Desertshore musizieren, ob nun solo oder, wie hier, mit The Album Leaf-Cheftüfftler Jimmy LaValle – dem zurückhaltenden Geschichtenerzähler mit der so besonderen wie unverwechselbaren Stimme gelingt es immer wieder aufs Neue, seinen Zuhörer zu fesseln. Dass er sich für „Perils From The Sea“ dabei in absolutes Neuland vorwagt und sein Gesangsorgan inmitten reduzierter Ambietklänge bettet, macht die Sache eigentlich nur interessanter. Easy Listening mit Tiefgang und Relevanz? Keinesfalls eine einfache Sache… Und obendrein bietet „Perils From The Sea“ noch Erzählungen, die einen so schnell nicht mehr los lassen.

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there-will-be-fireworks-the-dark-dark-bright4.  There Will Be Fireworks – The Dark, Dark Bright

Das selbstbetitelte Erstwerk meiner schottischen Herzensband (klar mag es da so einige geben, aber keine liegt näher!) fand bei dessen Eigenvertriebsveröffentlichung vor vier Jahren noch quasi unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit statt. Beim nunmehr zweiten Album „The Dark, Dark Bright“ hören nun wohl schein ein paar mehr Ohren hin… Und das hat sich die Band um Frontmann Nicky McManus auch redlich verdient. Der schottische Fünfer arbeitet innerhalb von knapp 50 Minuten die komplette Indie-Postrock-Klaviatur von Mogwai bis Sigur Rós ab und setzt dabei nicht wenige wohltuende Nadelstiche mitten ins Herz. Mag sein, dass der Vorgänger die größeren, die höhere Wellen schlagenderen Songs hatte. „The Dark, Dark Bright“ ist dafür kohärenter und macht den ein oder anderen produktionstechnischen Mangel des Debüts wett. In einer gerechten (Musik)Welt werden There Will Be Fireworks zu einer großen kleinen Band. Wetten, dass?

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Casper_Hinterland5.  Casper – Hinterland

„XOXO“ wurde vor zwei Jahren als nichts weniger als die „Revolution des bundesdeutschen Hip Hop“ gefeiert. Das machte es für Benjamin „Casper“ Griffey natürlich keineswegs einfacher. Doch die Rechnung des „Emorappers“, sich für den Nachfolger so unwahrscheinliche Produktionspartner wie Get Well Soon-Mastermind Konstantin Gropper und das Elektro-affine Studioass Markus Ganter ins Boot zu holen, geht beim vierten Casper-Album „Hinterland“ in vollsten Maße auf. Egal ob der Indie-Rapper gerade vom Fern- oder Heimweh erzählt, sein Bewerbungsschreiben als deutscher Tom Waits abgibt oder sich Editors-Frontstimme Tom Smith zum Duett ins Studio einlädt – Deutschland hört hin. Und der Rest darf sich für die Ignoranz der germanischen Hip Hop-Antwort auf Springsteens „Born To Run“ gern den augenzwinkernden Mittelfinger abholen… Spätestens 2013 dürfte klar sein: Casper stehen alle Türen offen.

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BiffyClyro_Opposites6.  Biffy Clyro – Opposites

Wieviele (Rock)Bands sind bereits an ihren Ambitionen gescheitert? Wieviele Künstler haben bereits vollmundig epische Doppel- – oder gar Dreifach-! -Alben angekündigt, nur um dann auf höchsten Niveau zu versagen? Natürlich: diese Liste ist lang… „Opposites“ dürfte sich als sechstes Album des Schotten-Trios von Biffy Clyro auf der gelungenen Seite der Ambitioniertheit einordnen, bietet des doch die wohl gleichzeitig größten wie auch variationsreichsten Songs aus den Federn von Frontmann Simon Neil und den beiden Johnston-Zwillingen James und Ben. Eine Mariachi-Band inmitten fetter Hooks, Streicher und elegischer Passagen? In den über achtzig Minuten des so opulenten wie tiefgründigen Doppelalbums geht so einiges. Biffy Clyro bringen mit „Opposites“ das Pathos zurück auf die große Bühne. Operation gelungen, Patient gesünder denn je.

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listener-300x3007.  Listener – Time Is A Machine

Talk Music? Was zur Hölle soll das sein?!? Gut, wer sich als Neuling dem neusten Listener-Werk „Time Is A Machine“ gegenüber gestellt sieht, der dürfte wohl anfangs ähnlich überfordert sein… Zu rast- und ruhelos, zu drängend und dringend spielt sich das aus Fayetteville, Arkansas stammende US-Trio durch die acht neuen Stücke. Dass man dabei kaum mit dem lyrisch versierten Textespucker Dan Smith, der die Band einst als Soloprojekt begann, Schritt halten kann, ist ebenso faszinierend wie die Tatsache, dass sich Hip Hop und Postrock eben doch vereinbaren lassen. „Time Is A Machine“ ist mit seinen lediglich etwa 30 Minuten, wie auch der nicht minder tolle, vor drei Jahren erschienene Vorgänger „Wooden Heart“ schon, erneut kein Album zum Nebenbeihören. Nein, „Time Is A Machine“ ist ein wahrer kleiner Wirbelwind von Album, vorangetrieben von drei Wirbelwinden, die kaum näher bei sich sein könnten. Raprock in Höchstform. Diese Band verdient sich ihre eigene Nische…

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SIGUR-ROS-KVEIKUR-275x2758.  Sigur Rós – Kveikur

Als die Vorzeigeisländer von Sigur Rós im vergangenen Jahr das sechste Album „Valtari“ auf den Musikmarkt losließen, durfte man berechtigtermaßen befürchten, die Band um Frontmann Jónsi nun vollends an elegische Ambientweiten verloren zu haben, immerhin ließ das Werk nahezu vollständig jene großartigen Momentausbrüche vermissen, mit denen sich Sigur Rós auf Meilensteinen wie  „Ágætis Byrjun“ oder „Takk…“ noch in so viele Hörerherzen in aller Welt gespielt hatten… Umso heftiger drischt nun die nach dem Ausstieg des Keyboarders zum Trio geschrumpfte Band mit dem ein oder anderen Stück von „Kveikur“ in manche unvorbereitete Magengrube. Heftiger, kompakter und rauer waren Sigur Rós wohl noch nie, auf Albumlänge mitreißender in keinem Fall. Sollte Musik tatsächlich da anfangen, wo einem die Worte fehlen, so bleibt hierfür wohl nur noch ein letztes: geil.

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daughter-cover9.  Daughter – If You Leave

Vorschusslorbeeren durften Elena Tonra und ihre beiden männlichen Mitmusiker bereits seit den ersten Daughter-Lebenszeichen in Form von vereinzelten Konzerten und vielversprechenden EP-Vorboten sammeln. Umso höher war darauf natürlich der Sockel, vom dem das englische Trio mit dem Debütalbum fallen konnte. Doch „If You Leave“ enttäuscht keineswegs und ist, seiner Veröffentlichung um Frühling zum Trotz, eines der besten Herbstalben des Jahres, das sich zwar im selben Fahrwasser wie die Landsleute von The xx bewegt, dabei jedoch mehr Gewicht auf die Gitarren legt. Klar, man muss schon eine gewisse Affinität fürs Melancholische besitzen, um sich in diesen kleinen Dramen zurecht zu finden. Das Wohlgefühl kommt danach von ganz allein…

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Like-Clockwork-Cover10. Queens Of The Stone Age – …Like Clockwork

Josh Homme, dieser Schelm! „Wie ein Uhrwerk“ lief die Arbeit an „…Like Clockwork“ nämlich keineswegs. Stattdessen durfte sich der umtriebige Ex-Kyuss-Gittarero und jetzige Queens Of The Stone Age-Vorsteher mit so einigen Verletzungen und Schreibblockaden herumplagen. Dass er und seine Mitmusiker am Ende mit dem wohl besten Album seit dem in Rock gefassten, bereits elf Jahre zurückliegenden Meilenstein „Songs For The Deaf“ um die Ecke kamen, der ebenso knackige Wüstenrocker aufbietet wie irrwitzige Miniepen, dürfte dabei für sich sprechen. Dass bei Album Nummer sechs die prominente Gästeliste aus Mark Lanegan, Nick Oliveri, Trent Reznor (Nine Inch Nails), James Lavalle (UNKLE), Alex Turner (Arctic Monkeys), Brody Dalle (Ex-Distillers), Alain Johannes (Eleven), Jake Shears (Scissor Sisters) oder Sir Elton John zur reinen Marginalität gerät, ebenso… Nach sechs Jahren Veröffentlichungsschweigen präsentieren sich die Queens Of The Stone Age mit „…Like Clockwork“ frischer den je. Und Josh Homme, diese arschcoole Rocksau, stellt mit einem karrieretechnischen Top-Drei-Album mal eben die komplette Konkurrenz in den Schatten. Willkommen zurück, Jungs!

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Auf den weiteren Plätzen:

Various Artists – Sound City – Reel to Reel mehr…

Pearl Jam – Lightning Bolt mehr…

Haim – Days Are Gone mehr…

Keaton Henson – Birthdays mehr…

Vampire Weekend – Modern Vampires Of The City mehr…

Die Höchste Eisenbahn – Schau in den Lauf Hase mehr…

Foals – Holy Fire mehr…

Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away mehr…

Woodkid – The Golden Age mehr…

Thees Uhlmann – #2 mehr…

 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Das neue und aktuelle „Album der Woche“, nun eben mit ein, zwei Tagen Verspätung. Ein Grund, keinerlei Ausrede: Das Album erschien erst an diesem Montag. Und es stammt zu großen Teilen von einem Künstler, von dem vor wenigen Woche schon einmal an dieser Stelle die Schreibe war… Ist es nicht langweilig – gar: einfallslos – auch die nächste Veröffentlichung von Mark Kozelek zum „Album der Woche“ zu machen? Für mich: keinesfalls. Denn Qualität spricht stets für sich selbst. Und ein Künstler wie eben jener Mark Kozelek kann gar nicht zu oft in zu hohen Tönen gelobt werden. Warum? Lest ihr hier. Während die Musik ihr Übriges tut…

 

Mark Kozelek & Desertshore – Mark Kozelek & Desertshore (2013)

Mark Kozelek & Desertshore (Cover)-erschienen bei Caldo Verde/Cargo Records-

Wer kennt das nicht: Da hat man einmal etwas, was man abgöttisch liebt – und tief in einem drin rumoren noch immer die kleinen Teufel des Zweifels. Da ist für einen winzigen Moment alles schön und gut und wunderbar. Und obwohl man für eine gefühlte Ewigkeit in diesem Sepiablick aus Zufriedenheit verweilen möchte, kommt sie doch plötzlich auf, diese innere Unruhe. Nichts ist nie nur wahr oder falsch, nur schwarz oder weiß. Wie sang Gisbert zu Knyphausen unlängst: „Die Welt ist grässlich und wunderschön.“ Das Leben, eine pulsierende Janusköpfigkeit…

Mark Kozelek

Wer, wenn nicht Mark Kozelek, könnte besser von all diesen Dingen singen. Der 46-jährige, US-amerikanische Musiker ist seit den späten achtziger Jahren höchst umtriebig in der Indie-Musikszene unterwegs – anfangs noch mit den großartigen Sadcore-Slowrockern Red House Painters, später mit den zu weitläufigen Elegien neigenden Sun Kil Moon und als mit Nylon-Steel-Gitarre bewaffneter Solo-Barde. Über die Jahrzehnte mag seine Stimme merklich an Rauheit und Charisma zugelegt haben. Doch die Art, die Zuhörer mit seinen Texten zu bannen und gefangen zu nehmen – sie scheint Kozelek von Jahr zu Jahr, von Tournee zu Tournee, von Veröffentlichung zu Veröffentlichung nur weiter zu verfeinern, ja: manifestieren. Wer behaupten mag, dass die Lyrik des scheuen Singer/Songwriters – Bob Dylan und Bruce Springsteen lassen wir hier mal außen vor – als vertonte US-Chronik des 20. und 21. Jahrhunderts seinesgleichen zwar suchen, aber in einem weiten Feld keinerlei Ebenbürtigkeit findet, der greift zwar hoch, jedoch keinesfalls zu hoch. Denn Kozelek besitzt das seltene Talent, scheinbar alltägliche Beobachtungen eines Außenstehenden gefühlt zu den eigenen zu machen, während er selbst mit stoischer Stimme empathische Zeilen um den kleinen Mann da an der nächsten Straßenecke spinnt. Er ist der Begleiter der von der Gesellschaft Unbedachten, der Biograf des hart schuftenden Fließbandarbeiters, der eine ganze Familie ernähren muss, seine lang gehegten Wünsche auf ewig hinten an stellt, und doch Monat um Monat nicht weiß, wie sicher der kommende Lohnzettel noch ist. Und Kozelek ist auch der weltreisende, stille Verwalter eines familiären Erbes, von welchem er knochentrocken berichtetet – mit nüchternem, klaren Blick, warmer Stimme, und umringt von einer Menge an Familienfotos. Träume, Realismus, Lakonie, kleine zynische Spitzen, Romantik – all das spiegelt Mark Kozelek in Musik und Text. Man mag’s fast auf den Zwang, zuhören zu müssen schieben, dass diesem Mann noch kein Denkmal errichtet wurde. Andere Gründe, die gegen größeren Erfolg sprächen, gibt es nämlich kaum…

Und: Auch das Veröffentlichungspensum eines Mark Kozelek sucht seinesgleichen. So ist das dieser Tage erschienene und simpel „Mark Kozelek & Desertshore“ betitelte Werk bereits – nach dem Solo-Coveralbum „Like Rats“ und der erst vor wenigen Wochen in die Regale gestellten, großartigen Zusammenarbeit mit The Album Leaf-Kopf Jimmy LaValle namens „Perils From The Sea“ – die dritte Kozelek’sche Studioalbumveröffentlichung des laufenden Jahres. Daneben tourt der Mann beinahe unablässig um die Welt und konserviert einige dieser Shows dann als Livealben. Wann bitte kommt der Musiker dann dazu, neue Songs zu schreiben? Nun, die Antwort liegt bei „Mark Kozelek & Desertshore“ quasi auf dem lyrischen Präsentierteller…

Mark Kozelek & Desertshore

Wichtiger jedoch dürfte sein, dass Kozelek erstmals seit der Auflösung der Red House Painters Ende der Neunziger wieder auf Albumlänge mit seinen alten Weggefährten gemeinsame Sache macht. Nachdem der Frontmann wider Willen bereits gut der Hälfte des 2011 erschienenen Desertshore-Albums „Drawing Of Threes“ seine Stimme lieh, begab er sich nun für ein komplettes Album mit den ehemaligen Red House Painters-Mitgliedern Phil Carney (Gitarre) und Chris Connolly (Keyboard) ins Studio, um – unterstützt durch den Sun Kil Moon-Schlagzeuger Mike Stevens – nach vielen Jahren ein neues gemeinsames Album aufzunehmen. Dass man(n) die Sache im Titel nüchtern getrennt hält, erscheint beim Inhalt zur Makulatur verkleinert, denn auf „Mark Kozelek & Desertshore“ erinnert Vieles an jene Großtaten aus vergangenen Red House Painters-Tagen – nur eben: versierter, alterweiser, komprimierter.

Und das neue Werk rückt einmal mehr Kozeleks lyrische Finessen ins Licht, zwischen Alltagsbeobachtungen und Persönlichem spielend leicht hin und her zu springen. Ob er all diese in „Mariette“ geschilderten Streifzüge durchs pralle Südstaatenleben von New Orleans wirklich unternommen hat? Ob die Schönheit an seiner Seite ihm wirklich fortwährend Zweifel am Zusammensein vorhielt? Ob er wirklich einst die „Satanische Bibel“ in einer Mall in Ohio gekauft und gar Anton LaVey, den Gründer der „Church Of Satan“, persönlich kennengelernt hat (wie in „Hey Bastards I’m Still Here“ zu hören)? Ob er wirklich aus Schlafmangel ein Ranking von Gitarristen erstellt hat, bei dem Saitenfrinkler wie Robert Fripp (King Crimson), Johnny Marr (The Smiths), Malcolm Young (AC/DC), Neil Young, Jimmy Page (Led Zeppelin), Jeff Beck, Steve Vai oder Kirk Hammett (Metallica) gut wegkommen, während er – wohl augenzwinkernd – bekennt: „I hate Nels Cline“? Die lyrischen Grenzen zwischen Erträumtem, Erdachtem und tatsächlich Erlebtem sind während der 45 Minuten jederzeit fließend. Und egal, ob er in dem nach einem Steve McQueen-Zitat benanntem „Hey Bastards I’m Still Here“ alte Filme stets mit Kindheitserinnerungen an seinen Vater und seine Heimatstadt im mittleren Westen der USA verknüpft, ob er in „Katowice Or Cologne“ vom Leben auf Tour und über all das, was man zu Hause zurück lässt berichtet, ob „Tavoris Cloud“ als große, herzzerreißende Akusikgitarrenode an das innere Kind, die geliebte Katze und den nicht minder geliebten, im vergangenen Jahr verstorbenen Musiker/Freund Tim Mooney (American Music Club) gen Himmel aufsteigt, ob er sich in „Sometimes I Cant Stop“ zu zutiefst menschlichen Schwächen, zu Widersprüchen, aber auch zu all seinen positiven Charakterzügen, seinem kürzlich ebenfalls zu früh verstorbenen Musiker/Freund Jason Molina (Magnolia Electric Co.) und den Wonnen augenscheinlich simpler Familienaktivitäten bekennt oder mit „Brothers“, das vom Vater und schweren Schicksalsschlägen erzieht, wie sie wohl jede Familie schultern muss, den bewegenden, pianogetragenen Schlussakkord unter die zehn Stücke setzt – Kozelek ist immer bei sich selbst. Da tut sich ein Song wie „You Are Not Of My Blood“ schon als das kleine Biest des Albums, das mit schleichendem Rhythmus und verhangener Orgelbegleitung daherkommt, und das sich partout nicht von falschen Freunden vereinnahmen lassen möchte, hervor: „You’ll die a lonely death /…/ You’ll die a lonely person“ – bevor die Band im Chor mächtig einstimmt: „You are not of my blood“. Da schildert der Singer/Songwriter zum Countrytwang von „Don’t Ask About My Husband“ – freilich mit einer Menge Empathie – erdachte Monologe aus der Sicht des gehörnten Ehepartners. Kozelek schimmert – trotz gefühlter vornehmer Zurückhaltung – an allen Ecken und Enden. Und das liegt freilich auch an seinen Mitmusikern Phil Carney, Chris Connolly und Mike Stevens, denn diese rücken mit reppetitiven Gitarrenlinien, hypnotischen Saitenschleifen und dezenter Rhythmusarbeit Stimme und Texte in den Vordergrund. Klar dürfen ab und an mal ein paar angejazzte Pianonoten durchfahren („Mariette“), klar spielt die Band für Momente etwas energischer auf („Katowice Or Cologne“), natürlich rufen die Gitarren von „Livingston Bramble“ (welches ebenso wie „Tavoris Cloud“ nach einem Boxer benannt ist) sofort Neil Young & Crazy Horse auf den Plan, erinnert das schleppende „You Are Not Of My Blood“ ebenso an die seligen Slint wie an die Red House Painters, oder „Katowice Or Cologne“ gar an Tortoise. Dennoch gehört Mark Kozelek die Show. Und der nutzt sie, erneut – dabei hat „Perils From The Sea“ die qualitative Gefühlsmesslatte keinesfalls niedrig gelegt…  Ob er am Ende wirklich Wilco hasst? Antworten findet man in „Mark Kozelek & Desertshore“ zwischen Erzählungen, Anekdoten und  gefühlten Tagebuchpassagen zuhauf…

Und: Wer bitte möchte nicht einem Mann lauschen, der Zeile wie jene zu Papier und ins Mikro bringt: „At the age of 46 / I’m still one fucked up little kid / Though I moved out here I know / I’m still that kid from Ohio / Who still has hopes / Still has dreams / Still not learned a fucking thing /…/ Who’s living in a world that I’m still getting to know“? Rette sich, wer kann. Wer einmal Mark Kozelek verfällt, der ist auf alle Zeit verloren. Und darf aufs Leben wetten. Tausende kleine und große Wahrheiten – und alles, was man selbst dafür tun muss, ist: hinhören. Deal?

desertshore

 

 

Hier kann man sich anhand der Stücke „Mariette“…

 

…“Katowice Or Cologne“…

 

…und „Brothers“ einen ersten Eindruck von „Mark Kozelek & Desertshore“ verschaffen:

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Mark Kozelek & Jimmy LaValle – Perils From The Sea (2013)

Perils From The Sea (Cover)-erschienen bei Caldo Verde/Cargo Records-

Ja was zur Hölle war denn nun bitteschön zuerst da? Das Huhn? Das Ei? Manche Fragen verkommen in der Tat mit der Zeit, je öfter man sie sich stellt oder gestellt bekommt, zum Geduldsspiel, zum metaphorischen Kausalkettenstelldichein ohne Anfang und Ende.

Auch bei „Perils From The Sea„, der ersten Zusammenarbeit von Mark Kozelek und Jimmy LaValle, könnte man sich diese Frage stellen. Dabei liegen doch die Fakten auf dem Tisch der überlieferten Musikhistorien: Es war Kozelek selbst, der LaValle im September 2011 kontaktierte und ihm eine Zusammenarbeit anbot. Da beide die Arbeit des jeweils anderen seit jeher schätzten, willigte LaValle ohne viel nachzudenken ein. Und siehe da – mit „What Happened To My Brother“, welcher nun den Songreigen des gemeinsamen Albums eröffnet, stand auch schnell das erste Stück. Eines wird sofort klar: hier umkreisen sich zwei Pole. Zum einen der 46-jährige Mark Kozelek, früher Denker und Lenker der Sadcore-Slowrocker Red House Painters, danach Vorsteher der elegischen Americana-Groover Sun Kil Moon und – vor allem – stets tieftrauriger, selbstbegleitender Akustikgitarrenbarde mit einem kreativen Output und Veröffentlichungs- Und Tourneepensum, welches wohl jedem Kollegen die an Schreibblockade grenzende Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte. Zum anderen Multiinstrumentalist Jimmy LaValle, ganz früher einmal Teil des Grindcore-Kollektivs The Locust sowie von Black Heart Procession und nun das Mastermind des Electronica-Projekts The Album Leaf. Beide schufen in der Vergangenheit Großes in ihren jeweiligen musikalischen Nischen. Beide heimsten für ihr Schaffen zwar berechtigtes Lob von Musikfreunden wie kundigen Journalisten ein, konnten – und wollten – jedoch nie den kommerziellen Reibach machen, denn ihre Musik zeichnete stets eines aus: sie entzog sich jeder Plattitüde.

Kozelek & LaValle

Diese beiden umtriebigen Kreativlinge trafen nun gewollt aufeinander. Euphorische Musikfreunde beider Lager erwarteten Großtaten, Skeptiker hingegen elegische Langeweile. Und? Die Wahrheit liegt – zumindest bei den ersten ein, zwei Hördurchgängen – wohl irgendwo dazwischen. Denn offenkundig „spektakulär“ ist keines der elf Stücke. Vielmehr gibt jeder der beiden jene Zutaten in die musikalische Sud, die ihn bislang auszeichneten. LaValle besorgt mit behutsam pluckernden, pumpenden, klackernden Beats, verträumt flirrenden Keyboard- und Synthesizerklänge, die mal an die Folktronica-Sphären seines Stammprojektes, mal an Dubstep-Bekanntmacher wie The xx oder gar an The Notwist erinnern – die instrumentalen Soundscapes. Kozelek legt auf diese so episch wie bedächtig pumpenden Klangteppiche sein sonor windschiefes, unverwechselbares Organ und erzählt große kleine amerikanische Geschichten, wie wohl nur er es kann (und eventuell noch Bruce Springsteen). Diese handeln seit jeher von der Vergangenheit, verpassten Chancen, (Alp)Träumen, Tragödien und dem Leben auf Tour – vom Verlassen und (N)irgendwo ankommen, vom einfachen Leben an der nächsten Straßenecke, von Dreck und Staub, von Licht und Schatten. Doch wo sonst Gitarren – ob nun elektrisch und surrend oder akustisch und gezupft – von eben diesen Geschichten ein stückweit ablenken, stehen diese nun auf „Perils From The Sea“ beinahe komplett nackt da, denn hier lenkt nur höchst selten ein Tönchen den inneren Fokus von Kozeleks Organ, dessen Akustische auf dem Album nur in wenigen Ausnahmen – etwa im romantischen Geständnis „Caroline“ oder  in „Here Come More Perils From The Sea“ – zum Einsatz kommt. Und so kommt der Hörer all den verwandtschaftlichen Aufarbeitungen („Got me thinking about my grandpa for some reason / Met him half a dozen times in a nursing home / The last time I saw him, he was in a box / And they were lowering him into the ground“ – „Ceiling Gazing“), den komplett unkitschigen Liebesbeweisen („And I’m so happy to be alive / To have these people in my life“), den Kindheitserinnerungen („1936“), den Lebewohl-Andenken an verstorbene Freunde, den schaurigen Moritaten („You Missed My Heart“), den Erzählungen vom täglichen Kampf um Leben und Überleben („Gustavo“) so unheimlich nahe, dass man schnell hofft, dass vieles von all dem nur den kreativen Zellen Kozeleks entsprungen sein mag. Denn so persönlich, so intim war der eh schnell zu fragilen Elegien neigende Musiker einem selten. Fast jedes Stück weht hin und her wie eine in Schwarz-weiß oder verblichene Sepiatöne getauchte Fotografie im Wind. Man sieht Menschen, Portraits aus längst vergessenen Tagen. Und obwohl man all dies vermutlich zum ersten Mal vor Augen und Ohren haben mag, scheint es fast so, als seien sie alte Freunde, Bekannte und Wegbegleiter… So neu, so alt, so sehr gestern wie morgen und heute.

Kozelek & LaValle

Natürlich ist „Perils From The Sea“ beileibe kein Album, das dem Hörer sofort und ohne Umschweife entgegen springt, das sich anbiedert und zu sagen scheint: „Höre mich, verfalle mir Hals über Kopf!“. Nein, und so etwas wie poplastige – schlimmer gar: tanzbare Loungemusik! – durfte man von diesen zwei tendenziell in sich gewandten Trauerklössen auch keinesfalls erwarten. Vielmehr bilden Mark Kozelek, der weltenbummelnde, melancholische Geschichtenerzähler, und Jimmy LaValle, der genialisch im Hintergrund agierende musikalische Direktor, für elf wunderbare Songs eine nahezu perfekte, sich organisch ergänzende Symbiose, dessen Schichten sich dem Hörer erst nach und nach erschließen. Denn obwohl einige der Stücke bereits als Konzelek’sche Soloversionen in dessen Live-Programm zu hören waren, erreichen sie erst jetzt – und durch LaValles instrumentale Ausformulierung – ihre wahre Größe. Für den einen mögen sich während der nahezu 80 Minuten, in denen keiner der Songs die Fünf-Minuten-Marke unterschreitet, einige kleine Längen einschleichen. Der andere hüllt sich in diese mäandernden Songmeditationen wie in eine warme Decke. Auf „Perils From The Sea“ werden bewusst nahezu alle Genregrenzen zwischen Singer/Songwriter, Electronica, Folktronica, Dubstep verwischt – ja, selbst Minimal- und Hip Hop-Tendenzen deuten sich an! Und am Ende weckt der zehnminütige, tränenreiche Abschluss „Somehow The Wonder Of Life Prevails“, welcher zum Besten zählt, was beide in ihren nicht eben knappen Diskographien vorzuweisen haben, die Hoffnung, dass „Perils From The Sea“, dieses erlesene Kleinod von seltsam großen Momenten, erst der Anfang einer gemeinsamen Reise ist…

Nach Huhn und Ei kräht längst kein Hahn mehr.

Mark Kozelek & Jimmy LaValle

 

Hier kann man sich mit „What Happened To My Brother“, „Gustavo“ und „Baby In Death Can I Rest Next To Your Grave“ drei Stücke aus „Perils From The Sea“ anhören:

 

Rock and Roll.

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