
Von Zeit zu Zeit tragen die Winde nicht nur die Vulkanasche von Eyjafjallajökull, sondern auch vielversprechende Talente von Island aus hinüber nach good ol‘ Europe. Árný Margrét etwa – ein Name, den man sich notieren sollte (wenn man ihn denn im vergangenen Jahr nicht bereits als Empfehlung im „Musikexpress“ gelesen hat).
Die 20-Jährige stammt aus den Westfjorden, einer dünn besiedelten und abgelegenen Halbinsel im Nordwesten Islands. Geboren und aufgewachsen in einer kleinen Stadt namens Ísafjörður, besuchte sie ab ihrem sechsten Lebensjahr eine Musikschule und lernte Klavierspielen und brachte sich nach und nach das Gitarrespielen bei. Die wenigen Einblicke, die Árný bisher auf YouTube in ihr musikalisches Universum gegeben hat, sind geprägt von einem Gefühl der Einsamkeit und voller Sehnsucht, die sich auch auf ihrer im Februar erscheinenden Debüt-EP „intertwined“ wiederfinden.
Bereits seit einigen Jahren schreibt die Newcomerin anmutige, gefühlvolle Folk-Songs und hat in ihrer Heimat nicht zuletzt mit ihrem Auftritt auf dem Iceland Airwaves „Live From Reykjakvik“-Festival im vergangenen Jahr bereits einige Wellen geschlagen. Mit „intertwined“ erschien Ende 2021 das erste zauberhafte Stück und überzeugte mit einer Lyrik und Vortragsweise, deren Kredibilität und Lebenserfahrung angesichts des jungen Alters der Protagonistin ein wenig verblüffen. Überhaupt färben lebendige Bilder die sehr persönlichen Texte auf der gesamten EP. Jedes der vier Stücke erzählt eine Geschichte der Selbstreflexion und des Rückblicks auf die Menschen und Orte, die das Leben der Isländerin bisher geprägt haben.

Im bereits erwähnten selbstbetitelten Opener „intertwined“ erinnert sich Árný daran, wie sie in ihrem kleinen Raum im Wohnheim in Dänemark saß und aus dem einzigen Fenster mit Blick auf die malerische Landschaft starrte, und wie sie in dieser Einsamkeit von guten und schlechten Erinnerungen überflutet wurde. Sie erzählt: “Past experiences kept coming back to me while I was living in Denmark, everything around me was different. It took some time to get used to. The weather somehow always makes a way into my songs, I use my dreams and my memories, words or phrases. And one day I came up with the lyric ‘our pasts are intertwined’ as if you’re connected to someone you don’t want to be connected to.”
Durch kontinuierliches Schreiben und Reevaluieren entwickelte sich der Song über Wochen weiter, mal in diese, mal in jene Richtung. Árný liebt das, ihren Songs die Zeit und den Raum zu geben, den sie brauchen, sie im Kontext ihrer inneren und äußeren Einflüsse gedeihen zu lassen. “It was winter by the time I was adding the final touches, I was back home when I recorded the harmonies, and it came together, music is weird like that.”
Die wundervolle zweite Single „akureyri“, benannt nach der Stadt am Fuße des Eyjafjörður Fjords in Nordisland, spiegelt eine ähnliche Geschichte aus einer etwas anderen Perspektive wider. “I know I’m weak / When you say that I am weak”, singt sie darüber, wie man sich selbst unfairerweise durch die Augen derer beurteilt, die einen schlecht machen wollen.
Es folgt eine majestätische, ehrliche Coverversion von John Hartfords Country-Juwel „in tall buildings“. Árný erklärt: “[I was] drawn in by his beautiful lyrics, a man saying goodbye to everything as he leaves to go to work„. Das Konzept untermauert die Kernthemen der EP, denn der Abschlusssong „sometime” spielt mit der Metapher einer auf dem Tisch zurückgelassenen Brieftasche: “It’s about leaving something behind so that someone might notice, to see if someone might remember you even if you aren’t there.”
Als Einflüsse nennt sie Adrianne Lenker, Aldous Harding und ihren isländischen Landsmann Ásgeir – alles Namen, welche auch ihren Sound recht gut umreißen (ich selbst würde zudem noch Ane Brun als Namen ins Rund werfen). Derzeit nimmt Árný Margrét im Studio Hljóðriti in Hafnarfjörður ihr Debütalbum auf und beginnt, sich mit ihren intimen und berührenden Live-Auftritten weltweit einen Namen zu machen. Ja, diese Newcomerin sollte man für die Zukunft auf dem Schirm behalten.
Rock and Roll.