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Song des Tages: Muzz – „Red Western Sky“


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Wenn alte Freunde mal eben die nächste „Indierock-Supergroup“ gründen…

Dabei kennen sich Paul Banks und Josh Kaufman seit ihren Teenagerjahren, die Familien der beiden lebten eine Zeit lang in Madrid, wo die beiden die gleiche Schule besuchten und sich gemeinsam an der Gitarre übten. Zurück in den USA, starteten Banks und Kaufman jedoch recht unterschiedliche, unabhängige Karrieren in der Musikszene von New York: ersterer seit 1997 als Sänger der Neo-Post-Punk-Größen Interpol, Kaufman als Mitglied der Indie-Folk-Band Bonny Light Horseman sowie als Musiker und Produzent für Bands wie The NationalThe War On Drugs oder The Hold Steady. Dass die beiden bislang kaum kooperiert haben, sei vielmehr eine Laune des Schicksals, wie Banks feststellt: „Falls es tatsächlich Paralleluniversen gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass in einem Josh und ich seit Jahren eine Band zusammen haben.“ Dass es auf diesem Planeten anders kam, lag schlichtweg am Timing: „Als ich nach New York kam, suchte ich keine Band, sondern wollte eigentlich als Solokünstler durchstarten“, erinnert sich Paul Banks. Zu Interpol kam er schließlich, weil er auf einen anderen alten Bekannten traf: Daniel Kessler, einst Mit-Student bei Auslandssemestern in Paris, der wohl damals einfach eher zur Stelle war als Josh Kaufman.

Aber besser spät als nie: Mit Muzz gibt es nun endlich die gemeinsame Band. Der Dank dafür geht an den dritten Mann im Bunde, Matt Barrick, früher Schlagzeuger von Jonathan Fire*Eater und The Walkmen sowie regelmäßiger Tour-Drummer bei den Fleet Foxes. „Ich halte ihn für einen der besten Rock-Schlagzeuger der Welt“, schwärmt Banks – und nennt auch gleich einen Beweis für seine These: Niemand sei in der Lage, sich beim Hören des Walkmen-Hits „The Ratnicht zu bewegen. Banks und Barrick entwickelten im vergangenen Jahr die Idee, eine Band zu gründen, um zeitlose Musik zu produzieren und eine Platte aufzunehmen, „der man es nicht anhört, ob sie 1970, 1990 oder 2020 produziert worden ist“, wie Banks sagt. Als es darum ging, aus dem Duo ein Trio zu machen, brachte Barrik den Namen Josh Kaufman ins Spiel, worauf Banks erwiderte: „Das ist eine hervorragende Idee!“

0744861145820Nun gibt es sie also, die Gruppe, die sich in einem Paralleluniversum vielleicht längst etabliert hat. Sie trägt den Namen Muzz. „Josh hat das Wort erfunden, er beschreibt damit den Klang unserer Musik“, sagt Banks. Phonetisch liegt der Begriff zwischen „muzzy“ (dt.: benebelt) und „fuzz“, also verzerrten Gitarren. Und das Wort trifft ganz gut, was diese Band auf ihrem in verschiedenen Studios in Philadelphia und New York aufgenommenem Albumdebüt bietet: Ganz zu durchdringen ist diese überaus organische Musik nie, aber sie wabert andererseits auch keineswegs kraftlos dahin. Das ist tatsächlich der Verdienst aller drei Bandmitglieder: Banks singt wärmer und melodieverliebter denn je, Barrick zeigt, dass enorm talentierte Rock-Schlagzeuger nicht immer direkt nach Rock-Schlagzeugern klingen müssen, und Kaufman beweist, dass er ein fantastisches Gespür für Arrangements und Klanggestaltung besitzt. Spät haben sie sich gefunden, die drei, aber die gemeinsame Musik klingt so zeitlos, dass das nichts zur Sache tut.

Gleich im ersten Song „Bad Feelings“ klingt Paul Banks‘ markant brüchige Stimme so schön schwer und angenehm nah, dass man glaubt, man befände sich – ganz anders als sonst bei den oft so unterkühlten Kellerkindern Interpol – im heimischen Wohnzimmer des umtriebigen Musikers, der abseits seiner Hauptband als Julian Plenti auch gern schon mal Solo- sowie mit Wu-Tang-Klan-Rapper RZA als Banks & Steelz auch experimentellere Pfade verfolgt. Ein durchaus formidabler Einstieg, den Muzz jedoch noch mehrfach steigern – und zwar schon in den direkt darauf folgenden Songs „Evergreen“, dessen erste dreißig Sekunden an die Anfänge von Beach House-Stücken wie „Myth“ oder „Space Song“ erinnern, und „Red Western Sky“, einem formidablen Indie-Rock-Song mit fabelhaften Matt-Berninger-Momenten (außerdem dürfte „Everything Like It Used To Be“ wohl eines der besten The National-Stücke sein, die deren Frontmann selbst nicht kennt). Selbst alle, die auf Interpol-artige Musik hoffen, finden diese im herzlich-ruppigen Stück „Knuckleduster“ (wenngleich der Rest der Platte einen anderen, dezent Americana-lastigen Geist atmet).

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In ihren Songs sinnieren Muzz über seelische Gesundheit und über das Streben nach Glück. Über „Broken Tambourine“, ein Stück, das einen mit sanften Klavierklängen und dezentem Vogelzwitschern empfängt, sagt Banks: „Der Song ‚Broken Tambourine‘ handelt, kurz gesagt, von Traurigkeit und Freude und der ungleichmäßigen Verteilung dieser Elemente.“ Hört sich irgendwie bekannt an? Tatsächlich wirkt die erste gemeinsame Platte von Paul Banks, Josh Kaufman und Matt Barrick an mancher Stelle wie ein Artefakt aus den späten Sechzigern, wie eine superwarme LP von The Velvet Underground, die bislang noch niemand außer Griesgram Lou Reed entdeckt hat. Durch die Songs schimmert jedoch ebenso die mollige Weichheit der besten Psychedelic-Momente von Mazzy Star, die Wüsten-Klangmalereien von Calexico, das Traditionsbewusste des Duos She & Him, die Shoegazer-Atmosphäre von Slowdive, die Intimität samtener Soul’n’Jazz-Alben oder – fast schon logisch – ein wenig von der besinnlichen Romantik von The National.

Sehr empfehlenswert sind übrigens auch die in Quarantäne entstandenen (Akustik-)Videos zu „Bad Feelings“ und „Trinidad„, dem letzten Stück des Albums. Heimliche Stars darin: Ein Topf abgerupfter Petersilie in Paul Banks‘ Küche und die auf einer großen Wiese stehende, ausgeschaltete Nathan Coley-Leuchtschrift-Skulptur „There will be no miracles here“. Denn in etwa so klingen auch Muzz: anrührend, melancholisch und sehr nah. Musik, die im Dunkeln leuchtet.

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John Lennon und die Arctic Monkeys… – Eine visuelle Ode an das Bandshirt


Hätte DAS gepasst? - John Lennon bekennt sich zu den Arctic Monkeys...

Die Geschichte des Bandshirts ist beinahe so alt wie die Popmusik selbst…

Als der Hard Rock in den Sechzigern und Siebzigern seinen Höhepunkt erlebte, begannen immer mehr Künstler und Bands, T-Shirts mit ihrem Logo und/oder mehr oder minder gelungenen und geschmackssicheren Grafiken an ihren Merchandiseständen anzupreisen. Ihre Die-Hard-Fans nahmen das Angebot nicht selten dankbar an, erstanden ein Andenken an das soeben erlebte Konzert und liefen fortan mit fast religiöser Verehrung für ihre Lieblingsband Werbung – die Litfasssäule mit Brust und aus Fleisch und Blut war geboren, wenn man so will…

Dass eine so simple wie erfolgreiche und beidseitig glücklich machende Idee nicht eben im kommerziellen Sande versickern würde, dürfte klar sein. Über die Jahrzehnte wurde das Bandshirt mehr und mehr zum Usus und kleinsten wie einfachsten gemeinsamen Nenner des schnellsten Ausdrucks der Vorlieben und Interessen. Heutzutage kann man von so ziemlich jedem Künstler und jeder noch so unbekannten Band ein Stoffleibchen erstehen, sei es nun über deren Homepage, über Kataloge, ebay – oder, wie damals, direkt am Konzert-Merchandisestand…

Der brasilianische Visual Arts-Künstler Butcher Billy geht da noch einen kleinen Schritt weiter und hat den Idolen heutiger Künstler die Bandlogo-Shirts der Emporkömmlinge übergestreift. Da stellen sich denn auch gleich mehrere Fragen: Hätte John Lennon allen Ernstes die Arctic Monkeys gemocht? Hätte man tatsächlich Joy Division und Interpol gleichzeitig gebraucht? Kupfert Ex-Disney-Girlie Miley Cyrus letztendlich nicht nur bei Kiss-Langzunge Gene Simmons ab? Hätten die Foo Fighters auch ohne Kurt Cobains Ableben zum Karrierekick angesetzt? Und: Wie hoch war der Einfluss von Glamgott David Bowie auf Nirvana wirklich? Nichts Genaues weiß man nicht, interessant anzusehen ist Butcher Billys „Zurück in die Zukunft“ gedachte Verbeugung vor der Historie des Bandshirts allemal…

 

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Alle Bilder: Butcher Billy

 

Mehr zum Künstler selbst gibt’s auf dessen Red Bubble– und Society6-Seiten.

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Schluss, aus, vorbei! Mit dem ersten „Album der Woche“ hält nun auch auf ANEWFRIEND das Jahr 2013 endgültig Einzug. Aber bei all den bevorstehenden potentiell großartigen Neuveröffentlichungen lassen wir uns vom ausgefallenen Weltuntergang doch gern zum Weitermachen zwingen, oder?

„A revolution without dancing is a revolution not worth having.“

(V For Vendetta)

Yesterday Shop – Yesterday Shop (2012)

Yesterday Shop (Cover)-erschienen bei Trickster/Broken Silence- 

Löblich ist, dass sich die „Brigitte“ für’s neue Jahr wohl auf die Redaktionsfahnen geschrieben hat, ihren Teil zur Förderung des talentierten deutschen Musikernachwuchses beizutragen. Weniger schmeichelhaft ist dann jedoch, wie gekonnt die doch eher für hausfräuliche Modestrecken und 1001 Abnehmtipps bekannte Illustrierte in ihrer kurzen Einschätzung auf die falsche Fährte abbiegt: „Yesterday Shop setzen mit ihrem Indie-Pop in etwa da an, wo Chris Martin & Co 2005 nicht weitergemacht haben.“ Öhm… ja. Leider hat das, was man dann auf dem selbstbetitelten Debüt von Yesterday Shop zu hören bekommt, rein gar nichts – und das ist bitte ausdrücklich positiv gemeint – mit all dem zu tun, was Coldplay nach ihrem fulminant guten, 2002 erschienenen Zweitwerk „A Rush Of Blood To The Head“ zustande gebracht (respektive: verbrochen) haben. Zugute halten sollte man den „Brigitte“-Damen – und Herren? – jedoch, das ihnen all die näher liegenden Vergleichsbands unter Garantie kaum etwas sagen werden. Dabei beweist das aus dem Schwabenland – genauer: Reutlingen – stammende und sich mittlerweile auf Hamburg und Berlin verteilende Quintett während der elf Stücke – beziehungsweise 44 Minuten Spieldauer – mehrfach, dass es schon mit dem Debüt zum Sprung hin zu internationalen Weihen bereit scheint…

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Bestimmt nach dem atmosphärischen, an Sigur Rós gemahnenden Intro „Voile“ in „Fat Man & Little Boy“ anfangs noch androgyner, sich überlappender Falsettgesang á la Maximilian Hecker die Szenerie, nimmt der Song, dessen Titel die Codenamen der beiden 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben zitiert, schon bald an Fahrt zu, nur um sich am Ende wieder in einer einsamen Gitarre zu verlieren. Das dezent an die Foals erinnernde „Winter Act I“ wechselt immer wieder zwischen atmosphärisch-leichten Flächen und kurzen Ausbrüchen hin und her und wird im Hintergrund gewinnbringend von Streichern und weiblichem Backgroundgesang unterstützt. Rein musikalisch schlägt da „Slow Motion Olymp.“, dessen Synthesizer den Hörer schon einmal sanft Richtung Tanzfläche schubsen, nur um im Mittelteil das Shoegazerhaupt diebisch grinsend wieder zu senken, und gegen Ende erneut zu schubsen, einige Haken mehr, während „Paralyzing“ mit den hallenden Vocals von Sänger Clemens Kluck, einer einsamen Akustikgitarre, weiten Soundscapes, Handclaps, einem fernen Schlagzeug und Klaviertupfern zum Träumen einlädt. „Paris Syndrom“ stellt mit seiner eingängigen Melodie so etwas wie den „Hit“ der Platte dar, das darauf folgende „Ludwig II“ fährt als Hommage an den bayrischen „Märchenkönig“ die ganz großen Kopfkinogeschütze auf: Synthesizerflächen wabern umher, der Gesang ebbt auf und ab, Gitarrenfiguren umspielen sich sanft, nur um am Ende den Ausbruch zu wagen. In „Me & Meursault“, in Titel und Text eine Reminiszenz an Albert Camus‘ Roman „Der Fremde„, scheinen sich technoide Flächen erstmals gegen die Gitarren durchzusetzen, „Modern Philosophy“ bildet trotz der ein oder anderen hektisch mitspielenden Gitarre – zumindest anfänglich – einen Ruhepol, der alsbald dem Hymnus anheim fällt, in „Winter Act II“ zeigen sich wieder die an den Foals geschulten Gitarren und Harmonien. Im siebenminütigen Abschluss „We Like Chopin“ fahren Yesterday Shop noch einmal alle Register hoch und verabschieden sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden musikalischen Waffen und einem ordentlichen Eindruck: dichte Atmosphäre, die sich in Klangflächen verliert, unaufdringlicher Gesang und ein Song, der erst Stufe für Stufe erklimmt, um final und mehrstimmig langsam abzuebben.

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Natürlich sind Yesterday Shop, die sich den Bandnamen von einem befreundeten Kurzfilmer „entliehen“ haben, auf ihrem gemeinsam mit Produzent Kristian Kühl in Hamburg aufgenommenen Debüt von bandinternen Vorbildern wie Radiohead noch so weit entfernt wie, sagen wir, die TSG Hoffenheim vom erfolgreichen Klassenerhalt – oder, um den fussballunkundigen Monopolyfreunden unter euch einen Vergleichspunkt zu liefern, die Theaterstraße von der Schlossallee -, jedoch können alle, denen die bisher erwähnten Vergleichsbands und -künstler, allen voran die immer wieder ins Feld geführten Foals, aber auch Freunde zum Beispiel der Editors, Interpol oder den bayrischen Landmännern Slut, hier mehr als ein Ohr – und auf Tour auch ein Auge – riskieren. Denn Bands wie Yesterday Shop, die in der heutigen, musikgeschäftstechnisch nicht eben risikofreien Zeit das Wagnis der Gründung eines eigenen Labels (in diesem Fall „Trickster“ – jaja, wieder so ein selbstgewählter potentieller Radiohead-Verweis) sowie der Finanzierung via Crowdfunding eingehen, sind durchaus unterstützenswert. Umso schöner, wenn die Songs dieser talentierten Schlauberger dann mit ihren Kopfkinovarietévorstellungen in grauen Wintertagen auch noch zu Kopfhörertagträumen einladen… „Brigitte“ sei Dank!

 

Auf der Soundcloud-Präsenz der Band kann man sich einige der Songs des Debütalbums anhören…

 

…und hier das durchaus sehenswerte Video zu „Paris Syndrom“ flimmern lassen:

 

Und, für alle Freunde der gepflegten musikalischen Bühnenunterhaltung: Yesterday Shop sind in diesen Tagen – also: im Rahmen ihrer „Januar-Tour“ – live und in Farbe zu erleben:

– 15.01.2013: Societätstheater, Dresden

– 16.01.2013: Atomino, Chemnitz

– 17.01.2013: Merlin, Stuttgart, Pop Freaks Festival

– 18.01.2013: KiFF, Aarau (CH)

– 19.01.2013: MuZClub, Nürnberg

– 22.01.2013: Schlosskeller, Darmstadt

(…mehr dazu hier)

 

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