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Sunday Listen: Palila – „Mind My Mind“


(gefunden bei Facebook)

Ornithologen wissen’s vermutlich, der wenig(er) zwitschernde Rest darf mit diesem Fakt gern (s)eine Allgemeinbildungslücke füllen: Früher hieß der Schwarzmasken-Kleidervogel einmal Palila – und das ist dann auch der Name, den sich die Hamburger Matthias ‚Mattze‘ Schwettmann und Christoph Kirchner für ihr gemeinsames Bandprojekt aussuchten, als sie selbiges anno 2019 ins Leben riefen und etwas später – mitten in der Pandemie – dann noch durch den hauptberuflich als Musikjournalist arbeitenden Schlagzeug-Veteranen Sascha Krüger ergänzten. Apropos „Pandemie“: Als Palila nach zwei EPs im November 2021 ihren Debütlangspieler „Rock’n’Roll Sadness“ auflegten, war die vermaledeiete Weltstillstandspause noch in vollem Gange – und somit gebührt dem umtriebigen Trio nun die „Ehre“, zu den wenigen Bands zu gehören, die dieser Tage bereits ihr zweites Corona-Album vorlegen.

Mind My Mind“, was sich in etwa mit „Achte auf meine Gedanken“ übersetzen ließe, ist jedoch glücklicherweise kein Werk geworden, welches sich die Pandemie zum expliziten Thema macht, sondern eines, das eher einen Gegenentwurf zu Dauerstreminglangeweile, Dosenravioli und leeren Klopapierregalen darstellt. Dabei beschäftigen sich die beiden Songwriter Schwettmann und Kirchner viel mit den inneren Gedankenwelten, welche bereits im Coverartwork schematisch angedeutet werden und resümieren in Songs wie dem melancholischen Opener „Planet C4DCB“ oder „Minnesota Winter“ (einem Song über das Saufen, wie Mattze attestiert) auch viel über das Musikerleben.

Kreativkopf Schwettmann, der auch als Gitarrist und Sänger fungiert, verarbeitet in den neuen Stücken zudem seine Scheidung und fügt in Songs wie etwa „Try To Fail Again“ noch einige sozialkritische Gedankengänge aus persönlicher Sicht bei, die im besten Falle in motivierenden Erkenntnissen gipfeln – wie der, dass man aus Fehlern durchaus lernen kann. Das Textliche ist Palila also schon irgendwie wichtig – aber keineswegs der wichtigste Grund, warum die Jungs zusammen spielen. Das sind vielmehr die „geilen Songs“, wie Schlagzeuger Sascha Krüger anmerkt, der allein derentwegen aus der musikalischen Frührente zurückgekehrt ist und sich Palila angeschlossen hat.

„Palila spielen Musik für Menschen mit Leben auf der Uhr und schmerzhaften Erinnerungen im Gepäck. Mit echten Gründen für Wehmut und Melancholie, die sie in ihren Sound packen.“ (die Band über sich selbst)

Freilich mag es nicht der Sound der Stunde sein, den die drei Hanseaten von Palila da auf ihrem zweiten Langspieler präsentieren. Dafür ist er (der Sound) jedoch hemmungslos vereinnahmend, nahezu unkaputtbar – und vielmehr zeitlos denn retro. Zudem gibt sich die Combo gar nicht erst große Mühe, einen Hehl aus all den zahlreichen musikalischen Präferenzen und Inspirationsquellen zu machen – und plündert sich umso munterer durch die Musikhistorie. So listen die Jungs zum Beispiel Wilco, Big Star oder die Replacements als Vorbilder auf und lassen auch dementsprechende musikalische Referenzen in ihr tönendes Tun einfließen. Dazu kommen noch so einige Acts aus der Zeit den Grunge- und Indie-Rock-Szenen der seligen Neunzigerjahre: mal klingen Buffalo Tom an, mal Hüsker Dü oder die frühen Smashing Punpkins – und gaaaaaanz viel Dinosaur Jr. sowie Nada Surf. Nur bei Neil Young ist sich das Dreiergespann nicht ganz so einig, denn während Schwettmann und Bassist Kirchner bekennende Fans sind (und Schwettmann auch fast genauso schön wie „Uncle Neil“ knödeln kann, wenn er denn nicht gerade ebenso windschief trällert wie J Mascis), hält Krüger den kanadischen Folkrocker mit US-Pass für – Frevel, Frevel! – überbewertet und bemüht sich aus Leibeskräften gegenzusteuern, wenn die Sache denn mal zu sehr in Richtung Crazy Horse abzudriften droht… Und am Ende sind wohlmöglich gerade solche kleinen geschmacklichen Dissense das Palila’sche Erfolgsgeheimnis, denn im fad-bloßen Emulieren von bereits Gehörtem sieht das Trio nicht seine Aufgabe. Songs wie „Restless“, das bereits erwähnte „Try To Fail Again“ oder auch das tolle, von pulsierenden Bassläufen getriebene „Circles“ gefallen gerade deswegen, weil hier nicht ein Stil bedient, ein Vorbild zitiert oder eine musikalische Idee verwirklicht wird, sondern immer alles schön munter kombiniert, gedoppelt und vervielfältigt wird, bis dabei am Ende ein eigenständiger potentieller kleiner Hit ums Eck lugt – mindestens. So oder so bekommen alle geneigten Ohren hier klassischen Indie Rock vom Feinsten präsentiert – hymnisch und melancholisch, mit positiven Enden und hartnäckigen Melodien.

   

 
 
 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Sir Chloe – „Hooves“


Mit den Pixies oder Beck auf Tour zu gehen und mit Harry Styles (ja, genau dem Harry Styles) befreundet zu sein, noch bevor man sein Debütalbum veröffentlicht hat, kann schon für mächtige Vorschusslorbeeren sorgen – Millionen von Spotify-Streams hin oder her. Da stellt sich – halb logisch, halb selbstverständlich – die Frage: Wie gut ist diese Band, die von solch hochgelobten und einflussreichen Künstlern unterstützt wird, nun wirklich? Und zumindest im Fall von Sir Chloe kann ebenjenes Fragezeichen mit einem fixen „Tatsächlich gar nicht mal übel!“ beiseite gewischt werden.

Gänzlich neu ist die 2017 gegründete Newcomer-Band um Sängerin, Songwriterin und Gitarristin Dana Foote, zu der noch Gitarrist Teddy O’Mara, Bassistin Emma Welch, Keyboarder Austin Holmes und Schlagzeuger Palmer Foote gehören, freilich nicht, schließlich machte man bereits 2020 mit der EP „Party Favors“ sowie dem viralen Mini-Hit „Michelle“ auf sich aufmerksam. Seitdem hat das aus dem US-amerikanischen Vermont stammende Quintett fleißig an ihrem Sound-Outfit und neuen Songs gewerkelt. Das Ergebnis: ihr nun erschienener Debüt-Langspieler „I Am The Dog„, der sich klanglich irgendwo zwischen Neunziger-Grunge, St. Vincent und PJ Harvey positioniert – in elf recht kompakten Akten, die zwar nie die Vier-Minuten-Marke reißen, dafür jedoch umso düsterer schimmern, faszinierendst einlullen, und an den richtigen Stellen narkotisch zubeißen.

Mit am besten beweist all das die vorab veröffentlichte Single „Hooves“, in welcher Sir Chloe reichhaltige Wandteppiche aus düsteren Gitarren, melodischen Akkordwechseln und der lasziv-lässigen Stimme von Leadsängerin Foote weben, in deren Berge sie sich anschließend kopfüber hinein stürzen. Liest sich enigmatisch? Nun, dazu passen denn auch Dana Footes Textzeilen: „I don’t wanna hold hands / I don’t wanna hold hands / You’ve been chewing my hair / Over and over again“.

Gleichsam symbolträchtig und rätselhaft gibt sich das dazugehörige Musikvideo, bei dem Molly Hawkins und Grant Spanier Regie führten – hochstilisierte Bilder, eine dezent grungy Ästhetik sowie ein Hauch von Mystik inklusive. Es beginnt mit einer Szene, in der Foote allein in einem roten Raum in weltbester „Twin Peaks“-Optik steht und ein Lamm auf ihren Schultern trägt. Während der Song immer intensiver gerät, wandert die Sir Chloe-Frontfrau mit dem an die junge Madonna erinnernden Porzellanpuppengesicht anschließend durch eine Reihe weiterer Räume und manische Montagen, in denen ihr eine wachsende Anzahl von Schafen und Lämmern als einzige Gesellschaft dient. David Lynch hätte es wohl kaum besser hinbekommen.

Wen all dieser optische Mystizismus und das in manchem Moment doch recht schroffe Klangoutfit nicht längst in die Flucht geschlagen haben, der sollte auch den anderen Songs von „I Am The Dog“ durchaus (s)ein Ohr leihen, denn die Platte eignet sich sowohl als Untermalung eines schwülwarmen Roadtrips als auch als Soundtrack für bierselige Abende im heimischen Garten und schafft es, sowohl die helle Sommersonne als auch den dunklen Abendhimmel in sich zu vereinen. Die Empfehlung „Die sollte man im Auge behalten!“ mag zwar oft etwas vorschnell Verwendung finden, doch wenn Sir Chloe ihren derzeitigen Weg fortsetzen, werden sie wohl nur schwerlich zu übersehen sein…

  
 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Alex Lahey – The Answer Is Always Yes (2023)

-erschienen bei Liberation-

Alex Lahey wurde in ihren bisherigen dreißig Lebensjahren wohlmöglich bereits recht oft mit dem unschön-finalen Wort „Nein“ konfrontiert. So beschreibt sie selbst, wie sie schon früh ihr Außenseitertum spürte und es sich für sie als queeres Migrantenkind so anfühlte, als sei die Welt einfach nicht für sie gemacht. Verwunderlich ist es dennoch nicht, dass ihr drittes Album nun den Titel „The Answer Is Always Yes“ trägt, schließlich hat Laheys Musik die Umarmung anderer verlorener Seelen schon immer über die eigenen Tauchgänge ins Jammertal Selbstmitleid gestellt. So verwies etwa der ziemlich genau vier Jahre zurückliegende Vorgänger „The Best Of Luck Club“ auf empathische Kneipengespräche in dessen Aufnahmeort Nashville. Und obwohl die neuen zwei Handvoll Songs den glasklaren Upbeat-Indie-Rock-Sound der ersten beiden Alben ein wenig hinter sich lassen, zeigt sich bei „The Answer Is Always Yes“ das offene Ohr für andere Menschen bereits im Entstehungsprozess, da die Australierin hier zum ersten Mal externe Songwriter integrierte, unter anderem den umtriebigen Iren Jacknife Lee (U2, Snow Patrol, Editors). Ja-Sagen bedeutet für Lahey eben nicht dumpfes Abnicken, sondern ständige Weiterentwicklung und Vorwärtsbewegung, und vor allem den unbedingten Willen, allen Widrigkeiten zum Trotz das Beste aus dieser so oft so absurden Welt und diesem unvorhersehbaren Irrgarten namens „Leben“ zu machen. Ihr unkomplizierter Indie-Pop-Rock vermittelt diese Beharrlichkeit trotz tendenzieller Kantenglättung mithilfe von roher Emotionalität, ohne dabei die dunkleren Momente des Daseins unbeachtet im Schatten stehen zu lassen.

Zu Beginn der knapp 35 Plattenminuten strahlt die Sonne Melbournes jedoch noch herrlich wolkenfrei durch die Platte. Zwar schneidet eine Laufsteg-fertige St.-Vincent-Gitarre durch die Handclap-Strophen des eröffnenden „Good Time“, doch bläst der Refrain jedes windschiefe Dach wieder gerade. Ganz ähnlich wie bei der eh dauerarschcoolen Annie Clark könnte man in manchem Moment fast meinen, dass Alex Lahey die Sonnenbrille längst auf der Nase festgewachsen sei. Und überhaupt: Die Hooks bleiben auch 2023 das Herzstück des Songwritings der Aussie-Indierockerin, dessen Einfachheit man nie mit Banalität verwechseln sollte – damit würde man vielsagenden Zeilen wie “Everyone is a bit fucked up / But they think they’re okay”, welche das Album wohl nicht ganz ohne Grund eröffnen, auch einfach unrecht tun. Apropos Tiefgang bei genauerem Hinhören: das an Wet Leg erinnernde „They Wouldn’t Let Me In“ etwa behandelt kurz vor Schluss schlaglichtartig, wie ihre Teenager-Zeit von Ablehnung und Ausschluss geprägt war – und bildet den daraus gewachsenen Frust mit knorrigem Post Punk samt Sprechgesang, Gang-Of-Four-Riffs und borstigem Bass ab, der sich jeder Auflockerung verweigert. Nicht das einzige Mal, dass „The Answer Is Always Yes“ seine erlösenden Ausbrüche hinauszögert: Das Emo-Storytelling von „The Sky Is Melting“ baut sich Schicht für Schicht auf und entfesselt seine ganze melodische Wucht erst am Ende nach einem Piano-dominierten Intermezzo. Die Laut-Leise-Dynamik versteht auch das akustisch beginnende „Permanent“, wenn es in der zweiten Hälfte auf kathartische Weise den Strom anstellt. In solchen weniger konzisen Songs beweist die Musikerin auch ohne radikale Stilbrüche die Dehnbarkeit ihrer Pop-Formel. Zudem dürfte der Flair-Verweis auf den My Chemical Romance’schen Song „Summertime“ in “Makes Me Sick” höchstens all jene verwundern, die Laheys vor einiger Zeit für den australischen Radiosender triple j eingespielte fantastische Coverversion des MCR-Gassenhauers „Welcome To The Black Parade“ sträflichst verschlafen haben.

In „Congratulations“ wiederum singt sie zu voll aufgedrehtem Fuzz und dezentem Grunge-Gestus über zwei ihrer Ex-Freundinnen, die beide unabhängig voneinander in kurzer Zeit heirateten, und die von dieser Neuigkeit ausgelösten Gefühlstumulte. „I’m doing just fine without you“, heißt es da – ob nun sarkastisch oder aufrichtig, das bleibt analog zu den formulierten Glückwünschen unklar. Und Zeilen wie „If I don’t care, then why do I / Still think about you all the time?“ verdeutlichen, dass die Urheberin sich selbst, aller triefenden Ironie zum Trotz, nicht so sicher ist. Zum Leben gehört eben auch die Erkenntnis, dass selbiges nicht immer rosig verläuft. An anderer Stelle gibt es jedoch weder Kompromisse noch Missverständnisse: „You’ll Never Get Your Money Back“ äußert schon im Titel verdammt eindeutige Worte, bevor feinste Indie-Disco-Gitarren loslegen, und das auf den Punkt gespielte „Shit Talkin'“ kotzt sich in der wohlmöglich eingängigsten Hook des Albums über Lästermäuler aus. Doch jeder Hauch von Misanthropie ist verschwunden, sobald die passionierte Menschenfreundin im triumphalen Titelstück-Closer zu Saiten-Krach und sich auftürmendem Schlagzeug das Glas erhebt – als würde sie noch immer an jenem Tresen in Nashville sitzen und verständnisvolle Schulterklopfer mit denjenigen austauschen, die solche genauso wie sie selbst gebrauchen können: “I just want a good time / Don’t care how, but I know everybody needs it”. Amen. Eine ehemals punkrockende deutsche Kapelle sang einst recht gleichsam trefflich: „Und grad deswegen: Auf das Leben! Also noch ein Bier und noch eine Geschichte? „The anwer is always yes.“

     
  

Rock and Roll.

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Sunday Listen: Silver Moth – „Black Bay“


Foto Promo / Peter Millson

Stuart Braithwaite ist ein vielbeschäftigter Mann. Erst letztes Jahr gab er seine Memoiren mit dem schönen Titel „Spaceships Over Glasgow: Mogwai, Mayhem and Misspent Youth“ heraus, seine Hauptband, die schottischen Post-Rock-Pioniere Mogwai, veröffentlicht in beinahe uhrwerksartiger Regelmäßigkeit kopfkino’eske Alben und Soundtracks (zuletzt 2022 zum Krimi „Black Bird“) und jetzt hat er auch noch eine neue Supergroup. Und selbst damit hat der 46-jährige Gitarrist schon Erfahrung, schließlich nahm er 2016, unter anderem mit Rachel Goswell von Slowdive und Justin Lockey von den Editors, als Minor Victories ein nicht eben übles, überzeugend zwischen Shoegazing-, Noise-Pop- und Dream-Pop-Momenten changierendes Album auf.

Dieses Mal heißt das Projekt Silver Moth, außer Braithwaite sind noch seine Frau, die Musikerin Elisabeth Elektra, und fünf weitere Musiker*innen von Bands wie Abrasive Trees oder Burning House dabei. Der Titel des dabei herausgekommenen Albums, „Black Bay„, ist auch der Name des Studios auf der Isle Of Lewis auf den Äußeren Hebriden, in dem das Kollektiv, welches 2021 auf der Kurznachrichtenplattform eines berüchtigten Milliardärs zum ersten Mal den Kontakt zueinander fand, die sechs teils recht langen Stücke in nur vier Tagen aufnahm. Der stramme Zeitplan macht sich bemerkbar: Viele Songs basieren offensichtlich auf Jams, meist bildet ein einziges Gitarrenriff den Dreh- und Angelpunkt, egal ob das Lied nun fünf oder fünfzehn Minuten lang ist.

Ton gewordene Langatmigkeit also? Keineswegs, denn in ihrem besten Momenten entfalten die Songs im Zusammenspiel von ohrenbetäubendem Post Rock im Mogwai-Stil, Elisabeth Elektras und Evi Vines verhuschtem Gesang und Talk-Talk-artigen, luftigen Folkstrukturen eine hypnotische Sogwirkung. Wenn etwa das per Field Recording auf Band gebrachte Meer in „Gaelic Psalms“ an den einsamen Strand plätschert und Streicher zu den Zeilen des schottischen Dichters Gerard Rochford bedrohlich anschwellen, glaubt man sich mit der Band auf der abgelegenen schottischen Insel wiederzufinden, während der Nebel durch jede Pore kriecht. Apropos Entrücktheit: Auch im Opener “Henry” schlägt einem eine gleichsam gewaltige wie sanfte Welle an Melancholie entgegen, die sich durch die hallige, weite Instrumentierung nahezu unendlich anfühlt. Man denke an die Indie-Folker von Daughter, wenn diese den Post Rock noch mehr als ohnehin schon für sich entdecken würden. Etwas mehr der Welt da draußen wenden sich Silver Moth in „Mother Tongue“, einem Empowerment-Song für marginalisierte Gruppen, zu. Seinen Höhepunkt in Bezug auf die Intensität erreicht das Album im 15-minütigen Giganten “Hello Doom”, der mit seinem Titel ein wenig seines Inhalts vorwegnimmt und zwischen Noise Rock, Drone und eben Doom Metal eine verstörende, apokalyptische Stimmung herbeibeschwört.

Letztlich ist es jedoch vor allem der Closer “Sedna”, der mit schwirrenden Drone-Klängen und einem für diese Platte ungewohnt geradlinigen Schlagzeug im Gedächtnis bleibt. Gerade hier scheinen die vielen guten Ideen der am Projekt Beteiligten pointiert im Songformat zusammenzufließen. Alles in allem tönt „Black Bay“ ähnlich karg wie sein Entstehungsort und macht sich herzlich wenig Gedanken darüber, ob es irgendwann einmal entdeckt wird. Vieles schwillt stetig an, raunt durch Leib und Seele und verschwindet darauf wieder in die Dunkelheit. Das klingt im besten Fall interessant und besonders, im schlimmsten rauscht es an der Grenze zur Belanglosigkeit am inneren Kopfkino wieder vorbei. Das Band-Kollektiv wird wohl mit beidem leben können.

     

 
 

Rock and Roll.

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Song des Tages: wrest – „Keep Going“ (live from Barrowlands)


Foto: Promo / Martin Mckeown

Unlängst ließen wrest mit der Single “Keep Going” die ersten neuen Töne seit ihrem zweiten, im März 2022 veröffentlichten Album „End All The Days“ hören. Nun präsentiert der aus dem schottischen Edinburgh stammende Indie-Rock-Vierer selbigen Song noch einmal im reduzierten Live-Acoustic-Gewand. Die Wahl der Location fürs Video fiel aus gutem Grund auf den Barrowland Ballroom in Glasgow, schließlich steht der Termin für ihr Konzert im August 2024 an gleicher Stelle bereits fest (vorher werden wrest noch hierzulande unterwegs sein). Für die (noch) intimere Version der Ballade entschlossen sie sich, schon vorher dort einzukehren – diesmal blieben sie jedoch noch unter sich.

Und tatsächlich: Die Worte “Never wanted to be found / Think I’ll notice you around” wiegen schwer in der Totale in dem verlassenen Tanzsaal. Die Band selbst, von der bei ANEWFRIEND bereits 2019 die Schreibe war, beschreibt ihren Sound als “happy sad” – die neue Single und die kommende EP „Bedtime Rhymes“, welche in den Castle Of Doom Studios, einem Tonstudio, das der den Post-Rock-Schotten von Mogwai gehört, seien hingegen “sad sad”. Ein ironisches Augenzwinkern? Darf man sich landestypisch freilich gern dazudenken…

 
 

— wrest LIVE —

27.05.2023 Beverungen – Orange Blossom Special
03.08.2023 Saarbrücken – Studio 30
03.-05.08.2023 Elend bei Sorge – Rocken am Brocken
06.08.2023 – Berlin – Badehaus
09.08.2023 – Hamburg – Molotow
11.08.2023 – Eschwege – Open Flair Festival
31.08.2023 – Düsseldorf – Vierlinden Open Air
01.09.2023 – Pünderich – Oben Air
15.09.2023 – Osnabrück – Kleine Freiheit
16.09.2023 – Hannover – Faust
17.09.2023 – Dresden – Beatpol

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Danger Dan – „Ingloria Victoria“ (Live in Berlin)


Foto: picture alliance / dpa / Carsten Koall

Am 30. April 2021 erschien „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ von Danger Dan als erste Veröffentlichung des neu gegründeten Labels seiner Antilopen Gang noch in recht zurückhaltender in Kleinstauflage. Zwei Jahre später können er und alle Beteiligten gar nicht mehr sagen, wie oft sie vor allem die Vinylauflage des Albums inzwischen nachgepresst haben. „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ enterte Platz eins der deutschen Album-Charts, gewann drei „Preise für Popkultur“, einen „Deutschen Kleinkunstpreis“ und unzählige neue Fans. Danger Dan hat die Songs seines zweiten Solo-Langspielers – allen voran das durchaus skandalträchtige Titelstück – ebenso vor tausenden von Leuten in einigen der ehrwürdigsten klassischen Konzertsäle der Republik aufgeführt wie auf dem größten Punk-Festival Deutschlands, gemeinsam mit Igor Levit im „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann und bei unzähligen anderen Gelegenheiten.

Nach dutzenden bis unzähligen umjubelten Konzerten, von den ganzen kleinen Clubs bis hoch in die prunkvollsten Säle und Paläste der Republik, ist es da nur folgerichtig, dass am 2. Juni 2023 „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ als 16 Songs umfassendes, Anfang November 2022 im Berliner Admiralspalast aufgenommenes Live-Album erscheint. Neben einem großen Teil der Songs des Klavieralbums enthält es auch einige ältere Danger Dan-Songs, die hier erstmals in neu arrangierten Versionen mit Klavier und Streichern wiederveröffentlicht werden.

Eines der Stücke, „Ingloria Victoria“, nach „Ölsardinenindustrie“ der zweite Vorgeschmack aufs kommende Live-Album, richtet sich auch auf ehrwürdigen hauptstädtischen Bühnenbrettern mit gewohnt bissigen Worten gegen das Gymnasium in Daniel Pongratz‘ (so Danger Dans bürgerlicher Name) Geburtsstadt Aachen und ist gleichzeitig als grundsätzliche Kritik am deutschen Schulsystem zu verstehen. Am Schluss des Songs zeigen seine beiden Mittelfinger unverhohlen, was er von seiner Schulzeit und jenem Aachener Victoria-Gymnasium hält.

„’Ingloria Victoria‘ ist eine zu Klaviermusik gewordene Abrechnung mit der Aachener Schule, von der der zum Chansonnier mutierte Rapper aus dem Hause Antilopen Gang vor über 20 Jahren geflogen ist“, heißt es in der Pressemitteilung. Und weiter: „Damals war für seine Lehrerinnen und Lehrer noch nicht abzusehen, welchen Weg dieser Störenfried einmal einschlagen und dass seine Musik eines Tages wie ein böser Fluch zurück auf den Schulhof und sogar in das Lehrerzimmer finden würde“.

Und der Erfolg, welchen ihm zu seiner Schulzeit wohl nur wenige Lehrer zugetraut hätten, gibt dem Musiker mittlerweile recht, denn ebendieser „Störenfried“ spielt sowohl am Tag seines Live-Album-Releases als auch am Tag darauf in der nicht eben kleinen Berliner Parkbühne Wuhlheide. Ein amtliches Statement, das jedoch auch einen guten Grund hat: Danger-Dan-Pongratz‘ 40. Geburtstag am 1. Juni. Dazu passt auch das Motto: „40 Jahre Danger Dan: Das schönste (und längste) Fest meines Lebens mit all meinen Freundinnen und Freunden“ -liest sich, als wäre auch mit einer Menge Gästen zu rechnen. Das Live-Album kann bereits in verschiedenen Ausführungen vorbestellt werden und auch für die erste der beiden Berlin-Shows gibt es noch Tickets.

 

 

Rock and Roll.

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