Ein Abend in Berlin, März 2005: Omar Rodriguez-Lopez und Cedric Bixler-Zavala sind mit ihrem vielköpfigen Progrock-Kollektiv The Mars Volta in den – zugegeben wie immer klanglich höchst suboptimal abgestimmten – Hallen der „Huxley’s Neuen Welt“ zugegen, um Songs ihrer bislang erschienenen Alben „De-Loused In The Comatorium“ und „Frances The Mute
“ vorzustellen. Obwohl: „Songs“? Was auf Studiokonserve bereits recht fordernd und einnehmend daher kommt – und besonders beim Debüt „De-Loused…“ auch über zehn Jahre nach Veröffentlichung nichts, aber auch gar nichts an Qualität und Größte eingebüsst hat -, gerät auf Bühnenbrettern zum 90-minütigen Langzeitjam, dem sich die gesamte Band mit Haut und Wuschelhaar hingibt. Der Zuschauer hat da nur zwei Möglichkeiten: kick back ’n‘ hang loose or die trying. Knapp zehn Jahre später ist die Band längst Geschichte. Und der kundige Hörer weiß auch: An The Mars Volta schieden sich stets die Geister – zwischen Liebe der ausufernden Genialität und Abneigung gegenüber des selbstgenügenden Prog-Schwurbels passte selten ein Blatt. Das war auch bei Rodriguez-Lopez‘ und Bixler-Zavalas Vorgängerband At the Drive-In so, bei ANTEMASQUE, dem neusten Klangoutfit der beiden US-Musiker mit wenig Kompromissbereitschaft, ist’s kaum anders (und geht klanglich wieder mehr in Richtung At the Drive-In). Hate it or love it.
An jenen Abend im März 2005 wurde ich heute aufgrund einer Meldung erinnert. Der Anlass könnte trauriger kaum sein:
„Ikey Owens ist tot. Der langjährige Keyboarder von The Mars Volta starb am gestrigen Dienstag mit nur 38 Jahren in Mexiko. Owens befand sich dort auf Tour mit Jack White, der daraufhin alle Konzerte absagte.
Die genauen Umstände, die zum Tod von Ikey Owens geführt haben, liegen zur Stunde im Dunkeln. Owens wurde mexikanischen Medien zufolge leblos in seinem Hotelzimmer in der Stadt Puebla aufgefunden, offenbar starb er an einem Herzinfarkt. Berichte lokaler Zeitungen, nach denen sich zum Zeitpunkt seines Todes Alkohol und Drogen in Owens‘ Besitz befunden haben sollen, wurden bislang nicht von offizieller Seite bestätigt.
Jack White, der Owens für seine Tour zum Soloalbum „Lazaretto“ engagiert hatte, reagierte bestürzt auf den Tod seines Keyboarders, der mit ihm am Abend in Guadalajara auf der Bühne stehen sollte. Das Konzert wurde ebenso abgesagt wie alle weiteres Shows der Tour. In einem Statement auf seiner Facebook-Seite würdigte White Owens als einen „unglaublichen Musiker“. „Seine Familie, Freunde, Bandmitglieder und Fans werden ihn vermissen und für immer lieben“, heißt es darin.
Isaiah „Ikey“ Owens, Jahrgang 1975, machte sich vor seinem Engagement bei White vor allem als Keyboarder von The Mars Volta einen Namen, deren 2003er Debüt „De-Loused In The Comatorium“ als eines der wichtigsten Progressive-Rock-Alben des neuen Jahrtausends gilt. Nach den Bandköpfen Cedric Bixler und Omar Rodriguez war Owens der Musiker, der auf den meisten Mars-Volta-Alben zu hören ist; einzig beim letzten, „Noctourniquet“ von 2009, gehörte Owens nicht mehr zum Line-up der Band.
Vor seiner Zeit bei The Mars Volta hatte der Kalifornier unter anderem auch De-Facto angehört, dem Dub-Projekt von Bixler und Rodriguez, das diese bereits zur Zeit von At The Drive-In gegründet hatten. Weitere Banderfahrungen sammelte Owens bei lokalen Acts wie Look Daggers aus der Gegend um Long Beach, Los Angeles. Außerdem veröffentlichte er Solo unter dem Pseudonym Free Moral Agents.“
(Quelle: visions.de)
Wenn ich an Isaiah ‚Ikey‘ Owens und an The Mars Volta denke, kommt mir – und ich denke, da bin ich keineswegs der Einzige – sofort das genial überhöhte „Cicatriz ESP“ in den Sinn. Bereits auf dem Debütalbum war der „Song“ mit seinen zwölfeinhalb Minuten, mit seinen Jams, wilden Refrainausbrüchen und atmosphärischen Pluckerzwischenspielen keineswegs radioairplayfreundlich – und trotzdem ist das Ding noch heute ein verdammter Antihit sondergleichen, der sich tief in die Hirnrinde gräbt und gar nicht daran denkt, wieder hervor zu kriechen. Ewig schön. Mach’s gut, Ikey.
Rock and Roll.