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Song des Tages: Gisbert zu Knyphausen – „Niemand“


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Sieben Jahren mögen, verglichen mit der Zeit, die Tool-Fans bereits auf einen Nachfolger zum noch immer aktuellen Album „10,000 Days“ warten (das ist vor nunmehr elf Jahren erschienen), beinahe ein gefühlter Katzensprung sein. Und so richtig weg und frei jeglicher Kreativität war Gisbert zu Knyphausen seit dem letzten Werk „Hurra! Hurra! So nicht.“ natürlich auch nie. Dennoch: die Freude ist groß, dass im Herbst endlich und tatsächlich Album Nummer drei erscheint.

Bereits Anfang des Jahres gab es ein erstes Lebenszeichen des seit Jahren wohl besten deutschen Singer/Songwriters (oder sollte man Leiber „Liedermacher“ schreiben?): im Januar veröffentlichte Gisbert zu Knyphausen den Song „Das Licht dieser Welt“ als Teil des Soundtracks zum Kinderfilm „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“.

Nun erscheint am 27. Oktober 2017 auch ein Album, das den gleichen Titel trägt wie der Filmsong, nämlich „Das Licht dieser Welt„. Nimmt man die ersten Hörproben und vergleicht, so hat sich bei Knyphausen offenbar Einiges geändert: Die zwei bisher bekannten neuen Lieder sind vielseitiger als noch 2010 arrangiert – weniger Gitarre, dafür vielmehr Klavier, Trompeten, Posaunen, ja sogar Synthesizer sind zu hören.

Die siebenjährige „Pause“ zwischen der letzten, zweiten Knyphausen-Platte „Hurra! Hurra! So nicht.“ und dem neuen Album hat gleich mehrere Gründe: Gemeinsam mit dem Hamburger Liedermacher Nils Koppbruch gründete er das Duo Kid Kopphausen, das 2012 sein erstes gemeinsames Album „I“ veröffentlichte. Kurz darauf starb Koppbruch völlig unerwartet.

Getroffen vom (zu) frühen Tod seines Kumpels nahm Knyphausen eine kreative Pause, tastete sich danach langsam wieder an die Musik heran. Einer Art Honour-Tour mit der Kid-Kopphausen-Band folgte ein Bass-Engagement in der Begleitband von Olli Schulz. Und sonst? Mit dem Produzenten Moses Schneider und dem Musiker Tobias „Der dünne Mann“ Friedrich erschien im Mai mit „Husten“ eine neue EP (von der ANEWFRIEND auch berichtete), die sich ebenfalls recht weit vom guten alten Akustikgitarren-Stil entfernte. Und als wäre das noch nicht genug, richtet Gisbert zu Knyphausen alljährlich das „Heimspiel Knyphausen“ aus, zu dem er im Sommer befreundete Bands und Musiker sowie Fans auf das Weingut seiner Familie in Eltville am Rhein einlädt.

Ein erster Vorbote, wie das dritte Soloalbum des 38-jährigen Liedermachers wohl klingen wird, ist die auch das Album eröffnende Single „Niemand“. Das dazugehörige Lyric-Video greift das Artwork des Albumcovers auf:

 

81JH0I5QWYL._SL1200_Hier schon einmal die Tracklist von „Das Licht dieser Welt“:

  1. Niemand
  2. Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand
  3. Unter dem hellblauen Himmel
  4. Dich zu lieben ist einfach
  5. Stadt Land Flucht
  6. Keine Zeit zu verlieren
  7. Kommen und Gehen
  8. Teheran Smiles
  9. Das Licht dieser Welt
  10. Cigarettes & Citylights
  11. Etwas Besseres als den Tod finden wir überall
  12. Carla Bruno

 

Auch eine kleine Tour wird es im Oktober und November geben – natürlich mit den neuen Songs im Gepäck:

28.10. | Berlin, Lido

29.10. | Hamburg, Uebel & Gefährlich

30.10. | Leipzig, Werk 2

01.11. | Köln, Gloria

02.11. | München, Technikum

03.11. | Zürich (CH) , Bogen F

04.11. | Schorndorf , Manufaktur

05.11. | Hannover, Kulturzentrum Faust

 

Karten bekommt ihr alsbald an allen Vorverkaufsstellen oder hier.

 

Rock and Roll.

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Neues Kid Kopphausen-Video zu „Das Leichteste der Welt“


Es kann wohl keinen traurigeren Anlass für eine Videopremiere geben: nur zwei Tage nach Nils Koppruchs plötzlichem Tod präsentiert der Rest von Kid Kopphausen, dessen Band-Projekt mit Gisbert zu Knyphausen, das Video zur zweiten Single „Das Leichteste der Welt“. Es wird das wohl letzte von Kid Kopphausen sein.

Man sieht beide Künstler durch die Natur spazieren und sich in die Elbe stürzen, und zum Ende mit ihrer Begleitband im Hamburger St. Pauli Theater musizieren.

Der offensichtlichen Spaß, den beide Musiker beim Videodreh hatten, unterstützt gut den Text des Songs, in welchem der Protagonist nach langer Krankheit Schritt für Schritt mit doppeltem Lebenswillen zurück zu alten Stärken findet. Er enthält einige Eigenarten, die wohl auch Koppruch ausgezeichnet haben müssen: der Hanseate stand nicht selten auf der Schattenseite des Lebens, war manchmal sarkastisch, jedoch nie zynisch, und stets herzlich-herb. Zeilen wie „Jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt“ und „Never mind the darkness, baby, you will be saved by rock ’n‘ roll“ sprechen eine deutliche Sprache und somit für sich.

Dieses Video feiert das Leben. Nils Koppruch nickt uns von der anderen Seite lächelnd zu.

 

 

Wer Koppruch und zu Knyphausen noch einmal in einem Video Einzelheiten zu ihrem Album „I“ erläutern hören und sehen möchte, hat hier Gelegenheit dazu:

 

Rock and Roll.

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Mein Senf: Nils Koppruch ist tot.


46 Jahre. Zu früh gegangen ist er…

 

Diese Zeilen musste ich vor wenigen Stunden über Facebook lesen:

„Am 10. Oktober ist der Hamburger Musiker und Künstler Nils Koppruch (geb. 27.10.1965) friedlich eingeschlafen, wir sind unfassbar traurig. 
Unsere Anteilname gilt seiner Frau Katrin Busch, seinem Sohn Emil, seinen Eltern Heidi und Peter Koppruch, seinen Angehörigen und Freunden.

‚Und erzähl mir die Stille, mach das ich weiß, Du bist immer noch da, auch wenn Du schweigst.‘
(Nils Koppruch – „In die Stille“)“

 

Gestern hat die deutsche Musikszene in dem Hamburger Künstler und Musiker Nils Koppruch einen ihrer wohl sympathischsten und talentiertesten Köpfe verloren.

Noch im September war sein zusammen mit Gisbert zu Knyphausen unter dem Bandverbund Kid Kopphausen veröffentlichtes Debüt „I“ hier das „Album der Woche„. Vorher stand er der Band Fink, welche deutsche Songwriting-Kunst gekonnt mit Elementen aus Country und Americana verbanden und sich 2006 nach zehn gemeinsamen Jahren und etlichen Besetzungswechseln auflöste, vor, veröffentlichte zwei durchaus gelungene Soloalben (das letzte, „Caruso„, erschien 2010) und war unter dem Pseudonym SAM. bildnerisch tätig. Trotz vielerlei Kritikerlob gelang ihm in der Vergangenheit jedoch nie der große Durchbruch, erst seine kürzliche Zusammenarbeit mit dem zurecht erfolgreich musizierende Knyphausen schien sich für den melancholischen Hanseaten zum späten Erfolgserlebnis zu entwickeln, für die kommenden Monate waren etliche Konzerttermine geplant.

Ein Großer hat an einem grauen Herbstmorgen unerwartet seine Nische verlassen. Was bleibt, ist (s)eine Lücke. Und Lieder wie dieses:

 

Folgende Nachrufe, welche wohl aus berufeneren Federn (respektive Tastaturen) als der meinen stammen, lassen erahnen, welche traurigen Kreise Koppruchs Tod durch die herbstlichen Straßen der deutschen Musiklandschaft zieht:

Zeit Online

Spiegel Online

Rolling Stone

Musikexpress

Am Besten bringt jedoch Tino Hanekamp auf Intro seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck…

 

„Jeder Tag ruft deinen Namen  / Ich wünsch‘ Glück an allen Tagen / Nichts ist besser als eine Liebe auf der Welt. / Kirschen gibt’s an Sommertagen nur solang‘ die Bäume tragen / Und lebend gehen wir nicht mehr aus der Welt.“

Die Kirschbäume blühen längst nicht mehr. Mach’s gut, Nils. Viel Glück auf deiner Reise. Uns bleiben deine Lieder. Danke.

 

 

Rock and Roll.

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Das Album der Woche


Kid Kopphausen – I (2012)

-erschienen bei Trocadero/Indigo-

Wenn man sich „I„, das Debüt der zwei derzeitig wohl besten deutschen Liedermacher Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch unter dem Bandverbund Kid Kopphausen, anhört, so erscheint das Doppel so logisch, so stimmig, dass man meint, dass beide bereits jahrelang zusammen schreiben und musizieren würden. Und doch war dieser Zusammenschluss alles andere als leicht, hatten doch sowohl Knyphausen (sein von allen Seiten gefeiertes Zweitwerk „Hurra! Hurra! So nicht.“ erschien 2010) als auch Koppruch (das bisher letzte Solowerk des Ex-Fink-Sängers, „Caruso„, wurde im selben Jahr veröffentlicht) mit Albumveröffentlichungen und Tourneen in den letzten Jahren ausreichend Beschäftigung. Doch beide kennen und schätzen sich schon seit Langem, haben mit „Knochen und Fleisch“ vor zwei Jahren bereits einen gemeinsamen Charity-Song für ein Obdachlosenmagazin veröffentlicht.

Und so traf man sich im letzten Jahr nach erfolgreich beschrittenen Solo-Pfaden (beziehungsweise mit den jeweils eigenen Begleitbands) in einem abgelegenen ehemaligen Schulhaus in Norddeutschland, unweit der dänischen Grenze, um den lang gehegten Plan vom gemeinsamen Projekt in die Tat umzusetzen und Songs zu schreiben. Dass die zwölf auf „I“ enthaltenen Titel am Ende kaum mehr sind als die Summe ihrer einzelnen kreativen Teile und sich sowohl Knyphausen als auch Koppruch kaum über Gebühr von ihrem eigentlichen Betätigungsfeldern weg bewegen, stört wegen der grandiosen individuellen Qualität kaum.

Das von Rock der durch Bands wie Blumfeld oder Tocotronic geprägten Marke ‚Hamburger Schule‘ getragene Eröffnungsstück „Hier bin ich“, welches wie eine Privatausgabe von „Mein Name ist Mensch“ (Ton Steine Scherben) daherkommt, tragen beide noch im Duett vor und geben dem Hörer eine erste Standortbestimmung sowie ein Rätsel mit auf den Weg: „Ich habe Geld wie Heu / Ich trag‘ einen Hut aus Stroh / Immer da, wo ich bin, da brennt es lichterloh / Ich lege Wert auf gutes Benehmen / Ich trag‘ ein Messer zwischen meinen schiefen Zähnen / Ich bin overdressed / Ich bin dehydriert / Ich bin gut vernetzt, weiß wie man buchstabiert / Ich bin gut gelaunt und mächtig / Ich bin naiv und niederträchtig / Wer bin ich?“ – es deutet sich an, dass die beiden in feinen Zwirn gekleideten Herren im vorliegenden Dutzend Lieder dem Hörer einige windschiefe Räuberpistolen vom Leben vortragen werden… Die darauf folgenden Songs werden jeweils im Wechsel gesungen, und obwohl zu keinem der Lieder offiziell überliefert ist, wer von beiden der Initiator war, kann, wer will, anhand von Stimmung, Stimme und Textfärbung doch deutliche Rückschlüsse ziehen. Das von Koppruch vorgetragene „Schritt für Schritt“ ist ein Lied über den Neuanfang, „Das Leichteste der Welt“ erzählt vom Willen, leben zu wollen, von „Blumen und Pralinen vom Arsch der Hölle“, enthält Knyphausen-typische Zeilen wie „jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt“ und schließt energisch zum englischen Zweizeiler „Never mind the darkness, baby / You will be saved by Rock’n’Roll!“. „Im Westen nichts Neues“ gewinnt  fatalistische Erkenntnisse zwischen Krieg, Tristesse und Alltag, in „Schon so lang“ nimmt Knyphausen vom Quasi-A-Capella-Intro kurz vor Ende die recht unerwartete Abfahrt Richtung Punkrock (mit Banjo!) und in „Meine Schwester“ singt Koppruch über den (fiktiven?) direkten Draht der eigenen Schwester zu höheren Mächten. Wer in Knyphausens bisherigem Schaffen die zwischen Fern- und Heimweh pendelnden Lieder besonders schätzte, der wird mit „Wenn ich dich gefunden hab“ bestens bedient, genauso wie jene, die Koppruch für seine überlegt vorwärts preschende Knochigkeit schätzen: „Zieh dein Hemd aus Moses“ ist ein modernes Shanty mit nautischen und religiösen Bezügen. Die darauf folgende Songtriologie bildet wohl das emotionale Herz von „I“: „Haus voller Lerchen“ ist Gisbert zu Knyphausens düsterer Mitternachtsblues zu gespenstischen Background-Chören, „Wenn der Wind übers Dach geht“ erinnert an die deutsche Band Voltaire und stellt, begleitet von Hammond-Orgel und Gitarrensolo, Nils Koppruchs Variation vom Vorgängersong des musikalischen Partners dar. Das das gefühlte Dreiergespann abschliessende „Mörderballade“ ist eine grandiose, manisch-wütend ausufernde Moritat à la Knyphausen mit Zeilen wie „Wär‘ ich romantisch, ich hätte sie gefragt / Ob sie bei mir bleiben möchte bis zum allerletzten Tag“ oder „Würde ich glauben, ich hätte den Himmel um einen Rat gefragt / Doch ich bin ein Mörder / Und ich tat, was ich tat“ – kein Wunder, dass diesen Musiker, trotz (oder gerade wegen?) seiner furztrocken-poetischen, ehrlichen Art, in den letzten Jahren so viele Hörer und Musikjournalisten ins Herz geschlossen und ganz oben auf ihre „Personen, mit denen man mal ein Bier trinken möchte“-Listen gesetzt haben (obwohl bei Knyphausen Wein angemessener wäre, besitzt seine Familie doch ein eigenes Weingut in Rheingau). „Jeden Montag“ bildet darauf, mit hoffnungsvollem Text und beschwingter Melodie, den größtmöglich krassen Gegensatz zum gedacht kriminellen, blutrünstigen Vorgänger und „Nur ein Satz“ fährt, mit Poetry Slam-artigem Sprechgesang beginnend und teilweise gedoppelter und verfremdeter, rastloser Stimme sowie einem Ende im wilden instrumentalen Zusammenspiel, die Platte nach knapp 50 Minuten nach Hause.

Wie bereits erwähnt ist das Debüt von Kid Kopphausen dem bisherigen Schaffen von Koppruch und Knyphausen keineswegs fremd: die von Swen Meyer produzierte Platte ist ganz und gar organisch – Gitarren (gespielt von Marcus Schneider) knarzen und brechen auch schon mal zum Solo aus (wie in „Das Leichteste der Welt“ oder „Wenn der Wind übers Dach geht“), Kontrabass, Bass (gezupft von Felix Weigt) und Schlagzeug (betrieben von Alexander Jezdinsky) bummern im Takt, dazu geben die beiden Sänger Zeilen zum Besten, welche sich mit ihren bisher gelungensten messen können. Wer sich in der Vergangenheit für Fink, Nils Koppruch oder Gisbert zu Knyphausen begeistern konnte, der wird auch an diesem einladend schroffen Album zweier großer Poeten seine Freude haben. Man darf jedenfalls herzlich froh sein, dass beide Musiker endlich zu Kid Kopphausen zusammengefunden haben. Und hoffen, dass sie in Zukunft regelmäßig ausreichend Luft in den jeweiligen prall gefüllten Terminkalender schaufeln können, um das entstandene Bandprojekt mit neuen Songs und gemeinsamen Tourneen zu füttern.

 

Hier könnt ihr euch „Das Leichteste der Welt“, einen meiner Albumfavoriten, anhören…

 

…und euch das Video zum Albumopener „Hier bin ich“ ansehen:

 

Rock and Roll.

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