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Song des Tages: dodie – „She“


YouTuber(in) und Musikschaffene(r) in einem Satz? Da dürfte einen zumindest in Deutschland schnell das nackte Grauen überfallen – man denke nur an Pop-Ohrwurm gewordene Verbrechen wie etwa Bianca „BibisBeautyPalace“ Claßens „How It Is (wap bap…)„… Nee, lass‘ mal lieber. Influencer-Püppi, bleib‘ bei deinen digitalen Leisten.

Bei Dorothy Miranda „dodie“ Clark sieht die Welt jedoch ganz anders aus. Vor beinahe zehn Jahren veröffentlichte die damals 16-Jährige Britin, von der 2019 bereits auf ANEWFRIEND zu lesen war, ihren ersten Song „Rain“ auf YouTube. Mittlerweile ist sie 25 und konnte sich über die Jahre eine beachtliche Fangemeinde erspielen: annähernd zwei Millionen Subscriber bei YouTube, fast ebensoviele Follower bei Instagram. Wohl auch dank ihrer digitalen Reichweite erreichte dodie anno 2017 mit ihrer zweiten EP „You“ ohne großartige Promotion irgendwelcher alter weißer Plattenlabelherren sogar Platz 6 der britischen Albumcharts und verkaufte auch ihre ersten Deutschland-Shows Monate im Voraus bis aufs letzte Ticket aus. Chapeau!

Wenig verwunderlich also, dass dieses Do-it-Yourself-Wunderkind mit den stets etwas traurig dreinschauenden Augen, das sich trotzdem „hauptberuflich“ ihrem YouTube-Channel widmet(e), auch mit der dritten, 2019 veröffentlichten EP “Human” für den ein oder anderen Internet-Begeisterungssturm sorgen konnte. Während “Monster” noch locker-flockig über blubbernde Elektro-Töne Indie-flaniert, um dann in hymnische Chöre aufzubrechen, setzen “Not What I Meant” und das Titelstück auf Streicher und sanfte Töne. Es zeigt sich: Die vielseitige Künstlerin aus London beherrscht mit ihrer warmen Stimme beide Spielarten aus dem Effeff. Irgendwo im Indie-Metier spielt sich dodie mal eben unbekümmerte, aber dennoch bewegende Songs von der juvenilen Seele, die dennoch über durchaus faszinierende Tiefen verfügen. So wird im tollen “She” eine wahrlich herzzereißende – wahlweise gleichgeschlechtliche oder platonische – Geschichte erzählt, “If I’m Being Honest” ist eines dieser ganz und gar unpeinlichen Liebeslieder, die passende Wörter für diesen unbeschreiblichen Zustand finden, “Burned Out” vertont wiederum das Anhimmeln einer unerreichbaren Person. Und all das vor den zartesten Harmonien und den sanftesten Tönen. Ja, so klingen die Zwanziger.

Schon jetzt hat dodie, deren Debütalbum „Build A Problem“ am 5. März erscheinen wird, ihren eigenen Stil gefunden, der zwar keine neuen musikalischen Welten erfindet, jedoch durchaus mit ausgefallenen Songtexten und bewegenden Melodie-Führungen zu überzeugen weiß. Wunderbar, dass nicht nur junge (und junggebliebene) Freunde von irgendwelchen YouTube-Channels etwas von diesem Ausnahme-Talent mitbekommen dürfen. Denn in der (welt)weiten Musik ist sicher noch ein warmes Plätzchen zwischen musikalischen Nachbarinnen wie Kate Nash oder Soko für eine wie dodie frei…

Rock and Roll.

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Song des Tages: The Killers – „Land Of The Free“ (2020 version)


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Nachdem sich Brandon Flowers und Gitarrist Dave Keuning vor fast zwanzig Jahren über eine Zeitungsannonce kennen lernten, gründeten sie die Band The Killers und casteten mit Mark Stoermer (Bass) sowie Ronnie Vannucci Jr. (Schlagzeug) weitere Bandmitglieder. Heute weiß man: alles richtig gemacht, denn schon mit ihrem Debütalbum „Hot Fuss“ wurde das Quartett aus Las Vegas, Nevada zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Rock-Bands der Nuller-Jahre.

Mit ihrer auch heute noch unkaputtbaren Debüt-Single „Mr. Brightside“ haben The Killers Musikgeschichte geschrieben (und so für die ein oder andere gänsehäutige Neuinterpretation gesorgt), anschließend folgten allerlei weitere erfolgreiche Songs wie „Somebody Told Me“, „When You Were Young“ (mein persönlicher Band-Favorit!), „For Reasons Unknown“ oder – klar – das ewiglich unsägliche „Human“. Insgesamt veröffentlichte die Band seit 2004 bisher fünf Studioalben und sicherte sich damit ihren Ruf als feste, gern schon mal Stadien oder Festival-Crowds füllende Größe der Rock-Szene. (Und wer die letzten gut 15 Jahre musikalisch hinterm Mond verbracht haben sollte, der kann das Verpasste gern anhand der 2013er Best Of „Direct Hits“ nachholen).

In den letzten Jahren ist es jedoch merklich still(er) um Frontmann Brandon Flowers und Co. geworden, ihr letztes Album „Wonderful Wonderful“ erschien 2017. Allerdings kündigten The Killers bereits 2019 an, dass dieses Jahr mit einem neuen Album names „Imploding The Mirage“ zu rechnen sei, veröffentlichten im März und April mit „Caution“ und „Fire In Bone“ gar erste Vorab-Singles. Das Album hätte Ende vergangenen Monats erscheinen sollen, jedoch wurde die Veröffentlichung auf ein bislang unbekanntes Datum hin zum Jahresende verschoben.

71k33SKT0iL._SS500_Die ersten Anspielungen auf ein neues Album wurden bereits im letzten Jahr von einer Single namens „Land Of The Free“ begleitet. Auf dieser kritisieren The Killers heftig Donald Trumps Politik sowie dessen gleichsam irrwitzigen wie zynischen Plan, eine Mauer an der US-Grenze zu Mexiko zu errichten – überraschend, vor allem, wenn man bedenkt, dass etwa Mormone Brandon Flowers in der Vergangenheit des öfteren seine Sympathie für republikanische Wahlinhalte bekundete (andererseits haben sogar ehemalige republikanische Politik-Größen wie Ex-Außenminister Colin Powell oder Ex-Präsident George W. Bush angekündigt, bei den Präsidentschaftswahlen im November gegen Trump und für dessen demokratischen Kontrahenten zu stimmen). Zu dem gelungenen klavierlastigen Song gab es außerdem ein sehenswertes Musikvideo von Kult-Regisseur Spike Lee, der an der mexikanischen Grenze das Leben von Migranten filmte.

Diesen Song haben The Killers nun am Sonntag aus gegebenem Anlass in einer aktualisierten Live-Version auf Instagram und Co. geteilt. Die neuen, überarbeiteten Lyrics nehmen Bezug auf die aktuellen Geschehnisse in den USA, namentlich die Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten sowie der daraus entstandenen anhaltenden „Black Lives Matter„-Protestwelle. Für die neue Version änderte Sänger Brandon Flowers denn auch Teile des Texts: „How many killings must one man watch in his home?“, heißt es in einer Zeile, „8 measured minutes and 46 seconds / Another boy in the bag / Another stain on the flag“ in einer anderen, welche auf die Zeit verweist, die der weiße Polizist, der ihn tötete, mit dem Knie auf seinem Hals verbrachte, bis Floyd starb.

Die Reaktionen auf den Instagram-Post und die neue Version von „Land Of The Free“ waren dennoch gemischt: Während einige User meinten, dass das Video nichts bringe und die Band unter anderem aufforderten, stattdessen lieber Ressourcen gegen Rassismus zu posten oder zu spenden, waren andere der Meinung, dass Brandon Flowers und seine Bandkumpane mit diesem neuen Songtext ein starkes Statement gegen Polizeigewalt setzen würden.

 

Hier kann man sich selbst ein Bild von der 2020er Variante von „Land Of The Free“ machen:

 

„Can’t wipe the wind-blown smile from across my face
It’s just the old man in me
Washing his truck at the Sinclair station
In the land of the free
His mother Adeline’s family came on a ship
Cut coal and planted a seed
Down in them drift mines of Pennsylvania
In the land of the free

Land of the free, land of the free
In the land of the free
Land of the free, land of the free
Land of the free, land of the free
In the land of the free
(I’m standing crying)

When I go out in my car, I don’t think twice
But if you’re the wrong color skin (I’m standing crying)
You grow up looking over both your shoulders
In the land of the free
We got more people locked up than the rest of the world
Right here in red, white and blue
Incarceration’s become big business
It’s harvest time out on the avenue

Land of the free, land of the free
In the land of the free
Land of the free, land of the free
Move on there’s nothing too see
Land of the free, land of the free
In the land of the free

I’m standing crying, I’m standing crying
So how many daughters, tell me how many sons
Do we have to have to put in the ground before we just break down and face it
We got a problem with guns
In the land of the free
Down at the border, they’re gonna put up a wall
Concrete and rebar steel beams (I’m standing crying)
High enough to keep all those filthy hands off of our hopes and our dreams (I’m standing crying)
People who just want the same things we do
In the land of the free

Land of the free, land of the free
In the land of the free
Land of the free, land of the free
Land of the free, land of the free
In the land of the free
Land of the free, land of the free
Land of the free, land of the free
Land of the free, land of the free
Land of the free, in the land of the free
(I’m standing crying)“
 

(der Songtexte stammt von der ursprünglichen, 2019 veröffentlichten Version)

 

Rock and Roll.

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Sunday Listen: wrest – „Coward Of Us All“


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Bands wie Frightened Rabbit, Bright Eyes, The National oder die frühen (!) Coldplay – das sind nicht nur die gemeinsamen Nenner im Musikgeschmack von Stewart Douglas (Gesang, Gitarre), Stephen Whipp (Gitarre), Craig Robertson (Bass) und Jonny Tait (Schlagzeug), sondern auch einige der wohl naheliegendsten Referenzen, die einem beim Hören von „Coward Of Us All„, dem im Mai erschienenen Debütalbum von wrest, in den Sinn kommen könnten.

Denn obwohl sich keiner der zehn Songs mit Pauken und Trompeten aufdrängen mag (was ja etwa bei Coldplays aktuellstem Stadion-Pop-Abklatsch ihrer selbst anders aussehen würde), überzeugen wrest im Gros mit Indie Rock, der atmosphärisch und treibend („Out Of Sight„, „Human„, „Breathe Out„), mal verträumt-balladesk („White Flowers„) ausfällt. Und selbst, wenn es sich wie die x-te Wiederholung eines Klischees lesen mag (und ich dieses Mal nicht einmal den unüberhörbaren, feinst-tollen schottischen Akzent von Frontmann Stewart Douglas  erwähne), so klingt „Coward Of Us All“ in seinen schönsten Momenten doch wie die Landschaft, die die vierköpfige Newcomer-Band aus Edinburgh da in ihrer schottischen Heimat umgibt…

 

„The biggest highlight is hearing from people who enjoy our music. It’s great to think someone somewhere cares enough about it to say so, or to come and see us live.“

(Stewart Douglas)

 

Via Bandcamp kann man das Debütalbum von wrest in Gänze hören:

 

 

Rock and Roll.

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Auf dem Radar: Rag’n’Bone Man


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Mal ein kleines Experiment: Schaut euch den Herrn auf dem Bild an. Welchem musikalischen Genre würdet ihr ihn ganz spontan und per erstem optischen Eindruck zuordnen? HipHop vielleicht? Elektronische Gefilde gar? Bildet euch eure eigene Meinung… Und dann schaut euch das Musikvideo zur aktuellen Single „Human“ an (welches ihr auch weiter unten findet) – und seid wohlmöglich ebenso überrascht wie ich…

 

Ganz klar: Das Optische mag bei Rory Graham aka Rag‘n’Bone Man trügen. Die Stimme keinesfalls. Denn mit seinem herrlich rauen Gesangsorgan und einem umwerfenden Gespür für den richtigen Groove changiert der aus dem englischen Brighton stammende Newcomer scheinbar mühelos zwischen Blues, Soul, HipHop oder Funk hin und her.

Überhaupt: das Phänomen Blues. Entstanden in der afroamerikanischen Gesellschaft der USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in den folgenden Jahrzehnten von jeder Musikergeneration immer wieder neu interpretiert, verändert, wiederbelegt, modernisiert, aufgehübscht, recycled und wieder auf seine wesentlichen Bestandteile reduziert (u.a. wären da Gun Club, die White Stripes, die Black Keys, Kanye West oder Kendrick Lamar zu nennen), ist die amerikanische Ur-Musik, aus der einst Soul, Jazz, Rock’n’Roll, Jazz oder HipHop erwuchsen und immer mehr mit dem popkulturellen Massengeschmack verschmolzen, auch 2016 lebendig wie eh und je. Immer wieder widmen sich junge Musiker auf der ganzen Welt der Aufgabe, das musikalische Erbe der Muddy Waters, John Lee Hookers, Bo Diddelys, Howlin‘ Wolfs, Son House oder Big Bill Broonzys in der Gegenwart fortzuführen und dem Genre neue Wege in die Zukunft weisen. Einer der großen Hoffnungsträger und Erneuerer diesseits des Atlantiks trägt – ganz stilecht bluesig – den Namen Rag’n’Bone Man (deutsch: Lumpensammler).

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Zu seinem Künstlernamen ließ sich Graham von der britischen TV-Serie „Steptoe & Son“ inspirieren, welche in Großbritannien in den Sechzigern und Siebzigern gezeigt wurde. An diese Zeit erinnern auch seine vielen Tätowierungen, die man auch im bereits erwähnten Musikvideo zu „Human“ bestauen kann (auf den Knöcheln seiner Hände sind übrigens die Worte „Soul“ und „Funk“ unter die Haut gebracht). Der Song, welcher mit einem schleppenden Beat und Südstaaten-Blues-Samples startet, ist der erste Vorgeschmack aus dem Major-Debütalbum, das in Kürze erscheint (mit „Wolves“ erschien 2014 bereits sein Indie-Einstand, welchem 2015 die „Disfigured EP“ folgte). Dass der Mann Einiges an in die Wiege gelegtem Talent (die Mutter ist selbst Sängerin, der Vater Gitarrist), Charisma und Live-Präsenz mitbringt, welche sich kaum auf ein Genre beschränken mag, war ebenso beim Hamburger „Reeperbahn Festival“ im vergangenen Jahr zu sehen wie im kürzlich stattgefundenen „Montreux Jazz Festival„.

Ganz klar: Menschlichkeit hat viele Gesichter. Das von Rory „Rag’n’Bone Man“ Graham lehrt uns, einen Menschen nicht gleich auf dem ersten Eindruck fest und ad acta zu legen, während seine Stimme hoffentlich dafür sorgen wird, dass man ihn so schnell nicht wieder vergisst.

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Hier gibt’s das Musikvideo zur aktuellen Single „Human“…

 

…zum ebenfalls tollen Song „Bitter End“…

(alternativ hier ein Vimeo-Link)

 

…sowie selbiges Stück noch einmal in einer Live-Session-Varinate, mitgeschnitten während dem letztjährigen „Reeperbahn Festival“:

 

Rock and Roll.

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#HUMAN – Die Geschichte der Francine Christophe


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Manchmal sind es die kleinen Dinge, die winzigen, jedoch umso wichtigeren Gesten, die die Fahne der Menschlichkeit in wahrhaft unmenschlichen Zeiten hochhalten…

So oder so ähnlich könnte das Fazit unter die knapp fünfminütige Geschichte lauten, die die Französin Francine Christophe über ihre Zeit im KZ Bergen-Belsen zu erzählen hat. Als die damals Achtjährige 1944 gemeinsam mit ihrer Mutter interniert wird, hatte sie bereits zwei Jahre in einem anderen Lager verbracht (mehr dazu hier oder in Christophes Buch „Nicht mehr Eure Welt: Ein Kind in Gefängnissen und Lagern 1942-1945„). Dass die Zeitzeugin überlebt hat, um etwa im Zuge des Films beziehungsweise der Youtube-Reihe „HUMAN“, für welche sich der Filmemacher Yann Arthus-Bertrand verantwortlich zeichnet, von ihren Erlebnissen zu erzählen, ist ein Glücksfall für uns alle. Damit wir lernen, und – wenn möglich – verhindern, dass sich Geschichte wiederholt. Andererseits zeigt sie außerdem, dass man selbst in schlimmen Zeiten nie gänzlich die Hoffnung verlieren sollte…

 

 

Rock and Roll.

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