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Scheitern als Chance – Die Doku-Serie „Wie ein Fremder – Eine deutsche Popmusik-Geschichte“


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„Fremd bin ich einge­zogen,
Fremd zieh’ ich wieder aus…“

(aus „Winter­reise“ von Franz Schubert & Wilhelm Müller)

Aljoscha Pauses kürzlich erschienene fünf­tei­lige Dokuserie „Wie ein Fremder – Eine deutsche Popmusik-Geschichte“ beginnt mit einem Zitat aus Schuberts „Winter­reise“. Und sie ist genau das: eine Reise. Eine tatsäch­liche, eine persön­liche und eine kreative.

Wie-ein-Fremder-Plakat-DinA4-RGB-RZ-724x1024Der „Fremde“ im Zentrum der knapp vierstündigen Serie dürfte den meisten tatsäch­lich fremd sein: Roland Meyer de Voltaire. Der 1978 in Bonn geborene Musiker, der einen Teil seiner Kindheit in Moskau verbrachte, war der Kreativ­kopf hinter der 2011 aufgelösten Band Voltaire, die Mitte der Nuller-Jahre von der Kritik als aussichts­reiche deutsche Newcomer gefeiert wurden. Komplexe, herrlich verkopfte deutsch­sprachige Texte, ein Sound mit poppiger Attitüde, indierockigen Gitar­ren­riffs und Brüchen, dazwischen de Voltaires gerne auch in die Kopflagen lavie­rende Stimme. Dass der deutsche „Rolling Stone“ die Band als „schönste Aussicht auf das Jahr 2006“ neben die britischen Indie-Rocker der Arctic Monkeys stellte, half aller­dings eben so wenig wie der unverhoffte große Plat­ten­ver­trag beim Major-Label  Universal. Nach zwei Alben (von denen vor allem das Debüt „Heute ist jeder Tag„, welches kürzlich sein Re-release mit Bonus Tracks erfuhr, auch heute noch wärmstens ans Hörerherz gelegt sei) erleidet der Kopf der Band finanziellen und mentalen Schiffbruch und steht nach jahrelangem Komplettfokus auf sein kreatives „Baby“ vor dem vollumfänglichen Nichts.

„Ich glaube, dass die meisten sich nicht vorstellen können, wie wenige Musiker eigent­lich von ihrer Musik leben können“, fasst es SWR-Mode­ra­torin Chris­tiane Falk nüchtern zusammen. Sie ist, neben einigen Musikjournalisten und musikalischen Weggefährten wie Schiller, Madsen, Alina, Desiree Klaeukens, Megaloh oder Enno Bunger, eine der Stimmen dieser Dokuserie, für die Pause den Musiker sechs Jahre lang beglei­tete. Die beiden kennen sich schon länger, de Voltaire hat, neben anderen Projekten, die Sound­tracks für Pauses Fußball-Dokus, zuletzt etwa für „Inside Borussia Dortmund, beigesteuert. Der Bonner Regisseur hat zuvor mit seinen Lang­zeitstu­dien „Tom Meets Zizou – Kein Sommer­mär­chen„, „Trainer! oder „Being Mario Götze – Eine deutsche Fußball­ge­schichte die Fußball-Szene durch­leuchtet. Jetzt gewährt er einen Einblick in das Leben eines Musikers und in den deutschen Popmu­sik­zirkus.

„Nach meinen jüngsten Doku-Serien für Amazon und DAZN geht es mit dieser Serie einerseits wieder back to the roots: diese Doku ist Independent von Kopf bis Fuß, wie einst mein Film ‚Tom meets Zizou’. Andererseits geht es auch zu neuen Ufern: Popmusik.“ (Aljoscha Pause)

Bei den ersten Begeg­nungen im Jahr 2014 wirkt Roland Meyer de Voltaire wie ein Gestran­deter, wie er da in seinem Kölner WG-Zimmer wohnt und am Exis­tenz­mi­nimum herum­krebst. Die Miete muss er teils mit Instru­men­ten­ver­käufen zusam­men­kratzen, teils von Familie und Freunden leihen, teils vom Dispo aus besseren Zeiten finanzieren. „Da gibt es kein Mandat für einen tollen Musiker, dass er da irgend ’ne Berech­ti­gung hätte“, erklärt Musikjournalist und Musik­ex­press-Redakteur Linus Volkmann. In Rück­bli­cken zeigt Pause Musik­vi­deos und Live-Auftritte aus den good old days und lässt Exper­tinnen und alte Band­mit­glieder ihre Verwun­de­rung darüber zum Ausdruck bringen, dass der Mann nicht völlig durch die Decke gegangen ist.

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Die Serie gibt sich gerade zu Beginn viel Mühe, ein wenig Mythen­bil­dung zu betreiben: Roland Mayer de Voltaire, die zarte Künstler-Seele, das verkannte Genie! Das mag an mancher Stelle eine Spur zu dick aufge­tragen sein und soll wohl der Drama­turgie dieser recht klassisch geratenen Doku-Serie dienen. Die kommt in manchen Momenten konse­quen­ter­weise, wie man ergänzen muss, selbst wie ein Popsong daher. Es braucht halt eine Prise Pathos, ein bisschen Drama…

Und doch folgt man de Voltaire gern bei seinem persön­li­chen und vor allem kreativen Wandel. Ist da anfangs noch ein Stör­ge­fühl, wenn der zunächst über­idea­lis­tisch wirkende Mann, unter­stützt noch von seinen Eltern, sich als für die Musik geboren betrachtet, kommt im Laufe der Seri­en­mi­nuten immer mehr die Erkenntnis: Das ist völlig ernst gemeint, das kommt aus tiefstem Künstlerherzen – und zwar mit aller Konse­quenz!

Von Köln verschlägt es de Voltaire irgendwann nach Berlin, wo er sich ohne festen Wohnsitz und in einem noma­di­schen Dasein in verschie­denen Wohnungen von Freunden und Bekannten neu sortiert. Wir folgen ihm nicht nur bei Alltäglichkeiten, sondern auch zu Gesprächen mit Produ­zenten und Managern oder in den Proberaum der deutschen Rockband Madsen, die fast zeit­gleich mit Voltaire bekannt wurde, sich aller­dings bis heute gehalten hat. Wir sehen den Kompo­nisten und Soundf­rickler in seinem kleinen Heim-Studio vor neuen Produk­tionen, an denen er arbeitet, als Ideen­geber für eine Bekannte, bei der er schließ­lich einzieht und auch im Studio von Rapper Uchenna van Capel­le­veen alias Megaloh, für den de Voltaire schon länger als Gast­sänger arbeitet. Was fast schon als Sinnbild für den hart umkämpften deutschen Musikmarkt herhalten kann: Trotz musi­ka­li­scher Erfolge muss sich auch der Rapper nebenbei im Lager eines großen Paket­lie­fe­ranten verdingen, um sich „genug Zeit und Sicher­heit für seine Musik“ zu verschaffen, wie er erklärt.

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„Wie ein Fremder“, das visuell zwar nicht an vergleichbare Musik-Dokumentarfilme der jüngeren Vergangenheit wie „20.000 Days On Earth“ (2014), „Cobain: Montage Of Heck“ (2015) oder „Amy“ (2015) heranreichen mag, sich stattdessen jedoch auf seinen Protagonisten sowie dessen Auf und Ab und Hin und Her konzentriert (und dabei das nötige Quäntchen Glück hat, dieses Mal mit dem gleichsam ruhigen, mitfühlenden, bescheidenen wie talentierten – und auch oft genug phlegmatischen – Roland Meyer de Voltaire einen spannenderen Charakter als den vermeintlich aalglatten Medienprofi Mario Götze vor der Kamera zu haben) ist einer­seits die in Serie gegossene Entro­man­ti­sie­rung des (nicht nur bundesdeutschen) Popmusik-Traums. Eine zuge­spitzte Botschaft mag lauten: Für wirkliche Krea­ti­vität ist im auf Radiotauglich­keit und ökono­mi­sche Inter­essen gebürs­teten Showbusi­ness wenig bis gar kein Platz und Geld verdienen am Ende die wenigsten. Ande­rer­seits hat es zugleich etwas Roman­ti­sches, wie Pause dem selbst­kri­ti­schen, teils unschlüssig herum­sto­chernden, aber doch ziel­stre­bigen Sound­per­fek­tio­nisten de Voltaire dabei zuschaut, wie er alternativlos versucht, seinen Traum zu leben.

Die kreative Reise, auf der wir ihn begleiten, scheint eine vom Licht ins produk­tive Dunkel: von ehemals deutschen Texten hin zu engli­schen, von akus­ti­schen Sounds hin zu elek­tro­ni­schen. „SCHWARZ“ nennt sich das Projekt, das sich langsam – und auch begleitet vom ein oder anderen Rückschlag – aus der Serie heraus­schält. Inspi­riert von der „Dunkel­heit, bevor der Film losgeht“, so de Voltaire, vermischt er 80er-Jahre-Synthe­sizer mit Sound­s­capes, die Radio Head-Krea­tiv­motor Thom Yorke in seinen Solo­pro­jekten eingehend karto­gra­fiert hat. Mehr Kraft als auf Platte entwi­ckelt SCHWARZ live. Es sind starke Momente der Serie, wenn de Voltaire ausgerechnet mit dem Stück „Home“ ein neues Erfolgshoch gelingt, oder der Musiker, gemeinsam mit einer Cellistin und einer Pianistin, erstmals seit Langem wieder auf der Bühne steht und vor kleinem Publikum ein Akustik-Arran­ge­ment des Songs „Shine“ zum Besten gibt. Auch davon erzählt die Serie: Musik gehört auf die Bühne.

Wie es ihm heute, im Angesicht der Coronakrise (welcher auch die für Anfang Juni in Berlin geplante Premierenfeier von „Wie ein Fremder“ zum Opfer fiel), vieler abgesagter Konzerte und geschlossener Veranstaltungshäuser geht, ist ungewiss. Man wünscht ihm, diesem großartigen Menschen und begnadeten Künstler, jedoch nur das Beste (und wer mag, der findet hier oder hier aktuelle Interviews mit Roland Meyer de Voltaire).

 

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Jade Castrinos & The Black Cherrys – „I Don’t Want You“


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Was ’ne Stimme! Ich muss ehrlich zugeben, dass ich erst heute wirklich auf Jade Castrinos aufmerksam geworden bin, da die kalifornische Musikerin einen durchaus fabelhaften Beitrag zu „Echo In The Canyon„, einer 2018 erschienenen Musik-Doku über die Künstler-Szene im Laurel Canyon in den Sechzigern, abgeliefert hat – die ebenso kurzweilige wie interessante Dokumentation sowie der dazugehörige Soundtrack, zu welchem, neben Jakob Dylan (seines Zeichens der Sohn von His Bobness) und Jade Castrinos, auch weitere tolle Künstler wie Beck, Fiona Apple, Cat Power, Regina Spektor oder Norah Jones Gesangsbeiträge geliefert haben, sei hiermit allen Musikinteressierten wärmstens empfohlen.

Allen Freunden poppigen Indiefolks dürfte Castrinos‘ Stimme jedoch bereits deutlich länger bekannt sein, schließlich war die Dame bis 2014 Teil der LA-Indiefolk-Kombo Edward Sharpe and the Magnetic Zeros, und trug damit vor genau einer Dekade ihren – nicht eben ganz unwesentliches – kreatives Schippchen zum gepfiffene Erkennungsmelodie gewordenen Instant-Ohrwurm „Home“ bei. Jetzt klingelt’s, oder?

Dabei hatte Jade Castrinos bereits vor 2007, als sie ESatMZ-Frontmann Alex Ebert vor einem Café im heimatlichen LA traf, einiges an Erfahrung auf und neben kalifornischen Club-Bühnen gesammelt, stand ab und an bei der Band ihres Vaters am Mikrofon. Wer etwa die beiden um 2006 herum entstandenen Songs wie „Hunter“ oder „I Don’t Want You“ hört (das Internet liefert da trotz einiger Recherche leider wenig Infos), bei denen fast schon monumentale Seventies-Rock-Riffs à la Led Zeppelin auf das damals zwar noch junge, jedoch bereits mächtig gewaltige Gesangsorgan von Castrinos treffen (mich erinnert das Ganze logischerweise an die brillante All-Female-LedZep-Coverband Lez Zeppelin), den wundert es in der Tat kaum, dass ebenjene Musikerin knapp 15 Jahre später mal eben eine fulminante Version des The Mamas And The Papas-Evergreens „Go Where You Wanna Go“ raushaut…

 

 

Wer mehr über Jade Castrinos erfahren mag, der findet hier ein recht aktuelles Interview mit der stimmgewaltigen kalifornischen Musikerin…

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Barbarossa – „Home“ (Piano Version)


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Foto: Facebook

Bereits seit Mitte der Nullerjahre macht der Londoner Musiker James Mathé unter dem Projektnamen Barbarossa mit (s)einem durchaus charmanten Mix aus Folk, Soul und elektronischen Klängen auf sich aufmerksam. Allerdings hat Mathé/Barbarossa im Lauf der Zeit einen deutlichen musikalischen Wandel vollzogen und sich vom bärtigen Folkmusiker zum entspannten, ambienten Elektroniker entwickelt – artverwandte Kollegen wie Nick Murphy (fka Chet Faker) lassen grüßen… Immer geblieben ist sein schöner (Falsett)Gesang, welcher ab und zu an José González erinnert (den er wiederum – passenderweise – aktuell auf Tournee begleitet), mal Gitarre, oft (s)ein Piano –  und ganz viel Atmosphäre.

Übrigens: Aufmerksame Netflixer und Serien-Binger dürften das ein oder andere von Barbarossas Stücken durchaus aus Serien wie „How I Met Your Mother“, „Elementary“ und „Suits“ kennen. Das im März veröffentlichte SlowMo-meets-TripHop-meets-Soul-Album „Lier„, das wie seine Vorgänger („Bloodlines“ von 2013 sowie „Imager“ zwei Jahre darauf) bei beim Label „Memphis Industries“ erschien, produzierte Mathé in seiner englischen Heimatstadt Margate. Unterstützung erhielt er dabei vom Elektroniktüftler Ghost Culture und dem Schlagzeuger Joel Wästberg, der gemeinhin unter dem Alias Sir Was und durch City Slang bekannt ist.

Dass seine Songs auch ohne elektronisches Gerüst und im reduzierten Piano-Gewand ihre entsprechende Wirkung nicht verfehlen, zeigt James Mathé mit einer Neuaufnahme von „Home“, welches ursprünglich auf dem Zweitwerk „Imager“ erschien.

 

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Kat Frankie – „Home“


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„Seit 2004 lebt die Australierin Kat Frankie in Berlin, und beinahe genau so lange macht sie auch schon Musik. Sowohl als Solo-Künstlerin als auch mit anderen Musikern wie beispielsweise Clueso, mit dem sie das Duett ‚Wenn du liebst‘ aufgenommen hat, oder mit Olli Schulz, für den sie Backup-Vocals auf der Platte ‚Feelings aus der Asche‘ gesungen hat. Gemeinsam mit dem Kölner Chris Klopfer bildet sie außerdem das Duo KEØMA, das am ESC-Vorentscheid 2016 teilgenommen hat.“

So weit, so informativ. In der Tat ist Kat Frankie in deutschen Indie-Kreisen keinesfalls eine Unbekannte, schließlich arbeitete die Wahl-Berlinerin, die sich vor über zehn Jahren entschied, das sonnige Sydney – wohl der Kreativität wegen – gegen die wuselige deutsche Hauptstadt einzutauchen, in den letzten Jahren mit so unterschiedlichen Künstlern wie – es wurde ja bereits im Pressetext oben erwähnt – Clueso, Olli Schulz, Me & My Drummer oder Get Well Soon zusammen, und erschuf nicht selten Musik, die so ganz anders klang als die ihrer drei zwischen 2007 und 2012 erschienenen Soloalben. Dass die 39-Jährige trotz ihrer künstlerischen Umtriebigkeit dabei – vom Clueso-Duett einmal abgesehen – so selten im Formatradio stattfand, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass Frankies Songs nicht eben auf schnelle Leichtverdaulichkeit geeicht sind, sondern stets das Neue, stets das Experiment suchen – mal kommt dabei am Ende eine dunkle Piano-Ballade heraus, mal ein von Electro-Loops unterfütterte Acapella-Nummer. Oder eben: feiner, quer gedachter Indiepop. Wer mag, der darf die Australierin damit als Schwester im Geiste der Schweizer Musikerin Sophie Hunger sehen.

Im kommenden Frühjahr wird Kat Frankie nun ihr viertes Solowerk „Bad Behaviour“ veröffentlichen. Nach den sparsam arrangierten Songs ihres letzen Albums „Please Don’t Give Me What I Want“ (2012), das sie mal mit Band, mal solo mit Gitarre und Loop-Station live präsentierte, schlägt sie nun klarere Töne an. Dabei vernachlässigt Kat Frankie keinesfalls ihre kunstvolle und introvertierte Seite, sondern erweitert sie zu einem Feuerwerk der außergewöhnlichen Popmusik. Über ihre neuen Songs sagt die Sängerin: „Ich wollte nicht mehr melancholisch sein, nicht im Geringsten: Diese neue Platte ist für mich eine Platte der Freude, ich wollte ein bisschen ‚obnoxious‘ sein … dafür gibt es irgendwie kein gutes deutsches Wort.“

homeUnd stand das erste, kürzlich vorab veröffentlichte Titelstück des neuen Albums noch mit einem leichtfüßig tänzelnden Beinchen mitten im Indiepop, gibt sich der neuste Song „Home“ wesentlich differenzierter. Während Kat Frankies Gesang in den Strophen noch klar über treibenden Schlagzeigbeats liegt, grätschen bereits im Refrain fies dröhnende Gitarrenriffs dazwischen, die dem Stück eine – wohl beabsichtige – Aggressivität verleihen – Radiopop geht auch 2017/2018 anders. Das dazugehörige Musikvideo, für welches sich die Indie-Musikerin mit Regisseur Antonin Pevny (u.a. Bilderbuch, Bonaparte oder diverse Spotify-Spots) und Choreografin Lyn Lim zusammen tat, ist eine visuelle Hommage an Janet Jacksons Video zu „Rhythm Nation„, das 1989 gegen rassistische Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit protestierte, und auch 28 Jahre später leider kaum an Bedeutung verloren hat. Kat Frankie über den Song:

“When I wrote ‚Home‘ it was a little bit after the #blacklivesmatter protests were gaining traction, and the debates about marriage equality were heating up in Germany and Australia.  I was just getting sick of people trying to control the lives of others out of fear, or because of their religion. I was thinking about how protests are censored or dismissed. And I was thinking that we all just want a place to ‘be’ and to experience love. I thought about the idea of home, not as a physical space, but as a concept or state of societal- and self-acceptance.” 

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Rock and Roll.

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Song des Tages: Teitur – „Home“


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Foto: Martin Dam Kristen

Wo ist zuhause, Mama? – Eine ebenso gute wie berechtigte Frage, die ein gewisser Johnny Cash bereits 1959, als dieser eine deutschsprachige Version seines Songs „Five Feet High And Rising“ aufnahm, stellte.

Where Is Home? – Diese Frage stellte sich Bloc-Party-Frontmann Kele Okereke 2007 anklagend und gar nicht mal so sicher, ob dieses latent nationalistisch, latent homophob geprägte England farbigen, obendrein homosexuellen Menschen wie ihm überhaupt ein sicheres Zuhause bieten könne: „We all read what they did to the black boy / In every headline we are reminded that this is not home for us“.

Was bitteschön ist eigentlich diese „Heimat“, die so viele von Geltungssucht und Hass getriebene, populistische Politikerpatrioten von Le Pen über Wilders und Höcke, die so viele dumpf-nationale Musikspacken (Frei.wild, Onkelz etc. pp.) für sich reklamieren? Ist es ein Stück Land, das von Zäunen oder einer imaginären Grenze umgeben ist? Sind es die Menschen, die in diesem Land wohnen? Die Bevölkerungsgruppe, deren Sprache man spricht, deren Werte und Gewohnheiten man teilt, zu der man sich selbst zählt? Sind es die eigenen vier Wände, in denen man sich „heimisch“ fühlt? Kann man diese „Heimat“ anfassen, gar sehen, schmecken, fühlen? Beginnt diese „Heimat“ im Außen oder erst tief im Inneren? So viele Fragen, so viele mögliche Antworten… Gibt es viele schlaue Sätze, gibt es viele Studien drüber. Und am Ende muss doch jeder für sich selbst wissen, wo genau dieses „Zuhause“, diese „Heimat“ denn ist.

0YsrzDP1Seine ganz eigenen Definitionen vom Gefühl der Heimat und des Sich-zu-Hause-Fühlens hat auch Teitur Lassen, seines Zeichens einer der berühmtesten Söhne der Färöer, dieser autonomen, zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den Britischen Inseln, Norwegen und Island. Dass den 40-jährigen Singer/Songwriter hierzulande trotz mehrerer toller Indiefolk-Alben (etwa „Poetry & Aeroplanes“ von 2003 oder „The Singer“ von 2008) und mehrerer Auszeichnungen (so erhielt Teitur bereits zwei Mal – jeweils 2007 und 2009 – den „Danish Music Award“, welcher in etwa als der „dänische Grammy“ gilt) nur Eingeweihte zu kennen scheinen, könnte auch daran liegen, dass Teitur aus einem kleinen, beschaulichen Land, dessen Schafzahl ohne Zweifel über der seiner Einwohner (knapp 50.000) liegt, stammt. Am ehesten dürfte sich der multiinstrumentale musikalische Tausendsassa jüngst als Kooperationspartner von Ex-Wir-sind-Helden-Frontdame Judith Holofernes in Erinnerung gerufen haben, denn immerhin war er es, der vielen Stücken ihres neuen Albums „Ich bin das Chaos“ auf die Beine half.

Wenn Teitur nicht gerade deutschen Musikerinnen beim Schreiben und Musizieren hilft (nebst Engagements für internationale Größen wie Seal, Corinne Bailey Rae, Emile Simon oder Ane Brun), mit Kumpels wie Nico Muhly groß angelegte Orchesterwerke ins Leben ruft oder mit seinem Hund durch die idyllische Einsamkeit der heimischen Färöischen Landschaft wandert, schreibt er selbst ganz wunderbare, einfach gehaltene Songs wie „Home“, die es einem gar nicht schwer machen, sich dreieinhalb Minuten zuhause zu fühlen.

 

 

Das Stück war auch Teil von Teitur Lassens Auftritt beim „TED Talk“ im März 2015, welcher im kanadischen Vancouver, BC stattfand:

 

„Home is the sound of birds early in the morning
Home is the song I always remembered
Home is the memory of my first day in school
Home is the books that I carry around
Home is a alley in a faraway town
Home is the places I’ve been and where I’d like to go

Home
Always gonna feel at home
No matter where I may roam
Always gonna find my way home
No matter how far I’m gone
I’m always gonna feel this longing
No matter where I might stay

Home is a feather curling in the air
Home is flowers in the window sill
Home is all the things she said to me
Home is the photo I never threw away
Home is the smile on my face when I died
Home is the taste of the apple pie

I’ve met a woman, she’s always lived in the same place
She said home is where you’re born and raised
I’ve met a man, he said looking out to the sea
He said home is where you wanna be
I’ve met a girl in some downtown bar
She said I’ll have whatever you’re having
And I asked her how come we never met before?
She said all my life I’ve been trying to get a place of my own

I’m always gonna feel at home
No matter where I may roam
Always gonna find my way back home
No matter how far I’m gone
Always gonna feel this longing
No matter where I might stay“

 

Rock and Roll.

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Song des Tages: Moses Pelham – „Meine Heimat“


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Moses Pelham covert Lena Meyer-Landrut.

Was klingt wie ein schlecht angegangener popkultureller Witz, ist so wirklich kürzlich passiert – in der VOX-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert„.

Das Konzept hierbei dürfte bekannt sein (im Zweifel weiß Wikipedia freilich fast alles): „Sieben deutschsprachige Sänger aus verschiedenen Genres kommen an einem abgeschiedenen Ort zusammen. Jeder der ersten sieben Abende, die aufgezeichnet werden, ist einem der Musiker gewidmet. Die anderen sechs Interpreten singen jeweils in ihrem eigenen Stil ein Lied von ihm als Coverversion vor, mit Bandbegleitung, aber ohne weiteres Publikum. Vor jedem der Auftritte werden Ausschnitte aus den Originalvideos zum Vergleich gezeigt. Die Musiker kommentieren die Lieder, negative Kritik wird aber nicht geübt. Zusätzlich singt der Interpret des Abends ein eigenes aktuelles Lied und kürt am Ende der Folge den Song des Abends, dessen Interpretation ihm am besten gefallen hat. In der abschließenden achten Folge singen die Musiker dann noch einmal ausgewählte Lieder im Duett.“

Vielsagend auch der folgende Satz: „Der Song des Abends wird am nächsten Tag als Download-Single veröffentlicht. Dazu gibt es ein Album zur Staffel mit den besten Darbietungen aus den verschiedenen Folgen.“There’s no business like show business, klar. Gerade in Zeiten, in denen das Musikgeschäft schnelllebiger denn je erscheint und allzeit eine neue Penunzensau durchs – heute meist digitale – Dorf jagen muss, gilt es natürlich, auch den kleinsten gemeinsamen Nenner zu versilbern…

Doch zurück zu „Sing meinen Song„. Bei der Show, die – nach einer Idee aus dem niederländischen TV (dort heißt’s „De beste zangers van Nederland“ und ist noch zig Mal peinlicher, glaubt mir) – in Deutschland seit 2014 läuft und mittlerweile in die vierte Staffel gegangen ist, sitzen sich ja eh meist eher zweifelhafte Persönlichkeiten der bundesdeutschen Pop-Landschaft gegenüber. In der Vergangenheit waren dies etwa „Dick Brave“-Sasha, der rückständige Tiroler Volktümler Andreas Gabalier, Nervsirene Sarah Connor, Xavier „Aluhut“ Naidoo, Pur-Frontmann Hartmut „Abenteuerland“ Engler, die brav trällernden Prinzen, die auf ewig jung getrimmte Oma Nena, Wolfgang „BAP“ Niedecken, der olle Springsteen’n’Dylan-Ultra, den außerhalb Kölns sowieso kaum jemand versteht, Andreas Bourani (der mit dem WM-Song-One-Hitter), Hauchstimme Yvonne Catterfeld oder das alte Fräulein Annett Louisan (plus so einige Lückenfüller). Man merkt schnell: die so zusammengewürfelten Combos lesen sich zwar relativ spannend, klingen am Ende jedoch exakt wie der Song, den man nach – gefühlt ewigen – fünf Sekunden skippen möchte.

Auch 2017 liest sich die Besetzung kaum besser: Grinsekatze Mark Forster, Stefanie „Silbermond“ Kloß, Lena Meyer-Landrut, Moses Pelham (plus Cassandra Steen, die dieser oft zum Singen ans Mikro stellt), Michael Patrick Kelly (ja, der „Paddy“ von der Kelly Family) und der Leiter des Osnabrücker Bob-Marley-Fanclubs, Gentleman (bei dessen falsch aufgesetztem jamaikanischem Slang mich jedes Mal ein spontaner Würgreflex durchfährt). Möchte man das sehen? Oder hören? Genau.

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Und doch gibt es erfreulicherweise (auch das darf man ja gern zugeben) immer wieder Ausreißer nach oben. So geschehen bei der eingangs erwähnten Coverversionen von Moses Pelham.

Klar, auch die Personalie des deutschen Rappers und Musikproduzenten ist nicht ganz unumstritten: Anfang der Neunziger war der 1971 in Frankfurt am Main geborene Sohn eines US-amerikanischen Bluesmusikers (Moe Pelham Sr.) und einer deutschen Versicherungskauffrau einer der Mitbegründer des zwar legendären, jedoch auch kurzlebigen Rödelheim Hartreim Projekt, verhalf damals jungen Talenten wie Sabrina „Schwester S“ Setlur, Xavier Naidoo oder Cassandra Steen (Glashaus) zum Sprung in die vorderen Chartregionen, während er selbst sich immer mehr auf die Arbeit an den Reglern konzentrierte. Ja klar, Pelham ist auch der Mann, der einem gewissen Stefan Raab 1997 bei einer Rangelei während der „Echo“-Preisverleihung das Nasenbein brach (wer könnte es ihm groß verdenken). Gut, dass der mittlerweile 46-Jährige es heutzutage grundlegend ruhiger angehen lässt und die eigenen Rap-Skills nur noch alle paar Jahre unter Beweis stellt (zuletzt 2012 auf dem gar nicht mal so schlechten Album „Geteiltes Leid 3„). Andererseits sollte man froh sein über einen wie Moses Pelham in der deutschen HipHop- und Poplandschaft, sind dessen (neuere) Songs doch erfreulich frei vom gefakten Gliedvergleich-Bling-Bling-Wortschatz, den viele seiner jüngeren Kollegen so gern kultivieren. Manchmal will man eben nicht hören, was der Goldkettchen tragende, im gemieteten Sportwagen vorfahrende, milchgesichtig-aufgepumpte Sonnenbank-Azzlak gern mit der eigenen Mutter tun würde…

Auf der anderen Seite Lena. Also: Lena Meyer-Landrut. Also: Die, die 2010 (verdammt lang her fühlt sich das an), unterstützt von einem gewissen Stefan Raab (ja, der schon wieder), den „Eurovision Song Contest“ für ‚Schland gewinnen konnte (mit dem tatsächlich hundsgemein eingängigen „Satellite„). Chapeau dafür, sicher. Aber abgesehen davon – und von der Tatsache, dass sich die mittlerweile 26-Jährige noch immer im Löwenkäfig Popmusikgeschäft halten kann – ist die Dame – und mit dieser Meinung bin ich sicherlich kaum allein – einfach nur eines: aufgesetzt und unerträglich. Ernsthaft. Und wer’s nicht glaubt, der sehe sich einmal die 2012 gefilmte Folge der arte-Sendung „Durch die Nacht mit…“ an, in welcher sie mit Emo-Rapper Casper durch Berlin fährt (und nicht nur diesem mit ihrer affektiert-zickigen Art sichtlich aufs Nervenkostüm steigt).

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Long story short: Moses Pelham, in seiner Position so etwas wie Deutschlands Antwort auf P. Diddy, nimmt sich tatsächlich einen Song von Lena Meyer-Landrut vor: „Home„, erschienen 2015 auf dem Album „Crystal Sky„. Man möchte dem Liebchen ja die Gerührtheit abnehmen, aber: Dass Lena bei der Pelham’schen Variante ihres eigenen Rührstückes, dass sie damals einer verstorbenen Freundin widmete, die Tränchen übers kajalene Püppchengesicht kullern, mag ja erst einmal wenig heißen, schließlich lebt auch (und gerade) eine VOX-Show wie „Sing meinen Song“ von all den „großen Emotionen“. „Realness“? Nur, wenn’s das Script vorgibt. Lächeln, Nicken und auf Knopfdruck heulen ist unter der Sonne Südafrikas sicherlich um Einiges entspannter…

Aber ich gebe es zu: Moses Pelhams gemeinsam mit Silberjulimond-Frontfrau Stefanie Kloß zu Live-Instrumentarium vorgetragene Version, nun eben „Meine Heimat“ betitelt, hat was. Mehr noch: sie ist sehr, sehr schön. Und das sollte man, bei aller Kritik für ebenjenes TV-Format, auch einfach mal so stehen lassen.

 

 

„Meine Heimat ist ein kleiner Fleck auf dieser Erde
Hier kriegt mich keiner weg, selbst wenn ich wieder sterbe
Wurst wie hart ihr post – Mann, ums Verrecken nicht
Ich lass‘ alles los, nur diesen Fleck hier nicht
Lass‘ die Spacken, ich höre sie beleidigen mich
Ist alles Latte, nur dieses hier verteidige ich
Das bis aufs Blut, Mann, ich geb‘ alles her – mein Hab und Gut, aber das nie mehr

Meine Heimat ist ein Platz mit Licht in der Mitte
Aufgrund dieses Fakts habe ich mich gestritten
Was ein Fehler bleibt und ist, denn jeder Grund für Streit ist Gegenteil des Lichts – die Dunkelheit
Ich sag‘: Hochwürden wie er wohnt und wo er lebt
Er schuf mich nicht in Kirche, Synagoge und Moscheen
Sondern in einer Welt von nicht zu fassender Süße
Selten wie das Wasser in der Wüste

Meine Heimat ist ein Herz

Our heart goes on and on
Our hearts beating like a drum
In the dark you made me strong like you’ve always done
I’ll carry you home
You’re in my heart and in my bones
I’ll carry you home…

Meine Heimat ist ein kleines, reines Geheimnis
Allein, dass sie mein ist, ist mir unwahrscheinlich heilig
Dabei ist sie in jedem Fall ein inniges Vergnügen
Der Seele Halt und meiner Sinne Flügel
Meine Heimat ist ein pumpender Thron, der für mich schlägt
Von unten nach oben, so lang ich leb‘, und weiter
Und Du weißt, dass Du niemals mehr alleine bist, wenn meine Heimat Deine Heimat ist

Meine Heimat ist ein Herz!

And I love you, I love you…“

 

Rock and Roll.

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